Kurzgeschichte
Alltagsfetzen - Venedig geht unter

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"Alltagsfetzen - Venedig geht unter"
Veröffentlicht am 19. April 2012, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Ich bin ein Honigkuchenpferd, Honigkuchendachs, Honigkuchen, oder einfach nur Ich. http://www.rdedition.com/ http://honigkuchendachs.wordpress.com/
Alltagsfetzen - Venedig geht unter

Alltagsfetzen - Venedig geht unter

Ich gehe auf euch zu, ich lasse mich gern treiben, vom Strom, vom Gefühl des Dazugehörens. Sind wir nicht alle Elemente eines Ganzen, eines Großen, dass nur funktioniert, weil es uns alle gibt?

Ich gehe gerade die Lerchengasse entlang, und nachdem sie von der U-Bahn, die eigentlich keine richtige ist, weil sie über dem Erdboden fährt, zerschnitten wird sich in die Thalstraße verwandelt. Ich gehe bei dem Fotogeschäft vorbei, das nachts immer so grell und hell beleuchtet ist, dass es schon fast schmerzt, und bei dem Jeansgeschäft, wo es die grüne und orange Hose gibt, die ich immer bestaune, aber mich nie trauen würde zu kaufen. Ich stolpere den Gehsteigrand hinunter und lese die Schilder in den Auslagen. Ein Blumengeschäft, ein Reisebüro, ein Internet-Café Schrägstrich Supermarkt und eine dieser obskuren Glücksspieleinrichtungen. Ich erinnere mich, als ich als Kind immer Engelchen flieg gespielt habe, wobei mich mein Vater rechts und meine Mutter links an den Händen hielten und fliegen ließen. Runter vom Gehsteig, über die Straße laufen und rauf auf den Gehsteig fliegen. Ich erinnere mich, als ich das erste Mal Ecstasy eingeworfen habe, auf einer versifften Toilette in meiner Lieblingsdisco. Danach konnte ich ohne Mutter und Vater fliegen. Ich gehe geradeaus, die ganze Zeit, an den Kebab Buden vorbei, an Eitrige und Pugl und Sechzehnerblech. Ich schau nach rechts, wo die Lokale anfangen sich an einander zu reihen. Da, wo alle immer draußen sitzen und Fußball schauen, da, wo die Leute zwischen Menschen gestopft Poetry Slammern lauschen, und da, wo eigentlich nie etwas los ist, aber trotzdem immer alle hingehen, weil die Bar an der Decke hängt und sich im Kreis dreht und das ab einem gewissen Grad an Trunkenheit verfickt noch mal fantastisch ist. Ich schau nach links, wo es rot leuchtet und nach Verruchtheit duftet. Ich erinnere mich, als ich auf die U-Bahn, die eigentlich keine ist, wartend aus dem verglasten Warteplatz starrte und ich etwas las, das mich ganz und gar verwirrte: „Deokabinen“. Was mag dort wohl geschehen? Aber bevor ich mir den Kopf zerbrach, machte ich einen Schritt seitwärts und erkannte, dass ein Baum mir die Sicht verstellt hatte. Es hieß natürlich „Videokabinen“. Und was darin geschehen mag, ich wollte es gar nicht so genau wissen. Eine rote Ampel hält mich auf meinem Spaziergang auf. Ich bleibe so knapp am Gehsteigrand stehen, dass ich den Luftzug der vorbeirasenden Autos spüren kann. Nur ein kleiner Stoß von hinten und ich liege auf der Straße. Geköpft von Reifen. Hier, vor diesem Möbelgeschäft, wo es die Auto-Kinder-Betten gab. Schräg links vor dem hippen, neuen Lokal mit den Hip Hop Homies und den Hooligans. Aber dann bekommen die Autos schon rot, und ich grün. Ich gehe weiter, an Tschickautomaten und Handarbeitsgeschäften vorbei, der leere Markt besudelt mein Gemüt mit viel zu vielen Gerüchen. Überbleibsel eines eifrigen Tages, voller Obst, Fleisch und Wrestler T-Shirts. Ich muss meine Musik wechseln, die Stimme des Sängers nervt mich. Dann geht plötzlich Venedig unter, die Sonne auf, und alles wird gut. 

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Ich bin ein Honigkuchenpferd, Honigkuchendachs, Honigkuchen, oder einfach nur Ich.

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Brubeckfan Deokabinen - Vor paar Tagen mußte ich heftig an Dich denken (Jaja!), weil ich in Berlin erst ein Tomatencenter für Spielsüchtige entdeckte, und abends strahlte danach die riesige Leuchtreklame einer Alli-Versicherung vom Hochhaus, ich glaub, das ist das größte türkische Institut im DAX.
So geht das manchmal.

In unbeirrbarer Zuversicht auf Neues aus Deinem Keyboard,
viele Grüße,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Tja. Obwohl najaaa. -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 23.04.2012 - 00:54 Uhr) Doch, ich kann mir nicht vorstellen, warum ein gescheiter charmanter Text über Musik langweilig wäre. Das Genre ist hier eh unterrepräsentiert.

