Romane & Erzählungen
Tage danach

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"Tage danach"
Veröffentlicht am 11. April 2012, 514 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

seit 07 wegen voller Erwerbsminderung berentet, bin ich jeden Tag online aktiv. Da ist zuerst mal www.teschuwa-hausisrael.org, wo ich CoAdmin bin. Hier versuche ich, eine Möglichkeit zum Veröffentlichen meiner Arbeiten zu nutzen, aber auch weiteren Autoren zu helfen, sei es durch Anregung, ermutigende Worte oder konstruktive Kritik.
Tage danach

Tage danach

Beschreibung

Apokalypse? Weltuntergang? Nein, sage ich ganz klar, denn die Zukunft ist immer präsent. In `Tage danach´ begegnet uns eine Serie weltweiter Katastrophen, deren Auswirkungen als deutliche Veränderungen in der Landschaft zu sehn sind. von den vielen Schauplätzen betrachten wir Europa. Hier arbeiten Wissenschaftler an einem privaten Forschungsprojekt, als das Chaos über sie hereinbricht. Ihr Leben wird nie mehr das Selbe sein... Im Durcheinander begegnet ihnen ein Mann, der offenbar etwas weiß, nach dem sie viele Jahre fieberhaft gesucht haben. Da ist ein Buch, das ihre Fragen zu beantworten vermag. Doch es wurde schon längst in die Liste verbotener Literatur aufgenommen. Nur wenige Exemplare sind ihrer Vernichtung entgangen. Der Fremde scheint zu wissen, wo man sie finden kann. Allmählich treffen die Wissenschaftler weitere Kollegen und stellen ihnen den Mann vor. Bald entsenden sie einen Suchtrupp unter seiner Führung. Werden sie das Versteck rechtzeitig erreichen? Unerwartet stoßen sie auf neue Freunde. Aber auch Gefahren lauern ihrer. Der Roman wartet mit mancher Überraschung auf und hat etwas von SciFi, Romanze und Gesellschaftskritik.

Kapitelübersicht

1 was war nur geschehn?
2 Aufdeckung
3 das verbotene Buch
4 die Reise
5 Vernichtung
6 Alien
7 Befreiung

was war nur geschehn?

Es regnete seit Tagen schon, und fast ununterbrochen trommelten schwere, dunkelgraue Tropfen aufs Blechdach. Sir Ede Tom hatte sich diesen Unterschlupf auserkoren. Er hatte nicht allzulange nach einem Platz wie diesem Ausschau halten müssen, so dass der giftige Regen ihn nicht erwischte.
Er hatte bis jetzt noch einen kleinen Vorrat an Spezialnahrung bei sich, doch die ging nun zur Neige. Ob außer ihm noch weitere Kollegen die entsetzliche Katastrophe überlebt hatten, konnte er wohl vorläufig nicht in Erfahrung bringen. Alles war so überraschend gekommen! Sir Ede Tom konnte sich nur mühsam an Einzelheiten erinnern. Wirklich niemand schien zu wissen, was genau vorgefallen war innerhalb der vergangenen Tage. Zusammen mit seinen Kollegen war er grade an einem speziellen Forschungsprojekt dreier Versuchsanstalten beteiligt, als es eine Reihe von gewaltigen Erschütterungen und Explosionen gab. Er selber hatte sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Was wohl aus ihrer jahrelangen Arbeit geworden war? All die Mühe bei den unzähligen Experimenten und ständigen Berechnungen- war nun alles wertlos?
Sir Ede Tom schüttelte heftig seinen Kopf bei diesen Gedanken, so als wolle er sie nicht in sein Inneres kommen lassen. Er überlegte angestrengt, welche Schritte nun zu tun sein: Er musste auf jeden Fall weitere Nahrung finden, um nicht ziellos in der Gegend herumzuziehn. Hatte sich erst einmal genug davon eingefunden, so dachte er, ließe es sich hier unter dem Blechdach vortrefflich ein paar Tage aushalten. Auf ein Ende des giftigen Regens konnte man ja nun doch nicht warten. So war er froh, dass er seinen Schirm bei sich trug an jenem Tag, als sie das Gebäude verließen. Erst gab es dieses fürchterliche Beben, bevor die akustische Alarmanlage einsetzte. Geistesgegenwärtig hatte er einige wichtigen Unterlagen eingesteckt und rannte mit den Kollegen dem Ausgang zu. Da fiel sein Blick auf jenen Schirm, den er für alle Fälle stets da deponierte. Kaum waren die Letzten draußen, blitzte es auch schon so hell wie bei einer Wasserstoffbombe. Unmittelbar hinter ihnen begann ein tosendes Inferno. Wo sie noch vor ein paar Minuten konzentriert am Projekt gearbeitet hatten, erfüllte sich jetzt die Luft mit dem Lärm berstender Scheiben und zerbrechender Büromöbel. Es befanden sich zu allem Übel auch einige hochexplosive Chemikalien im Hause, die nun völlig außer Kontrolle waren und schwerwiegende Zerstörungen im Gebäudekomplex anrichteten. Dann brach diese unheimliche Dunkelheit über die gesamte Gegend herein. Die Luft war schwarz von dichtem Ruß, als wäre plötzlich ein Vulkan ausgebrochen.
Sie waren zu verwirrt, um sich durch Rufe zu verständigen. So verlor man sich in der Dunkelheit. Sir Ede Tom hatte einen starken Akkuscheinwerfer aus dem Labor mitgenommen. Es war ein handlicher DC9er. Diese Handscheinwerfer stellten eine nützliche Erfindung dar: Man konnte sie überallhin mitnehmen. Mit diesen kleinen Geräten waren Objekte viel besser ausleuchtbar, als mit jenen altertümlichen Taschenlampen.
Auch dachte er daran, ob vielleicht ein paar Zähne und Knochen, die Objekte der jahrelangen Untersuchungen, die Katastrophe überdauert hätten. Seine Forschergemeinschaft befasste sich mit ausgestorbenen oder zumindest verschollenen Tiergruppen.
So war bekannt, dass nur noch 2% aller Arten am Leben waren. Dieser Verlust war garantiert hausgemacht, davon war die Forschergemeinschaft überzeugt. Doch die Öffentlichkeit hatte allem Anschein nach kein Interesse an dieser Feststellung. Viel lieber machte man "Urweltkatasthrophen" für das Desaster verantwortlich. Schon alleine der bloße Gedanken an eigene Schuld war den Menschen unerträglich.
Die Allgemeinheit ging noch immer vom "neutralen" Menschen aus: Der Mensch wurde geprägt von seiner Umwelt und reflektierte lediglich die ihm begegnenden Eindrücke. Demnach konnte niemand für seine Lebensäußerungen verantwortlich sein. Gewiss, damals traten Mahner auf und riefen öffentlich aus, dass jeder Einzelne sehr wohl ein Gewissen besäße. Doch rasch wurden sie zur Räson gebracht.
Akademiker wie er wussten um den Verbleib dieser mutigen Rufer, doch man musste äußerst vorsichtig sein mit kritischen Bemerkungen, wenn man ihnen nicht hinterherfolgen wollte. Die menschliche Gesellschaft duldete keine Infragestellung ihrer selbst. Dies war ein unausgesprochenes Tabu.

Sir Ede Tom schritt behutsam über den nassen Boden. Alles war durch den Regen aufgeweicht, und der abgeregnete Ruß bildete jetzt eine schmierige Schicht. Er vermied sorgfältig jeglichen Kontakt mit dem giftigen Regen, der noch immer niederprasselte. Er hatte nicht die geringste Lust auf zusätzliche Schwierigkeiten, wie sie bei Kontakt mit giftigen Substanzen auftraten. Zwar hatte der Regen wieder eine klare Färbung, doch man konnte noch immer eine gewisse Trübung feststellen. Jetzt schaute er leicht auf, um seine Umgebung besser wahrnehmen zu können. Wie erschrak er nun: War das, was er da in einiger Entfernung wahrnahm, wirklich sein Arbeitsplatz? Seine geliebte Forschungsanstalt, in der er fast sein ganzes bisheriges Leben zugebracht hatte- eine Ruine? Nur schwer konnte er sich mit dieser neuen Realität abfinden. Aber was half jetzt alles Jammern? Also steuerte er zielstrebig auf das Gebäude, oder was noch davon übrig geblieben war, zu. Vielleicht, so dachte er sich, konnte man ja noch weitere Gegenstände bergen.
Bis auf ungefähr 100 m hatte er sich dem Gebäude genähert, als er dort eine Gestalt erblickte. Neue Hoffnung durchströmte Sir Ede Tom, und er beschleunigte seinen Schritt, so gut es der schlüpfrige Boden zuließ. Inzwischen hatte die andere Person ihn bemerkt und wandte ihm das Gesicht zu. Bradford! Es war sein langjähriger Kollege und Mitarbeiter Bradford. Freudig begrüßten sich die Männer. Bradford´s ohnehin schon hageres Gesicht war noch stärker eingefallen. Bestimmt hatte er während der ganzen Zeit, die seit der Katastrophe vergangen war, nichts gegessen. „Bill, wie geht es dir?", fragte Sir Ede Tom seinen Kollegen, „Hast du Schmerzen, bist du verletzt? ...und wo sind die Anderen?“ Bill Bradford war zwar erst um die 40, doch sein Äußeres ließ ihn wesentlich älter erscheinen. Diese Tage hatten ihn sehr mitgenommen, und müde murmelte er etwas von Regen. Durchnässt sei er, und wo die Anderen geblieben waren, wusste er auch nicht. Vergessen war das Institut: Sir Ede Tom hatte sich jetzt zuerst um seinen Kollegen und Mitstreiter zu sorgen. Bill Bradford war ein äußerst wacher Zeitgenosse, und so ergab sich von Anfang an ein inniges Verhältnis der Forscher untereinander. „Komm, Bill, du brauchst jetzt erst mal Ruhe. Ich habe einen sicheren Unterschlupf gefunden.“ Mit diesen Worten legte er seinen Arm um Bradford´s Schulter. Beide gingen jetzt Schritt für Schritt zurück in Richtung der Zuflucht. Bradford war schon sehr geschwächt, so dass die Männer ein paarmal fast ausgeglitten wären. Irgendwie erreichten sie doch noch das Ziel. Als Bill Bradford sich endlich auf dem notdürftigen Lager niedergelassen hatte und eingeschlafen war, machte Sir Ede Tom sich wieder auf den Weg. Diesmal musste er nicht erst suchen, bis er zum Institut gelangte.
Obwohl er die ganze Gegend wie seine Aktentasche kannte, wurde eine Orientierung bei diesem Regen doch sehr erschwert. Hinzu kam, dass alles mit dieser schwarzen Schicht bedeckt war und gleich aussah. Doch Sir Ede Tom hatte sich einige markante Punkte gemerkt, durch die er sich nunmehr zurechtfand.
Bald war das zerstörte Gebäude gefunden. Ob er noch weitere Aufzeichnungen oder wenigstens Untersuchungsmaterial in unversehrtem Zustand entdecken würde? Jedenfalls wollte er möglichst viel aus diesem Trümmerhaufen bergen. Vielleicht, so überlegte er, konnte das Forschungsprojekt doch noch gerettet werden. Jahrelang hatten sie daran gearbeitet, Stunde um Stunde damit verbracht, all die vorliegenden Ergebnisse nochmals zu vergleichen und zu überprüfen. Von fast jeder Tiergruppe standen den Forschern Gewebeschnitte, Knochen und Zähne zur Verfügung. Schon alleine zu deren Sammlung hatte man ein volles Jahrzehnt gebraucht. Angesichts der vielen Tiere stellten 10 Jahre eine recht kurze Zeit dar. Seine Forschergemeinschaft hatte sich aus diesem Grund mit zwei Weiteren zusammengeschlossen. Die Zusammenarbeit gestaltete sich von Anfang an intensiv. Unter den Projektleitern kannten sich die Meisten schon aufgrund ihrer gemeinsamen Studienzeit, ein Vorteil, der ihre Cooperation entscheidend erleichterte. So fanden sich auch aus allen drei Forschungsinstituten Gesinnungsgenossen zusammen.
Man hatte längst nicht alle Ergebnisse veröffentlicht: So entsprachen die meisten Daten nicht der allgemeinen Weltanschauung. Dieser Umstand bewirkte eine gewisse Spaltung unter den Forschern. Aus diesem Grunde versuchte Sir Ede Tom auch, ein privates Gremium aufzubauen. Bald fanden sich die ersten gleichgesinnten Kollegen, und nach und nach stießen weitere hinzu. Es ging diesen Wissenschaftlern nicht um eine Anerkennung der Weltöffentlichkeit, nein, es ging ihnen ausschließlich um die Wahrheit.
Im Denken der pluralistischen Gesellschaft gab es längst keinen Platz mehr für absolute Wahrheit: Es galt alles als relativ. Die Wissenschaftler waren zu Lakaien der allgemeinen Weltanschauung verkommen. Kritische Zeitgenossen mussten mit Ignoranz oder gar mit Repressalien rechnen. Dennoch gaben die wahrheitsliebenden Forscher ihre Hoffnung nicht auf, eines Tages doch an die Öffentlichkeit zu treten.

Sir Ede Tom hatte schon geraume Zeit in den Trümmern nach Material Ausschau gehalten. Ein paar kleinere Stücke lagen bereits auf einem Haufen. Er fühlte plötzlich einen kastenförmigen Gegenstand unter dem Ruß. Aus Prinzip trug er stets Lederhandschuhe bei sich. Sie waren gerade dünn genug, um den Tastsinn nicht zu beeinträchtigen. Vorsichtig wischte er die schwarze Schicht vom soeben gefundenen Gegenstand. Ein Weltempfänger ganz besonderer Qualität kam zum Vorschein. Sir Ede Tom jauchzte auf: Endlich konnten er und sein Kollege erfahren, wie es in anderen Gegenden aussah. Wenige Tage vor den Erschütterungen hatte es noch seismologische Warnungen gegeben, doch niemand konnte genau wissen, wann und wo sich die angekündigten Beben ereignen würden. Um so überraschender war die Katastrophe dann auch über die Bevölkerung hereingebrochen. Jetzt wollte er es wissen und bediente den Weltempfänger, der mit einem leisen Rauschen reagierte. Er wusste, dass das Gerät über einen noch vollen Akku verfügte. Ob die Chemikalien das Innenleben des Gerätes angegriffen hatten? Doch was blieb übrig? Sir Ede Tom wollte es ja sowieso auf seine Brauchbarkeit hin überprüfen. Er drehte an der Ferritantenne. Die Sender meldeten sich. Als er schließlich alle Funktionen getestet hatte, schaltete er den Weltempfänger zufrieden aus. Erst im Unterschlupf wollte er gemeinsam mit seinem Kollegen und Freund genauere Informationen in Erfahrung bringen. Doch auf einmal beschlichen ihn seltsame Gedanken: Konnte es vielleicht sein, dass irgendwelche Plünderer sich in der Nähe herumtrieben? Aber so etwas festzustellen wäre nun doch zu umständlich gewesen. Dennoch blieb diese Ahnung in Sir Ede Tom wach, auch wenn er sich dagegen sträubte. Er hätte noch gerne nach weiteren Gegenständen gesucht, aber schließlich lag sein durchnässter Kollege in der vorläufigen Bleibe. So packte er behutsam alle Fundstücke zusammen und machte sich auf den Weg über dem matschigen Untergrund.

 

Aufdeckung

Bill Bradford schlug soeben die Augen auf, als er von draußen Schritte hörte. Sicher war es Sir Ede Tom, der jeden Augenblick zu ihm hereinkommen würde. Doch seltsamerweise blieb Jener kurz vor dem Eingang stehn. „Ist da jemand?“ Diese ungewohnte Stimme erschreckte Bill Bradford nun doch. Wer war dieser Mann, der da draußen wartete? Bill Bradford fasste sich ein Herz und bat den Fremden, einzutreten, was Dieser auch sogleich tat. Dabei fiel ihm der dunkle Teint seines Besuchers auf. Zudem besaß der mandelförmige Augen, wie sie von Asiaten bekannt waren.
Bill Bradford wollte ein peinliches gegenseitiges Abwarten vermeiden und stellte sich dem Mann vor. Der nannte nun ebenfalls seinen Namen: "Joschiah Binjaschar. Mein Vater wohnte seit der x-ten Generation in Indien. Ich wanderte nach seinem Tod aus. Er wurde ermordet, weil er kein indischer Arier war. Sie müssen wissen, dass es auch dort irregeleitete Menschen gibt, die vom imaginären `Ariertum´ begeistert sind. Mr. Bradford, vielleicht wissen Sie auch nicht, dass es nie Arier gegeben hat?"
Bill Bradford schaute dem Besucher erstaunt in die Augen. Nein- dieser Mensch war ganz gewiss kein Spitzel. „Herr Binjaschar, woher wissen Sie, was Sie mir da grade gesagt haben?“ Joschiah Binjaschar begann, Bill Bradford von der Geschichte seiner Familie zu berichten:
„Herr Bradford, ich bin das, was man allgemein einen Juden nennt. Damals wurde das Land meiner Väter zerteilt in Jisrael und Jehudah, Ihnen dürften die Namen Israel und Judäa oder Juda geläufiger sein. Die Leute von Jehudah hießen Jehudim, eine hebräische Pluralform, die „Judäer“ oder auch „Juden“ bedeutet. Seit dem wird ein jedes Mitglied des hebräischen Volkes ein Jude genannt.“ Binjaschar hielt kurz inne, um seinem Zuhörer Gelegenheit für Fragen einzuräumen. „Und wie heißt nun das hebräische Volk wirklich? Warum nennen Sie es `hebräisch´?“, wollte sein aufmerksamer Zuhörer wissen. „Herr Bradford, das ist eine gute Frage. Ich sehe, Sie haben echtes Interesse. Mein Volk, wenn ich es mal so nennen darf, heißt `Hebräer´. Der Stammvater hieß Awraham, auch Abraham genannt. Er hatte offenbar Kontakt zu G'tt...“ Bei diesem Wort forschte Binjaschar aufmerksam in Bradford´s Gesicht, konnte aber keine ablehnende Mimik feststellen. So fuhr er fort: „G'tt hatte ihm damals aufgetragen, all seine Verwandtschaft zu verlassen. Nur seine engsten Familienangehörigen durften mitkommen. Er nahm aber auch seinen Neffen mit, namens Lot. Lot hatte ebenfalls Ehrfurcht vor G'tt, weshalb G'tt auch nichts dagegen einwendete. Viele Leute schlossen sich auf der Reise an. So wuchs Awraham´s Karawane schließlich zu einem Volk an. G'tt schloss damals einen Bund mit Awraham und dessen Gefolgsleuten: Zum äußeren Zeichen wurde jedem männlichen Mitglied die Vorhaut entfernt, Ähnliches kennt man von den Moslems. Doch der Unterschied besteht darin, dass die hebräischen Jungen im Alter von 8 Tagen jene Prozedur erfahren und sie schnell vergessen, zumal bei einem Säugling Wunden rasch wieder zuheilen. Bei den Moslems geschieht sie erst mit 8 Jahren. G'tt hatte damals mit diesem äußeren Kennzeichen der Menschheit sagen wollen, daß die Leute Awraham´s ein besonderes Volk waren: G'ttes Eigentum. Als ein Solches waren sie in erster Linie ihrem Eigentümer gegenüber verpflichtet. Von Ihm erhielten sie eine einmalige Anweisung zum Leben, vollkommen und gerecht. Es ist das sozialste Gesetz, was es je gab und geben kann. So hatte G'tt Awraham´s Leute von allen anderen Völkern ausgesondert, um mit ihnen eine Art Botschaft zu gründen: Tatsächlich kamen hier und da einige Leute aus anderen Völkern, um G'tt kennenzulernen. Hebräer heißen die Leute Awraham´s aus folgendem Grund: Sie lebten ähnlich den Nomaden, aber man sollte sie nicht mit ihnen verwechseln. Hebräer kommt aus dem Hebräischen und bedeutet soviel wie umherzuziehen, jedoch gleichzeitig feste Wohnorte zu haben, während die Nomaden ohne feste Wohnorte mal hier, mal dort kampieren.“ Bradford wollte es gerne genauer wissen, und so fragte er Binjaschar unvermittelt, warum denn die Hebräer solchen Wert legten auf diesen Unterschied. Binjaschar erklärte es ihm geduldig: Die Nomaden waren schmutzig und hielten ihre Lagerstätten nicht sauber. Den Hebräern hatte G'tt aufgetragen, ihre Notdurft außerhalb des Lagers zu verrichten, hinzu kamen einige weitere Reinlichkeitsvorschriften. „Dadurch waren die Hebräer weitaus gesünder als die anderen Völker“, bemerkte Binjaschar zu seiner Ausführung, „In manchem Lied ist G'ttes Anweisung zum Leben schon lobend besungen worden. Die Hebräer lernten immer wieder den Unterschied zwischen ihrem Lebensziel und dem Leben der anderen Völker kennen: Entweder hatten sie G'tt den Rücken zugekehrt und liefen zusammen mit den anderen Völkern auf deren Wegen, so dass erst ein Unglück sie dazu brachte, sich wieder dem Herrn zuzuwenden, oder sie lebten in G'ttes Ordnungen, wurden angegriffen und erlebten G'ttes Treue. Da waren jene Völker, deren damalige Territorien zum Land JisraEl wurden. Nu, diese Völker hatten einen solchen Okkultismus betrieben, verbunden mit sexueller Perversion und Kannibalismus, dass sie dadurch die ganze Menschheit verseucht hätten, wenn...“, jetzt holte Binjaschar tief Luft, „G'tt nicht eingegriffen hätte. Er hatte Seinem Volk einen neuen Namen gegeben: JisraEl. Dieser Name bedeutet `Kämpfer G'ttes.´ Und als ein Volk, durch das Er sich offenbaren wollte, sollten sie auch Seine Reinheit darstellen. Das bedeutet also, Herr Bradford, dass Er diese okkulten Völker stoppen musste, und dies war nicht mehr anders möglich, als durch deren restlose Vernichtung.“
Erschüttert atmete Binjaschar tief durch und, nach einer Weile, berichtete er von der Einnahme des Landes Kana-an, vom Ungehorsam Jisrael´s, von Widerständen und von den Philistern. „Die Filister, Herr Bradford, gibt es noch heute im Nahen Osten. Sie hatten damals den sogenannten Gazastreifen bewohnt. Nu, von ihnen gingen ständige Händel aus, ganz wie in den Aufzeichnungen von Mosche, den man allgemein `Mose´ nennt, steht: Dort hatte ein Prophet etwas Bezeichnendes vorausgesagt: Es geht darum, falls Jisrael von den Feinden welche übriglassen würde. Diese Feinde, von denen keiner übrigbleiben durfte, würden dann wie eitereregende Dornen im Fleisch sein. Wie Sie sehen, sind eben die Filister, die man falscherweise `Palästinenser´ nennt, Terroristen. Ihr Ziel ist nach wie vor die Totalvernichtung Jisrael´s" Bradford musterte erstaunt Binjaschar´s Gesicht. Dieser Mann zeigte keinen Anflug von Ãœberheblichkeit oder Hass. Er war eher traurig über die Situation im Nahen Osten.
„Wissen Sie“, begann Binjaschar wieder, „Das Volk Jisrael bewohnt noch nicht das ganze Land. Das Ostjordanland ist ebenso der rechtmäßige Besitz, wie das ganze Hermon- Massiv, wovon lediglich die Golanhöhen in israelischer Hand sind. Wenn Sie wüssten, Herr Bradford, wie ungerecht die Weltöffentlichkeit mit uns umspringt!“ Jetzt war Binjaschar doch eine gewisse Empörung anzusehn, aber er hatte sich bald wieder beruhigt. Bradford überlegte: Was war mit diesem Volk im Nahen Osten? Damals hatte Sich dieser G'tt offenbar so eindeutig erwiesen, aber heute hüllte Er Sich scheinbar in Schweigen. Oder ...sollte es möglich sein, daß es Ihn auch heute noch gab?
Als Wissenschaftler hatte Bradford gemischte Gefühle: In der Populärwissenschaft war kein Platz für eine übermenschliche Person vorgesehn. Aber ...wenn er Binjaschar´s Erzählung bedachte, erschien es zwingend logisch, dass nur eine solche Instanz hatte eingreifen können. Bradford konstatierte: Binjaschar´s Worten zufolge befand sich Israel oft in der Unterzahl, stand also einem viel größeren Heer gegenüber. Unmöglich, dass man in einer solch prekären Lage überleben konnte- geschweige denn, dass überhaupt ein Sieg in Aussicht gestanden hätte. Doch genau das traf immer wieder ein! „Und zwar dann, wenn Jisrael dem Herrn vertraute.“, hatte Binjaschar dazu gesagt. Ãœberhaupt schien ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Herrn, wie Binjaschar G'tt nannte, das Ein- und- Alles zu sein.
Der Klang von Schritten über den aufgeweichten, schmatzenden Boden riss Bradford aus seinen Ãœberlegungen. Wer jetzt wohl käme? Sicher war es Sir Ede Tom, der ihnen hoffentlich Neuigkeiten zu berichten wusste. Binjaschar war, als er die Schritte hörte, sofort aufgestanden und schaute erwartungsvoll zum Eingang. Sir Ede Tom trat auch sogleich ein, stutzte jedoch, als er Binjaschar erblickte. Dieser stellte sich ihm ohne Umschweife vor. Noch Jahre später erinnerte sich Sir Ede Tom an das Leuchten in Binjaschar´s Augen, als der seinen Familiennamen hörte. Nach wenigen Stunden schon konnte man mit Fug und Recht sagen, dass drei Freunde sich gefunden hatten. Ein Problem allerdings kam auf sie zu: Woher sollten sie sich genug Nahrung beschaffen? „Wir müssen jedenfalls etwas unternehmen.“, hatte Bradford gesagt, „So kann das ja nicht endlos weitergehn!“ Schließlich kamen sie überein, dass jeweils zwei von ihnen unterwegs waren, während der Dritte den Unterschlupf hütete. Inzwischen hatten sie auch ein paar Decken gefunden, so dass sich besonders für Bradford die Nächte gesünder gestalteten. Er trug einige Zeit lang lediglich Sir Ede Tom´s Mantel, der ja doch schön trocken geblieben war. Sonst wäre der Ärmste sehr wahrscheinlich von einer Lungenentzündung heimgesucht worden. Sobald Bradford´s Kleidung wieder warm und trocken war, unternahm auch er Streifzüge durch die Umgebung.

