Innerlich aufgewühlt verließ sie Fullers Wohnung. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre gestolpert, über einen der vielen Schuhe, die vor seiner Wohnungstür abgestellt waren. Dies steigerte ihren Ärger noch mehr. Sie eilte die vielen Treppen hinunter und holte tief Luft, als sie ins Freie trat.
„Was bin ich doch für ein dummes Weib“, schimpfte sie innerlich. „Da gehe ich zu einem mir kaum bekannten Mann um ein gemütliches Frühstück zu genießen und eine schöne Zeit mit ihm zu verleben, träume von Gemütlichkeit, Gemeinsamkeit, habe den Wunsch mehr über diesen Fuller zu erfahren, nun ja, das Letztere ist mir gelungen. Er ist ein unordentlicher, taktloser Kasper, der nicht mal einen Kaffee kochen kann. Seine Wohnung stinkt wie eine Räucherkammer. Wenn ich schon dran denke wie er da im Rippenstrickhemdchen saß, einfach nur peinlich. Ranzige Butter einem Gast anzubieten ist doch wirklich das Letzte!“
Die Bewegung an der frischen Luft taten ihr gut. „Mein Gott, ich bin ja völlig von der Rolle. Jetzt kriege dich mal wieder ein Imana“, sagte sie sich. Es half, denn urplötzlich fing sie an zu lachen und zu kichern. Sie wurde sich der Komik des gerade Erlebten bewusst, kicherte und lachte vor allem über sich selbst. Staunte darüber, dass dieser Fuller sie dermaßen leicht aus ihrer inneren Mitte herauskatapultieren konnte. „Das ist echt grass“, sagte sie vor sich hin. Den Blick auf den Boden gerichtet, innere Filme beobachtend lief sie nach Hause.
Dort angekommen bereitete sie sich als erstes einen Kaffee, der dem Namen keine Schande machte.
Duftend, aromatisch, stark, schwarz wie die Nacht. „Das ist ein Kaffee“, sagte sie lächelnd und genoss den ersten Schluck. „Aaaah, ist das gut!“ Nach Fullers dünnem Muckefuck schmeckte er ihr noch besser als sonst. „Ich bin einfach nur froh, dass ich wieder zuhause bin. Hier ist es so, wie ich es mag. Hier fühle ich mich wohl.“ Die Brötchen hatte sie bei Fuller gelassen. Zum Glück war noch Brot im Brotkasten. Sie schnitt sich eine Scheibe ab, bestrich diese dick mit frischer Butter und gab Honig darauf. „Wow, das ist doch was“, freute sie sich und genoss ihr verspätetes Frühstück. „Warum bin ich nur dahin gegangen? Ich verstehe mich selbst nicht.“ Sie suchte eine Erklärung für ihr Verhalten. „Ich hatte eine schöne Vorstellung, ich hatte einen Traum. Dabei weiß ich doch, dass auf Vorstellungen meist Enttäuschungen folgen und Träume in die Traumwelt gehören und nicht in den Alltag. Ich sollte aufhören mir etwas vorzustellen und die Träume nicht mit der Wirklichkeit verwechseln.“ Während sie sich die zweite Tasse Kaffee gönnte und auch ein zweites Honigbrot kehrte langsam aber sicher wieder Ruhe in sie ein. Eine Ruhe die in eine schwere Müdigkeit mündete. Sie setze sich in ihren breiten Kuschelsessel, legte die Beine auf den dazugehörigen Hocker, drückte sich ihr Lieblingskissen zurecht und deckte sich mit der kuscheligen roten Decke zu. Kurz darauf war sie eingeschlafen und nun im Reich der Träume war alles möglich. Sie träumte von einem üppigen Frühstück in einem sonnigen, lichtdurchfluteten Wintergarten. Zitronen- und Orangenbäumchen und herrliche Azaleen schmückten den Raum. Auf einem Beistelltisch stand in einem Sektkühler eine Flasche Champagner. Frisches Obst, Käse, Eier, Omlette, Joghurt, Quark und ihr geliebtes Leinöl, alles war märchenhaft. Sie frühstückte nicht alleine. Sie unterhielt sich angeregt mit einem Mann, den sie nicht kannte. Es war eine fröhliche, vertraute Stimmung. Und der Kaffee war köstlich. Sie fütterten sich gegenseitig mit Weintrauben, kicherten und scherzten. Der Mann stand auf, reichte ihr seine Hand, Imana erhob sich und beide tanzten zu einer unbekannten Melodie. Märchenprinz und Märchenprinzessin - ein Traumpaar. Es gab nur diese beiden und sie tanzten und lachten in ihrer Traumglückseligkeit. Imana lächelte im Schlaf.
Das Klingeln ihres Telefones holte sie zu schnell aus diesem wundersamen Traum. Es dauerte einige Sekunden bis sie bei sich war und ein paar Weitere bis sie den Hörer abhob. Sie erwischte sich bei dem Gedanken: „ Das ist sicher Fuller.“
„Hallo Imana, ich habe gerade an dich gedacht. Wie geht es Dir?“
„ Es geht mir wieder besser. Morgen komme ich wieder“, antwortete Imana.
„Das ist aber sehr schön, da freue ich mich sehr, dass es dir wieder besser geht und ich dich morgen hier sehe.“
„Und ich erst“, erwiderte Imana. „Soll ich Brötchen mitbringen?“
„Hey, gute Idee, dann koche ich einen guten Kaffee! Dann gelingt die Arbeit doppelt so gut.“
„Bis morgen Martha!“
„ Bis morgen Imana, schön, dass du so schnell wieder fit bist!“
Während sie den Hörer auflegte dachte Imana:“ Martha ist einfach die beste Chefin der Welt. Ich freue mich auf das Frühstück mit ihr.“
