Biografien & Erinnerungen
Mäuschen - Eine Stadt hält den Atem an

So fing es an

Es ist November und bitterkalt.

Seit Tagen liegen wir abwechselnd auf der Lauer... 
wir erwarten einen Tiertransport mit ca. 30 Großhunden für das Versuchslabor eines Großunternehmens. 
Die Tiere sollen aus dem Münsterland kommen.
Wir liegen auf dem Dach des Tierstall`s, die Videokamera im Anschlag. Es ist still, zu still. Wir frieren und zusätzlich kraucht uns die Kälte der Wut über den Rücken.

Täglich erreichen uns verzweifelte Anrufe und Briefe mit Bildern von Tierbesitzern, die ihre Lieblinge vermissen.
                                   ... und immer wieder das Gleiche ...
  "helft uns, unser Hund ist plötzlich verschwunden, er ist noch nie weggelaufen"
                                   ----- unsere Katze ist weg -----

Tierschutz ist harte Arbeit, zerrt sehr an den Nerven...aber es lohnt sich immer, sieht man die Dankbarkeit der Tiere nach ihrer Befreiung !

Hier das Tier, herausgerissen aus seiner gewohnten Umgebung....hungernd, frierend, durstig, geschunden und völlig verängstigt....

Dort ist der tierliebe, ohnmächtige Mensch, der nicht mehr weiter weis und.....

dann ist da noch die Bestie Mensch, egoistisch, eigennützig und geldgierig. Bei ihr spielt ein Tierleben keine Rolle, sie liest keine Vermißtenblätter ... nur Kontoauszüge.

Mäuschen ist verschwunden

Auch einer guten Bekannten erging es wie vielen anderen Tierhaltern.......

Im Sommer verschwindet ihre kleine Pudelhündin aus dem eigenen Vorgarten am hellen Tag und niemand bemerkte etwas !

Alles Suchen und Rufen ist vergeblich, Monate lang bis.........

........ja, bis meine Bekannte an einem Freitag nachts um zwei Uhr einen Funkruf erhält, der sie aus ihren Gedanken reißt.

Das Funkgerät ist immer eingeschaltet und auf Empfang, denn ihr Mann ist Trucker, steuert einen großen Silotruck und wird in dieser Nacht zurück erwartet. Er ist schon in Höhrweite...und nicht nur er... als folgender Spruch über den Äther kommt......

           QRX ....... bitte dringend melden...

           Hier...... bitte kommen

und die folgende Nachricht macht sofort den Rufkanal frei...es ist nicht mal mehr ein Rauschen zu höhren....

währenddessen liegen wir auf dem Dach des Tierstall`s und warten, warten und warten.......die Videokamera im Anschlag. Da, jetzt geht im Auslauf das Licht an und fünf Hunde kommen heraus. Sie laufen wie an einer Schnur gezogen, gemächlich hintereinander, Schritt für Schritt vorwärts...die Kamera läuft mit und nimmt die Tiere auf.....

     - ein Boxer, ein Aprikot-Pudel, zwei große Mischlinge und ein kleiner schwarzer Zwergpudel -

von oben kommt frische Luft, die Tiere sehen ganz langsam, wie in Hypnose nach oben. So kann ich alle Gesichter heranholen und filmen. Als ich den schwarzen Pudel mit der Kamera einfange, schlägt mein Herz rasend und mir schießt Mäuschen durch den Kopf........

Ist das Mäuschen ? das wäre ja nicht zu fassen, denn sie wird bereits seit August, also seit ca. vier Monaten vermißt !

Eilig gehe ich zu meinem Wagen an`s Funkgerät und rufe durch..... die Antwort kommt sofort, denn Mäuschen war nicht abgeschrieben und wir konnten jederzeit mit ihrem Auffinden rechnen........

                 QRX an.......bitte sofort melden.....ja hier ....was liegt an ?

.....ich glaube, ich habe Mäusche gefunden, kommt bitte sofort her .....

bei allen unseren Aktionen ist der Standort hinterlegt und wer auch immer angefordert wird, weis wohin er zu kommen hat, ohne großartige Erklärungen...

der Trucker überlegt nicht lange, reißt das Lenkrad herum und rollt zu unserem Standort. Zeitgleich setzt sich seine Frau in den Pkw und fährt los.

In der Zwischenzeit bin auch ich wieder auf meinem Posten und habe Glück, denn die Hunde sind noch draußen und noch sind wir nicht entdeckt....

Die Trucker-Frau trifft zwanzig Minuten später ein, ich zeige ihr die Videoaufnahmen und sie will sofort losstürzen. Gerade noch kann ich sie zurückhalten als wir schwere Motoren heran kommen hören...dem Trucker hatten sich zwei Kollegen angeschlossen, die nun in die enge Gasse einbogen.