Über den Weltempfänger hatten sie erfahren, dass überall, weltweit sogar, kleinere und größere Beben stattgefunden hätten. Dabei seien Risse im Erdboden aufgetreten, in denen viele Menschen den Tod fanden. Ganze Ortschaften seien überrascht worden und im Nu von der Landkarte ausgelöscht. Es gab, den Nachrichten zufolge, zahllose Selbstmorde. Der Ufoglauben war in den letzten Jahren durch gewisse bestätigte Begebenheiten erhärtet worden, so dass die Leute in ihrer Panik an eine Invasion von Außerirdischen dachten. Bevor man sich diesen Monstern auslieferte, brachte man sich lieber gleich um. Es ging Schlag auf Schlag: anfangs war da ein gewaltiges Erdbeben. Die Schollen rieben derart einander, dass Inseln wie auch Gebirgszüge bewegt und versetzt wurden. Durch die unerwarteten, massiven Vulkanausbrüche wurden riesige Mengen Asche ausgestoßen. Die Asche ließ die Sonne kaum noch durch, und Experten errechneten, daß tatsächlich ganze 33% weniger Licht auf die Erde gelangte. Durch die starke Auskühlung der oberen Luftschichten gefroren die Wetterwolken und entluden sich als schwerer Hagel, der sich mit dem Schwefelgas der Vulkane mischte. Dieser verheerende Niederschlag, zusammen mit hochgeschleuderter Lava, führte zu großflächigen Bränden. Lediglich knapp 67% aller Waldgebiete wurden davon verschont, während die Gräser bis auf den Boden versengt waren. Es gab auf einmal keine Weideflächen mehr! Verzweifelt versuchten die Regierungen, möglichst rasch diese Unmengen von verendeten Tieren zu beseitigen, doch schon breiteten sich erste Seuchen aus. Durch die Verheerungen bedingt, herrschte überall Hunger, und marodierende Banden suchten mit ihren Plünderungen die noch intakten Geschäfte heim. Polizei und Militär mussten mobilisiert werden, um noch zu erhalten, was übrig geblieben war. Die Astronomen verzeichneten 2 große Objekte, die fast parallel auf die Erde zurasten. Einer dieser Brocken schlug in den Indischen Ozean ein und verursachte eine Bakterienblüte der Schwefelbakterie. In der Folgezeit breitete sich die Bakterienblüte immer mehr aus und verseuchte ein volles Drittel der Weltmeere. Auch die Reedereien erlitten durch die ausgelösten Flutwellen sehr hohe Verluste an Schiffen. Der zweite Himmelskörper zerstieb noch außerhalb der Atmosphäre in tausende von glühenden Splittern. Bald nach diesem Bombardement vermeldeten die Experten ein weltweites Fischsterben in fast einem vollen Drittel aller Binnengewässer. Von einem großen Meteor wurde berichtet, der mitten im tektonischen Graben der Golfregion eingeschlagen war. Dies Ereignis, den Rundfunkanstalten zufolge, war auch der Hauptauslöser der Vulkanasche, die sich über weite Teile der Erdoberfläche ausgebreitet hatte. Überlebende Augenzeugen wollten gar monströse Heuschrecken vom Einschlagsgebiet ausschwärmen gesehn haben, andere berichteten statt dessen von ungewöhnlichen Kampfhubschraubern.
Weder Sir Ede Tom noch seine beiden Gefährten glaubten ernsthaft an eine Existenz von Außerirdischen. Binjaschar war es, der sich am Deutlichsten dagegen äußerte. Er sprach von einer Zeit, die sich unmittelbar nach der Globalflut ereignet hatte. Sir Ede Tom und Bradford horchten gespannt auf: War es möglich, dass dieser Mann, der kein Akademiker war, den Schlüssel besaß, der ihnen bei ihren jahrelangen Bemühungen gefehlt hatte? Binjaschar beschrieb ihnen eine Welt, wie sie heute nicht mehr existiert: Auf dem damaligen Urkontinenten, den die Wissenschaftler „Pangea“ nannten, lebten Menschen. Doch überirdische Wesen raubten sich Frauen und beschliefen diese. Bastarden entstanden. Diese Bastarden waren übermäßig groß und hießen daher `Riesen´, `Giganten´, `Asen´ und `Götter´. Einige weitere Namen kursierten unter der damaligen Bevölkerung für diese unbesiegbaren Wesen. Sie hatten Eigenschaften der Ãœberirdischen, glichen aber äußerlich in etwa den Menschen. Sie waren der Grund aller Legenden und Religionen. Binjaschar nannte sie `Dämonen´. Und weil die damalige Welt so erfüllt war mit Gewalttat und Unrecht, hatte der Herr sie auch durch die Globalflut vernichtet. Einzig und allein blieben ein Mann, seine Frau, seine 3 Söhne und deren Frauen übrig. Noach, so hieß der Mann, hatte jenes Vertrauensverhältnis zum Herrn. Aus diesem Grund hatte Er ihm einen detaillierten Bauplan gegeben. Ein großes Schiff aus Holz entstand. Statiker hatten errechnet, dass dieses Schiff praktisch nie kentern konnte, so perfekt war dessen Konstruktion. In diesem Schiff befanden sich während der Flut Noach und seine Angehörigen. Auch, und dies erregte das besondere Interesse der beiden Zuhörer, überdauerten von allen Tierarten jeweils männliche und weibliche Exemplare im Schiff. Den Wissenschaftlern war bekannt, dass ein so genanntes Flaschenhalsereignis stattgefunden haben musste, also genau das Ãœberleben nur weniger `Gründerindividuen´. Konnte es wirklich sein, dass Noach´s Arche...?
„Aber wie konnte das möglich sein, Joschiah ?", entfuhr es Bradford, „Es war doch wohl unmöglich genug Platz vorhanden für all diese vielen Arten. Denk nur mal an die großen Saurier!“ Binjaschar schaute den Beiden ruhig in die Augen. „Ihr wisst doch, daß von so mancher Art am besten nur Jungtiere gefangen und transportiert werden. Junge Saurier, gerade ein paar Tage alt, passen sehr wohl mit all den anderen Lebewesen in ein solches Bauwerk. Außerdem war die Arche groß genug, um die größten ausgewachsenen Saurier wie den Diplodocus, Titanosaurus, Apatosaurus und ähnliche Vierbeiner zu beherbergen.“ Die beiden Wissenschaftler waren verblüfft: Ja, das war durchaus drin. In Zeiten von Katastrophen, wussten sie, fanden sich Tiere in Höhlen zusammen, die sonst Jäger und Beute darstellten. Während der Katastrophe fraßen sie nichts und konnten so friedlich beieinander sein. „Nach der Flut“, erzählte Binjaschar jetzt weiter, „verging eine nur kurze Zeit, und der erste Weltdiktator trat auf. Es war Nimrod. Von ihm stammt auch der Okkultismus mit all seinen sexuellen Perversionen. Durch solche Entgleisungen mit Tieren, zum Beispiel, kamen schlimme Seuchen über die Menschheit. Einige Geschlechtskrankheiten sind die direkten Folgen davon! Aber zurück zu Nimrod: Auf seinen Befehl hin wurde ein Wendelturm errichtet. Dieser Turm, ein Zikurat, stand in Bawel, auch `Babylon´ genannt, dem späteren Irak. Die Besonderheit dieses Bauwerkes ist, dass es neben okkulten Funktionen auch ein Symbol der Welteinheit war, obwohl die Menschheit sich ausbreiten sollte über die ganze Fläche der Erde. Der Herr gebot Nimrod´s bösem Treiben schließlich ein Ende: Damals gab es noch die gemeinsame Ursprache. Auch das hielt die Menschen zusammen und unter der Knute Nimrod´s. Der Herr spaltete die Ursprache auf in viele eigenständige Sprachen, von denen wiederum zahllose Dialekte abstammen. In Indien und Afrika ist uns diese Vielfalt ja bestens präsent“, erklärte Binjaschar seinen immer aufgeregteren Zuhörern. Sie wussten: Binjaschar würde sie auf die richtige Fährte bringen. Als er schließlich auf die Kontinentaldrift zu sprechen kam, sogen die beiden Forscher begierig jedes Wort in sich auf. Endlich setzten sich die vielen Puzzlestücke zusammen!
„Mein lieber Joschiah“, begann Sir Ede Tom, „du weißt also, wie es zu den Bonebeds und den Erdschichten gekommen ist. Wir haben als Forschergemeinschaft Einiges herausgefunden. Zum Beispiel die Knochen und Zähne, auch andere Fundstücke: Das Alter der einzelnen Objekte übereinstimmt nicht mit den Daten, die der Weltöffentlichkeit präsentiert werden. Wir haben festgestellt, immer wieder festgestellt, dass die Meßmethoden nur bis 15.000, höchstens 20.000 Jahre wirklich präzise sind. An die ständig hinausposaunten Jahrmillionen konnten wir deshalb nicht mehr so recht glauben. Und jetzt kommst du, Einer, der nicht studiert hat, und bringst uns das, wonach wir unser ganzes Leben lang gesucht haben. Sag uns, woher weißt du das alles?“ Joschiah Binjaschar konnte nicht abwägen, wie ihre Reaktion ausfallen würde. Immerhin waren die ihm zugrundeliegenden Aufzeichnungen Teile eines erst verpönten, später dann verbotenen Buches. Aber er war seinen wahrheitshungernden Freunden auch diese Information schuldig. Er fasste sich ein Herz und sah ihnen direkt in die Augen. „Ihr wisst ja, dass die Aufzeichnungen meines Volkes ebenfalls in diesem Buch enthalten sind. Nu“, sagte er nach einer kurzen Pause, „der Name dieses Buches heißt `Bibel´“

 

 

das verbotene Buch

Weder Sir Ede Tom noch Bradford konnten mit diesem Begriff allzuviel anfangen. Gewiss: Während ihrer Schulzeit hatten sie gelegentlich Witze darüber gehört, aber niemand, der über dieses Buch redete, kannte dessen Inhalt. Es schien bezeichnend zu sein für die ganze "gebildete" Gesellschaft: Man redete von Dingen, von denen man nichts wusste und gebrauchte große Worte, hinter denen sich nichts verbarg.
Um so lästiger waren dann jene Leute, die öffentlich gegen alle Ungereimtheiten zu Felde zogen. „Je selbstgerechter ein Mensch ist, um so unerträglicher ist es ihm, wenn man ihm seine Fehler aufgezeigt“, hatte Bradford hierzu bemerkt. „Joschiah?“ Sir Ede Tom´ s Stimme unterbrach die Stille, in der die Männer ihren Gedanken nachgingen. Binjaschar wendete sich nun Sir Ede Tom zu und wartete. „Hast du dieses Buch mal in deinem Besitz gehabt, als unsere `saubere´ Gesellschaft es noch duldete?“
Binjaschar überlegte: Sollte er ihnen wirklich das Versteck mit dem kostbaren Inhalt verraten? Weder seine Freunde noch er durften sich einer Gefahr aussetzen. Er wusste, dass die Zeit nun reif war, der Menschheit zu dienen mit der Wahrheit. Sie durften ihr Leben nicht unnötig aufs Spiel setzen. Die arrogante, herrische Gesinnung der Weltbevölkerung war ja noch immer präsent „Ihr wisst ja,...“, begann er behutsam, „was Dem blüht, der mit einer Bibel erwischt wird.“ Die beiden Forscher nickten still. „Euch kann ich es ja sagen: Ich weiß, wo sich diese Aufzeichnungen befinden. Hier in Europa ist ein bestens gehüteter Ort. Aber wir hatten damals vorsorglich ein paar weitere Verstecke eingerichtet, falls irgendwelche Schergen fündig werden sollten. Doch ich sehe, dass wir noch nicht wagen können, diesen Ort aufzusuchen. Erst müssen wir uns auf alles vorbereiten.“ Jetzt waren die beiden Forscher in heller Begeisterung und bestürmten Binjaschar aufgeregt mit Fragen, so daß dieser Mühe hatte, auf sie einzugehn. „Liebe Freunde, noch ist es nicht soweit. Falls wir mit Leuten zusammentreffen, dürfen wir sie keinen Verdacht schöpfen lassen. Es ist bestimmt sehr hilfreich, den Weltempfänger einzuschalten." Gesagt, getan...
Ein paar Tage waren inzwischen vergangen, als Binjaschar alleine im Unterschlupf saß. Während er den Weltempfänger abhorchte, machte er eifrig ein paar Notizen. Plötzlich schrak er auf: Was hatten die soeben gesagt? Unzählige Vermisste, selbst da, wo es keine Erdrisse gegeben hatte? Ihn schauderte, denn jetzt erinnerte er sich an die Worte Rabbi Jah'El´s.
Rabbi Jah'El war ein vielgemochter Mann, und das nicht nur in der Synagoge, sondern ebenso unter den Nichtjuden. Er hatte, das wusste Binjaschar, eine Vorliebe für das sogenannte Neue Testament. Jah'El brachte es auch in die Predigten ein, weil er sicher sein konnte, dass ihm keiner zu widersprechen wagte. Unter seinen Schülern saß auch Binjaschar, der ihn noch so vor Augen und Ohren hatte, als ob Jah'El anwesend sei. Vieles, was Dieser damals gelehrt hatte, hatte sich tief in Binjaschar´s Herz eingeprägt. Jah'El´s Worte waren so frisch, als wären sie soeben erklungen. Rabbi Jah'El machte nie einen Hehl daraus, das `Neue Testament´ so ernst zu nehmen wie das "Alte", abgesehn von einigen später eingefügten kirchlichen Interpretationen und offenkundigen Fälschungen. Oft hatte er sich nach dem Unterricht noch Zeit genommen, wenn der Eine oder Andere seiner Schüler verstohlen zurückblieb und vor dem kleinen, dürftigen Klassenzimmer auf dem Flur rumdruckste. Jah'El pflegte ihn dann in seiner sanften, einladenden Art hereinzubitten und ihn bei sich sitzen zu lassen. Die häufigste Frage befasste sich mit jenem Rabbi aus dem Ort Nazareth, gebürtig aber aus Beth-Lechem (Brothausen). War der etwa der versprochene Messias, oder sollten sie auf einen Anderen warten?
Binjaschar wusste, dass Jah'El dies fest und unerschütterlich bezeugte. Von Leuten wie Bar Kochba oder Kahane hatte er nie etwas gehalten. Binjaschar saß da, sein Blick ging ins Leere. Er hatte nie auch nur einmal gehört, daß Jah'El gelogen hätte. In Binjaschar tobte jetzt ein heftiger Kampf: All das Für und Wieder um diesen Mann aus Nazareth, in dessen Namen Institutionen Kriege geführt hatten und sein Volk brutal unterdrückten. Der Weg seines Volkes war getränkt mit Blut und Tränen. All der Hochmut, und nicht zuletzt jener niederträchtige Vorwurf: „weil sie ja Jesus gekreuzigt hätten, sei all das Leid über sie gekommen.“ All diese Gedanken tobten in Binjaschar´s Gemüt wild durcheinander und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.
Es war schon spät am Abend, als Bradford und Sir Ede Tom sich auf den Rückweg begaben. Sie waren 2 weiteren Kollegen begegnet, die ihr Quartier in einem noch völlig intakten Untergeschoss bezogen hatten. Es waren Peter Lindner und Dr. Lissi Puttraman. Sie hatten viel einander mitzuteilen, so dass Bradford und Sir Ede Tom länger wegblieben als ihrer Gewohnheit gemäß. Doch sie mussten auch an ihren Freund Binjaschar denken, der sicher schon auf sie wartete. Also verabschiedeten sie sich von den beiden Kollegen und kamen endlich auf das schon sichtbare Blechdach zu. Drinnen würden sie einen veränderten Binjaschar vorfinden: Er hatte gewählt.
Am nächsten Morgen waren sie schon unterwegs zum Keller. Binjaschar wusste zwar aus den Erzählungen seiner beiden Freunde, wer diese Kollegen waren, doch begehrte er eben so, sie persönlich kennenzulernen. Bradford und Sir Ede Tom hatten ihren Kollegen Einiges weitergegeben von dem, was ihnen Binjaschar zuvor berichtet hatte. Nun waren auch sie sehr gespannt auf seine Erklärungen.
„Ich merke, Herr Binjaschar, Sie sind offensichtlich überzeugt von der Bibel“, bemerkte Peter Lindner nach einiger Zeit. Man hatte sich inzwischen gemeinsam eingerichtet. Platz war ja genug vorhanden für die nunmehr 5 Bewohner. Binjaschar schaute ihn an, sagte jedoch nichts. Die Erfahrung lehrte ihn, erst einmal die Einstellung seines Gegenübers herauszufinden, bevor er sich zur Sache äußerte. Dr. Lissi Puttraman sah versonnen ins Leere. Sie war eine sanfte und stille Frau, die sich nichts auf ihren akademischen Grad einbildete. Auch sie kam aus Indien und war Binjaschar sehr zugetan. Ihre Mutter war mit einem Inder verheiratet, verschwieg jedoch über lange Jahre hinweg ihre Identität. Es war äußerst vernünftig, Vorsicht walten zu lassen in einer mörderischen Gesellschaft. Erst, als ihre Mutter im Sterben lag und beide allein im Zimmer waren, hatte sie ihrer Tochter alles anvertraut. „Lebe bewusst als meine Tochter und als Tochter unseres Vaters. Ihm hat G'tt unser Volk an die Hand gegeben. Nach seinem Sohn sind wir benannt. Vergiss nie diesen Adel. Du bist meine Tochter!“ Die letzten Worte ihrer Mutter brannten jetzt im Herzen Dr. Lissi´s, während sie wusste, dass Binjaschar mehr war als nur ein `Volksgenosse´. Dieser Ausdruck war ihr zuwider, und sie kannte aus der Chronik ihres Volkes, wie sich die Mitglieder einander nannten: Brüder. „Dies verbindet viel stärker!“, dachte sie bei sich. In einem ungestörten Augenblick sprach sie Binjaschar an: „Joschiah, ich muss etwas besprechen mit dir. Lass uns in einen der leeren Räume gehn“ Binjaschar war erstaunt, wie schnell sie ihn beim Vornamen nannte, doch ihr dringlich bittendes Gesicht ließ ihm zum Nachdenken keine Zeit. Sie suchten einen etwas abgelegenen Raum auf und schlossen die noch intakte Tür hinter sich. „Was...“ Binjaschar zögerte, bevor er weitersprach, „hast du mir denn Wichtiges zu sagen, Lissi?“ Etwas ungewohnt war es für ihn schon, so mit Dr. Lissi zu reden. Sie schaute ihn ernst an, als wolle sie ihm soeben eine Todesbotschaft überbringen. „Joschiah, du weißt noch zu wenig von mir. Als meine Eltern mit mir in Indien wohnten, gab es nie Probleme...“ Nun senkte sie ihren Kopf, um ihm nicht zu zeigen, wie aufgewühlt sie war. „...bis meine Mutter starb. Sie anvertraute mir ein Geheimnis, von dem selbst ich bis dahin keine Ahnung hatte: Sie gehörte zu dem Volk, zu dem auch ...wir gehören.“ Diese letzten Worte klangen entschlossen, während sie ihm fest in die Augen schaute. Binjaschar öffnete erstaunt seinen Mund und war für einen Augenblick verdutzt. Doch dann fasste er sich wieder. „Dann ist nur dein Vater ein Goy?“ Diesen Ausdruck für Nichtjuden gebrauchten nur Juden selber. Ob Dr. Lissi ihn verstand, würde er ja gleich feststellen. Dr. Lissi wusste wirklich nicht, was dieses Wort genau bedeutete, dachte sich aber, um was es logischerweise ginge. So sagte sie: „Joschiah, man hätte meine Mutter von Vater zwangsgeschieden und sie verschwinden lassen. Mich hätte man garantiert in irgend Eines dieser grausamen Internate für Esoterik verfrachtet. Du weißt ja selber, wie sie uns behandeln, Joschiah!“ Ja, das kannte er nur zu gut: Schmerzlich erinnerte er sich an all die Ängste, die seine Familie und er hatten ausstehen müssen. Viele seiner `Landsleit´, wie sie sich auf Jiddisch nannten, waren für immer spurlos verschwunden. Die Angst wurde zum ständigen Begleiter der Gemeinde. Im ganzen Land galten die Juden als Freiwild. Jüdisches Blut war eben minderwertig in den Augen der `Arischen Menschheitsfamilie´.
Die Weltgemeinschaft war ein Gemisch aus hochmütigen Ignoranten und militanten Schlägertruppen: Während Erstere die Hebräer schlichtweg übergingen und nicht anerkannten, hielten die paramillitärischen Verbände organisierte Treibjagden auf sie ab. „Juden“, sagte man, „und ihre Sympathisanten sind Feinde der Gesellschaft!“ Was den Juden und Christen blühte, die sich eben nicht vor den esoterischen Karren spannen ließen, geschah in früheren Zeiten auf ebenso grausame Weise: Zur Zeit Noach´s war die Erde gefüllt mit Gewalttat. Aus mittlerweile verbotenen und daher von der Intelligenz gut versteckten Annalen ging hervor, dass es da ein Mittelalter gegeben habe. Zu jener Zeit bediente man sich auch einiger Repressalien aus der islamischen Geschichte: So mussten die Juden einen gelben Hut und später einen Stern Dawid´s auf gelbem Grund an ihrer Kleidung tragen- eine Methode der Ausgrenzung, die sich in Europa später wiederholte. Und jetzt war es abermals geschehn, und zwar im großen Stil. Jener Österreicher hatte in Deutschland augenscheinlich nur geübt und einen Feldversuch für die spätere Weltgemeinschaft ausgeführt...
Binjaschar schreckte auf: Hatte er nicht soeben Schritte gehört? Er schaute fragend Dr. Lissi an, die ebenso überrascht wie besorgt zur Tür hinschlich. Nein, durch das Schlüsselloch war nicht zu erkennen, ob draußen ein Lauscher stand. Wer immer ihr Geheimnis mitbekommen hatte, würde etwas gegen sie in der Hand haben, um sich bei den Kontrollorganen einzuschmeicheln. Dass das System noch intakt war, trotz der vielen Todesopfer, damit war zu rechnen. Man hatte von den bisherigen Diktaturen gelernt: Selbst beim Tod wichtiger Führungskräfte blieb alles in seiner Stabilität erhalten. Vorsicht war also noch immer geboten. Dr. Lissi begann zu zittern und schaute Binjaschar hilflos an. Er winkte sie zu sich. Jedenfalls unterhielten sie sich ab jetzt nur noch flüßternderweise: „Vertraust du dem Herrn?“ Bei dieser unerwarteten Frage machte Dr. Lissi große Augen und sah Binjaschar fragend an, der ihr klarzumachen versuchte, dass ihnen nunmehr nichts Anderes mehr blieb. Sie war sich ihres Vertrauens auf einmal gar nicht mehr so sicher. Binjaschar ließ ihr Zeit zum Nachdenken, während er sich von einer Gegenwart umhüllt wusste, die er so noch nicht erlebt hatte. Er war regelrecht eingebettet in diesem unbegreiflichen Frieden, der ihn ruhen ließ- trotz äußerer Gefahr! Dr. Lissi wurde durch Binjaschar´s Ausstrahlung beruhigt, ohne sich dessen klar zu sein. Binjaschar selber erinnerte sich an Rabbi Jah'El: Damals hatte dieser aus dem zweiten Teil der Bibel, dem sogenannten Neuen Testament, vorgelesen und anhand von Beispielen das Gelesene erläutert. Binjaschar hatte damals aufgehorcht, als Jah'El jenen Frieden zu erklären versuchte, „der alles menschliche Denken weit übersteigt“, wie es in der Bibel hieß.
Nun erfuhr er zum ersten Mal, was Rabbi Jah'El ihnen damals verdeutlichen wollte. Durch diese eindrückliche Demonstration der Zuverlässigkeit des `Neuen Testamentes´ gestärkt, sprach Binjaschar seiner Kollegin Mut zu: „Schwester, der Herr ist auch jetzt der Selbe, der Er damals war. Denk doch nur mal an all Seine Treuebeweise unseren Vätern gegenüber!“ Dr. Lissi fiel eine zentnerschwere Last von ihrer geängsteten Seele. Neue Hoffnung war gerade im Begriff, aufzukeimen in ihrem Herzen. Sie fasste einen Entschluß: „Ja“, hierbei schaute sie fest in Binjaschar´s Augen, „Ich will Ihm vertrauen. Aber ich brauche deine Hilfe, Joschiah. Du bist mir wirklich weit voraus. Jedesmal, als ich dich hab reden hören vor den Andern, hab ich deinen Mut bewundert. Hätte ich doch auch diesen Mut!“ Binjaschar sah in dieses ehrliche Gesicht und hätte ihr am liebsten gleich alles gesagt, was er mit dem Herrn vor mittlerweile fast einem Monat erlebt hatte, doch er sah: Die Zeit war noch nicht reif dafür. Erst musste Dr. Lissi´s Vertrauen gleichsam einer jungen Pflanze wachsen. Laute Stimmen hallten durch den Korridor. Was war jetzt los? Plünderer? Ein Schlägertrupp? Binjaschar meinte, aus dem Stimmengewirr seinen und Dr. Lissi´s Namen herauszuhören. Ja, richtig! Man suchte nach ihnen. Schon hörte man die Schritte näherkommen. Dr. Lissi klammerte sich ängstlich an Binjaschar´s Arm und starrte wie gebannt zur Tür. Doch als sie zu ihm aufsah, entspannten sich ihre Gesichtszüge etwas. Da- jetzt klopfte jemand an. Binjaschar spürte, wie Dr. Lissi zitterte. Sanft sagte er ihr: „Warte hier.“ Ihr war es, als müsse sie sterben vor Angst, während er sich löste und entschlossen zur Tür schritt. „Herr Binjaschar?“, fragte jetzt eine männliche Stimme draußen. Er stutzte: kannte er nicht diese Stimme? Durch den Halleneffekt des Kellers klangen menschliche Stimmen doch sehr entstellt, so daß er sich nicht sicher war. Doch ihm war, als rede plötzlich ein Anderer zu ihm. Er drehte sich zur Seite um, doch da war niemand. Binjaschar dachte schon, er höre Gespenster, doch wieder war da dieser Unsichtbare. „Joschiah Ben Awraham“, war jetzt deutlich zu vernehmen, „Ich bin Jeschua, den du erkannt hast. Sei unbesorgt: Mein Vater und euer Vater, mein G'tt und euer G'tt wacht ohne Unterlaß über euch und über eure Freunde.“
War das möglich? Hatte soeben wirklich der Messias zu ihm gesprochen? Doch zum Ãœberlegen hatte Binjaschar keine Gelegenheit mehr, denn abermals klopfte es an die Tür, und jemand rief: „Herr Binjaschar, Dr. Lissi, kommen Sie schnell, wir haben Besuch! Dr. Falcone und ein paar Kollegen. Sie sind grade eingetroffen!“
Hinter sich hörte Binjaschar eine erleichtert aufatmende Lissi. Er öffnete die Tür, und in der Tat stand Peter Lindner mit ein paar Fremden im Korridor. Dr. Lissi, die inzwischen zur Tür gekommen war, begrüßte freudig ihre Kollegen aus England. Es war eine Schar von Italienern, Spaniern und zwei Portugiesen. „Kommt“, schlug Dr. Falcone vor, „Lasst uns in den Saal schreiten und das Dinner einnehmen!“ Dr. Falcone bot seiner Kollegin Dr. Lissi den Arm und sagte vergnügt: „Madame?“ Dr. Lissi kicherte und hakte sich ein. So begaben sich Alle in den großen Wasch- und Trockenraum des ehemaligen Hochhauses.
Dr. Falcone war bekannt für seinen liebenswerten Humor. Er würde später so manches Mal zur Aufheiterung dieser Gemeinschaft beitragen. Unter dem Team um Dr. Falcone befanden sich auch Frauen: Miss Julia Fernandes und Miss Stella Romana. Mit ihnen kam Dr. Lissi auch bald ins Gespräch und, wie das meistens so ist, zu einer von lauter Kavalieren umgebenen Minderheit. Dr. Falcone´s Charme sorgte dafür, daß es nicht zum ernsthaften Konkurrenzdenken zwischen den Männern kam. Außerdem konnten alle ein unsichtbares Band zwischen Dr. Lissi und Binjaschar erkennen. Das übrige Team um Dr. Falcone bestand aus sechs Personen: Alberto D'Angelo so wie Umberto Travolta aus Italien. Die spanischen Kollegen waren Gebrüder und hießen Silvano und José Torro. Die Namen der beiden Portugiesen lauteten: Paolo Navidad und Pete Montana. Es war, wie wir uns vorstellen können, eine recht muntere Gesellschaft voller südländischen Temperamentes. Oft spielte sich Folgendes ab: Irgendwann begann einer von ihnen, mit Gegenständen rhythmisch zu klopfen. Nach kurzer Zeit schon hörte man aus einer anderen Ecke ebenfalls Rhythmen. Nach und nach stimmten die Anderen ein, wobei auch typisch mediterrane Gesänge ertönten. Nun konnte auch die Frauen nichts mehr halten: Sie sprangen begeistert auf und boten ihre Tanzkünste zum Besten. Dr. Lissi hatte eine etwas andere Art zu tanzen, kam sie doch aus Indien. So bot sich ein buntes Bild menschlicher Kultur.
Die Gruppe um Dr. Falcone hatte einen Vorrat an Lebensmitteln dabei. Doch allmählich wurde es Allen klar: Sie mussten sich einteilen in Suchtrupps. „Ich schlage vor,...“, begann Binjaschar, „dass wir in Gruppen zu fünft losgehn. Wir sind 14. Wenn 2 Gruppen unterwegs sind, bleiben also 4 als Wache hier.“ Ein zustimmendes Murmeln erfüllte darauf den Raum. Binjaschar schaute Einen nach dem Anderen erwartungsvoll an: Vielleicht kamen ja noch weitere Vorschläge. Inmitten der sich nun beratschlagenden Gemeinschaft fiel ihm Peter Lindner´s abweisendes Gesicht auf. „Aha“, dachte Binjaschar bei sich, „er wird uns doch wohl keinen ...Ärger machen?“ Da war es ihm, als rede der Herr wieder. Aber diesmal nicht mit vernehmlicher Stimme, sondern Er erinnerte Binjaschar an Seine vorherige Zusage, auf die hin er keine Angst zu haben brauchte. „Oh, Herr!“, antwortete Binjaschar innerlich, „Ich bin auch nicht besser als meine Väter. Wie schnell habe ich Dich vergessen!“
Der Herr zeigte ihm nun eine damalige Situation: Wieder befand er sich im Klassenzimmer. Grade las Rabbi Jah'El aus der Schrift des `Neuen Bundes´, wie die griechische Sammlung der als NT bezeichneten Texte seitens Mancher genannt wurde. Er las: „...selbst, wenn wir untreu sind, so ist Er dennoch treu zu uns!“ Das genau war es, was Binjaschar jetzt brauchte. Dankbar und froh atmete er auf.
„Habt ihr euch geeinigt, Freunde?“, rief er in die Runde. Ein italienischer Kollege Dr. Falcone´s wandte schließlich ein, dass 4 Leute wohl zu wenig seien, um sich gegen mögliche Plünderer zur Wehr zu setzen. „Gut, dann soll eben nur eine Gruppe losgehn, aber dafür eine Stärkere. Seid ihr mit 6 oder 7 einverstanden?“, schlug Binjaschar erneut vor. Einstimmig bejahten sie das Ganze.
Das durch den unteren Abschnitt des Treppenhauses hereinfallende Licht ließ erkennen, dass es schon zu dunkel war, um noch selbigen Tages etwas zu unternehmen. Nach und nach zog man sich zurück, um auf den mitgebrachten Decken zu nächtigen. Eigentlich hatten sie Glück im Unglück: Es war grade Sommer, das machte viel aus in einem nicht mehr beheizbaren Gebäude. Wenn sie auch dringend Waschmöglichkeiten brauchten, so war es doch besser, dass sie nicht frieren mussten.