Ach so, Venedig geht unter -- hörst Du Mahler beim Schreiben?
Falls das stimmt, stehn mir paar Deiner Coins zu.
Nicht.


Danke für den Anstoß, ich werde schaun, was mir die Muse ins Ohr flüstert.

Coins? hm? Wasdas? Aber nein, ich höre Gegenwärtiges. Den Nino aus Wien, der hat sehr schöne Texte und eine einzigartige Stimme. Nicht jedermanns Sache, aber meine bestimmt. Und ein Lied von ihm ist "Venedig geht unter". Das war der ganze Spuk!
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Re: Re: Re: Re: Re: Re: Tja. Obwohl najaaa. - Doch, ich kann mir nicht vorstellen, warum ein gescheiter charmanter Text über Musik langweilig wäre. Das Genre ist hier eh unterrepräsentiert.

Ach so, Venedig geht unter -- hörst Du Mahler beim Schreiben?
Falls das stimmt, stehn mir paar Deiner Coins zu.
Nicht.
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Re: Re: Re: Re: Tja. Obwohl najaaa. -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 22.04.2012 - 21:02 Uhr)
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 22.04.2012 - 20:54 Uhr)
das ist doch langweilig oder nicht?

Musik? langweilig??
Nackenhaar sträub
Du meinst, ohne Deinen Brechtschen V-Effekt.
Bin mir aber sicher, Dir gelingen bei jeglichem Thema surreale Effekte. Auch in der Reportage über Inbetriebnahme eines Betonwerks.

Tschüs,
Gerd



Ich mein doch nicht die Musik!!! Aber ich stell mir das blöd vor, wenn ich nur über die Musik schreibe, die ich so höre. Oder meinst du Musik generell? Das wäre natürlich toll.
Und da bin ich mir auch sicher. Aber es ist gut, dass das auch andere so sehen!

Schönenabend
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Re: Re: Re: Re: Tja. Obwohl najaaa. -
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 22.04.2012 - 20:54 Uhr)
das ist doch langweilig oder nicht?

Musik? langweilig??
Nackenhaar sträub
Du meinst, ohne Deinen Brechtschen V-Effekt.
Bin mir aber sicher, Dir gelingen bei jeglichem Thema surreale Effekte. Auch in der Reportage über Inbetriebnahme eines Betonwerks.

Tschüs,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Re: Re: Tja. Obwohl najaaa. -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 22.04.2012 - 20:29 Uhr)
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 21.04.2012 - 11:25 Uhr)
Das liegt an der Musik, die ich neben dem Schreiben höre. Die verwirrt mich und dich und alle alle alle. Aber besonders die andern.
DANK!

Und wenn Du mal nur über die Musik schreibst?


das ist doch langweilig oder nicht?
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Re: Re: Tja. Obwohl najaaa. -
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 21.04.2012 - 11:25 Uhr)
Das liegt an der Musik, die ich neben dem Schreiben höre. Die verwirrt mich und dich und alle alle alle. Aber besonders die andern.
DANK!

Und wenn Du mal nur über die Musik schreibst?
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Öhhh, jetzt suche ... -
Zitat: (Original von PhanThomas am 21.04.2012 - 17:08 Uhr) ... mal nicht nach dem Sinn und so. Et hilft ja doch nischt! Vielleicht solltest du mal so ganz straight ohne Musik schreiben. Was dann wohl rauskäme? Huh, wobei, nee, dann doch lieber so. Ich les deine textlichen Eintöpfe ja doch immer sehr gern. :-)

Liebste Grüße
Der T.


ich hab ja schon irgendwie gehofft, dass dies leicht verständlichere kost sein würde und dir daher irgendwie gefallen würde. so kann man/frau sich irren :)
aber glaube mir, selbst ohne musik wäre es genauso verwirrend, ausnahmen bestätigen die regel. oder so. freut mich jedoch umso mehr, dass du beharrlich meiner schreiberei treu bleibst, auch wenn sie dir irgendwie komisch vorkommt!

Liebste Grüße,
Kuchenexpertin
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Öhhh, jetzt suche ... - ... mal nicht nach dem Sinn und so. Et hilft ja doch nischt! Vielleicht solltest du mal so ganz straight ohne Musik schreiben. Was dann wohl rauskäme? Huh, wobei, nee, dann doch lieber so. Ich les deine textlichen Eintöpfe ja doch immer sehr gern. :-)

Liebste Grüße
Der T.
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Tja. Obwohl najaaa. -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 20.04.2012 - 17:05 Uhr) Lange stimmt man Dir zu. Nicht eindeutig, was in der Deokabine passiert. Auto-Kinder auch nicht. Und wenn mans so schön gemütlich hat und glaubt man weiß wo man sei, da fährt die U-Bahn, die keine ist, durch Venedig oder wars umgekehrt?
Anregende Lektüre!


Das liegt an der Musik, die ich neben dem Schreiben höre. Die verwirrt mich und dich und alle alle alle. Aber besonders die andern.
DANK!
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