In der sonst so ruhigen Gegend dröhnen die schweren Motoren, Lichter gehen an und Leute kommen auf die Straße, wollen wissen was los ist.... Nach kurzem Lagebericht sind auch die Menschen aufgebracht, nur aus dem Versuchslabor läßt sich niemand blicken...

Der Experimentator sieht am Fenster die vielen Leute, aufblitzende Kameras, die drei Lastzüge und es muß ihn wohl ängstlich gemacht haben, als wir dann noch an der Tür klingeln....Nur durch die Türsprechanlange fragt er nach unseren Wünschen

...der Trucker sagte nur.....

----Geben sie mir meinen Hund raus, oder ich komme rein -----

Keine Antwort - dann nach einer Weile - ich habe ihren Hund nicht -

-----Geben sie mir meinen Hund raus, ich warte zehn Minuten, dann komme ich rein --------

 .....       Stille    .........

Es war auf einmal so still, daß man hätte das Gras wachsen hören können.

Eisiger Wind weht uns um die Ohren und es beginnt zu schneien. All das nehmen wir nicht wahr. Die Spannung liegt wie lähmend in der Luft....

Nach fünf Minuten gehen der Trucker und seine Kollegen zu ihren Fahrzeugen und starten die schweren Motoren....unter dem Beifall der anwesenden Passanten.........

Da trifft die Polizei ein, hören was wir zu sagen haben, denn der Professor hatte sie gerufen. Die Beamten sehen sich unseren Videofilm an und erreichen zunächst, daß keines der fünf Tiere bis zur Klärung "verbraucht" wird !

Ja, verbraucht, so heist es im Fachjargon der Experimentatoren.

Wir bleiben noch, bis die drei LKw weggebracht und die Halter des Pudels wieder zurück sind, denn wir warten ja noch immer auf den Tiertransporter mit den dreißig Versuchshunden.

So langsam geht die Nacht vorbei, der Transporter kommt nicht....hat er was gerochen....ist er gewarnt worden...?

Jetzt kommt unsere Ablösung, wir besprechen kurz die Lage und ab geht es, denn jetzt ist Samstag und trotzdem müssen wir zu Behörden.

Schnell nach Hause, duschen, umziehen, essen und weiter geht`s -

Erst mal benachrichtige ich den Rechtsanwalt, der sich auf Tierschutz spezialisiert hat, wir bekommen eine einsweilige Verfügung, einen Gerichtsvollzieher, telefoniere mit dem Tierarzt, und fordere ein Tiertransportfahrzeug an. Die Besitzer haben ihre Beweise geholt, die sie als Eigentümer nachweisen. Nun wird noch die Presse und das Fernsehen benachrichtigt und so ausgerüstet stehen wir wieder am Samstag um siebzehn Uhr vor dem Tierstall der Firma, hinter deren Glastür etwa zwanzig Polizisten auf uns warteten...Warum ?

Mit Amtshilfe und Medien kämpfen wir um Mäuschen

Der Gerichtsvollzieher wendet sich an die Polizei....Wir wollen den schwarzen Pudel abholen.......doch angeblich ist der Professor nicht da....Wiedermal warten wir.....Nach einer Stunde kommt der Professor, kann uns aber angeblich den Hund nicht herausgeben weil der Tierpfleger den Schlüssel zum Tierstall hat und schon zuhause ist.

Nun fühlt sich auch der Gerichtsvollzieher verschaukelt und wird böse...Er bittet einen Polizisten, ihn zum Tierstall zu begleiten, doch das soll jetzt auch nicht gehen denn die Tiere brauchen ihre Ruhe und könnten sonst unruhig werden !

Unsere Nerven liegen blank..........die Zeit kriecht nur so dahin und es geschieht nichts......

Jetzt ist der Gerichtsvollzieher nicht mehr zu halten, sowas ist ihm ja auch noch nicht untergekommen, und geht mit einem Polizisten durch den Flur zum Tierstall....Er braucht nicht zu suchen, denn einer der Hunde hat sich ganz schwach gemeldet......siehe da, nun ist auch ein Pfleger da, der sogar einen Schlüssel hat.........

Auch uns hält jetzt nichts mehr, alle fünf Hunde werden aus dem Tierstall geholt.

Der Anblick der Tiere aus der Nähe zerrt an unseren Nerven, denn die Halter der restlichen vier Hunde sind uns bis dahin noch unbekannt. Für deren Ermittlung erhalten wir eine Frist von acht Tagen....eine sehr kurze Galgenfrist ! In der Zwischezeit dürfen sie nicht verbraucht werden und kommen an einen neutralen Ort......

Da steht das Mäuschen nun vor uns......stumm, regungslos wie ein abgestellter Koffer, gelähmt durch ruhig stellende Medikamente. Das Fell verfilzt und stumpf, die Augen sehen stur geradeaus ins Leere. Ein jämmerliches Bild, keinerlei Reaktionen auf Zurufen. Es zerreißt uns das Herz. Schnell verlassen wir mit Mäuschen das Gelände und direkt zum Tierarzt. Das Alles dreht das Fernsehen mit.