 

die Reise

Mitten in der Nacht wachte Binjaschar auf. Irgend etwas hatte ihn geweckt. Sofort war er hellwach: Plünderer? Oder ein armer Mensch, der noch immer ziellos umherstreifte und hier einen Schlafplatz suchte? „Joschiah Ben Awraham, die Zeit ist gekommen, Meine Liebe zu den Menschen zu bringen. Sei unbesorgt, was du reden sollst, zu welcher Zeit und wie. Denn Ich will dich mit Meinen Augen leiten, mit Meiner Rechten halte Ich dich und werde dich führen mit meiner Linken. Und Ich gebe dir ein Zeichen: Wenn morgen deine Freunde auf dich zukommen und nach Meinem Wort fragen, so sei gewiss, dass der Herr gesprochen hat.“ Binjaschar war hoch beglückt über die ständige Präsenz des Herrn. Sogar mitten in der Nacht war Der, „der nicht schläft noch schlummert“, um das Wohl der Menschen besorgt.
Der Morgen war schon angebrochen, und ein erfrischendes Lüftchen wehte. Im Keller regten sich die Frühaufsteher schon. Ah, welch herrliche Luft! Endlich wurde mal die Verbrauchte durch frische ausgetauscht. Obwohl durch das offene Treppenhaus ohnehin eine ständige Verbindung nach draußen bestand, fehlte doch eine gewisse Zirkulation in den Räumlichkeiten. Jetzt, im Sommer, kam eine Solche grade recht.
Ihrer Gewohnheit gemäß wurden die Frühaufsteher angetrieben vom alltäglichen Ritus: Sie hatten den Drang, für das Frühstück zu sorgen. So können wir uns vorstellen, wie unternehmungslustig sie jetzt waren. Es dauerte auch nicht lange, bis feststand, wer alles zum Suchtrupp gehörte. Als auch der letzte Schläfer aufgestanden war, schickten die ungeduldigen Ersten sich schon an, loszuwandern. In ihrem Gepäck hatte das Team um Dr. Falcone klugerweise einige nützliche Gerätschaften mitgeführt: So fanden sich unter anderem Klappspaten, zusammenlegbare Transportkisten, Netze zum eventuellen Fischfang, Messer und weitere Schneidegeräte wie Astscheren, Beile, eine Säge und mehrere kleine Beißzangen, falls sie irgendwelchen Draht bearbeiten sollten. Sogar Pfeil und Bogen tauchten im Gepäck auf! So ausgerüstet, zogen 7 Mann in die Landschaft. Kaum waren sie oben auf der Treppe angelangt, als überraschte Freudenrufe zu den im Keller Gebliebenen drangen. Was war denn da los? Alles stürmte neugierig nach oben. Da sahen sie es, und ihnen war, als ob sie diesen Anblick noch nie gekannt hätten: Vor ihren Augen breitete sich ein grüner Flor aus. Das Leben war zurückgekommen, wo kurz vorher noch alles grau und schwarz gewesen war! „Geben wir acht, daß wir nicht unnötig auf die jungen Pflanzen treten! Schließlich sollen die ja wachsen.“, rief Silvano Torro in die Runde. So entstand mit der Zeit ein Trampelpfad, den keiner freiwillig verließ. Außerdem waren sie einfach froh über die Vegetation, die sich endlich wieder auf der kahlen Erde ausbreitete.
Der Trupp war also zum ersten Mal unterwegs, wobei Sir Ede Tom die Führung übernahm. Die Meisten von ihnen gehörten zu Falcone´s Team, so dass sie sich noch nicht in der Gegend auskannten. Binjaschar war der einzige Nichtakademiker unter den Bewohnern des Kellers. Aber wer jetzt meint, er wäre deshalb von den Andern mißachtet worden, der irrt sich: Binjaschar verfügte über ein unerschütterliches Selbstbewußtsein, ja er schien in einer übermenschlichen Gelassenheit zu ruhn. Von Falcone´s Team teilten weniger als die Hälfte das allgemeine Weltbild mit seinen Jahrmillionen und einer Emporentwicklung. Schon manche Debatte war entbrannt auf dem Weg von England nach hierher. Man war übereingekommen, das Thema ruhn zu lassen, um nicht im Streit auseinanderzugehn. Bald nach ihrer Ankunft hier im Keller hatten sie sich ausgetauscht mit Sir Ede Tom, Bradford, Dr. Lissi und Peter Lindner. Dabei kamen sie selbstverständlich auch auf die Ãœberreste des Materialbestandes zu sprechen. Weil Dr. Falcone so seine Zweifel hatte angesichts der Datierung aller Fossilien und Erdschichten, konnten Sir Ede Tom und Bradford es wagen: Sie berichteten von Binjaschar´s Ausführungen, nachdem die ersten stürmischen Tage des Wiedersehens vorüber waren. „Joschiah, bitte komm doch mal her!“ Binjaschar sah in erwartungsvolle Gesichter, als er sich umwandte. Er ging hin und fragte: „Ja?“, worauf Bradford ihm sogleich eröffnete, worum es ging. Binjaschar wurde innerlich so freudig erregt, daß er an sich halten musste, um nicht in lauten Jubel auszubrechen. Darum holte er tief Luft und wendete sich innerlich zu allererst an den Herrn: „Ich danke Dir, der Du stehst in Treue zu all Deinem Wort, das Du mir gesagt hast. Und nu, Herr, treuer G'tt meiner Väter, gib mir Weisheit für diese Sache! Denn ich weiß, Du stehst hinter mir.“
Nun begann Binjaschar, ausführlich das Wissen seines Volkes den Zuhörern zu vermitteln, wobei er oft unterbrochen wurde, um Zwischenfragen zu beantworten. Es kam, wie es kommen musste: Dr. Falcone war am frühen Morgen nicht mitgegangen, so dass er jetzt voller Erwartung jedes Wort verschlang, was Binjaschar weitergab. „Bitte, Joschiah, zeigen Sie uns dieses Buch! Wie Sie wissen, sind die Meisten von uns katholisch. Wir gingen vor diesen grässlichen Zerstörungen (wobei er zum Treppenhaus zeigte) hin und wieder zur Kirche. Das war uns ja erlaubt. Aber niemals haben die Priester uns etwas aus der Bibel vorgelesen, als nur zu den jeweiligen Feierlichkeiten, und leider immer nur in Latein, dieser trotz unserer wissenschaftlicher Ausdrucksweise kaum noch verständlichen Sprache.“ Seine Worte wurden bestätigt vom Kopfnicken der Andern. Binjaschar hätte aufgrund seiner Erfahrung niemals so rasch zugestimmt, aber er merkte: Jetzt war die Zeit gekommen, der Menschheit das wiederzugeben, was man ihr jahrelang vorenthalten hatte. „Gut“, sagte er entschlossen, „dann lasst uns überlegen, wer von uns mitkommen wird.“
Aus dem Keller drang ein Stimmengewirr nach oben, so dass ein gerade vorbeikommender Passant mit einer Party gerechnet hätte. Der Suchtrupp war schon lange wieder zurück und hatte alles Essbare in einem der kühlsten Räume untergebracht. Noch einmal hatte Binjaschar Rede und Antwort stehn müssen, diesmal für die Zurückgekommenen. Daraufhin erhob sich logischerweise eine intensive Debatte über Fragen wie der Datierung, Missing Links (Fehlende Zwischenstufen bzw. Übergänge von einer einfacher gebauten Art zu einer komplexeren Form), Astronomie, Tektonik (Gefüge) der Erdschichten und weiterer wichtiger Dinge. Schließlich einigten sich die Wissenschaftler und stellten eine Delegation, deren Führung Binjaschar mit Freuden übernahm. Da waren Dr. Falcone, Umberto Travolta, José Torro, die 3 Frauen sowie Paolo Navidad mit von der Partie. Alberto D'Angelo, Peter Lindner, Silvano Torro, Sir Ede Tom, Billy Bradford und der Portugiese Pete Montana blieben beim Tross zurück.
Binjaschar hatte, wenn er größere Entfernungen zurücklegte, stets einen zuverlässigen Kompass bei sich. Gerade jetzt, wo das Gesicht der Erde katastrophisch verändert war, leistete solch ein Gerät unschätzbare Dienste. So konnten sie, von ihrer Umgebung unbeirrt, den kürzesten Weg einschlagen.

Sie waren nun schon 2 Tage unterwegs. Wie gut, dass es ein schöner warmer Sommer war! Zwar wurde durch die Wärme das Wandern für Manche beschwerlich, doch kam ihnen das bei Nacht wiederum zugute. Besonders angenehm war dann die Trockenheit des Bodens. Bald ging die Reisegesellschaft dazu über, während der heißesten Stunden zu rasten. Dadurch nahm ihre Reise mehr Zeit in Anspruch, aber sie war jetzt nicht mehr so anstrengend.
Bisher hatten sie sich auf einer weiten Ebene bewegt. Allmählich aber tauchten vor ihnen erste Hügel auf: Gebirge kündigte sich an. Mit Erschrecken wurden sie gewahr, was die Globalkathastrophe angerichtet hatte... Ein gespenstisches Bild bot sich ihnen, je näher sie dem Gebirge kamen. Schwarze Nadelbaumgerippe, wo vorher noch dichter Wald gedieh! Das einzige Grün, was man hier entdecken konnte, bestand aus Drahtschmiele und jungen Brombeersträuchern, die noch ziemlich klein waren. Durch die nunmehr fehlenden Nadeln prasselte der Regen ungebremst auf den weitgehend nackten Boden. Die Abhänge waren gesäumt mit herabgespülten Bäumen, denen durch die Erosion jeder Halt fehlte. So rissen ihre Wurzeln. An anderen Stellen zeugten nur noch Stümpfe vom einstigen Bewuchs. Durch die Erdbeben waren zudem auch ganze Felspartien abgebrochen und zu Tal gedonnert. Ein Bild der Verwüstung beleidigte die Augen der Wanderer, die in dieser düsteren Atmosphäre bedrückt schwiegen.
Binjaschar erinnerte sich, dass vor der Katastrophe noch ein Pass über den Rücken des Massives geführt hatte. Ob es jetzt noch möglich war, Diesen ohne Gefahr zu nutzen? Falls nein, dann würde ihnen das tagelange Umwege bescheren. Aber sollten sie es nicht trotzdem wagen? Binjaschar wälzte sich in seiner Ãœberlegung von einer Möglichkeit zur Anderen. Er ging jetzt etwas abseits von der Schar, um, wie er meinte, doch noch zum besten Ergebnis zu kommen. „Joschi..“ Er schrak auf, als er so unvermittelt angesprochen wurde. „..was ist mit dir?“ Er hatte nicht bemerkt, daß Dr. Lissi ihm gefolgt war und seine Nähe suchte. Er wollte sie nicht beunruhigen mit seiner nun anstehenden Entscheidung. Doch ihre Gegenwart übte eine wohltuende Wirkung auf ihn aus. Er sah sie an. „Liebe Lissi“, begann er zögernd, „Du siehst ja das Gebirge vor uns. Wenn wir es umgehen, werden wir noch einige Tage länger brauchen.“ Ihr fragender Blick drückte Ãœberraschung aus. Er wusste, was sie ihn ohne Worte in diesem Augenblick fragte. So brauchte er nicht erst auf das Massiv zu deuten, sondern bemerkte nur: „Zu gefährlich, vergiss es!“ Die Entscheidung war gefallen, als er in Lissi´s Augen sah. Der Gedanke, ihr durch seine Schuld Schaden oder gar den Tod zuzufügen, hatte ihn dermaßen erschüttert. Nein, er durfte und wollte nicht dieses hohe Risiko eingehn. „Aber bitte sag den Andern nichts von der Verzögerung, Lissi!“, bat er sie jetzt eindringlich. Dr. Lissi schaute ihn auf einmal so warm an, dass er einen Schmerz in seinem Brustkorb verspürte. Mit leichtem Lächeln nickte sie und ging schweigend neben ihm her. Dieser Mann war ihr so lieb, dass ihr Herz tiefes Vertrauen zu ihm hatte. Für etwaige Zweifel an seiner Aufrichtigkeit gab es keinen Platz. Er war ihr Bruder, ein Sohn Awraham´s. Aber es gab auch unter den Hebräern G'ttlose, der Abscheu wert. Nein, Binjaschar entsprach wirklich nicht dem Bild eines Gesetzlosen, der sich auf seine hohe Abstammung etwas eingebildet und das auch noch als Ausrede für seine Ausschweifungen missbraucht hätte. „In ihm ist G'ttes Geist!“, erkannte Dr. Lissi insgeheim. Aber mit welcher ihrer Kolleginnen hätte sie sich austauschen können über geistliche Dinge? Zwar glaubten sie nicht so recht an eine Emporentwicklung oder Selbstorganisation des Lebens, aber die mögliche Existenz eines persönlichen Schöpfers blieb dennoch außen vor. Solch ein Gedanke schien sogar gefährlich, verwies er doch irgendwie genau auf das, was zu finden diese Gruppe beschlossen hatte.
Selbst inmitten dieser Reisegesellschaft fühlte sich Dr. Lissi nicht sicher genug. Man wusste um Binjaschar´s Eifer. Sie alle waren voller Wissbegier losgezogen und wollten endlich diese unüberwindbare Lücke in ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis ausfüllen, um so der Menschheit den wahren Hergang der Lebensgeschichte präsentieren zu können. Dr. Lissi´s Gedanken wurden jäh unterbrochen: Die gelegentlichen Wortwechsel unter den Andern waren immer lauter geworden und wuchsen sich rasch zum heftigen Streit aus. Worum es ging, hatte sie aus der Entfernung nicht mitbekommen können. Als Lissi und Binjaschar sich umschauten, sahen sie einen Tumult vor sich: Offenbar hatten sich unbemerkt zwei Lager gebildet, welche jetzt handgreiflich aneinandergerieten. Was auch immer der Grund war- Binjaschar musste etwas unternehmen! Aber angesichts dieses aggressiven Durcheinanders wusste man nicht, wo man anfangen sollte. Er sah, dass die Frauen sich etwas zurückhaltender benahmen, was ja verständlich war. So versuchte er, sich wenigstens Eine von ihnen herauszugreifen. Binjaschar zögerte nicht lange und bekam Stella Romana beim Handgelenk zu fassen. Schnell zog er sie beiseite, so dass ein paar Meter zwischen ihnen und den Streithähnen lagen. „Was ist los?“, bestürmte er die überraschte Stella, „Seid ihr verrückt geworden?“ Er konnte nicht warten, bis sich die so Angeredete endlich beruhigt hatte, denn der Streit hielt mit unverminderter Heftigkeit an. Stella wollte sich einfach nicht einkriegen und machte hier mit ihrem Gezeter weiter, dass Binjaschar sich die Ohren zuhielt bei ihrem Gekreische. Ohne, dass er es bemerkt hatte, stand plötzlich Dr. Lissi bei ihnen und zog Stella sanft mit sich. Trotz seiner Verzweiflung erkannte er in ihrem Gesicht, als sie sich Stella´s annahm, Mitgefühl für ihre Kollegin. Einen Moment lang stand er da und staunte über Lissi. Ja, sie war eine wirkliche Hilfe an seiner Seite, und das schon vom Beginn ihrer Bekanntschaft an. Binjaschar fühlte plötzlich einen heftigen Stoß seitlich an seinen Rücken und stolperte. Mit voller Wucht knallte er auf den harten Boden und bekam noch einen heftigen Schlag zu spüren. Er rang nach Luft und schaute um sich. Auf ihm lag jemand und rührte sich nicht. So behutsam es ging, versuchte Binjaschar sich von der Last des Bewusstlosen zu befreien. Als er es endlich geschafft hatte, wendete er sich noch etwas keuchend und benommen dem Andern zu. Dr. Falcone! Vor ihm lag Dr. Falcone mit einigen Blessuren. Hilfesuchend schaute Binjaschar auf, um vielleicht jemanden der Kontrahenten als Assistenten zu gewinnen. Doch er sah nur einen Haufen mehr oder weniger angeschlagener Kinder, die sich selbst jetzt noch behakten, wenn auch nur noch verbal. Erst allmählich wurde man aufmerksam auf den immer noch bewusstlosen Dr. Falcone. José Torro sah streng auf Paolo Navidad, welcher ihn nicht minder angiftete, während die Andern vor Scham zu Boden blickten. „Was ist eigentlich in euch gefahren?“, donnerte jetzt ein sichtlich aufgebrachter Binjaschar, „Los, kommt und helft mir!“ Hiermit wies Binjaschar energisch auf Dr. Falcone, der sich noch immer nicht rührte. Endlich kam Bewegung in den betroffen dastehenden Trupp. Nicht Alle waren ausgebildete Ersthelfer, so dass nur zwei der Streithähne neben Binjaschar knieten und Dr. Falcone betreuten. Diese Beiden vermieden jeglichen Blickkontakt einander.

Es waren nun schon 2 Tage vergangen seit dem Streit. Binjaschar konnte mit Lissi´s Hilfe erfolgreich zwischen den Zerstrittenen schlichten. Nur José Torro und Paolo Navidad gingen sich aus dem Weg. Ob er ihnen immer noch Zeit lassen sollte? Allmählich ging ihm die Atmosphäre auf die Nerven: Dieses Gemisch aus Bedrückung und subtiler Aggression war in der Tat sehr schwer zu ertragen. Die Abenddämmerung breitete sich inzwischen aus und man bereitete sich zur Nachtruhe. Umberto Travolta hatte freiwillig die erste Nachtwache übernommen, als Binjaschar voll innerer Unruhe war. Ja, sie hatten morgen wieder einen langen, beschwerlichen Reisetag vor sich und mussten wirklich gut ausgeruht sein. Joschiah Binjaschar versuchte, sich selber zur Ruhe hin zu manipulieren, wobei er bewusst tief und langsam atmete. Je mehr er jedoch auf diese Selbstberuhigung bedacht war, strengte er sich an. Es war auch zu dumm! Bald schon war es ganz dunkel, und fahles Licht vom Firmament tauchte die ganze Umgebung in ein Schwarzgrau. Binjaschar hatte genug und stand schließlich auf. Er hatte das Bedürfnis, ein wenig hinauszugehn, wo die Stille ihn empfing. Hier, nur wenig mehr als 100m vom schlafenden Camp entfernt, schien eine völlig andere Welt zu sein: Kein menschliches Geräusch konnte ihn hier stören. Nur ein leises Rascheln erweckte seine Aufmerksamkeit. Er beugte sich vorsichtig in die Richtung, um vielleicht ein Tier zu eräugen. An der Entfernung des Geräusches konnte er ungefähr die Größe dieses Geschöpfes messen. Ein entlaufener Hamster oder eine der wenigen Eidechsen, die es noch immer gab? Als er so überlegte, wie reich die Erde damals noch gewesen sein mußte, als die Öko-Bewegung wirklich sinnvoll war, huschte etwas von links vor ihm her: eine Spitzmaus war auf Nahrungssuche. Wie überrascht Binjaschar da auf dieses kleine, behende Tierchen starrte! Eine Spitzmaus in dieser Gegend bedeutete, daß es genug bodenbewohnende Insekten hier geben musste. Demnach war der Boden kein Staubtrockener mehr. Fazit: Es gab hier irgendwo Wasser und zumindest Steppenvegetation! Tagelang waren sie über Schollen gewandert. Weit und breit bot sich ihnen das gleiche Bild: aus dem einstigen üppigen Grün der Wiesen und Wälder war eine öde und leblose Fläche geworden. Auf den Bergen zeigte sich erodierter, nackter Fels. Längst schon gab es kein Baumgerippe mehr dort. So stark waren jetzt die Kräfte des Wetters zu beobachten. Binjaschar ging behutsam in die Hocke, um die Spitzmaus nicht unnötig zu erschrecken. Als er mit seinen Händen auf dem Boden entlang strich, fühlte er nur die Schollen und ein paar kleine Steinchen unter den Fingern. Außer trockenen Laubes schien es hier jedenfalls keine nennenswerte Insektennahrung zu geben. Enttäuscht stand er wieder auf, langsam, um die Spitzmaus nicht wegzuscheuchen.
„Nu ja“, dachte er sich und wollte wieder zurück zu den Andern. Irgendwie war es aber doch noch zu schön an diesem friedlichen Ort. Er hörte die freundliche Stimme. Was, war da jemand? Binjaschar merkte nur diese friedliche Atmosphäre, die auf der Umgebung lag. „Siehst du, Joschiah? Wie Ich Mich der kleinen Spitzmaus annehme in einer kahlen Landschaft, so nehme Ich Mich auch deiner an. Die Spitzmaus fragt nicht, wie sie durchkommen kann. Sie lebt einfach so wie immer: Wenn sie wach ist, sucht sie nach Futter. Joschiah Ben Awracham, willst du Mir vertrauen?“, hörte Binjaschar ganz in seiner Nähe die ihm wohlbekannte Stimme.
„Oy, man!“ seufzte er jetzt, „Wie konnte ich Dich nur vergessen, Herr?“ Jetzt brach es los in Binjaschar´s Innerstem, endlich konnte er all die leidvollen Gedanken loswerden! Der Herr hörte ihm geduldig zu, das war stets Seine Art gewesen. Von Anfang an hatte Er in innigster Gemeinschaft mit Menschen sein wollen. All Seine Gedanken drehten sich nur darum, wie Er Seine geliebten Menschen zurückgewinnen könne. Er hörte zu, was Joschiah Binjaschar Ihm alles klagte. Wie lange Joschiah mit seinem treuen Freund gesprochen hatte, war nicht mehr wichtig angesichts der großen Erleichterung, die er endlich empfand. Der Herr tat ihm wohl und tröstete Seinen Freund Joschiah, der jetzt nur noch empfangen wollte. Er stand noch eine ganze Weile da, während ihm der Herr liebevoll zuredete. Alle Last fiel ab von Binjaschar, Stück um Stück wurde ihm leichter und wohler zumute. Schließlich kam die Müdigkeit und wuchs in ihm. Binjaschar wollte sie anfangs vertreiben, so schön war es in der Gegenwart Jah´s. Doch der Herr selber war es, Der ihm riet, sich doch noch etwas Schlaf zu gönnen. „Ja, lieber Herr, Du kennst mich und weist, wie ich beschaffen bin. Ich geh jetzt schlafen. Du bist ja auch dann in meiner Nähe“, flüsterte Binjaschar, der mittlerweile in Hörweite der Andern gelangt war. „Hallo, da bist du ja!“, empfing ihn Umberto Travolta. Leicht verwundert schaute ihn Binjaschar an. Umberto sah das an Binjaschar´s Gesicht, so gut kannte man inzwischen einander. „Ja, alles war so schön am Schlafen, da wollte ich niemanden wecken und nahm gleich die zweite Wache noch mit!“ Binjaschar traute sich nicht, zu fragen, wie lange er denn schon weg war. Als er sich müde zugedeckt hatte, sagte er noch zum Herrn: „Also dann- bis morgen!“ und entschwand ins Land der Träume.
Wenn man überhaupt von Träumen reden konnte, so war es dafür wohl doch eine zu kurze Nacht gewesen. Er jedenfalls kam sich jetzt noch müder vor als vor der Nachtruhe. Binjaschar war noch zu benommen, um die Geräuschkulisse bewusst wahrzunehmen. Erst allmählich fiel ihm das anhaltende Geschrei aus vielen Kehlen auf. Das erinnerte ihn sehr an damalige Spielfilme über die Eroberung Amerikas. Doch weit und breit hatte niemand ein solches Fernsehgerät zur Verfügung, so dachte er an den Weltempfänger. Vielleicht suchte ja grade jemand nach einem klaren Sender. Doch außer ihm schien sich niemand sonst im Zelt aufzuhalten. Das wilde Geschrei hörte sich an, als wandere es hin und her. Jetzt kam ihm die Sache aber doch seltsam vor. Noch immer etwas mitgenommen, öffnete er den Eingang des Zeltes und konnte seinen Augen kaum trauen: Das hier war kein Wildwest-Film, es war die Realität! Vor seinen Augen tobte ein heftiger Kampf. Nein, es war schon viel eher ein Krieg! Er sah seine Leute im blutigen Handgemenge mit einer Horde Fremder. „Oh, mein Gott!“, entfuhr es ihm. In seinem Innern tobte jetzt ein ebenso heftiger Kampf: Was konnte er, Joschiah Binjaschar, überhaupt in dieser unheilvollen Situation ausrichten? Mit einem Anflug von Ironie dachte er bei sich: „Heute bin ich wohl im falschen Film gelandet!“ Seltsamerweise hatte er jetzt das starke Bedürfnis, einfach er ein paar Stunden durch die Gegend zu wandern. Warum auch nicht? Ging ihn das Gemetzel überhaupt etwas an? Schließlich hatten die Andern ja gewollt, dass er sie in diesem Unterfangen leitete! Also stand er auf und bewegte sich so unbemerkt wie möglich außer Sichtweite.

Was war eigentlich geschehn? Binjaschar fühlte sich wie in Trance. Alles kam ihm so unwirklich vor. Aus dem Wust an durcheinander wirbelnden Gedanken sprach es in ihm: „Halt! Jetzt ist Schluss damit, ich muss mich jetzt wehren!“ Er nahm sich zusammen, so gut er konnte. Aber all sein Bemühen schien ihm noch die letzten Kraftreserven abzuverlangen. Entmutigt setzte sich Binjaschar auf die Erde. Ja, Jow, auch Hiob genannt, hatte sich zu seinen Lebzeiten in Staub und Asche gesetzt, wie die Legende erzählte. Was konnte er, Joschiah, schon Anderes tun als dieser Jow? Hätte Rabbi Jah'El in seiner Lage gesteckt, was wäre ihm wohl in den Sinn gekommen? Unwillkürlich hob Binjaschar seine Augen auf und blickte ins schwärzliche Blau des Firmamentes. Jetzt wollte er nur noch eins: Was hatte der Herr angesichts dieser Katastrophe für ihn bereit? Binjaschar verspürte eine solche Sehnsucht, Worte der Hilfe zu hören vom Herrn aller Schöpfung. Ja, Er, der Herr, hatte doch das ganze Universum erschaffen, ohne dass Ihm auch nur einer der hochmütigen Menschen dabei geholfen hätte. Wo blieb nun das Maul der Gelehrtenschaft? Binjaschar wusste in seinem Herzen: "Der Herr umgibt mich jetzt, und Er liebt mich mit Seiner unaussprechlichen Vaterliebe!" Kaum, dass er es gemerkt hätte, stand er jetzt auf seinen Füßen und erhob seine Hände nach oben. Ob er genau in Richtung der unteilbaren, ewigen Hauptstadt Israel´s schaute, sah nur der Herr alleine. „Herr, G'tt meiner Väter, Du bist auch mein G'tt. Sieh, meine Väter haben gesündigt und waren Dir untreu. Und ich? Bin etwa ich besser als meine Väter?“ Desillusioniert über sich selber ließ er den Kopf hängen. "Herr, bitte, wasche mich rein, weg von all meiner Schuld, von all meinen Versäumnissen, meiner Nachlässigkeit und meinem Versagen..." Binjaschar konnte kaum weitersprechen, so elend war ihm zumute. „Und ...und Lissi- was ist mit ihr? Habe ich sie ganz einfach ...im Stich gelassen!“ Zu mehr war Binjaschar nicht mehr fähig, jetzt wurde er von heftigem Weinen erschüttert. So stand er vor seinem Schöpfer, Vater und Freund.

Wieviel Zeit vergangen war, konnte er nicht abschätzen. Binjaschar hatte irgendwann auf der Erde gelegen und war vor Erschöpfung eingeschlafen. Nachdem er sich aufgerappelt hatte, schleppte er sich wieder in Richtung Lager. Jeglichen Gedanken darüber, was ihn dort erwarte, wies er von sich ab. Nein, er wollte nicht noch mehr Zermarterung erdulden. So trottete er dumpf und fast schon mechanisch vor sich hin. Es war diese unwirkliche Stille, die ihm zu schaffen machte- kein leises Zirpen der Feldgrille, noch nicht einmal ein leichter Luftstrom. Wie lebensvoll es doch damals war! Ãœberall meldete es sich. Selbst mitten in der Großstadt nisteten noch Taube und Sperling. Und erst auf dem Land! Man war umgeben von vielfältigem Leben. Was aber jetzt Binjaschar´s Herz beschlich, war alles Andere als die vertraute Geräuschkulisse. Diese totale Stille war es, die ihm in den Ohren gellte. So allein fühlt man sich höchstens im Winter, wenn weit und breit nichts Anderes ist als man selber. Dann lernt man sie kennen, diese Stille, die einen anschreit, so dass man sich am Liebsten die Ohren zuhält, aus Angst vorm Wahnsinn. Nur seine eigenen Schritte waren zu hören, und sein Atem wurde flatternd. Er schaute sich wiederholt um, als wäre da jemand hinter ihm her. Immer schneller schritt Binjaschar jetzt und begann zu laufen. Angst jagte ihn voran. Er lief und wusste eigentlich nicht so genau, wohin. Seine Gefolgschaft war nirgends ausfindig zu machen. „Oh nein, was mache ich denn jetzt?“, war sein erster klarer Gedanke. Ins Camp zurückzukehren, hatte das jetzt überhaupt noch Sinn? Vielleicht war er sogar der einzige Ãœberlebende des Ãœberfalls. Stand er jetzt vor dem Nichts? „Oh, Lissi!“, dachte er, „Wenn du noch lebst, bitte verzeih deinem feigen Bruder, wenn du das noch kannst!“ Binjaschar fühlte sich mies und gemein. So einfach den Kopf verlieren und sich davonstehlen, das konnte jeder! Aber er, was war mit seiner Verantwortung für Diese, die sich ihm anvertraut hatten?
Sein rechter Fuß stieß gegen irgend etwas, so daß er der Länge nach strauchelte und vornüber den harten Boden zu spüren bekam. Nach einer Minute des Schreckens besann er sich und rappelte sich mühsam wieder auf. Was war das? Worüber war er gestolpert? Angestrengt sah er um sich. Ja, da war was! Etwas Längliches lag da vor ihm. Ein Mensch? Keine Lebenszeichen. Eine Leiche? Gab es noch weitere Menschen hier? Binjaschar betastete vorsichtig jenen Körper, der da reglos lag. Er versuchte, mit seinem Ohr so dicht wie möglich an das Gesicht des Andern zu gelangen. Vielleicht konnte er ja dessen Atem hören. Aber nichts war zu vernehmen. Langsam fuhr ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Er war wirklich über eine Leiche gestolpert. Binjaschar ging ein paar Meter weiter weg von seinem grausigen Fund. Vor Erschöpfung ließ er sich nieder.

Er wusste nicht, wie lange er schon dagelegen hatte, als er verschwommen seine Umgebung wahrnahm. Was war bloß los mit ihm, und vor Allem, wo war er jetzt? Eben versuchte er, seinen Kopf etwas anzuheben, um sich Orientierung zu verschaffen, doch schon fielen ihm die Augen zu. Binjaschar durchlitt wirre Träume, oder war es die Realität? Finstere Gestalten mit häßlichen Fratzen umtanzten ihn und belustigten sich über seine Hilflosigkeit. Bald lachten sie ihn aus, bald bedrohten sie ihn. Trübe dämmerte es ihm, daß er sich im gnadenlosen Zustand des Fiebers befinden musste. Doch diese hässlichen Wesen waren so real, daß er sich ihrer kaum erwehren konnte. Er versuchte, sie im Namen Jeschua´s zu vertreiben, doch sie erwiesen sich als äußerst zäh: Nach kurzer Zeit waren sie wieder da. Binjaschar fühlte sich, als habe man ihn verprügelt. Jede Bewegung tat ihm weh. Ähnliches kannte er bisher nur bei einem ausgeprägten Muskelkater. Doch das hier war die Tortur! Ab und zu vermeinte er, Geräusche und sogar menschliche Stimmen zu hören, aber er war sich seiner nicht so sicher. Schließlich konnte es ja auch lediglich an seinem elenden Zustand liegen. Allmählich erlebte er klarere Augenblicke, im wahrsten Sinn des Wortes. Es waren immer nur kurze Momente, in denen er differenzieren konnte zwischen brutalem Horror und offenbarer Anwesenheit weiterer Personen. Ja, er war sich ziemlich sicher, dass da noch andere Menschen zugegen sein mussten. Spürte er etwa einen warmen, feuchten Lappen über seine Stirn fahren? Mühsam blinzelte er und erkannte tatsächlich die Umrisse eines langhaarigen Gesichtes. Er versuchte, seine Gedanken zusammenzunehmen und wollte dieses Gesicht ansprechen, als sich ein Zeigefinger auf seine Lippen legte und anschließend an seiner Wange hinabfuhr. „Eine Frau“, dachte er, „Eine Frau ist bei mir. Wer...?“ Schon fielen ihm wieder die Augen zu. Binjaschar schlief jetzt sanfter und fühlte sich bei seinem Erwachen wesentlich erholter. „Joschiah?“, flüsterte eine weibliche Stimme. Er vernahm sie im Halbschlaf, während er merkte, daß ihm angenehm warm war und er endlich schwitzte. Schwitzen, das ist ein wahrer Freund, wenn man sich in solch elendem Zustand befunden hat. Läutet Freund Schwitzen doch die siegreiche Genesung ein, und man weiß: „endlich hab ichs hinter mir!“ Da war wieder die sanfte Frauenstimme. Was sagte sie ihm? „Joschiah, bist du da? Kannst du mich verstehn?“ Er erschrak vor seiner eigenen Stimme: Ein heiseres Brummen kam aus seinem Mund hervor. „Ja, ich bin wach“, hörte er sich zögernd sagen. „Ich bin Stella. Die Andern sind in der Gewalt dieser Bande. Ich scheine als Einzige entkommen zu sein, wie es aussieht.“ „Stella, wo sind sie jetzt? Was ist überhaupt passiert? Wie lange liege ich schon hier?“, wollte Binjaschar jetzt wissen. Stella Romana fasste Binjaschar´s Schultern und hob seinen Oberkörper etwas an. „Du bist schwer, bitte hilf mir, damit du dich besser fühlen kannst!“ Gehorsam richtete sich Binjaschar jetzt auf, was ihm erstaunlich leicht fiel. Hatte er also wieder Kräfte gesammelt. Gut. Er saß an einer Wand gelehnt, oder war es was Anderes? Jedenfalls war ihm der Tote noch in Erinnerung. Wie hätte eine Frau ihn wegschaffen können vom Ort des Grauens? Also musste es eine breite Stütze sein, an der er da lehnte. Jetzt erkannte er auch das Leinen und sah, dass er sich in einem Zelt befand. „Stella, wie bin ich hier her gekommen?“ wollte er wissen. Stella kniete neben ihm und sah ihn an. Sie zögerte mit einer Antwort. Irgendwie schien sie herumzudrucksen. „Stella, was ist passiert?“ Endlich kam Bewegung in die Frau, und während sie mit einer Schale Wasser beschäftigt war, begann sie, das Erlebte in Worte zu fassen: „Ich habe dich da liegen gesehn. Du...“, Jetzt hob sie einen Lappen aus dem Wasser und wrang ihn aus, bis er noch feucht war und führte ihn an Binjaschar´s Stirn. Warum tat ihm die Stelle weh, über die der Lappen fuhr? „Du hattest geblutet, und ich konnte nicht wissen, ob du überhaupt noch am Leben warst.“, sprach sie weiter. „Ein großes Tier hatte dich mit sich geschleift. Dein Kopf war in seinem Maul!“ Jetzt liefen ihr Tränen herunter, und sie musste sich abwenden. Laut rief sie: „Ich konnte ja nichts tun! Dies riesige Tier- es war mindestens 2 Meter lang und fast so hoch wie ich!“ Mit Mühe hatte sich Stella wieder beruhigt und wandte sich erneut zu Binjaschar um. „Es war ein helles, fast weißes Tier. Eine große Katze, Tiger oder Löwe. Ich weiß es nicht. Vielleicht auch ein Mischling. Ich hatte solche Angst! Da hab ich mich versteckt in einer Grube. Das Brett lag schon darüber“, sagte sie und zeigt in Binjaschar´s Richtung. Aha- das Brett, woran er jetzt lehnte. „Dann hörte ich, wie es knirschte und knackte, und dieses Tier hat auch noch dazu geschmatzt!“ Aber, warum lebte er dann noch? Binjaschar war irritiert. „Endlich war alles still, und ich hab vorsichtig aus dem Versteck geguckt. Das Tier war ganz in deiner Nähe, doch du warst noch da! Aber als ich genauer hinsah, lag da ein anderer Körper bei der weißen großen Katze. Ich hab noch gewartet. Gewartet und gehofft hab ich, dass dieses schreckliche Tier doch endlich abhauen würde. Aber es döste vor sich hin, so wie die Löwen in Afrika. Was also konnte ich überhaupt noch tun?", schrie sie jetzt verzweifelt und brach erneut in Tränen aus. Endlich, nach langen Minuten aufgelösten Weinens, konnte Stella wieder einigermaßen reden. „Da war diese Schlange. Ja, eine Schlange kam an und hat sich aufgerichtet. Die Katze hatte offenbar Angst, gebissen zu werden und fauchte vor Wut. Aber dann erhob sie sich träge und schlenderte langsam weg, aber sie hat sich immer wieder umgeschaut und gefaucht. Die Katze war jetzt endlich weg, aber diese Schlange...“, Stella starrte vor sich hin, als wäre die Schlange vor ihr. Langsam senkte sie ihren Blick und schaute wieder Binjaschar an: „Ich hab mit Steinen nach ihr geworfen. Da hat sie sich nochmals aufgerichtet und zog sich irgendwann zurück. Ich bin dann zu dir gekommen und du hast noch geatmet. Wie ich dich von da weggezerrt hab, weiß ich selbst nicht mehr. Ich hatte das Zelt mitgenommen. Als die Horde uns angriff, war ich weggelaufen und hab mich versteckt. Hörst du? Feige bin ich weggelaufen!“ Binjaschar konnte ihr gut nachempfinden. Sehr gut sogar... „Haben die Banditen etwa die Zelte zurückgelassen?“, wollte er jetzt wissen. „Banditen- wie im Western.“, sagte Stella, „Ja, genauso war es. Genau wie im Kino, nur leider echt. Ich sah, wie unsere Leute und die Andern mit Gegenständen aufeinander losgingen. Mehr wollte ich nicht mehr ertragen. Ich hab mich einfach hingekauert und mein Gesicht verborgen. Ich kann es nicht fassen, was da passiert ist. Wieso tun die das? Statt sich mit uns zusammenzutun und gemeinsam zu überleben, fallen die über uns her!“ Jetzt war Stella außer sich und stand mit entsetzter Mine auf. „Wie können die das nur tun?“, schrie sie. Kopfschüttelnd blickte sie zu Boden.
Keiner der Beiden sagte ein Wort. Stella ging ihrer Beschäftigung nach, und Binjaschar sah ihr gedankenverloren zu. Irgend etwas war zu seltsam an Stella´s Schilderung. Nur was genau, das konnte Binjaschar nicht so klar erkennen. Wo kamen der weiße Löwentiger und die Giftschlange her? Hier war doch Mitteleuropa! Im Süden, ja, da kamen in der Antike noch Löwen vor. Das wusste er schließlich von Seiten der verbotenen Bibel. Aber jetzt? Noch dazu ein weißes Tier? Das konnte nur von einem Zoo stammen, oder aber es war ausgebrochen aus einem Safari-Park. Damals gab es diese zwei legendären Deutschen, die in Amerika das große Geld gemacht hatten. Von Maharadschas hatten sie weiße Tiger erhalten und sich einen regelrechten Zuchtstamm aufgebaut. Später tauchten auch weiße Löwen auf, erst als Mischlinge, dann reinerbig. Wenn solch ein Tier die Flucht ergreift, wie weit kann es sich entfernen innerhalb weniger Monate? Binjaschar kannte darauf keine passende Antwort. Nur Eines stand fest: Die damalige Katastrophe hatte sich offenbar in sehr weitem Umkreis abgespielt und blieb nicht auf die Gegend des zerstörten Instituts beschränkt. Jetzt den Weltempfänger zur Hand zu haben, wie gut wäre das! Dann könnte man wenigstens erfahren, ob es irgendwo eine Diakoniestation gäbe. Wenigstens mit einem Feldlazarett konnte neue Hoffnung auf ein Wiedersehn mit den Ãœbrigen der Gruppe verbunden sein. „Stella“, unterbrach Binjaschar schließlich die Stille, „Was denkst du, in welche Richtung wir am Besten gehn?“ Stella hob nur kurz ihre Schultern. Wie sollte sie das wissen? „Achten wir besser auf das weiße Tier, falls es den Rest des Toten fressen will. Vielleicht ist auch die Schlange in der Nähe oder noch eine weitere Ãœberraschung. Außerdem haben wir jetzt Feinde!“ Ja, das war die harte Realität. Wie ein Stück Wild mussten sie auf der Hut sein. Ein wirklich dramatischer Verlauf ihrer anfangs hoffnungsfrohen Reise. Ob sie wirklich das nächstliegende Versteck erreichen konnten? Falls nicht schon jemand Anderes ihnen zuvorgekommen war und die Bibeln in jetzt falschen Händen... Nicht auszudenken, dieses Fiasko! „Ach, Ha Schem, G'tt meiner Väter und mein G'tt. Wie sollen wir jetzt weiterkommen?“ Stella hatte den halblauten Seufzer gehört. Sie war es von klein auf gewohnt. Tausendfach waren solche Stoßgebete in ihrer Erinnerung, und früher hatte sie sich selbst daran beteiligt. Aber irgendwann kamen doch zu viele Ablenkungen in ihr Leben hinein, so daß diese Rufe der Seele in Bedeutungslosigkeit versanken. Also, von Binjaschar wusste sie, daß er kaum jemals auswendig gelernte Texte herunterleierte. Seine Art zu beten war eher mit einem Gespräch vergleichbar, ein Gespräch, dass er mit einem Unsichtbaren führte. Oft hatte sie ihn dabei beobachtet, wie er plötzlich aufschaute und nickte, manchmal leise „ja, Herr!“ sagte oder nur schlicht lächelte. Hielt sie ihn anfangs für einen Spinner, konnte sie diesen Eindruck nicht mehr lange aufrechthalten. Zu besonnen war Binjaschar. Er hatte eine seltsame Ruhe und Fröhlichkeit, die wirklich nicht zu erklären war. Durch die Anspannung der letzten sehr turbulenten Tage war Binjaschar nicht mehr so ausgeglichen und souverän, aber, so dachte sich Stella, wer konnte das schon wegstecken, was ihnen alles widerfahren war? Und jetzt, als sie Binjaschar so reden hörte, sah sie wieder den Glanz in seinen Augen. Seine Gesichtszüge, seine ganze Haltung zeugten von echter Entspannung.
Ja, Entspannung und Gelöstsein- wie sehr hatte sie sich das immer gewünscht! So oft sie auf ihr bisheriges Leben zurückschaute, erkannte sie diesen Mangel ganz klar. Was hatte ihr all die christliche Tradition denn gebracht? Manchmal schöne Feste mit reichlichem Blumenschmuck und fröhlich- beschwingter Atmosphäre. Der nächste Tag gestaltete sich um so ernüchternder: Außer dem allgemeinen Gelaber über die vergangenen Feierlichkeiten war doch nichts geblieben. Bisschen Tratsch und Witze auf dem Rücken Anderer. Und? War es das? Nein, das konnte sie jetzt nicht mehr `Leben´ nennen. Stella hatte viel erfahren in den letzten Monaten. Zu viel, um noch länger oberflächlich zu bleiben. Sie hatte Binjaschar genau beobachtet. Er war ein Mensch, der sich nicht von Anderen unterschied. Aber trotzdem war er ein Mann besonderer Qualitäten. Ob er das wohl wusste? Jede Frau hätte sich bestimmt um ihn geprügelt, nur um ihn für sich zu haben. Dieser Mann war anders. Er hatte Format und machte so ganz und gar keine Anstalten, mit Frauen zu spielen. Stella konnte nicht behaupten, er sei prüde. Nein, er war irgendwie lebhaft, ohne aufdringlich zu sein. Nie hatte er irgendwelche sexuellen Ambitionen gezeigt, noch nicht einmal Dr. Lissi gegenüber, die ihn schließlich sehr mochte. Er war auch nicht der steife höfliche Mann, der eher einem dressierten Tier glich. Nein, dieser Mann war angenehm unverdorben und hatte Klasse. „Herr, mein G'tt, höre: Du hast mir die Gruppe anvertraut, und ich habe sie im Stich gelassen. So will ich wenigstens für Stella dasein und sie vor weiterem Schaden bewahren. Und Du hilfst mir dabei. Und Du bist treu. Und ich will Deinen heiligen Namen hochhalten, wie man eine Fahne weithin sichtbar flackern läßt. So mögen Viele ihre Zuflucht suchen bei Dir und sich versammeln unter Deinem Namen. Ba Schem Jeschua, amin.“ Stella hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört. Auch jetzt mochte sie lieber nichts sagen. Die Atmosphäre im Zelt war verändert. Das konnte Jeder spüren. Als ob der G'tt Binjaschar´s persönlich anwesend wäre in diesem kleinen Zelt. Leise begab sie sich zu Binjaschar und ließ sich neben ihn nieder. Fragend sah er sie an. Wie konnte sie es ihm nur sagen, das, was sie jetzt so bewegte? Hatte sie überhaupt den Mut dazu? Binjaschar sah, wie sie ihren Mund leicht bewegte, aber doch nichts sagte. Wie konnte er das deuten? Er, ein Mann, mit einer Frau allein im Zelt. Das sprach Bände in seinen Gedanken: Durch die gemeinsamen Gefahren waren sie einander vertraut. Eben das konnte ausarten in sexuelle Gebundenheiten! Er liebte Lissi und Lissi ihn. Das nutzte aber nichts, wenn die gegenwärtige Situation sich so darstellte wie jetzt.
„Joschiah, ich möchte dich was fragen.“, begann Stella, „Aber bitte lach nicht, ja?“ Binjaschar ahnte, dass jetzt ein gewisses Geständnis auf ihn zukam und bereitete sich innerlich schon auf das notwendige diplomatische Manöver vor. „Du hast eben gebetet?“, fragte Stella zögernd. Nun war Binjaschar aber doch überrascht! Das hatte er nicht erwartet. Halb erleichtert atmete er auf, aber er war jetzt auf der Hut, nichts unüberlegt hinauszuposaunen. „Ich habe alles, fast alles, gehört.“ Stella blickte scheu zu Boden. „Aber ich kann nicht verstehn: Wie ist das möglich?“ Jetzt sah sie ihn direkt an. „Wie ist was möglich?“, fragte er vorsichtig. „Ja, du redest mit jemandem, den du nicht siehst und bekommst auch noch Antwort aus dem Nichts! Ich frage mich: Wie ist sowas möglich?“, nach kurzer Pause sprach sie weiter: „Und wenn du dann dein amin gesagt hast, bist du ganz verändert. Wie ist sowas möglich, von einer Sekunde auf die Andere?“ Binjaschar holte tief Luft. Was konnte er ihr nur darauf sagen? Tausend Antworten fielen ihm ein, aber er wusste nicht, was von all dem wirklich angebracht war. Zu seinem eigenen Erstaunen hörte er sich sagen: „Stella, du brauchst Ihn. Er will dir begegnen. Das, was du so an mir bewunderst, kommt von Ihm. Er gibt mir Antwort und füllt mich wieder, immer wieder, mit neuer Kraft und mit Frieden. Grande Parce, wie man es auf Italienisch ausdrücken würde“. Jetzt konnte Stella nicht mehr an sich halten: „Aber wie? Sag mir: Wie kann ich das bekommen, was du hast? Wie kann ich diesen G'tt, an den du glaubst, echt glaubst, wie kann ich das tun?“ Sie überschlug sich in ihrer Aufregung und hätte ihn am liebsten durchgeschüttelt, um endlich die Antwort ihres Lebens zu bekommen. Ja, ihres Lebens. Das merkte sie jetzt mit jeder Faser ihres Menschen: Es ging um alles. Wenn sie jetzt die Antwort verpasste, dann ging das Leben an ihr vorbei und sie würde im Schatten versinken. Aber sie hatte Angst vor der Enttäuschung. Sie sah ja, dass da wirklich was war, das sah sie überdeutlich an Binjaschar. Es musste jetzt sein, jetzt oder nie! Binjaschar sah ihr ernst in die Augen: „Du musst jetzt mit Ihm reden. Sag Ihm alles, was du sagen willst. Ich helfe dir dabei, aber reden musst du selber. Du willst zu Ihm. Sag Ihm das. Jetzt.“ Da brach es hervor aus Stella: Sie konnte nicht mehr schweigen. Ihr ganzes Herz wollte auf einmal erleichtert werden, sie sprach nicht mehr leise, nein, jetzt rief sie zu Ihm, als würde sie ertrinken und Er stünde am Ufer. Ihr ganzes Leben fiel ihr auf einmal ein. Alles, was sie falsch gemacht hatte, die Bosheiten gegenüber anderen Menschen und ihre Oberflächlichkeit gegenüber G'tt. Wie leichtfertig hatte sie doch bisher von Ihm gedacht, wie nebulös war Er Ihr doch bisher geblieben! Jesus, der Heilige, der Sohn Mariens. Und Maria als die Große, der ihre Hauptaufmerksamkeit gelten sollte. Was war mit Jesus? Was war nur mit diesem Jesus? Endlich brach es aus ihr heraus wie eine Fontäne: „G'tt, ich will Dich endlich kennen!", und schluchzend: "Du, bitte, ich brauch dich!“ Im Stillen dachte Binjaschar: „Oh, Jeschua, wie kann ich dir danken für dies Wunder? Vater, Du hast Jeschua eingesetzt, um uns zu erreichen und zu finden. Ana, Ha Schem, hoschianah, ana, Ha Schem, hatslichanah! (Bitte, Höchster, rette uns; bitte, Höchster, schenke Gelingen uns!). Vater, Du offenbarst uns Deine Liebe durch Jeschua, über Bitten und Verstehn hinaus, und ohne unser Zutun kommst Du uns entgegen in Deiner Liebe, Deiner Treu!“ Stella weinte, und mit ihr Binjaschar. Doch es waren Tränen inniger Dankbarkeit und Freude, die ihnen flossen.