Bereits achtundvierzig Stunden auf den Beinen, trennen wir uns gegen Mitternacht zwar hundemüde aber glücklich über das bisher Erreichte...

Die Firma muß die Kaufbelege der Tiere vorlegen und so erfahren wir, daß alle fünf Hunde von einem Tierhändler aus Essen stammen.....

Recherchen

Gleich am nächsten Morgen fahren wir nach Essen,

von dort aus ins Münsterland, wo wir noch zwei tätowierte Tiere finden, die auf der Vermißtenliste der Dortmunder Tierschützer stehen.

Wieder zwei gefundene Tiere, die noch am gleichen Tag ihren Besitzern übergeben werden. Die Wiedersehensfreude kann sich wohl jeder Mensch mit Herz vorstellen.

So gelangte Mäuschen in`s Versuchslabor.....

Von Tierfängern gestohlen, im Münsterland an Tierhändler verkauft, die die Tiere untereinander austauschen, weit weg von zuhause sind und dort nicht gesucht werden, dann an Versuchslabors zum Kilopreis verkauft.

Die dazugehörigen Unterlagen und Kaufverträge stellen sich die Händler untereinander gegenseitig aus.

Es gibt aber auch "tierliebe" Halter, denen Hunde zuviel werden und sie verkaufen ihre Hunde selbst zu einem Festpreis an die Labore.

Arme Tiere...ist es da ein Wunder, daß Gesundheit, Pflege, Futter und Psyche auf der Strecke bleiben ?

Jetzt geht es um Alles

Unsere Recherchen teilen wir dem Anwalt mit, der sich mit den Medien in Verbindung setzt und am selben Abend berichtet das Fernsehen von einer unglaublichen Tierquälerei und einer spektakulären Befreiungsaktion eines gestohlenen Hundes in allen Einzelheiten.

Die Bevölkerung ist wachgerüttelt, droht dem Professor, beschmiert Plakate und Wände mit blutroter Farbe. Transparente mit der Aufschrift - Tierquäler - Tiermörder werden an der Firma befestigt.

Mäuschen ist so krank, daß sie ganz apatisch in ihrem Körbchen liegt. Sie muß wieder lernen richtig zu fressen, zu laufen, wieder ruhig zu schlafen.

Täglich geht es ein wenig besser, doch die Entzugserscheinungen der Medikamente sind noch schrecklich. Mäuschen hustet, röchelt, bekommt keine Luft, streckt sich steif und ihr kleiner Körper schüttelt sich in Krämpfen.

Bis der kleine Körper entgiftet, aufgepäppelt und frei von Entzündungen ist, vergehen noch ca. acht Wochen in denen sie gehegt und gepflegt wird.

Wochen der Angst, schafft sie es oder nicht, der intensiven Pflege und Zuwendung sind vergangen.

Jetzt können wir wieder aufatmen, Mäuschen hat es geschafft, sich gut erholt.

.........DER TIERVERSUCH ZUM WOHLE DER MENSCHEN.......

Jetzt ist Mäuschen wieder fit, tobt und tollt herum, ihr Fell glänzt wie Seide und fühlt sich watteweich an. Doch vergessen wird sie lange nicht können.

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Nun kam der Tag X, der Gerichtstermin und wieder ist das Fernsehen und die Presse dabei, die Öffendlichkeit ist interressiert.

Alle gesammelten Werke, Beweise, Atteste, Befunde, Fotos und Zeugenaussagen hatte das Gericht zu beurteilen.

Die Anwälte tragen ihre Argumente vor und dann kommt das Urteil.................

Totenstille im Saal, nicht mal die Nebenklägerin (Mäuschen) wagte sich zu bewegen, denn wir, die paar Tierschützer klagen gegen eine sehr große Firma für einen kleinen Hund und...........niemand glaubte es, wir hofften nur.........GEWONNEN......Mäuschen ist frei......

Jetzt ist es amtlich, Mäuschen darf wieder nach hause und ich übergebe sie noch im Gerichtssaal mit samt ihrem Körbchen den rechtmäßigen Besitzern.

Wir bedanken uns beim Gericht und verlassen nun überglücklich das Gerichtsgebäude. Das ist ein großer Moment, doch leider nur ein kleiner Erfolg wenn man an das restliche Tierelend denkt.

Zwei Tage später können alle eine Anzeige in der Zeitung lesen:

.........Ich wurde ein zweites mal geboren und bedanke mich bei allen Beteiligten, die für mich da waren:

         Tierschützer, Tierarzt, das Fernsehen, die Presse, der Anwalt, Labormitarbeiter, Apotheker,

         Gerichtsvollzieher, Polizei, Frisör, Zeugen und der Richter

                                             Euer Mäuschen

Schon bald wurde sie stolze Mama und brachte sechs prachtvolle Kinderchen auf die Welt