Am nächsten Morgen erwachte Binjaschar, als das erste Morgengrau sich vor dem eigentlichen Sonnenaufgang zeigte. Stella schlief noch. Leise stand er auf. Wie friedlich und süß! Er gönnte es ihr von ganzem Herzen. Unbemerkt begab er sich vor den Eingang. Im Zwielicht des Morgens hatte die Umgebung ihr besonderes Flair. Die kühle, noch feuchte Luft war sehr angenehm zu atmen und erfrischte Binjaschar. Ohne es zu beabsichtigen, lies er seine Augen schweifen an die Stelle, wo der Kadaver liegen musste. Nichts! Nur noch ein dunkler Fleck zeigte an, dass hier Blut geflossen war. Also hatte die Katze sich den Rest geholt, während G'tt ihnen begegnet war. Jetzt musste Binjaschar doch leise lachen. Mitunter hatte der Herr einen sonderbaren, tiefsinnigen Humor! Das drückte auch ein Lied aus dem Buch der Lieder aus, in dem die Ordnung des Wassers im Ozean und vom Gebirge bis dorthin beschrieben wurde. Im Lied hieß es auch, daß abends die Löwen sich regen: „Er ruft zum Herrn, daß Er ihm Beute gebe. Am Morgen dann legt er sich schlafen, während der Mensch aktiv wird.“ Ja, auch das hatte die Wissenschaft bestätigt: Erst stimmen die Löwen ihr abendliches Gebrüll an, um sich anschließend schlafen zu legen. Das Wild, vom Gebrüll aufgeschreckt, hält sich mit Gewalt auf den Beinen, bis ihm doch die Augen schwer werden. Dann erwachen die Löwen und haben leichte Beute.
„Ja, Herr, wie soll ich- wie sollen wir, meine Schwester und ich, diesen Tag beginnen? Wir wollen ja die Anderen wieder finden, falls das noch geht. Und, Du weißt ja, was die Sache mit Lissi und mir betrifft. Wenn sie noch lebt, bitte schenk ihr Gelegenheit, mir meine Feigheit zu verzeihn. Und wenn uns ein Tier begegnet, lasse uns bitte nicht zu klein erscheinen in seinen Augen...“

Allmählich war das Grau einem Sommermorgen-Blau gewichen, und es war schon zu erkennen, wo die Sonne ihre Strahlen zuerst ausstrecken würde. Aus dem Zelt kam leise der Klang einer leeren Blechkanne. Aha, Stella hatte demnach außer dem Zelt auch einen Vorrat an Wasser und Tee oder sogar Kaffee bei sich. Vergnügt erschien Binjaschar wenig später im Eingang. „Guten Morgen, Madame!“, ertönte halb singend seine angenehme Stimme im Zelt.
„Buon Giorno, Frattelone mio!“, flötete eine heitere Stella zurück „Nu, meine Schwester, wie ergeht es dir am ersten Morgen deines neuen Lebens?“, fragte lächelnd Binjaschar „Nu, ich fühle mich wie neu geboren, so, wie ich das mal gehört habe in einer Ansprache unseres Patres. Damals war ich so 13, als er den neuen Brunnen vor der Kapelle eingeweiht hatte. Er sagte was von lebendem Wasser und von neu geboren werden. Jedenfalls hab ich das noch so in Erinnerung.“ „Möchtest du mehr darüber wissen?“, fragte Binjaschar sie. „Oh ja! was weißt du? Na sag schon!“ „Also“, begann Binjaschar, „Der Messias, oder Christo, wie man Ihn in Italien nennt, hat das lebende Wasser als Beispiel gebraucht. Lebendes Wasser ist nichts Mystisches, im Gegenteil: In der Alltagssprache im Orient nennt man fließendes Wasser so. Also Wasser, das in Bewegung ist und gut schmeckt. Im Gegensatz dazu schmeckt abgestandenes Wasser schal oder sogar faulig. Was ziehst du also vor? Ist es nicht das lebende Wasser? Richtig?“, Stella nickte. „Richtig!“, sagte sie fröhlich. „Wer an Ihn glaubt, so wie du seit gestern und ich seit vorgestern, ...von dessen Leib werden Ströme lebenden Wassers fließen...“ „Schweiß?“, unterbrach ihn Stella neugierig. „Nein, genau das ist nicht gemeint, sondern eine Frische, eine ständige Bewegung, Dynamik, wie das die Griechen sagen. Eben ein Vorwärtsdrängen des neuen Lebens.“ Stella hatte gerade mit einem Feuerzeug das trockene Holz entzündet und stellte das Wasser auf den Rost. Kurz hielt sie den Kopf schief und dachte nach. Dann nickte sie und bemerkte: „Ja, genau. Das war es auch, was ich an dir gesehn habe. Nur konnte ich das damals nicht verstehn. Aber jetzt- ja, klar.“ Sie schaute ihn an und setzte sich ihm gegenüber, die Hände in die Nähe des wärmenden Feuers gebreitet. Binjaschar sprach weiter: „Die Sache mit dem von Neuem geboren sein, das hast du ja wirklich erlebt! Und genau das meint er, wenn er davon spricht, auf welche Weise der Mensch in G'ttes Gegenwart gelangen kann: Nur wenn der Mensch von Neuem geboren wird, ist er auch ein neuer Mensch. Wir müssen nicht wieder als Babys von einer Mutter zur Welt gebracht werden, sondern müssen aus unserem weltlichen Zustand in den Schoß G'ttes fallen, wenn man so will. Das heißt: Wir sind bereits als Feinde G'ttes geboren worden. Das ist unser Zustand. Aber durch unsere Verbindung, die wir mit dem Messias eingehn, sind wir in einem neuen Zustand, im Zustand der Reinheit. Wir werden durch den Messias verändert, und G'tt sieht uns an, als hätten wir nie Seine Statuten übertreten, so rein und makellos! Stella, versteh, wer das verstehn kann- ich kann es noch immer nicht begreifen! Wie lieb muss uns doch der Ewige haben, dass Er uns so adelt!“ Stella war verblüfft. Lange sah sie schweigend ins Feuer. „Ja, Joschiah, jetzt weiß ich, was die Wahrheit ist.“, sagte sie nur kurz und nahm den Teebeutel aus der Tasse. Sie hatte der Beutel Einige mitgebracht, so dass, falls mehrere Leute sich im Zelt einfinden sollten, jeder gleichzeitig mit den Andern Tee genießen konnte. „Aber erzähl mir doch mal, was du so bisher erlebt hast, ich meine, du bist doch schon viel länger Christ als ich.“ Binjaschar´s erste Reaktion war ablehnend, als das Wort `Christ´ fiel. Schließlich war er noch immer Jude, auch, und gerade als ein Messianischer! Aber ihm war auch klar, dass diese Frau, die ihm gegenübersaß, ohne jüdischen Hintergrund aufgewachsen war, obwohl ihr Familienname doch jüdischen Charakter besaß. Und so erzählte er ihr von manchen Begebenheiten. Vor allem einen Mann erwähnte er mit besonderer Achtung: Seinen Lehrer Rabbi Jah'El. Vieles, was der seinen Schülern damals weitergegeben hatte, kam Binjaschar schließlich zugute und hatte sogar mit zu seiner Entscheidung für das Leben mit Jeschua beigetragen.

 

Vorsichtig spähten sie zum Lager. Trotz der langen Zeit war noch immer Wachsamkeit geboten. Seit Stunden lagen sie zwischen den dichten Sträuchern. Aufgrund seiner ausgeprägten Vitalität war Ginster der erste Strauch, der auf dem durch jene Katastrophe ausgedörrten Boden wieder Fuß gefasst hatte und nun stellenweise üppige Inseln bildete. Eine Art Macchie oder Savanne war entstanden. So hatten die überlebenden Tiere wieder einigermaßen Deckung, wenn auch der Ginster sich nur für Wenige als Nahrung eignete. Wie gut hatte der Schöpfer es doch eingerichtet, dass Gräser ebenfalls überaus lebensfähig waren! Saatgut wilder Pflanzen konnte Jahrzehnte irgendwo lagern, bis endlich ihre Zeit gekommen war und sie zu keimen begannen. Sogar Getreide, dass Archäologen in Pyramiden fanden, kam nach der Zeit von Jahrtausenden zum Auflaufen und zeugte so von den uralten Sorten, die damals angebaut worden waren. Das ist auch das Geheimnis der Wüstenblumen, die nach Bewässerung die Wüsten in Blumenwiesen zu verwandeln vermögen. Damals, unmittelbar nach der Katastrophe, schien es endgültig aus zu sein für die pflanzenfressende Vogelwelt. Als jedoch das erste Grün Saat ansetze, waren sie plötzlich wieder da: Scharen von munteren Finken fielen in die neu entstandenen Wiesen ein und erfreuten durch ihr lebhaftes Treiben. „Das Leben ist zurückgekehrt!“, sagte man damals. Dieser Ausruf war so etwas wie ein Sprichwort geworden.

Im Lager schien sich nichts Verdächtiges zu regen. Ein Stein flog in die Richtung. Nichts. Ob man jetzt hingehn konnte? Sie wagten es und schlichen langsam aus ihrem Versteck. Plötzlich brauste ein großer Schwarm Sperlinge davon. Erschrocken hielten die Wanderer inne. Aber jetzt war sowieso gewarnt, wer auch immer sich drüben verborgen hielt. Also schritten sie weiter, jetzt nicht mehr auf Lautlosigkeit bedacht. Aber zum Reden verspürten sie nicht die geringste Lust. Noch immer war diese Anspannung präsent und hielt sie zum Lauschen an. Da kamen sie auch schon ans erste Zelt. Einer der drei Männer öffnete den Eingang und sah sich genau jeden Winkel an. „Komm mit rein!“, sprach er einen seiner Begleiter an, während der Dritte draußen aufmerksam die Gegend musterte. „Nichts“, war aus dem Zelt zu vernehmen, worauf beide wieder am Eingang erschienen. Es waren nicht viele Zelte, die da standen. So an die 5, mehr oder weniger aufgerichtet. Zum Teil lagen die Stangen am Boden. Die drei Männer waren jetzt beim letzten Zelt und schauten hinein. Nichts Verdächtiges. Also traten zwei von ihnen ein, während der Dritte nach gewohnter Manier Wache hielt. Sie hatten jedes Zelt gründlich inspiziert und alle Gegenstände rausgeholt, welche sie nun zentral im letzten Zelt aufbewahren wollten. Die übrigen Zelte sollten dann umgestellt werden, so dass es wie eine Wagenburg aussah. Einer der beiden Männer schrak plötzlich hoch: Da war eine Schlange aus einer Handtrommel gefahren und hatte ganz knapp seinen Arm verfehlt. Ohne einen entsprechenden Reflex wäre der Mann jetzt gebissen worden. Die Schlange war halb aus der Trommel herausgekommen und hatte ihren Vorderkörper drohend aufgerichtet. „Es ist eine Aspisviper!“, bemerkte der andere Mann, „Wir sperren sie am besten in die große Büchse. Du weißt: Diese große Runde für Gebäck.“ Aber wie sollte man der wehrhaften Schlange habhaft werden? Eine Stange mit Schlinge wäre in einem solchen Fall angebracht, aber woher? langsam wichen die beiden zurück und verließen das Zelt. „Was ist los?“, wollte der Dritte wissen. Eine kurze Lagebesprechung, und einer der 3 begab sich zum nächsten Zelt, das halb zusammengefallen war. Mit einer Stange und Zeltschnur kam er zurück. Bald hatten sie so was ähnliches wie ein Lasso an einer Schiene konstruiert. „Vielleicht klappt es ja beim ersten Mal!“, munterte der Anführer seine beiden Gefährten auf. Wie sie es gewohnt waren, blieb einer der Männer am Eingang des Zeltes und ließ seinen Blick durch die Gegend schweifen. Scharf beobachtete er jedes Versteck. Nichts durfte seinen Augen entgehn. Zu gefährlich war das Leben in der verwüsteten Landschaft Europas. Nicht nur hier, sondern an vielen Stellen gleichzeitig hatte es Erdbeben und Eruptionen gegeben. Tausende kamen schon allein um, weil sich unter ihnen urplötzlich die Erde auftat und sie in Sekundenschnelle verschlang. Diese Vorgänge liefen so plötzlich ab, dass niemand hätte helfen können. Wie aus dem Nichts waren die Risse da, und ebenso schnell schlossen sie sich wieder, als wäre nichts geschehn. In solchen Augenblicken klang die Redewendung, nach der man mit beiden Beinen fest auf der Erde stand, wie Hohn. Wo war denn die Sicherheit geblieben? Eilers musste unwillkürlich grinsen, als er daran dachte.
Wie lächerlich sich doch alle gebärdeten! Jeder wusste es besser. Ja klar. „Ich hab sie!“, tönte es aus dem Zelt. „Bingo!“, bemerkte der Andere. „OK.“, sagte Eilers, „Dann wollen wir unser Tierchen mal in Sicherheit bringen. Thomas, holst du die Büchse?“ Man hatte in einem der Zelte Klebeband gefunden, das nunmehr gute Dienste tat. Zuvor wurde die Blechbüchse mit Atemlöchern versehn, damit die Schlange nicht ersticken konnte. Inzwischen hatten die Männer sich gemütlich eingerichtet im größten Zelt. Alles war soweit nebenan aufgeräumt und gut verstaut. Die Ãœbrigen hatten sie als Halbkreis angeordnet. Für den modernen Menschen, den Städter besonders, mutete ein solcher Anblick wohl sehr befremdend an. In Wildwest-Filmen tausendfach gesehn, diente angesichts der fortschrittlichen Verteidigungsmethoden eine Wagenburg eher der Belustigung des Publikums. „Ich denke“, bemerkte Henk van Brinck, „Dass ich die erste Wache übernehme. Es ist besser, wenn wir ausgeruht sind. Ich meinerseits bin noch nicht müde“. Ja, das war den Andern recht, lagen sie doch so schön gemütlich da.

Die Sonne hatte die Luft ausgetrocknet, so daß man sehr bald sehr durstig wurde. Immer öfter hatten beide eine Pause einlegen müssen „Wenn es hier wenigstens ein Straßenschild gäbe!“, sagte Stella in Galgenhumor. „Ja, und ein edles Restaurant!“, konterte Binjaschar. In der Ferne war eine Wolke zu sehn. Sonst nichts weiter. Unwillkürlich zog die Wolke beider Blicke auf sich, so daß sie genauer hinschauten. War es nicht eher eine Rauchsäule, die da aufstieg? Wind gab es leider keinen, der sie hätte abkühlen können „Joschiah, was ist das?“, fragte sie und sah ihn an. Er starrte weiter gradeaus und raunte unverständlich. „Es hilft nichts“, begann er schließlich, „Wir sind bestimmt schon gesehn worden und werden erwartet.“ Also strebten sie jetzt zügigen Schrittes auf den Rauch, oder was es war, zu. Der Weg führte sie durch eine Senke und war wesentlich weiter, als er schien. Während dieses unendlich vorkommenden Wanderns kamen ihnen tausend Gedanken in den Sinn. Wer oder was wartete ihrer da drüben? Wenn es schlimmstenfalls die Banditen waren, die auch noch sie ausrauben und umbringen würden? Aber welche Chance hatten sie denn? Es war ein Kreislauf der Gedanken und führte zu nichts. „Was hältst du davon, wenn wir jetzt erst mal beten?“ Diese Frage kam so resolut, und Binjaschar war sehr überrascht. Gleichzeitig schämte er sich, nicht selbst auf den Gedanken gekommen zu sein. „Klar, ja. Wird wohl das Beste sein.“, stammelte er verlegen. Während sie gingen, legten sie ihren weiteren Weg und auch ihr Befinden in die Hände des himmlischen Vaters. Die Senke war geschafft. Sie blieben erst mal stehn und mussten sich kurz ausruhn vom beschwerlichen Aufstieg zum gegenüberliegenden Rand. Jetzt konnten sie schon mehr erkennen: Da standen 4 oder 5 Zelte. So genau war es nicht auszumachen. Jemand patrouillierte offenbar hin und her. Ab und zu wandte er seinen Kopf zu ihnen rüber. Sie waren schon lange entdeckt worden. Wie konnte es angesichts der baumlosen Landschaft auch anders sein? Unvorstellbar, dass vor der Erdbebenkatastrophe hier noch Wälder gestanden hatten! Als beide auf ungefähr 1 km herangekommen waren, hob der Mann einen Arm senkrecht in die Luft. Schweigend sahn Stella und Binjaschar sich an. Ein süßes Lächeln war auf ihrem Gesicht! Binjaschar bemerkte wieder einmal mehr die Schönheit seiner Begleiterin. Glücklich der Mann, der diese Prachtfrau heiraten würde! Schon wandten sie sich wieder zu den Zelten und grüßten zurück. „He, ihr da drin, wir bekommen Besuch!“, rief Neusser leise ins Zelt, „Ein Mann und eine Frau. Sie haben eine Trage dabei.“ Diese Trage war das Zelt, auf dem sie alles Hab und Gut transportierten. Jeder der Beiden hielt je eine Stange. Die Stangen waren an ihren anderen Enden zusammengebunden, so dass es ein dreieckiges Tuch ergab, in dessen Mulde sich sehr gut Einiges unterbringen ließ. Von Weitem rief der Mann etwas. Zwei weitere Leute gesellten sich zu ihm und grüßten ihrerseits. Jetzt kamen zwei von ihnen auf Stella und Binjaschar zu. „Hallo, macht ihr gerade einen Ausflug?“, empfing sie einer der beiden Männer. „Ja, so ungefähr“, lachte Binjaschar zurück. Es war sehr erholsam im großen Zelt. Sie saßen beim Tee zusammen und berichteten einander von ihren Erlebnissen. „Gestatten, mein Name ist Thomas Neusser. Er hier heißt Henk van Brinck und der Herr zu meiner Rechten ist Stephan Eilers“. „Angenehm.“, sagte Stella, „Stella Romana heiße ich. Der Kavalier neben mir heißt Joschiah Binjaschar“. Die Männer schauten einen Augenblick überrascht auf Binjaschar, wohl wegen seines ungewöhnlichen Namens. Binjaschar indes zog es vor, noch nicht zuviel zu erklären und hoffte im Stillen auf Stella´s Zurückhaltung. Stella war normalerweise impulsiv und für jeden Spaß zu haben. Das konnte aber auch zu unüberlegten Dingen führen. Binjaschar wusste: Wenn ein Mensch die Verbindung mit Adonai einging, war er noch nicht sofort verändert auf ganzer Länge. Die schwerste Hürde lag ausgerechnet beim Charakter. „Ja, also, wir sind Tierwärter. Das Erdbeben hat im Safaripark voll zugelangt. Sieht aus wie nach ner Bombe!“, berichtete Henk van Brinck, den seine Kameraden auch Brinki nannten, „Dabei ist uns Einiges entwischt. Wir suchen bisher ohne Erfolg unsere 10 Zebras. Ein paar Giraffen halten sich im näheren Umkreis auf. Ist ja kaum verwertbares Futter da, außer Gras. Ja, dann haben wir noch verschiedene Antilopen, Löwen, Affen...“ „Was? Löwen, weiße vielleicht?“, rief Binjaschar aufgeregt. „Ja, warum? Habt ihr welche gesehn?“, warf Neusser ein. „Wann und wo?“, fragte Stephan Eilers ernst. Dann erzählten die Beiden von ihrer unliebsamen Begegnung der weißen Art. „Oha!“, versetzte Henk, „Dann wirds ernst! Das war Simba, unser Mischling. Zwischen Tiger und Löwe. Der Vater ist ein Tiger und und wurde bei uns geboren. Die Löwin kam als Leihgabe vom Bronx-Zoo. Simba hat bisher noch nie irgend jemanden auch nur angefaucht, geschweige denn seine Krallen gezeigt! Wenn eine Katze sowas tut, dann ist sie entweder verwundet oder hat nie gelernt, Beute zu reißen. Und genau das lernen unsere Tiere nicht. Denn sonst gäbe es bald nur noch sie, und alle anderen Tiere fänden sich in ihren Bäuchen wieder.“ Henk wandte sich an Thomas Neusser und fragte ihn leise, ob er das Gewehr bereit hätte. Ein Nicken war Antwort genug. „Es ist zwar ein überaus wertvolles Tier, aber das darf nicht passieren. Wenn es einmal einen Menschen getötet hat und sogar gefressen, dann ist es nicht mehr zu verantworten.“ Damit endete Henk´s Erklärung, und Neusser packte das Gewehr aus, das er sorgfältig zusammen setzte und wartete. Nach gründlicher Inspektion nahm er es mit nach draußen. „Haben wir nur das Eine?“, wollte Binjaschar wissen. Henk sah ihm in die Augen. Konnte er seinem Besuch trauen? Aber Binjaschar´s ehrliches Gesicht zeigte keinerlei Anzeichen von Arglist. „Ja, wir haben nur das hier.“, antwortete er, und möglichst beiläufig fügte er hinzu: „Kannst du damit umgehn?“ Binjaschar verneinte. Nie hatte er bei der IDF gedient, sondern war bislang nur ein, zwei mal für mehrere Wochen im Land seiner Väter gewesen. Auch Stella schien keine Ahnung zu haben von Waffen. „Na gut, Joschiah“, bemerkte jetzt Stephan Eilers, „Wenn du Wache hältst, dann ruf rechtzeitig! Ohne Waffe wirst du eine zweite Begegnung mit Simba nicht überleben.“ Binjaschar zögerte, doch er musste es sagen: „Henk, da ist noch was“, fing er an, „was ihr wissen müsst: Wir waren zu 8, als man uns überfallen hatte. Stella und ich konnten ihnen entkommen. Was mit den Andern ist, wissen wir nicht. Henk, was können wir nur tun?“ Jetzt sah Henk einen verzweifelten Mann vor sich. Diese Bombe schlug voll ein. Nein, mit sowas hatte Henk nicht gerechnet. Er fuhr Binjaschar an: „Man, das erfahre ich erst jetzt? Was denkst du wohl, wieviel wertvolle Zeit wir durch deine Heimlichtuerei inzwischen verloren haben? He? Du denkst wohl, du bist allein auf dieser verbrannten Welt, was?“ Binjaschar schlich sich sehr kleinlaut aus dem Zelt. Henk holte tief Luft, um sich einigermaßen zu beruhigen. Da trafen sich ihre Blicke: Stella sah ihn an. Nein, er konnte keinen Vorwurf lesen aus ihrem Gesicht. Es war eher die Frage, ob das jetzt wirklich hätte sein gemusst.
Henk stand sofort auf und begab sich nach draußen, wo Binjaschar still in die Ferne schaute. Henk stellte sich neben ihn und legte seine Hand auf Binjaschar´s Schulter. Dieser reagierte nicht. „Joschiah, wir müssen wissen, wann und wo das war. Wenn sie noch leben, müssen wir sie retten. Denk an Simba! Und nicht nur Simba ist da draußen unterwegs. Wir hatten 5 weiße Katzen, von denen ein Weibchen wahrscheinlich Nachwuchs bekommen hat. Kannst du dir vorstellen, wie nervös es dann ist? Außerdem läuft eine Horde Paviane rum. Die verstehn auch keinen Spaß. Wir haben nur das eine Gewehr und 500 Schuss, mehr nicht. Du denkst, das sei viel? Nein, nicht unter diesen Umständen: 5 hungrige Katzen, aggressive Affen und ganz nebenbei noch ein paramilitärischer Haufen Scheiße! Na bravo!“

Am nächsten Morgen knieten 5 Leute über eine Karte gebeugt und versuchten, die Lage zu sondieren. „Entweder, wir brechen alle gemeinsam auf, oder wir lassen es bleiben.“, sagte Stephan Eilers, „wir sind nur 4 Männer und eine Frau. Nur 3 von uns können wirklich mit der Waffe umgehn. Ihr beide seid noch zu unsicher damit.“ Thomas Neusser fügte hinzu: „Wir müssen zusammenbleiben. Sonst haben wir keine Chance, durchzukommen. Gut, ihr kamt später dazu. Aber ihr habt großes Glück gehabt, sonst gäb es euch jetzt nicht mehr.“ „Nein!“ Stella sah entschlossen jedem der drei Tierwärter in die Augen. „Nein, ohne G'tt wären wir nicht zu euch gekommen. Ohne Ihn gäb es uns nicht mehr. Wir haben zwar jetzt eine Waffe, aber die kann uns schnell entwendet werden, wenn die Banditen uns hier überfallen. Und was dann? Nein, ohne G'tt hätten wir es nicht geschafft zu euch.“ Die Männer sahn einander wortlos an. Thomas Neusser räusperte sich verlegen. Da lenkte Henk ein, weil er jede unnötige Spannung vermeiden wollte. „Also, wir wissen jetzt, wo wir suchen können. Zumindest liegen diese Punkte im Bereich größerer Wahrscheinlichkeit“, während er mit dem Finger auf markierte Stellen der Karte wies, „Was ist, wollen wir sofort los?“ Ja, sie wollten keine weitere Zeit verlieren. Nachdem alles zusammengepackt und verstaut war, setzte sich der Zug in Bewegung. Es war etwas beschwerlich, mit 5 Zelten und allerlei Gegenständen vorwärts zu kommen. Zwar hatten sie eine Trage gebaut, aber es dauerte länger, als wenn sie ohne Lasten unterwegs wären. Sie wechselten einander ab: Jeder hielt je 1 Ende der Stangen, während der 5. im Bund als bewaffnete Eskorte fungierte.
Binjaschar dachte immer wieder nach über den überraschenden Einwurf Stella´s. Wie die Andern das wohl einordneten? Wie sollte er selber sich jetzt verhalten, da die Katze schon aus dem Sack war? Würde es zu einer Art Machtkampf kommen zwischen Intellekt und Erfahrung der einzelnen Mitglieder ihrer kleinen, verschworenen Gemeinschaft? Er hoffte, daß Stella´s impulsives Temperament sie nicht zu unüberlegten und naiven Sachen verleitete, die dann einfach nur noch peinlich wären. Ein Ruck. Was war los? Fragend sah er nach vorn, wo Henk mit der Waffe im Anschlag aufmerksam in die Ferne starrte. Binjaschar folgte seinem Blick. Da war ein kleiner heller Fleck, der sich langsam bewegte. „Wollen wir hoffen, dass es nicht Simba ist.“, sagte Stephan Eilers gedämpft. Er dachte an die vielversprechende Zuchtgruppe, die sie doch wieder einfangen wollten. Auf der anderen Seite war da die große Gefahr, die von hungrigen Katzen ausging, besonders von Denen, die schon Menschen getötet hatten. Simba musste so bald als möglich gestellt werden! „Henk, kannst du erkennen, wer es ist?“, fragte Neusser. Henk schwieg. Seine Augen suchten die Gegend ab. Irgendeinen sicheren Platz brauchten sie, damit ein Rückzug nicht zu weit für sie war, falls nicht nur diese eine Katze sich dort aufhielt. Sie mussten eng beisammen bleiben. Eine Vereinzelung durften sie nicht riskieren: Entweder die Tiere waren zusammen, oder diese Verbrecherbande lauerte ihnen auf. „Stella, du hast das Fernglas bei dir. Gib es mir mal.“, unterbrach Henk schließlich die Stille. Also setzten sie die Trage ab und warteten gespannt. „Nein, es ist ein Tiger. Sieht nach Burmi aus. Doch warte mal, nein, das ist Maharadschah“ Burmi war ein Halbbruder Simba´s und hatte den Tiger Maharadschah zum Vater, während seine Mutter eine Tigerin war. Maharadschah war kräftig und konnte sich gut behaupten gegenüber den andern Tieren. Gleichzeitig war er aber der Umgänglichste und zahmer als ein Hund. Zu den Wärtern hatte er eine gradezu verschmuste Beziehung. Aber wie konnten sie ihn jetzt betreuen? Maharadschah hatte die Gruppe nicht bemerkt, als sie sich ihm auf 900 Meter näherte. Er war gemächlich durch das Ginsterdickicht geschlichen und ließ sich dort nieder. Henk nahm aus der Seitentasche seines Overalls das Halsband mit der Leine heraus. Thomas Neusser hatte ihn begleitet. Von den Dreien war er der beste Schütze. Schon alleine aus Vorschriftsgründen wollten sie sich nur mit Waffe einer freilaufenden Großkatze nähern. Die beiden Männer wussten, dass auch ein zahmes Tier sich bei plötzlichen Geräuschen erschrecken konnte und aus Kurzschluß das Falsche tat. Genau deshalb gaben sie sich keine Mühe, lautlos an Maharadschah heranzukommen. Im Gegenteil: Sie riefen ab und zu seinen Namen, das Verlässlichste bei einer Begegnung unter diesen Umständen. Sie waren auf 20 Meter heran, als der Tiger sich erhob und in ihre Richtung sicherte. Da war was, wo er gelegen hatte. Es sah fast aus, wie...
„Ein Tier! Er hat Beute gemacht.“, bemerkte Henk. Der Größe und Fellfarbe nach handelte es sich wahrscheinlich um eine Antilope oder um ein Reh. Henk musste Maharadschah von seinem Riss weglocken. Anders konnten sie sich nicht in seine unmittelbare Nähe wagen. Eine Katze versucht stets, ihre Beute zu behalten. Der Instinkt ist ihm einprogrammiert, so kann er nicht anders handeln, als auf Abwehr zu gehn. „Wenn Maharadschah, der nie gelernt hatte, wie ein Tiger sein Opfer zu überwältigen, es doch geschafft hatte, dann muss das Tier wohl nicht zur Flucht in der Lage gewesen sein“, schlossen van der Brinck und Neusser. Maharadschah blieb noch immer bei seiner Mahlzeit stehn und sah zu ihnen rüber. Jetzt begann er, leise zu röhren. Er rief, aber nach wem? Waren es die Männer, oder befanden sich tatsächlich die andern Katzen in der Gegend? Angestrengt lauschten sie, doch keine Antwort kam von weiter weg zu Maharadschah. Er schien unschlüssig zu sein, was er tun sollte. Langsam kam er jetzt auf die Beiden zu und blieb wenige Meter vor ihnen stehn. Während Henk ihn leise lockte, besah Neusser ihn sich genau, konnte aber weder irgendeine Wunde feststellen, noch verhielt sich Maharadschah ungewöhnlich. Er konnte also bisher nicht in einen Kampf mit Menschen verwickelt gewesen sein. Endlich kam Maharadschah ganz nah und leckte Henk´s Hand. Henk beugte sich zu ihm herunter und streifte seinen Kopf an Maharadschah´s. Diese Geste der Begrüßung ist vertreten bei allen Katzen, seien sie klein oder groß. Jaaa, jetzt ließ er sich kraulen. Ob er auch das Halsband akzeptierte? Vorsichtig ließ Henk ihn daran schnuppern und legte es ihm um. Behutsam schloss er es. Maharadschah verhielt sich so, als hätte es die Zeit nach der Katastrophe nie gegeben. Endlich! Wenigstens ihn hatten sie nicht verloren. Ob er auch Stella und Binjaschar als Freunde betrachten würde, musste sich in den kommenden Minuten entscheiden. Ohne Eile schritten die Männer mit ihrem Tiger zu den Ãœbrigen zurück. Während der ganzen Zeit beobachtete Henk ihn genau. Nichts durfte ihm entgehn. Wenn Binjaschar sich unangenehm an die blutige Begegnung mit Simba erinnert fühlte, konnte das ihre Reise erschweren. Auch Stella hatte ja große Angst ausgestanden bei der Sache.
Sie kamen. Stephan Eilers hatte den Beiden das Wichtigste erklärt. Binjaschar wäre jetzt wirklich lieber woanders gewesen, als noch mal in der Nähe eines solchen Tieres. Was mit Stella war, konnte niemand so genau erkennen. Still stand sie da und sah in die Augen des Tigers. Maharadschah hob seinen Kopf und sah in Eilers´ Gesicht. Dieser hockte sich vor ihn und strich ihm durchs Nackenfell. Langsam führte Henk ihn zu den beiden Fremden. Was würde jetzt geschehn? Maharadschah musterte sie so genau, wie sie ihn. Binjaschar streckte zögernd seine Hand aus. Maharadschah schnupperte ausgiebig daran. Jetzt tat er einen Schritt auf Binjaschar zu und ...rieb seinen Kopf an dessen Beinen. Binjaschar war es nicht zuzumuten, allzu stürmisch auf diese Begrüßung zu antworten. So kraulte er Maharadschah´s Nacken. Stella, was würde sie tun? Bewegungslos wie eine Schaufensterpuppe stand sie da und ließ Maharadschah´s Gruß über sich ergehn. Abwechselnd sah sie auf den Tiger und auf Henk. Sie wusste aufgrund ihrer langjährigen Forschungstätigkeit, wie stark das Gebiss eines Tigers war. Dass der sein Maul jetzt so direkt an ihre Hand und Beine hielt, war ihr doch sehr unbehaglich! „So, das wäre geschafft!“, bemerkte Henk endlich, „Ich bin zufrieden mit euch. Maharadschah übrigens auch.“ Henk war der Versierteste im Umgang mit Großkatzen. So ergab sich, daß er nicht mehr als Ablöse für die Trage zur Verfügung stand. Neusser verstand sich zwar am Besten mit dem Gewehr, aber Henk hatte auch damit keine besonderen Schwierigkeiten, auch wenn er es nicht so schnell und genau handhaben konnte.

Kaum von ihnen bemerkt, hatte sich der Nachmittag angemeldet. Ihr allmählicher Hunger erinnerte sie an ihre gewohnte Essenszeit. Womit aber sollten sie Maharadschah bei Laune halten? Zu dumm, sie hatten vom Kadaver nichts mitnehmen können, weil sonst ihr weißer Freund die Sache mißverstanden hätte. Außerdem mochten sie ohnehin nicht allzu gern die Berührung mit Aas, angesichts der mangelnden Waschgelegenheiten verständlich. „Henk?“, erklang etwas zaghaft die Stimme Stella´s, „Du sagtest doch was über den Rythmus einer Katze. Ich meine, was machen wir eigentlich nachts? Maharadschah kann doch unmöglich gehalten werden von einem Pfahl?“ Auch Binjaschar legte jetzt die Stirn in Falten. „Meine Dame, mein Herr, ihre Reisebegleitung besteht aus 3 ausgebildeten und erfahrenen Tierpflegern, die,“ und jetzt sah Henk seine beiden Kollegen an, „genau die richtigen Leute für diesen Job sind und Ihr volles Vertrauen verdienen.“ „Außerdem“, fügte Eilers hinzu, „ist Maharadschah ein guter Wachtposten. Wir werden also ab jetzt eine Doppelwache haben, abgesehn von seinem Bedarf an Schlaf. Maharadschah wird wohl, wenn er Nachtschicht hat, während der Mittagszeit seine Ruhe brauchen. Für uns ist es ebenfalls gut, nicht in der größten Hitze zu wandern.“ Dem stimmten Alle zu.

Die Buschgruppe bot ihnen nur dürftigen Schatten, doch war das allemal besser als direkt in der trockenen Luft und Sonne zu sitzen. Henk hatte sich soeben erhoben und lehnte sich an einen der Stämme, mit überkreuzten Füßen, das Gewehr lässig nach unten haltend. Stella saß auf einer der Kisten, die ihnen als Gepäck diente, und hatte die Augen halb geschlossen. Binjaschar stützte seinen Kopf in beiden Händen und döste leicht vor sich hin. Thomas Neusser hatte sich mit Stephan Eilers die ermüdende Mittagspatroille geteilt, so dass beide Männer sich außerhalb der Büsche in der prallen Sonne aufhielten. Maharadschah lag ausgestreckt zu Henk´s Füßen und gönnte sich endlich mal den so nötigen Tiefschlaf. Insgesamt fühlten sich die Tierwärter an ihre zeitweisen Aufenthalte in Afrika erinnert, nur dass die typische Geräuschkullisse der Zikaden fehlte. Zwar ließen die verschiedenen Heuschrecken Ähnliches entstehn, doch war es längst nicht zu verwechseln. Selten kam es vor, dass man eine Feldgrille zu hören bekam- zu sehr hatten die in der Landwirtschaft eingesetzten Gifte ihnen zugesetzt. Wenn überhaupt empfindlichere Insekten überlebten, dann als Lebendfutter in irgend einer Zuchtanstalt. Falls also doch wider Erwarten ein solches Tier sich hören lassen würde, so müsste dies ein Hinweis auf nahgelegene Ansiedlungen sein, aus denen die Feldgrillen entkommen konnten. Deutlich unterschieden sich Feld- und Hausgrille, Letztere nannte man auch Heimchen, in ihrem Aussehn und Gesang. Die Feldgrille klang ziemlich eintönig, wobei sie sich im Tempo steigerte und schließlich sehr ausdauernd im selben raschen Rythmus verblieb. Ganz anders hingegen klang das Heimchen: diese Grille begann, ähnlich der Feldgrille, unregelmäßig, um ihrerseits einen gleichmäßigen Takt zu halten. Doch sie war nie so schrill, sondern klang insgesamt etwas verhaltener und, sofern man das behaupten konnte, melodischer. Ihr Takt blieb wesentlich ruhiger, während Feldgrillen vergleichsweise aggressiv anmuteten. In längeren frostfreien Perioden, wenn das Thermometer beständig über 10°C blieb, verbreiteten sich die Heimchen über weite Flächen, sofern ihnen genügend Unterschlupf zur Verfügung stand. Ihnen fehlte nämlich, gegenüber ihren winterharten Verwandten, die Fähigkeit, sich Wohnröhren zu graben. Auch in diesem unnormal warmen und grellen Sommer begegnete den Wanderern hin und wieder der vertraute Gesang eines Heimchens. Den typischen Klang war man gewohnt von Bäckereien, beheizten Ställen und Scheunen, sowie überhaupt ländlichen Einrichtungen. Dass hier überhaupt wärmebedürftige Insekten existieren konnten, war nicht etwa in mangelnder Hygiene zu sehn, sondern diese Tiergruppe erwies sich als überaus lebensfähig. Ihnen war mit der chemischen Keule kaum beizukommen, so dass auch der `moderne´ Mensch noch immer unter Stechmücken, Milben und ähnlichen Nettigkeiten zu leiden hatte.
„Henk, kannst du das Gewehr entbehren?“, fragte Thomas Neusser leise, um niemanden aufzuwecken. Henk hatte die Waffe eigentlich nur für den Notfall parat, falls unglücklicherweise Maharadschah von einem kranheitsübertragenden Tier gestochen würde. Denn leider musste man in Zeiten von Katastrophen vermehrt auf Tollwut gefasst sein. Doch die routinegemäße medizinische Kontrolle war bis dato zufriedenstellend ausgefallen, so dass Henk ihm ohne Bedenken das Gewehr aushändigte. „was ist bei euch los?“, fragte er Thomas. Dieser bedeutete ihm, dass der Nachmittag die Schatten länger werden ließ und seine selbstaufziehende Uhr mittlerweile 18,30 meldete. „Oh, dann hat Mararadschah ja sehr lange geschlafen!“, war Henk´s Feststellung. „Ist ja auch nicht verwunderlich bei dieser müden Hitze!“, bemerkte Binjaschar, der sich etwas aufgerichtet hatte und jetzt räkelte. „Außerdem“, sagte Neusser ganz nebenbei, „läuft da so ein langbeiniger schwarzweißer Vogel rum...“ „Ähm, den willst du also schießen?“, fragte ein halb amüsierter Henk. „Wusstest du nicht, wie wohlschmeckend so ein Strauß ist?“, frotzelte Neusser zurück, „Nein, Henk, wir wollen uns ja so gerne mit einem Privatzoo umgeben...!“ „Aha, du vermisst wohl die Schlangenschlinge, he?“, witzelte Henk. Dieses Gerät hatte ihnen ja gute Dienste erwiesen beim Einfangen des Reptils, das leider noch immer in seinem engen Behältnis ausharren musste und gelegentlich eine Maus bekam. Schlangen können praktischerweise bis zu 1 Jahr ohne Nahrung auskommen, etwas, das ihnen angesichts ihrer Lage sehr zugute kam. Eine ungeschickte Bewegung reichte ja, um das Tierchen zum Beißen zu reizen. Es dauerte nicht lange, und Henk erschien mit besagtem Gerät. Ihre Zelte hatten sie mit den Eingängen direkt im Schatten der Büsche platziert. „So, kann losgehn!“, forderte Henk seinen Kollegen auf, der die Fangstange entgegennahm. Obwohl Henk eigentlich erwartete, endlich mal wieder eine kleine Abwechslung zu erhaschen, machte Neusser keine Anstalten, ihn dafür einzuladen. Schade- aber hier war es wenigstens erträglich, im dürftigen Schatten der Büsche. „Na denn viel Spaß!“, war sein Gruß. Trotz Müdigkeit stand Stella jetzt grinsend auf: Das Schauspiel wollte sie sich nicht entgehn lassen! Auch Binjaschar´s Neugier war geweckt, so dass er ebenfalls beobachtete, wie Neusser sich jetzt langsam, aber sicher dem großen Vogel näherte, während Eilers dem Tier einen Rückzug abzuschneiden versuchte. Solch ein Strauß wurde nicht zu Unrecht Laufvogel genannt... Eben weil seine Fänger ganz schön laufen mussten!
Wie alle seine Verwandten, so war auch dieser Strauß ausgerüstet mit langen, kräftigen Beinen, die in Zehen mündeten, und zwar mit wirksamen Krallen. Solch ein Strauß versteht es, gut zu zielen. Außerdem nicht zu unterschätzen sind bei diesen Tieren die kräftigen Flügel, mittels denen sie ebenso kräftige Ohrfeigen verteilen können, sobald sie eine solche Maßnahme für angemessen halten. Jedenfalls stand unser Strauß den wilden Verwandten in nichts nach, was allen Beteiligten ein munteres Rodeo bescherte! Eilers konnte von Glück sagen, dass ihm der Flügel nicht einen Schlüsselbeinbruch eingebracht hatte, so knapp schwang die Schwinge an ihm vorbei! Neusser versuchte nun schon zum bestimmt 10ten Mal, dem Kickboxer endlich die Schlinge über den langen Hals zu streifen, doch bisher wich der Vogel immer zur passenden Zeit aus, wobei er schnell abdrehte und seinen Hals geschickt aus der Selben zog. Da, ein kurzer Aufschrei von Eilers! Neusser sah ihn an, doch dann erkannte er, wie der Strauß ebenso überrascht guckte, und im selben Moment war die Schlinge um den Hals des Schlingels gelegt. Von ferne erklang Applaus, wie das halt bei Rodeos üblich ist...
Ein Strauß ist vorsichtig, wenn es um seinen Hals geht. Und wenn sein Hals mal wirklich in der Klemme steckt, weiß sein Träger, daß jede heftige Bewegung unklug ist und man am besten ganz ruhig stehnbleibt. Also antworteten die beiden Fänger auf den Applaus mit grazialen Verbeugungen. Durch das Lachen, Pfeifen und Rufen hatte auch Maharadschah aus dem Land der Träume in die Realität zurückgefunden, doch er fand das nicht so gut. Mit Brummen tat er sein Missfallen kund, aber da war auch schon Henk bei ihm, um seine Laune zu heben. Wie sehr doch die Gewaltigen beeinflusst werden können durch ein bisschen Kraulen! Schließlich kam das ungleiche Trio beim Lager an. Maharadschah fixierte den Langhals, dieser wiederum schaute ihn an, und beide kratzen sich verlegen mit ihren Läufen am Kopf. Ein wirklich seltsames Schauspiel war das! Doch die Tiere kannten ja den Anblick ihres Gegenübers. Nuja, alte Bekannte eben.
Die Gruppe hatte sich um den Tisch versammelt und war in angeregter Unterhaltung begriffen. Die Stange mit Schlinge und darin befindlichem Straußenhals hatte man in einer für den Vogel angenehmen Höhe befestigt. Stella war es, die den für Frauen unvermeidbaren Einwand äußerte: „Und wie sollen wir weiterziehn- soll jemand ständig die Stange hochhalten?“ Leises Kichern kam von Henk, als ob dieser nicht begriffen hätte. Stella´s Mimik sprach Bände! Da gab Eilers freundlich Auskunft: „Also, Stella, was du nicht wissen kannst, also, dieser Strauß hat nicht nur tagaus, tagein im Safaripark rumgestromert, sondern wir Pfleger achten sehr darauf, dass unsere Schützlinge nicht vor Langeweile entarten. Das heißt also...“ jetzt machte er ein spitzbübisches Gesicht, „richtig: Beschäftigung ist angesagt! Also, wie für fast alle Tiere, außer Fischen und Amphibien, gibt es auch für Strauße geeignete Geschirre. Ja, meine Dame,“, sagte er jetzt im Ton eines Fremdenführers, „Sie haben richtig gehört! Also, da gibt es eine Art Sulki für Strauße. Der für Pferde ist etwas zu breit geraten, daher haben Tüftler eine den Straußen angepasste Gabel modifiziert. Wir machen uns diese glorreiche Erfindung zunutze“, sprach er nun in feierlichem Ton, „und binden die Stangen der Trage an den Halfter unseres Dorian.“ „Wie nennt ihr das arme Tier?“, protestierte Stella, „Do-ri-an?“ Etwas verdutzt schauten die Tierpfleger sie an, als wenn sie fragen wöllten, ob was nicht stimme mit diesem so eleganten und würdevollen Namen, wie sie empfanden. Jedenfalls schüttelte Stella immer wieder den Kopf, während sie leise „Dorian!“ vor sich hinmurmelte. Die Männer grinsten einander an, und jeder dachte sich so seinen Teil, dass Frauen wohl so sein müssten, und überhaupt. Wie Männer halt so reagieren!

Der Beifall war eifrig, und Binjaschar machte wirklich eine gute Figur, so elegant wie er sich hielt! Irgendwie schienen Dorian und er sich von Anfang an gemocht zu haben. Während sonst niemand so leicht auf Dorian´s Rücken blieb, ließ er Binjaschar ohne Widerstand gewähren. Ob dieser wohl besonders leicht gebaut war, konnten selbst die routinierten Pfleger nicht beurteilen, so groß war der Unterschied zwischen Binjaschar und ihnen wieder nicht. Klar, Stephan Eilers war besonders robust in seiner Anatomie, doch glichen seine beiden Kollegen Binjaschar in der Statur. Dorian schien jedenfalls genau zu wissen, wen er an sich rankommen ließ. Nun ja, jetzt hatte die kleine Gemeinschaft auch eine eigene Reiterei! Wer konnte wissen, ob diese neue Komponente nicht schon sehr bald von großem Nutzen sein würde? Denn sie hatten jeden Tag an die räuberische Bande gedacht, welche beständig für sie eine latente Bedrohung darstellte. Einen Toten hatte es ja mindestens gegeben, wenn auch das Gesicht des Mannes nicht mehr zu erkennen gewesen war. Weder Stella noch Binjaschar hatten die Leiche untersuchen können. Der Körper war unauffindbar, und nur typische Schweinespuren zeugten vom dessen Verbleib. Ob irgend welche Schwarzkittel überlebt hatten oder Hausschweine entlaufen konnten- das war jetzt sowieso egal. Die 5 wussten, dass Schweine Aasfresser sind und keineswegs wählerisch. Das Risiko, ein erlegtes Schwarzwild zu essen, war jetzt, nach den Katastrophen, um so größer. Außerdem war klar, dass Binjaschar sie mehr oder weniger überzeugt hatte, dass Schweinefleisch ohnehin aufgrund der Nahrungsaufnahme dieser Tiere nicht so geeignet sei. „Als Paarhufer“, sagte Binjaschar, „kann das Schwein zwar gewisse belastende Stoffe ausscheiden, doch es käut nicht wieder, verwertet die Nahrung demnach nicht so effektiv und lagert also mehr ungesunde Stoffe im Fleisch, als wenn es wiederkäuen würde. Wir erkennen das schon am Fetthaushalt: Sein Fleisch ist nie so mager wie bei Wiederkäuern. Außerdem“, fügte er hinzu, „belastet sich ein Aasfresser und Jäger mit dem Blut der Beute. Im Blut“, erklärte er, „ist das Leben. Das ist auch der Grund, warum der Schöpfer auf Mord die Todesstrafe angeordnet hat!“ Und bevor jemand protestieren konnte, zitierte er auch schon die Passage im sogenannten Fünfbuch, auch bekannt als Pentateuch. „Wer auch immer das Blut eines Menschen vergießt- ob Mensch oder Tier- dessen Blut soll vergossen werden durch Menschenhand.“, gab Binjaschar diese bedeutungsschwere Anordnung wieder. „Und warum hat Gott es so angeordnet?“, fragte er in die Runde. Sogar Stella wusste nichts darauf zu sagen. „Thomas, sicher hast du gelegentlich eins der Tiere erschießen müssen, aus verschiedenen Gründen. Kann es sein, dass es auch mal aufgrund eines Ãœbergriffs auf einen Besucher geschehn musste?“ „Thomas hat sowas noch nicht machen müssen“, meldete sich Henk zu Wort, „aber ich.“ Henk sah sehr ernst in jedes Einzelnen Augen, als die Erinnerung wieder vor ihm Revue passierte. Man merkte ihm das Trauma an, das nach so vielen Jahren noch immer sein Herz quälte und ihm so manche schlaflose Nacht bereitet hatte. Doch es musste ja jetzt gesagt werden, und Henk fasste Mut. „Es war vor mittlerweile 15 Jahren“, begann er in einer tonlosen Stimme, als sei sein Hals trocken, „Wir hatten grade eine Sendung Antilopen ausgeladen und stellten die Kisten nebenander. Als ich die erste Kiste öffnen wollte, hörte ich Timba brüllen. Timba war ein Prachtkerl von Massailöwen, hoffnungsvoll für die Zuchtgruppe. Doch da war das Kind. Irgend wie war der Junge aus dem Auto seiner Eltern gesprungen und hinten um den Wagen herumgelaufen. Timba war unter der Robinie aufgestanden und sah das Kind auf sich zukommen. Wir standen wie gelähmt und waren unfähig, zu reagieren. Alles ging so schnell.“ Henk schaute verzweifelt in die Runde, mit Wasser in den Augen. „bevor ich wenigstens in die Luft schießen konnte, hatte Timba den Jungen schon gepackt und ihm in den Kopf gebissen. Der Junge starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.“ Jetzt nickte Henk, als er sich an Binjaschar wendete: „Ja, das mit dem Töten des Tieres, das muss schon sein. Besonders bei solchen Tieren!“ Leise hatte Henk sich erhoben und begab sich ins Zelt. Niemand wollte ihn stören. Stella und Binjaschar beteten innerlich für diesen Mann, den die Vergangenheit so brutal eingeholt hatte.

Die Abendschatten wuchsen allmählich zusammen, und Kühle breitete sich aus. Die 5 saßen beisammen und starrten gedankenverloren ins niedrige Feuer. Dorian hatte sich auf den Boden gekauert und nestelte seinen Schnabel durchs Gefieder. Bald würde er seinen Kopf unter eine seiner Schwingen stecken. Hier bei den Menschen hatte er nichts zu befürchten und konnte für längere Zeit ruhn. Henk hatte keine Ambitionen, zu schlafen. Also wollte er die erste Nachtwache übernehmen. Auch Stephan Eilers hatte sich einteilen lassen. Neusser und Binjaschar hatten die ganze Zeit ab mittags bis zum Abend patrouilliert und waren froh, jetzt entspannen zu können. Nach gelegentlichen Wortwechseln begaben sich die 3 nach und nach zu ihren Schlafplätzen, wobei Stella als einzige Frau ihr eigenes kleines Zelt bekam. Die Nacht verlief ruhig, nur ab und zu brummte ein Insekt in der Dunkelheit. Insgesamt war die Welt wesentlich dunkler geworden, weil durch die zurückliegenden Katastrophen die Stromversorgung weitgehend zusammengebrochen war, so dass weder Städte noch größere Ortschaften die sonst immer so typischen Lichtkoronen erzeugten. Die vertrauten Stimmen und Geräusche der Nacht umschmeichelten die beiden Wachen. Ein warmes Lüftchen vertrieb zeitweise die Kühle, die alle Pflanzen und Gegenstände mit Tau bedeckte. Nur der kahle Boden blieb fast ganz trocken, doch jeder Stein darauf war befeuchtet. Ein gellender Schrei schreckte die Wache auf. Kam das nicht aus Stella´s Zelt? Sofort stürzten sich beide Männer in die Richtung. Was war nur geschehn? Vielleicht nur ein böser Traum, der Stella geängstigt hatte? Leise hofften die Männer sowas. Henk war soeben in Sichtweite des Zeltes, als ein Fauchen Maharadschah´s Anwesenheit verriet. Sofort hielt Henk das Gewehr in Anschlag. Vorsichtig schob er mit dem Lauf den Eingang auf, als er Stella´s weit geöffnete Augen sah. Sie zeigte auf etwas. Ja, da kauerte ein Mann und starrte ängstlich auf Maharadschah, der ihn mit gelben Augen fixierte und ab und zu seine Zähne zeigte. Sofort erkannte Henk die Situation: Maharadschah erwies sich als treuer und guter Wächter. Energisch griff Henk den Arm des Fremden und führte ihn ab. Maharadschah wurde wieder ruhig und begleitete die beiden Männer. Sofort war auch Eilers zur Stelle, wenige Schritt hinter ihm standen etwas verstört Binjaschar und Neusser. An Schlaf war vorerst nicht zu denken. Der Fremde musste sowieso erst gut festgebunden werden. Das unvermeidliche Verhör gestaltete sich als äußerst zäh. Der Gefangene nannte lediglich einen Namen, Faisal Emirolu hieße er. Ob er allein gekommen sei, wollte Binjaschar wissen. Als Emirolu, oder wie er auch immer hieß, noch immer nichts sagte, versetzte Eilers ihm eine heftige Backpfeife, die seine Finger noch einige Tage an der Wange des Fremden zeigte. Nun ja, vielleicht konnte Maharadschah ihn zum Reden bringen, überlegte Henk laut. Maharadschah wurde herangeführt. Da stand er und sah dem Fremden in die Augen, doch ohne auch nur seine Nase zu rümpfen. Der Fremde indes geriet ins Schwitzen und starrte auf diese große Katze. Endlich brach er sein Schweigen und beteuerte, er würde alles sagen, was man von ihm wissen wolle, wenn sie nur das Tier von ihm fernhielten. Maharadschah wurde lediglich wenige Schritt zurückgeführt, so dass der Fremde ihn ständig im Hintergrund wusste. Das verlieh dem Ganzen doch Nachdruck, so dass er mit nichts zurückhielt. Und was er sagte, war höchst intressant und zugleich befremdend:
Ja, er gehöre zur Bande, die vor Tagen das Camp überfallen hatte. Einer seiner Leute sei dabei umgekommen, an den Folgen einer alten Verletzung, die nie richtig verheilt war. Diese Wunde war während des Handgemenges wieder aufgegangen. Er habe sich abgesondert und sei zusammengebrochen. Emirolu habe nur noch den Tod feststellen können. Doch der Kampf war ja in vollem Gang, so daß niemand sich um den Toten kümmern konnte. Emirolu habe ihn anschließend gesucht, um ihn zu verscharren, doch er fand nur noch verstreute Knochen, die fast alle mehrfach gebrochen waren. Der Schädel war offenbar stark bearbeitet worden, wie von einem wütenden Mob oder, und ängstlich wies der Mann auf Maharadschah, von solch einem Tier. Wo die Andern sich jetzt befänden, wüsste er selbst gern, sagte Emirolu. Auch wisse er nicht, was mit dem überfallenen Camp geschehn sei. Ja, jetzt erkenne er auch zwei der Ãœberfallenen wieder, gab er zu und wies auf Stella und Binjaschar. Ob er weitere dieser weißen Katzen gesehn habe, wollte Neusser hören. „Ja, nördlich von hier. Da halten sich zwei auf. Ungefähr 20 km bin ich gegangen, bis ich zu euch kam. Ich hab Durst und wollte was trinken. Da habt ihr mich erwischt.“ „Gut!“, erscholl jetzt Eilers Stimme, und weiter in bestimmtem Ton: „Wenn du uns dahin bringst, gibt es auch jeden Tag Wasser! Doch erst ab Morgen, jetzt werden wir schlafen.“ Faisal wagte nicht, zu protestieren. Da lag nämlich diese große Katze, und nur wenige Meter trennten sie voneinander. Er starrte Maharadschah an, während der sich genüßlich leckte und mit halbgeschlossenen Augen alle Viere ausstreckte. Wecke nie den Löw im Schlaf, so heißt ja ein bekanntes Sprichwort. Faisal Emirolu blieb angebunden sitzen und war sehr müde. Mehrmals wachte er auf, weil ein Brummen und Knurren ganz in seiner Nähe war. Er wusste nicht, ob durch seine unbequeme Lage hervorgerufenes eigenes Schnarchen oder der weiße Löwentiger ihn geweckt hatte. Er sehnte den Morgen herbei, der Licht und Wärme bringen würde. Grade war er im Begriff, wieder einzuschlafen, als Geklapper ihn zurückholte. Mit dicken Augen und schwindeligen Schläfen sah er sich um. Hinter ihm bewegte sich die Frau und goss Wasser in eine Blechkanne, die Emirolu sofort als traditionelles Modell für Tee und Mokka erkannte. Diese Kanne bestand aus 3 Teilen: der eigentlichen Kanne, einem Aufsatz und einem Sieb. Man konnte den Tee im Aufsatz direkt brühn, was jedoch nur Freunde extrem herben Geschmackes bevorzugten. Meistens füllte man den Tee ins Sieb, nachdem das Wasser im Aufsatz kochte. Sodann wurde das Sieb abgenommen, der Aufsatz angehoben und das Sieb über die Kanne gehalten. Aus dem Aufsatz ergoß sich das heiße Wasser und passierte den Tee im Sieb, um in der vorgewärmten Kanne zu landen. Die Frau, deren Name ihm entgangen war, schien diese Technik seit klein auf zu kennen. Heimlich fragte er sich, ob sie ebenfalls zu einem der vielen moslemisch geprägten Völker gehöre. Dann hätte er vielleicht eine Verbündete gehabt, und nach der gemeinsamen Flucht auch gleichzeitig eine Sklavin. Die Religion des Mondgottes war eine Diktatur: Der Mondgott als Herrscher, von dem alles abhing und seine menschlichen Sklaven. So stellte ebenfalls die moslemische Ehe dies Verhältnis dar, diesmal war die Frau die Sklavin. In der türkischen Tradition mussten die Kinder Angst haben vor ihrem Vater, aber Vertraun zu ihrem Großvater. Wenn also, was oft genug vorkam, ein Kind gedemütigt worden war vom Vater, kam es zum Großvater, bei dem es Trost empfing. Doch der Großvater ging nie so weit, seinen Sohn zu rüffeln. Nein, dies Gesetz der Angst musste aufrecht erhalten werden. Zwar gab es immer Familien, bei denen der Vater heimlich mit seinen Kindern schmuste, während er bei Besuch den Herrscher mimte. Die Kinder verstanden das Spiel schon sehr früh und unterstützten ihren Vater bei der Schauspielerei. Es waren stets diese gesellschaftlichen Zwänge, die einen echten Fortschritt auf medizinischer, sozialer, industrieller und landwirtschaftlicher Ebene behinderten, wenn nicht gar verunmöglichten. So war IsraEl vor 1945 eine von plündernden Beduinenscharen beherrschte Wüste, deren Kultivierung angesichts der Beduinen sehr mühsam vorankam. Die den wenigen jüdischen Einwohnern und jüdischen Heimkehrern aufgezwungenen Kriege bremsten ihrerseits die Rekultivierung des einst blühenden Landes. Ãœberall war es das Selbe: wo Moslems vorkamen, starrte die Welt von Müll und Seuchen. Offenbar waren die Moslems weder fähig noch willens, Initiative zu ergreifen. Lieber hielten sie sich Sklaven, die für sie alle Drecksarbeit erledigten. Warum also behaupteten die Medienleute steif und fest, Jerusalem und Stätten wie Abraham´s Grab seien den Moslems heilig?
Besonders schlimm erging es da den Juden und Christen, die unter moslemischer `Obhut´ ihr kärgliches Dasein fristen mussten. Der alltägliche Terror war seit Generationen zum Bestandteil des `Lebens´ inmitten tausender Moslems geworden, so dass man froh war, bislang einigermaßen davongekommen zu sein. Selbst im Heiligen Land erging es den Juden und Christen ebenso schlimm. Hier kam noch der europäische Hochmut seitens Engländern und Franzosen hinzu. Die Juden hingen gleichzeitig zwischen mehreren feindlichen Fronten, und nur durch G'ttes Beistand konnten sie das alles überstehn. Leider waren sehr wenige der Ihren einsichtig in diesen Tatbestand.

 

 

„Guten Morgen, die Herrschaften!“, rief Stella fröhlich und verteilte die Tassen um den kleinen Klapptisch. Binjaschar erschien als Erster im Freien und räkelte sich ausgiebig. Er gähnte herzhaft, wohl wissend, dass Gähnen bei den Moslems verpönt war, weil im Kuran stand, dass der Mondgott dem Gähnen abhold sei. Binjaschar genoss die Tatsache, dass diesmal ein Moslem in ihrer Gewalt war und sich fügen musste. Zu seinem Vergnügen schritt Dorian zum Gefangenen und wuselte mit seinem Schnabel durch dessen Haar. Mit schmalen Augen versuchte dieser, so gut er konnte, dem verspielten Vogel auszuweichen. Henk war es, der Dorian mit einem Kraut lockte, so dass dieser den Gefangenen vorerst vergaß. Schließlich saßen alle beisammen und schlürften ihren Tee. Emirolu fand sich damit ab, dass für ihn keine Tasse bereitet war. Außerdem kannte er die Sitte der Sulha: Jemand wurde zur Verhandlung eingeladen und musste still warten, während die Gastgeber sich fröhlich unterhielten und frischen Tee tranken. Erst als sich ihre Aufmerksamkeit der Verhandlung mit dem Geladenen zuwendete, durfte dieser sprechen und sich verteidigen. Ganz zum Abschluss der Verhandlung musste er aufstehn, den kaltgewordenen, bitteren Tee bis auf den letzten Tropfen leeren und gehn.
Von den Anwesenden kannte jedoch nur Binjaschar diese Sitte. Nicht einmal Stella war von ihm darüber unterrichtet worden. Doch jetzt, als Binjaschar genug vom Tee hatte, wusch er sorgfältig seine Tasse mit heißem Wasser, schenkte ein und bat Eilers, den Mann loszubinden. Emirolu stand auf, streckte sich und rieb die Handgelenke. „Hier, auch du bekommst was!“, sagte Binjaschar und reichte ihm die Tasse. Emirolu wusste, dass Binjaschar Jude sein musste. Seine Augenbrauen waren breit, und auch die übrige Physionomie war typisch jüdisch. Der Moslem handelte nach einer uralten Taktik: Sie nannten es "den Frieden Saladin´s". Dieser Kurde hatte damals ein bestimmtes Volk nicht bezwingen können. So brachte er ihnen ein Friedensabkommen, und nach Jahren griff er sie ohne Warnung an und überrumpelte dies arglose Volk. Nach der selben Taktik war auch Arafat vorgegangen, bevor er an einer Krankheit starb. Als Moslem handelte auch Faisal Emirolu nicht anders: Er machte gute Mine zum bösen Spiel und nahm die Tasse dankend in Empfang. Man ließ ihm Zeit, um in aller Ruhe den Tee zu trinken, soviel er wollte. Als Emirolu seinen Durst gestillt und die Tasse wieder abgegeben hatte, band Eilers ihm erneut die Hände zusammen, wobei er sie jedoch an einem Ende der Tragestangen befestigte. Sollte der Gefangene ihnen doch auch als Träger nützlich sein! Emirolu erkannte, dass er es nicht mit naiven Leuten zu tun hatte. Er musste also besonders geschickt vorgehn, um diese 5 zu erledigen. Denn die Frau, so wusste er, war alleine zu schwach gegen ihn. Mit ihr würde er noch viel Spaß haben, waren die Männer erst mal beseitigt. Emirolu zeigte sich also besser kollaborativ, um erst gar kein Mißtrauen zu schüren. Was er noch nicht wissen konnte, war, dass Joschiah Binjaschar den Männern auch einiges über die moslemischen Maschen verraten hatte. Auch Stella wusste, wie sie sich zu verhalten hatte, erst recht als gläubige Frau, die dem Herrn vertraute. Emirolu ahnte nichts von der unsichtbaren Macht, die diese Gruppe zusammenhielt und besonders aktiv war in diesem Juden und der Frau.
Sie waren fast am Ziel angelangt. „Nach dieser Erhebung kommt eine Senke“, sagte Emirolu. Dort oben, fast am höchsten Punkt, stand eine breit ausladende Robinie, umgeben von einigen Ziersträuchern. Schwarze Balkenreste verrieten, wo einst das Gartenhaus gestanden hatte. Durch die Balken war schon Heide gewachsen und erreichte teilweise Kniehöhe. Es musste also viel früher abgebrannt sein, bevor sich die Katastrophen ereignet hatten. Thomas Neusser stutzte. Sofort hielt er das Gewehr in Anschlag. Leise raunte er: „Bleibt hier! Da ist was!“ Angestrengt versuchten sie, irgend ein Tier auszumachen, doch wollte es ihnen nicht gelingen. Neusser war mittlerweile bis auf wenige Meter an den Baum herangekommen, als er offenbar jemanden ansprach. Dann wandte er sich zu den Ãœbrigen um und bedeutete ihnen, zu kommen. Erst konnten sie noch nichts erkennen, doch als auch sie kurz vorm Baum angelangt waren, bot sich ihnen ein Bild des Elends: Da war ein Mann am Baum gelehnt, er lag mehr, als dass er saß. Die Kleidung war zerfetzt und ließ jeden mit Schaudern erkennen, wie malträtiert er war. Voller tiefer, infizierter Wunden, als habe ein Tier ihn zugerichtet oder irgend welche Banditen. Der Mann war schon sehr geschwächt und brachte kaum ein verständliches Wort hervor. Emirolu war es, der jetzt aufschrie: „Ali, mein Bruder!“ Sofort ergriff Henk die Initiative: „Los, stellen wir rasch ein Zelt auf! Gut, noch eins zusätzlich dabei zu haben!“ „Können wir jetzt gut gebrauchen!“, ergänzte leise Eilers. Das Zelt war in wenigen Minuten aufgebaut, und vorsichtig hatten sie den Verwundeten gebettet, so gut es möglich war. Diesmal brauchte Emirolu gar nicht erst aufgefordert zu werden, er berichtete freiwillig über diesen Mann: Ali Akbar hieße er. Ja, er gehöre ebenfalls zur Bande, die das Camp überfallen hatte. Doch mehr wüsste er, Emirolu, auch noch nicht. Wenigstens etwas, wenn auch nicht viel. Allmählich drängte sich ihnen eine andere Frage auf: Hatten sie überhaupt genug medizinische Hilfsmittel für den Mann? Was, wenn ihnen weitere solcher Funde begegneten? Für ein Lazarett freilich waren sie absolut nicht ausgerüstet. Zwar hatten die Tierpfleger gewisse operative Erfahrungen, die zum Teil auch bei Menschen angewendet werden konnten, doch ohne Geräte, Besteck und Wundbehandlung waren sie hier in der Pampa ziemlich hilflos. Die Katzen durften ausgerechnet jetzt nicht zu ihnen kommen, es war zu gefährlich. Nach genauer Untersuchung der Wunden war Henk sich sicher, dass diese nicht von den Katzen stammen konnten. Zu tief waren die Einstiche, die er vorfand. Weder Eckzähne noch Dolche waren hier beteiligt. Er konnte sich einfach nicht erklären, was vorgefallen war. Die Kratzer waren wieder zu oberflächlich, um von Pranken verursacht worden zu sein. Dennoch sahn sie wie das Werk von Krallen aus. Doch hatten die eine seltsame Anordnung: sie waren jeweils nur paarweise. Auch Straußenhiebe schieden völlig aus, denn dann wäre der Mann regelrecht aufgeschlitzt worden. Bei diesen Verwundungen handelte es sich jedoch nur um tiefe Stiche mit einem runden, gebogenen und zugespitzten Gegenstand und eben die oberflächlichen Kratzer. Kein ihm bekanntes Tier passte in das Schema. Er beriet sich darüber mit seinen Kollegen, doch auch sie konnten sich keinen Reim aus dem Befund machen. Faisal Emirolu war vertraut mit ungewöhnlichen Mordmethoden. Doch als er sich die Wunden ansah, schüttelte er nur langsam den Kopf. Nein, sowas hatte er noch nicht gesehn. Erschüttert und ratlos zog er es vor, zu schweigen. Was hätte er auch sagen können? Ihm war das Ganze ebenso ein Phänomen wie den Ãœbrigen. „Es gibt“, sagte Stella nach einiger Zeit, „keine Kralle, die eine solche Länge hat. Außerdem sind es Stiche und keine Risse. Nur ein Stachel käme da in Frage, doch solch großen Insekten oder Skorpione oder Spinnen gibt es nicht. Zumindest sind sie der Wissenschaft völlig unbekannt. Sehn wir uns genau die Form an. Was fällt uns auf?“ Stella gab den Männern Zeit, sich ein Bild zu machen. Binjaschar war es, der zögernd einen Vergleich anbrachte: „Es muss ein Stachel sein, wie ihn Wespen tragen.“, und nach Sekunden: „oder Skorpione“ Doch was für einen Sinn ergab ihr Grübeln? Binjaschar machte auf einmal große Augen, und kalte Schauer ließen ihn erzittern. Mühsam versuchte er, den Gedanken zu verarbeiten. „Freunde, habt ihr kurz nach den Katastrophen im Radio etwas gehört vom großen Meteoriten?“ Stella hatte damals von der Sache mitbekommen, und als sie noch im Keller zusammen waren, hatten sie es auch lebhaft diskutiert. Aber jetzt wusste Stella nicht, welchen Zusammenhang der Aufprall mit dem Verwundeten haben sollte. Binjaschar sah jedem der Umstehenden ernst in die Augen, als er begann: „Wenn wir gefunden haben, wonach wir suchen, werden wir es schwarz auf weiß nachlesen können.“, und nach einer Pause fasste er endgültig Mut: „Im verbotenen Buch“, und bei dieser Bemerkung schaute er Stella kurz und eindringlich an, „steht etwas über genau diesen Meteoriten oder was es war. Da finden wir, wie der Ort heißt, nämlich genau die Stelle des Aufpralls. Weiter lesen wir da was über den Rauch, der aus dem Abgrund, also dem Grabenbruch, aufgestiegen ist. Und weiter steht da was über seltsame Tiere, große Tiere. Ja, über sowas wie Heuschrecken mit Skorpionsschwänzen. Diese stechenden Heuschrecken können allerdings nur verletzen, doch keinesfalls töten. Mit ihren Flügeln, wird berichtet, veranstalten sie einen Lärm wie von pferdegezogenen Wagen. Ihr kennt ja noch die Planwagen aus den uralten Filmen? So in etwa muss sich das anhören. Oder wie das Geknatter von Helikoptern. Und genau das hatten einige Leute behauptet, dass ihnen solche Wesen begegnet seien, als sie sich in der Nähe des Aufpralls aufgehalten hatten. Freunde, ich weiß nicht, was es sonst war, aber jetzt kommen weitaus schlimmere Dinge auf uns zu, als nur diese Quälgeister von Heuschrecken. Bald, sehr bald darauf wird die Hälfte der Menschheit sterben!“ Binjaschar sah jeden genau an. Er hoffte insgeheim, dass er jetzt nicht als Spinner daständ. Henk räusperte sich verlegen, mit gesenktem Kopf, und schaute jetzt langsam auf. Er glaubte nicht an die Bibel, doch diese Wunden mit Helikoptern allein zu erklären, erschien ihm unsinnig. Ob vielleicht irgend welche Vorrichtungen an den Maschinen solche Wunden hervorrufen konnten? Immer noch verlegen, versuchte er seine Erklärung: „Joschiah, ich weiß, du bist überzeugt von dem Buch. Es ist auch sehr intressant, wie ähnlich der Einsturz verlaufen ist. Auch das mit dem Rauch kann ich nachvollziehn. Doch wie innerhalb weniger Tage solche Rieseninsekten entstehn können, kann mir niemand weismachen. Ich denke, dass irgend welche Militärs da was Oberübles veranstalten. Jedenfalls fehlt jeder Hinweis auf Gift in den Wunden. Die Infektion bei so tiefen Löchern kommt unausweichlich nach wenigen Tagen. Doch warum sind sie uns noch nicht begegnet? Hat vielleicht Faisal´s Bande damit zu tun?“, jetzt sah er scharf auf Emirolu, der nur verwundert den Kopf schüttelte. „Wir sind“, sagte dieser kurz, „nur zu Fuß unterwegs, höchstens mal beritten. Doch mit solchen Geräten kennen wir uns nicht aus!“ „Wie dem auch sei“, begann wieder Henk, „wir müssen uns was einfallen lassen, wenn es uns nicht auch so ergehn soll wie unserm Patienten. Ist uns das klar?“ ja, es war. Doch was konnten sie schon ausrichten mit nur 1 Gewehr und wenigen Packungen an Munition? Ein Glück, dass noch kein Schuss gefallen war! Sonst hätte das Gewehr, anstatt zu ihrem Schutz beizutragen, sie am Ende noch an die beiden gefährlichen Horden verraten!

Die Nachtwache gestaltete sich als anstrengend: Maharadschah konnte nicht gleichzeitig den angebundenen Emirolu beaufsichtigen und patrouillieren. Jetzt brauchten sie 3 Mann. Wer konnte schon wissen, wie nah eine der beiden Bedrohungen war? Sie kamen sich reichlich lächerlich vor, mit einem Verletzten, einem unberechenbaren Gefangenen und nur 1 Gewehr! Angesichts einer Bande von 20, 30 oder mehr und noch dazu einem Heeresverband waren diese 5 Leute trotz ihrer wehrhaften Tiere wie hilflose Kinder. Nur Binjaschar wusste, dass die fliegenden Angreifer ihre Tiere verschonen würden und einzig auf Menschen aus waren. Ob allerdings Maharadschah Mut und Geschicklichkeit haben würde, die Heuschrecken, falls es wortwörtlich welche sein sollten, zu überwältigen? Binjaschar seinerseits war fest überzeugt, dass der Herr dem Propheten Jochanan wirkliche Heuschrecken gezeigt hatte, obwohl bemannte Hubschrauber in der Tat eine große Ähnlichkeit aufwiesen mit einer Beschreibung von „Heuschrecken mit Menschengesichtern und Skorpionsschwänzen“. Weiter wusste er, dass diese „angewiesen wurden, die Vegetation auf der Erde nicht zu schädigen, sondern einzig die Menschen, die auf ihren Stirnen nicht G'ttes Siegel trugen. Den Heuschrecken wurde nicht erlaubt, sie zu töten, sondern ausschließlich, ihnen 5 Monate lang Schmerzen zuzufügen.“ Dann beschrieb Jochanan, dass der verursachte Schmerz zu vergleichen war mit einem Skorpionsstich. Binjaschar erinnerte sich ganz genau, was er selber gelesen hatte im "Neuen Bund". Ãœber die Auswirkung auf das menschliche Verhalten konnte man erfahren, dass „in jenen Tagen die Menschen den Tod suchen und ihn herbeisehnen würden, ohne dass er einträte“ Doch was nicht zu Helikoptern passen wollte, war die genauere Beschreibung der Heuschrecken: Sie hatten auf ihren Köpfen „etwas wie goldene Kronen“, außerdem waren sie "langhaarig wie Frauen“. in der Antike trugen alle anständigen Frauen langes Haar. Kurzes Haar war eine Bestrafung, die man den Huren und Prostituierten zugedacht hatte. Das lange Haar hielt sich sogar noch bis zum Anfang des neuen Milleniums, wenn auch längst nicht mehr als Zeichen der anständigen, keuschen Frau. Immer mehr Jüdinnen und Christinnen hatten Kurzhaarschnitt, und viele wurden auf den ersten Blick mit Männern verwechselt. Zeitgleich ließen nur wenige Männer ihr Haar wachsen, so dass man diese von hinten wiederum für Frauen hielt. Jetzt schrieb man das Jahr 2015, und viel hatte sich verändert in Kultur, Mode und Lebensgewohnheiten. Das auf Gorbatschow´s Initiative stattgefundene Treffen mit führenden Köpfen aus Politik und Wirtschaft hatte ergeben, dass 20% der Weltbevölkerung ihre Arbeit behielten, während alle anderen 80% in die Röhre schaun durften und mittels Brot und Spielen bei Laune gehalten würden. Jetzt, ungefähr 30 Jahre später, war der unselige Plan brutale Realität geworden. Als unausweichliche Folgen entstanden überall schlagfähige Banden, die sich durch Plünderung und Gewalt ein möglichst großes Stück des kargen Kuchens verschaffen wollten. Zum Teil entbrannte täglich ein offener Krieg mit Polizei und Schutztruppen, zum Andern kollaborierten sie mit den Sicherheitskräften. Das neue Spiel namens Korruptionspoker verschärfte die Lage nur, satt irgend jemandem Erleichterung zu bringen. Oft konnte man beobachten, wie 3 oder mehr Banden zur selben Zeit ein Warenlager stürmen wollten. Immer gab es erstmal Tumult, bis geklärt war, wer das Vorrecht zum Plündern besaß. Die unterlegenen Banden mussten voller Prellungen und Wunden abziehn.
Binjaschar überlegte: die Dauer des Heuschreckenterrors war auf 5 Monate beschränkt. Wann also war der Meteor eingeschlagen? Dass es hierbei schon kein Meteorit mehr sein konnte, gaben die Behörden damals erst nach langem Zögern zu. So sprachen manche Leute außer von einem Meteoriten auch von einem Kometen oder dem großen Jahrtausend-Meteor. War ja letztendlich auch egal, dachte Binjaschar. Außer, dass "Meteor" in den anderen Sprachen `Herabgefallener´ bedeutete und `Stern´ gleichbedeutend war mit `Engel´, also ein ein direkter Hinweis auf dämonische Aktivitäten darstellte, war es ohne Bedeutung. „Sie hatten“, hieß es weiter über die Heuschrecken mit Löwenzähnen, „als König einen Engel des Abgrunds über sich, dessen Name in Hebräisch `Abadon´ ist und in den anderen Sprachen `Zerstörer´.“ Alles klar, soweit. Vor vielen Jahren hatte Rabbi Jah'El ihm diese Schriftstellen gezeigt. Ja, Binjaschar war informiert. Wann genau hatte sich diese Katastrophe ereignet? Er musste sich mit seinen Gefährten beraten. Ob sie sich noch an die ersten Meldungen erinnern konnten?
Die Morgendämmerung war nur von kurzer Dauer, wie jedesmal im Sommer. Doch dieses Jahr war das Erste einer neuen Ära in der Menschheitsgeschichte. Die Katastrophen der letzten Monate hatte es vorher noch nie gegeben. Meteore, das wusste Binjaschar, schlugen bislang nur 1 Mal ein: Zur Zeit, als die Menschheit voller Gewalt und Brutalität war. Gott hatte damals eine Generalreinigung beschlossen. „Es gibt“, so dachte Er, „leider keinen anderen Weg mehr!“ Einzig und allein 4 Ehepaare hatten das Gericht überlebt. Von diesen stammten die 3 Rassen der Menschheit ab. Man unterschied Negroiden, Mongoliden und Europiden. Alle Völker waren deutlich in diese 3 Zweige einteilbar. Was Noach und seine Frau anbelangte, so war ihr Erbgut noch hochkomplex. Bei ihren 3 Söhnen jedoch konnte man sehr deutlich die Differenzierung erkennen: Schem hatte leicht olive Haut, kurzes, schwarzes welliges Haar mit auffälliger Kräuselung, dunkle Augen mit starken Brauen und eine ausgeprägte, gewölbte Nase. Cham war von fast schwarzer Haut, hatte ebenfalls dunkle Augen, jedoch schmale Brauen. Eine kurze Nase mit breiten, flach anliegenden Flügeln ließ das Gesicht markant erscheinen. Ganz anders war Jefeth: Er war im Vergleich zu seinen dunklen Brüdern bleich, hatte blaue Augen und helles, strohfarbenes glattes Haar. Ein starker Bartwuchs unterschied ihn von Cham, dem jegliche Tendenz dazu fehlte. Schem schien in manchen Punkten zwischen seinen so gegensätzlich aussehenden Brüdern zu sein: Seine Augen waren nicht so schwarzbraun wie bei Cham, sondern hatten eher ein mattes Gelbbraun, mit leichtem Orangestich. Die Augen ihres Vaters Noach wiesen ein Graubraun auf. Diese Augenfarbe konnte man feststellen, als die Kinder Jefeth´s die von Schem heirateten. Die daraus hervorgegangenen Menschen hatten genau solche Augen wie ihr Stammvater Noach, während Cham´s Attribute sich bei allen Mischlingen durchzusetzen vermochte. Erst in der zweiten Generation hellte die Haut sich auf, so dass diese Nachkommen große Ähnlichkeit hatten mit Schem.

Inzwischen war der Horizont in intensives Rot getaucht. Aller Tau war längst schon verdunstet, und warme Luftzüge kündigten die Hitze des Tages an. Selten war ein Vogel zu hören. Ja, diese Tiere hatten wohl sehr viel eingesteckt infolge der Katastrophen. Die monatelange, niederschlagsarme Hitze dörrte alles aus, und nur Pioniere wie Ginster und weitere robuste Pflanzen konnten sich ausbreiten. Ein Trost waren die vielen, in mannigfachen Farben blühenden Sommerblumen, die sich allmählich mit wenigen weiteren Südeuropäern in Mitteleuropa etablieren konnten. Das Klima in Skandinavien und Nordosteuropa blieb stellenweise etwas kühler, besonders in Feuchtgebieten. Doch dort konnte kaum jemand wohnen, ohne den Sumpf zu zerstören. Feldfrüchte vertrugen nunmal keine Staunässe. Außerdem wimmelte es von überdimensionalen Stechmücken, deren Vermehrung durch das erwärmte Erdklima wesentlich rascher vor sich ging. So kam es in letzter Zeit oft vor, dass riesige Schwärme aus dem Norden nach Süden vorstießen. Wehe den Warmblütern, die davon überrascht wurden! Zwar starben die Mücken bald, weil sie nirgends ihre Eier ablegen konnten und für eine Rückkehr in die nördlichen Gewässer zu schwer waren, doch die zerstochenen Opfer durchlitten qualvolle Wochen. Manche Tiere starben an Schwäche. Ãœberall gab es Orte, wo der Geruch von Verwesung in der Luft lag. Die mittlerweile zusammengeschlossenen Schutz- und Polizeitruppen bildeten mit dem Militär eine weltweite Kontrollbehörde, deren Führungskräfte zur Elite der global denkenden Esoteriker gehörte. Ãœber den Weltempfänger hatte die Gruppe alle Veränderungen mitverfolgt und tauschte sich rege darüber aus. Insbesondere Binjaschar machte keinen Hehl daraus, dass ihnen eine Zentralregierung á la Strassbourg ins Haus stand. War schon die europäische Diktatur schlimm genug, so konnte sich die drastische weltweite Situation eigentlich nur noch steigern. Henk versuchte, eine pessimistische Stimmung abzuwehren und sagte, dass ja irgendein Gremium geschaffen werden musste, um die Weltbevölkerung nicht sich selbst zu überlassen. „Wir müssen uns eingestehn“, überlegte er, „dass eine Anarchie mit Clanwirtschaft genauso schlimm wäre. Ãœberall hätten wir Wegelagerer, die Zoll von den Männern und Sex von den Frauen verlangen. Ist angesichts dieser Tatsache eine Ordnung nicht doch ein geringeres Ãœbel?“ Und zu Binjaschar gewandt, fügte er hinzu: „Zu diesem Zweck, wenn ich deine Theologie richtig verstanden habe, soll uns doch die Obrigkeit dienen, oder nicht?“ Binjaschar pflichtete der Ausführung bei, jedoch unter Hinweis auf den Mißbrauch der Macht in totalitären Systemen. „Und, Freunde“, ergänzte er, „diesmal haben wir eine Lücke: Die Regionalregierungen sind zusammengebrochen. In dieses Vakuum werden die Strassbourger geeignete Posten installieren. Damit müssen wir rechnen, denn schon die Logik gebietet uns diese Erwägung. Amerika und Strassbourg, die beiden Mächtigen...“, sagte er mit nachdenklichem Gesicht, „Russland´s Linke und Rechte sind ja längst schon Waffenbrüder gegen die Freiheit und gegen mein jüdisches Volk. In der Bibel sehn wir, dass `Gog aus Magog´ eine starke Millitärmacht bilden wird, um Israel zu vernichten. `Gog´ bedeutet Deutschland, und `Magog´ Europa, wenn wir die biblische Landkarte betrachten. Wir kennen Deutschland ja als maßgeblichen Kopf des Europarlaments. Amerika besteht zum Löwenanteil aus Europa´s Kindern. Rußland wird auch bezeichnet als „der Mächtige aus dem äußersten Norden“, wie wir nachlesen können, wenn wir endlich das Versteck erreicht haben. Auch die Nordvölker sind erklärte Feinde Israel´s, wie uns die Mitglieder der GUS ja zeigen. Also braut sich unter den jetztigen Machtverhältnissen was zusammen!“ „Klar tut sich da was“, lenkte Eilers ein, „aber denkst du wirklich, Israel ausgerechnet sei ein Machtfaktor? Nur, weil es zentral gelegen ist und Afrika, Asien und Europa verbindet? Hast du deine Theorie nur aus der Bibel, die uns nicht einmal vorliegt?“ jetzt erklang eine helle Stimme: „Was, wenn uns nur noch die Bibel Auskunft geben kann?“, fragte die bisher schweigsame Stella. Die Männer waren verblüfft. Einmal über Stella´s unerwarteten Einwand, aber auch wegen dieses Gedankens. Ja, was wäre, wenn...? Die Bibel, wie sie ihnen von Binjaschar zitiert worden war, zeigte wirklich frappante Parallelen mit all den Geschehnissen um sie herum. Schweigend sannen die Tierpfleger vor sich hin. Sie hielten sich das Kinn oder klappten mit ihren Augen, während sie ins Feuer starrten. Instinktiv hielten Binjaschar und Stella sich zurück. Sie merkten, dass die 3 jetzt Zeit zum Nachdenken brauchten. Innerlich baten sie den Herrn der Ernte, seine Saat in ihnen zum Keimen und Sprossen zu bringen.
Der Tag war schon weit vorgerückt, und niemand hatte bisher ein Wort gesagt. Schweigend ging jeder seiner Aufgabe nach. Eine merkwürdige, behutsame Stille füllte den ganzen Platz, wo sich die Gruppe befand. Sie waren auf der Erhebung geblieben, solange der Verletzte noch liegen musste. Die Wunden waren gereinigt und sorgfältig mit Nylon vernäht. Jetzt mussten sie innerlich zuheilen. Wenigstens 1 Woche würde das Ganze wohl in Anspruch nehmen, hatten sie kalkuliert. Henk nahm das Gewehr an sich und ging auf der vor ihnen liegenden Seite die Senke hinunter. Er hatte ihnen kurz gesagt, dass er in spätestens 5 Stunden wieder bei ihnen sein werde. Als er das freundliche Nicken der Gefährten sah, vergeudete er keine weitere Minute mehr und marschierte talwärts. Grade war Stella bei ihrem Patienten, als ein etwas verlegener Eilers das Zelt öffnete und fragte, wie es dem Mann ergehe. Stella bat ihn erst mal herein. Als er in ihrer Nähe stand, kratzte er sich hinterm Ohr. Er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Stella ließ ihm Zeit. Schließlich sagte er: „Das, was du da gesagt hast, also das mit der Bibel... ähm, ich meine...“ Jetzt sah er ihr direkt ins Gesicht. Sie nickte ihm ermutigend zu, und schließlich fasste er sich ein Herz und vertraute sich ihr an: „Also, Stella, ich bin ja nicht grade ein braver Bürger, und fromm bin ich überhaupt nicht.“ „Das muss man bei G'tt auch nicht sein!“, lächelte Stella ihn aufmunternd an. Eilers räusperte sich, um endlich zu sagen, was in seinem Herzen brodelte: „Also, Stella, ich hab noch nie mit diesem G'tt gesprochen und weiß nicht, wie man das macht. Ich meine, wie kann ich Ihn kennenlernen? Ich seh euch jeden Tag, wie seelenruhig ihr all das ertragt. Und dabei seid ihr auch noch frisch, ich meine fröhlich. Stella, was soll ich machen, um auch zu Ihm zu gehören?“ Stella wäre fast geplatzt vor Freude, doch er brauchte jetzt einfühlsame Begleitung. Immer noch voller Freude, bat sie innerlich den Herrn, sie zu beruhigen und ihr jetzt Weisheit zu schenken. „Lieber Stephan“, begann sie freundlich, „Wenn du nicht weißt, was du zu Ihm sagen sollst, kann ich dir dabei helfen.“ „Ja?“, fragte er aufgeregt und dachte: "Man, ich rede jetzt mit G'tt! Ich will es wissen, jetzt oder nie!" Stella sah entschlossen aus. „Gut“, sagte sie, „Dann lasst uns knien vor Ihm.“ Beide sanken auf ihre Knie und schlossen ihre Augen. „Herr, hier ist jemand, der klopft an Deine Tür.“, hörte Eilers, „Stephan, sprich mir einfach nach, wenn du keine eigenen Worte findest, ja?“ „O.K.“, war seine Antwort. Stella´s Stimme war ruhig und klar, als sie ihm langsam, mit Pausen, ein sogenanntes Ãœbergabegebet vorsprach. Die Pausen waren für ihn, die Worte zu wiederholen. Sie brauchte gar nicht mehr weiter zu sprechen, als Eilers eigene Worte fand, um sein Verlangen dem Schöpfer und ihn liebenden Vater entgegen zu bringen. Es sprudelte so heraus aus seinem übervollen Herzen, dass Stella nur ab und zu leise „Ja!“, „Danke, Herr!“ und „Amin!“ sagte. Auf einmal hörte sie ihn schluchzen. Sollte sie ihm eine Hand auf die Schulter legen? Sie wusste nicht, ob ihn das ablenken würde und hielt sich zurück. Leise sagte sie ihm: Du darfst ruhig weinen! Du brauchst dich nicht zu schämen, weder vor Ihm noch vor mir oder irgend jemanden sonst!“ Das half ihm, und endlich erleichterte er sein bedrücktes Herz, zum 1. Mal vor G'tt.

Henk hatte das Tal erreicht. Gespannt hielt er Ausschau nach Spuren der Tiere. Da raschelte es leise schräg vor ihm. Das Gewehr im Anschlag, schritt er langsam darauf zu. Er nahm eine Bewegung wahr: Die dürren Grashalme teilten sich kurz, um sofort hinter den sich neu teilenden wieder zusammen zu kommen. Ein kleines Tier musste das wohl sein, und richtig: ein Igel schnuffelte da vor sich hin. Erleichtert atmete Eilers auf und schüttelte amüsiert seinen Kopf. „Etwas nervös, der Herr!“, neckte er sich selbst. Er ging leise ein paar Meter weiter und hielt inne. Hier war eine freie Fläche, von Steinen und Gras dominiert. Aufmerksam suchten seine Augen die Umgebung der Stelle ab, vielleicht waren ja die Katzen in der Nähe? Vorsichtig trat er aus dem Ginsterdickicht heraus. Augen und Ohren waren aufs Äußerste aktiv. Er war im Zentrum der Fläche angekommen, als er stutzte. Für einen kurzen Augenblick meinte er, einen weißen Schimmer auszumachen. Lautlos nahm er das Gewehr in Anschlag, nach allen Seiten sichernd. Langsam bewegte er sich auf den Punkt zu, wo er das Tier vermutete. Für einen Moment verhielt er: Hatte er nicht soeben ein Schmatzen gehört? Jetzt konnte er nicht länger schleichen, sonst hätte die Katze ihn als Feind betrachtet. Also rief er lockend alle Namen der Zuchtgruppe, bis auf Maharadschah, der ja oben auf der Anhöhe war. Langsam näherte er sich dem Punkt. Henk van Brinck fühlte sich wie ein im Halbdunkel Tappender. Er durfte nicht vergessen, zu rufen, jetzt, wo der Abstand sich zusehends verringerte. Da! Was war das? Ein seltsames Knacken und Rascheln verriet ihm, das irgend etwas wenige Meter seitlich von ihm vor sich ging. Er drehte sich in Richtung der Geräusche, leise rufend. Langsam schritt er die wenigen Meter voran und blieb abrupt stehn. Was da war, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken, und er zweifelte fast an seinem Verstand. War das wahr, was er da vor sich mit eigenen Augen sah? Wortlos näherte er sich der unglaublichen Szenerie. Er nahm kaum zur Notiz, dass die Katze ihn mit ihrem Kopf begrüßte, sich mit ihren Vorderläufen an ihm stützte und sein Gesicht leckte. Das, was er da vor sich liegen sah, hatte ihn wie ein Donner gerührt: ein großes, grünbraunes Etwas mit 2 langen peitschenartigen Auswüchsen am Kopf und langen Flügeln! 6 Beine konnte er zählen. Der weiche Hinterleib war teilweise aufgerissen und gefressen. Eine zufriedene weiße Katze mit kugeligem Bauch lehnte sich noch immer an seine Seite. Als er sich von dem Anblick etwas erholt hatte, nahm er sich Burmi´s an. „Jaaa, mein Lieber!“, sagte er, als er den Kater kraulte. Henk sah sich noch mal nach dem Insekt um. Jetzt weiteten sich seine Augen: was war das da für ein rundes Ding in der Nähe des angefressenen Hinterleibes? Langsam ging er darauf zu, Burmi im Auge behaltend. Als er den Gegenstand aufhob, zeigte Burmi kein Intresse daran. Henk sah voller Staunen, was er da in seinen Händen hielt: Es war ein überdimensionaler Skorpionsstachel! Der Mann schüttelte seinen Kopf und murmelte: „Verdammt! Wer wird mir das glauben?“ Sorgfältig fasste er mit einer Hand um den Stachel. Mit der Anderen wollte er Kontakt zu Burmi halten. Die Pfleger hatten sämtliche verfügbaren Halsbänder und Leinen aus den Gebäuderesten des zerstörten Safariparks mitgenommen. Was die Giraffen betraf, so fehlten ihnen die Geräte, diese großen Langhälse einzufangen. Sie mussten ihnen den Freigang wohl oder übel gewähren, auch wenn es Verluste geben würde. Bei Zebras und weiteren Pferdeartigen brauchte man lediglich den Leithengst, um die ganze Herde zusammen zu halten. Die Herde blieb, wo er sich befand. Wie froh waren die Männer, dass ihnen die aggressiven Paviane noch nicht begegnet waren.

Stella stand ein wenig entfernt vom Lager. Sie hatte das Fernglas mitgenommen und beobachtete das Panorama. Ihr Blick schwiff langsam rundum. Weites Land, wie sonst nur in Mittelmeergegenden üblich, breitete sich nach allen Richtungen aus. Eine Macchie aus Ginster und Heide prägte die Landschaft. Selten war ein Jungbaum auszumachen, und es waren fast nur Pioniere wie Birken und Eichen. Die Sonne zauberte ein besonderes Bild: Man sah eine schwärzliche Fläche im Hintergrund, während nach vorn zu das Schwarz immer mehr dem charakteristischen Grün wich. Oberseits glänzten die einzelnen Ginsterzweige über dem dunklen Grund der beschatteten Teile. Plötzlich setzte Stella das Fernglas ab, wedelte mit ihrem rechten Arm und hüpfte dabei. Freudig lächelte sie in Richtung Tal. Von dort schwenkte jetzt jemand einen Gegenstand hin und her. Um was es sich hier handelte, konnte Stella nicht erkennen, doch sie war voller Freude, den Menschen wieder zu sehn. Als er ein gutes Stück näher gekommen war, wollte Stella ihm entgegeneilen. Doch jäh blieb sie stehn. Da war ja noch jemand bei ihm! Henk rief: „Stella, hol Thomas, ich brauche seine Assistenz!“ Stella hatte verstanden und eilte zum Lager. „Na, alter Freund? Jetzt gibt es ein Wiedersehn.“, sagte in knurrigem Ton Henk, als er Burmi ansah. „Und neue Freunde gibts auch!“, fügte er hinzu. „Und, um dir das nicht zu verschweigen, da sind auch 2 komische Kerle, auf die du aufpassen wirst. Na ja, du wirst gleich alle sehn.“ Kaum hatte Henk Burmi eingeweiht, kam auch schon Neusser das Tal hinunter. „Hier, Thomas, nimm die Leine an dich!“ Neusser griff die Schlaufe und begrüßte Burmi. „Hat Emirolu uns nichts von 2 Katzen gesagt?“, fragte Thomas jetzt. „Also“, gab Henk zurück, „mir ist nur Burmi begegnet...“ Und nach kurzem Zögern sagte er weiter: „Und das hier!“, wobei er den Fund hochhielt. Ungläubig starrte Neusser auf das Gebilde. Tonlos bemerkte er: „Das gibs nich!“ Er war sprachlos, genau so wie Henk, als dieser das Insekt mit eigenen Augen vor sich gesehn hatte. Neusser schaute Henk an, der nur vielsagend nickte. Von der Anhöhe drangen Rufe zu ihnen, und langsam setzten sie wieder ihren Weg fort. Oben gab es auch schon Freudebekundungen und Hallo. Endlich erreichten sie die Wartenden. Eigentlich wollte Henk das Fundstück hinter seinem Rücken verbergen, doch Neusser kam ihm zuvor: „Ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen, was unser guter Henk noch da unten gefunden hat!“ Also gut, jetzt musste er ja das Teil vorzeigen. Mit ernstem Gesicht hielt er ihnen den Stachel entgegen. Da standen sie, mit aufgerissenen Augen und Mündern. Leise sagte Stella: „Das...“, doch weiter konnte sie nichts hervorbringen. Wortlos begaben sie sich zum Lager zurück. Erst hier brachen sie das Schweigen, und eine lebhafte Debatte begann. Der angebundene Emirolu verfolgte alles schweigend. Auch, als Binjaschar ihm den Fund zeigte und bemerkte: „Da, sieh! Die Bibel ist eben doch wahr!“, schwieg er und dachte nur kalt: „Wie schön für dich!“. Es war ihm als Moslem egal, wie viele Beweise diese Ungläubigen auch immer vorzeigen würden. Sein G'tt würde letztendlich alle diese Unreinen vernichten, bis die ganze Erde erfüllt wäre mit dem bekannten arabischen Ruf, der von Schreitürmen oder Anhöhen aus erscholl. Ãœberall, vom Nordpol zum Südpol und von Amerika über Afrika bis hin zu Ostgrenze von Europa würde bald die Flagge des Halbmondes triumphierend im Wind flackern!
„Also, Leute“, unterbrach Henk´s Stimme die allgemeine Aufregung, „Ich muss schnell wieder ins Tal. Ähm, also, da liegt noch mehr von dem Zeug. Thomas, kommst du mit mir? Kann ja sein, unsere Nummer 3 schleicht noch da rum.“ Es war schon später Nachmittag, doch Henk drängte darauf, den Rest sofort zu bergen, bevor die zweite Katze Appetit bekam. Die beiden Männer nahmen den Kasten, in dem sonst das Gewehr lag, als grade und feste Unterlage mit. Jetzt schritten sie zügig voran, um keine Zeit zu verlieren. In wenigen Stunden mussten sie wieder zurück sein, wenn sie nicht von der Dunkelheit überrascht werden wollten. Die Andern kehrten wieder unter lebhaften Worten zurück zu den Zelten. Eilers hatte Binjaschar seine Entscheidung mitgeteilt. Hoch erfreut lagen sie sich in den Armen. Zusammen mit Stella hatten sie dann immer wieder kurze Treffen, um den Herrn, ihren G'tt, anzubeten und sich Rat von Ihm zu holen. Für Eilers war das alles noch ganz neu, und er musste sich erst mal auseinandersetzen mit der Tatsache, dass G'tt wirklich mit Leuten sprach, wie ein Mensch das tat.
Fast waren die beiden Männer bei der freien Fläche angekommen, als Neusser Henk am Arm hielt und mit dem Gewehrlauf auf einen Punkt zeigte. „Alles klar, Thomas“, beruhigte Henk ihn, „Das ist ein rotes Tuch, damit wir den Kadaver schnell finden und bergen können! Denn Burmi hat ihn angeknabbert. Wer weiß, welche Tiere noch Lust auf dies Futter bekommen?“ Angesichts einer solchen möglichen Begegnung beobachteten sie genau ihre Umgebung und riefen die Namen der noch nicht wieder aufgetauchten Katzen. Am Fundort angekommen, starrten sie auf das große Insektentier. Lediglich eine Maus war bei ihrem Kommen aufgeschreckt worden und floh aus dem angefressenen Hinterleib der Heuschrecke. Vorsichtig, unter Beachtung der Hebelgesetze, fassten sie das Tier und legten es auf den bereitliegenden Waffenkasten, den sie ruhig hochhoben. Darauf bedacht, es nicht vom Kasten rutschen zu lassen, stiegen sie wieder bergan. Trotzdem musterten sie aufmerksam, was um sie herum vor sich ging. Jetzt konnten sie wirklich keinen Besuch gebrauchen! Mit einer Hand hielten sie den Kasten, mit der Anderen das schon stinkende Tier. Neusser hatte Ihr Gewehr zwischen Hose und Gürtel festgeklemmt. Oben angekommen, würden sie das Tier aushölen und konservieren, so gut es ging. Sie brauchten wirklich nicht viele Worte zu verlieren über den Fund. Binjaschar´s Beschreibung stimmte absolut überein damit: Tatsächlich wies es eine für Insekten untypische Mähne auf, hatte lange Zähne und eben diesen Skorpionsschwanz. Die Gesamtlänge betrug wohl 2 Meter, als es noch lebte. Schaurig, von einem Schwarm dieser Monster angegriffen zu werden! Und bisher hatten sie wirklich verdammtes Glück, überlegte Henk. Sie waren auf halber Höhe, als hinter ihnen ein Brausen lauter wurde. Mit großen Augen schauten sie sich an und dann langsam nach hinten. Der Schreck fuhr ihnen ins Blut, als das Unfassbare direkt auf sie zukam. „Henk, was machen wir denn jetzt?“, schrie Neusser nervös. „Absetzen!“, rief Henk durch das laute Dröhnen des anrückenden Geschwaders. Kaum lagen Kasten und Kadaver zwischen ihnen, zog Neusser das Gewehr. „Halt!“, schrie Henk, „Wenn die uns schon wollen, sollen sie auch Spaß dabei haben! Lass die Biester nah genug rankommen!“ Doch schon im nächsten Augenblick erschienen die riesigen Insekten vor ihnen. Grade wollte Henk schreien: „Halt drauf!“, als auch schon die ersten Geschosse auf deren Köpfe klatschten. Doch einige prallten ab, so dass die Männer befürchteten, eine Selbstschußanlage vor sich zu haben. „Thomas, ziele zwischen die Augen, da sitzt das Gehirn!“, hörte Henk sich selber. In der Not bückte Henk sich und zog den Kasten unter dem Kadaver hervor. Im nächsten Moment schlug er damit wild auf die Tiere ein. Ein paar torkelten benommen zu Boden, doch es mussten mindestens 40 sein! Nur 5 der Insekten saßen immer noch desorientiert im Gesträuch, die Meisten schnellten sich mit ihren Sprungbeinen auf die Männer zu. Im Lärm der Flügel und Schüsse konnte man kaum noch seine eigene Stimme hören. Plötzlich sahn die Männer zwei weiße Helfer an sich vorbei rasen. Mit Gebrüll sprangen die Katzen hoch und rissen mit ihren Pranken die weichen Hinterleiber auf. Die Heuschrecken krümmten bedrohlich ihre Schwänze nach unten und versuchten, die Stacheln in die weißen Körper zu schlagen. Tapfer kämpften die Katzen. Die Munition war längst schon verschossen. Neusser hieb mit dem Kolben auf die Insekten ein. Allmählich hielten sich nur noch wenige der Tiere in der Luft. Was den Beiden Sorge bereitete, war, dass die Heuschrecken im Gesträuch nicht aufgegeben hatten und nun zu Fuß auf die 4 zukamen. Als endlich die letzte Heuschrecke zu Boden ging, rief Henk: „Rückzug! Vielleicht schaffen wirs!“ die Männer hetzten den Hang hinauf. Erst als ihnen die Luft ausging, blieben sie stehn und schauten zurück. Ihre Katzen waren unten geblieben und schlugen mit ihren Pranken klatschend gegen die Chitinpanzer der Heuschrecken. Die Insekten wirbelten durch die Luft und blieben in den Sträuchern liegen. „Los, holen wir uns die am besten Erhaltenen!“, sagte Henk, als er wieder zu Atem gekommen war. Neusser wollte protestieren, doch Henk war schon wieder auf dem Weg nach unten. Er achtete nicht auf Neusser´s Rufe. Nichts konnte ihn aufhalten. Da waren die Beweise, die diese Bibelgläubigen ihm schuldig geblieben waren. Er wollte möglichst viele der noch kaum versehrten Beweisstücke bergen und konservieren. Dass zur selben Zeit überall auf der Welt Leute damit beschäftigt waren, sich der letzten Heuschrecken zu entledigen, kam ihm nicht in den Sinn. Als er bei den immer noch wütend auf die Heuschreckenleiber eindreschenden Katzen ankam, sah er, dass Diese von der Haut kaum noch etwas unbeschädigt lassen hatten. Er ging von Tier zu Tier. Nur 1 einziges war noch zu gebrauchen. Offenbar hatten die Katzen es bisher verschont. Lediglich ein Durchschuss war zu finden, und er musste das Herz direkt erwischt haben. Wie konnte man das große Tier jetzt hochtragen, ohne dass die Katzen sich dessen bemächtigten? Henk überlegte nicht lange, sondern packte es bei den Vorderbeinen, lud es mit dem Rücken auf seinen Eigenen und ging im Bogen um die noch immer beschäftigten Katzen herum. Diese bemerkten ihn tatsächlich nicht. Ihre Wut auf die längst schon zerfetzten Angreifer machte sie rasend bis zur Erschöpfung. Und selbst, als sie sich lagerten, fauchten sie noch die toten Heuschrecken an.

Dämmerung breitete sich aus, als die Männer unter wissenschaftlicher Anleitung Stella´s das gut erhaltene Tier entfleischten und anschließend sorgfältig den freigelegten Chitinpanzer von innen und außen mit entkeimendem Speziallack einsprühten. Die Pfleger hatten einige Chemikalien retten können, als sie den Safaripark aufgeben mussten. So hatten sie der Nachwelt einen eindrücklichen Beweis und gleichzeitig auch eine überdeutliche Mahnung erhalten. Vom Tal her hörten sie ab und zu die Katzen röhren. Irgendwann würden sie kommen. Bis dahin musste ein geeignetes Gefäß gebaut sein, um das sperrige Insektentier vor ihrem Zugriff zu sichern. Es war nicht leicht, aus dem Ginster eine Art Korb zu fertigen. Sie hätten ja auch den Baum verwerten können für eine Kiste, doch diese wäre zu schwer geworden. Außerdem fehlte ihnen die Säge für derlei Aktionen. Wo die geblieben war, wussten sie nicht. Den länglichen Korb hatten sie genau passend für das Insekt zusammengebunden und hoch genug aufgehangen. Immerhin war eine solche Katze in der Lage, aus dem Stand mehrere Meter hoch zu springen. Zusätzlich hatten die Pfleger einen Gellstoff außen aufgetragen, der auch Großkatzen effektiv abhielt.
Während der Präparation hatten Eilers und Binjaschar sich zu Bett begeben, um einigermaßen die in wenigen Stunden bevorstehende Nachtwache durchzustehn. Ihre vierbeinigen Wächter wussten, wo das Lager sich befand. Es war gut, sie jetzt als Vorposten zu haben. Sie kontrollierten das Tal und waren schnell zur Stelle, sollte es jemandem einfallen, von deren Seite aus ins Zeltlager einzudringen. Nur, das war ein echtes Risiko, falls die Bande käme, müssten die Katzen gegen Menschen kämpfen. Denn sicher waren die vielen Banditen verrückt genug, sich überlegen zu fühlen gegenüber nur 2 Katzen. Gewiss würden sie auch angesichts dieser wehrhaften Tiere auf ihre Waffen vertrauen.
Eilers hatte einen seltsamen Traum, und er konnte sich nicht erinnern, jemals sowas geträumt zu haben. Nein, er war sich gar nicht mal so sicher, ob es wirklich ein Traum gewesen war. Oder hatte er das alles nicht viel mehr erlebt? Es war dermaßen real, dass er unbedingt Binjaschar davon erzählen musste! Als er seine Augen öffnete, sah er direkt in Binjaschar´s „Joschiah, du bist schon wach?“, fragte er verwundert, „Wie spät ist es überhaupt? Haben wir wenigstens 2 oder mehr Stunden geschlafen?“ Binjaschar sah ihm in die Augen, und es war dieser Blick, der Henk beruhigte. Eine seltsame Tiefe war darin, und es kam Henk vor, als schaute er in so viel mehr hinein. Da war etwas, das ihm noch völlig unbekannt sein musste. Zögernd begann Henk, von seinem seltsamen Traum zu berichten. Scheinbar war Binjaschar gar nicht überrascht. Er hörte ihm zu, als habe er darauf gewartet. Konnte es etwa sein, dass er gewusst...? Henk beschlich eine Ahnung, doch er konnte sich nicht einlassen darauf. Nein, er musste Binjaschar alles erzählen! „Ja, Joschiah, da waren diese Heuschrecken, doch sie starben fast gleichzeitig. Ãœberall sah ich sie liegen. Sie bewegten sich nur noch langsam. Da kamen Mäuse, Vögel und andere übrig gebliebenen Tiere. Sie fraßen die Insekten einfach auf. Nur noch Beine, Fühler und der Rückenschild mit seinen Flügeln blieben übrig. Ãœberall konnte man die Reste rumliegen sehn. Doch was war das, was ich da gesehn hab? Ich dachte mir: Nein, schon wieder solche Viecher! Doch diesmal waren es Andere. Es fällt mir schwer, sie zu beschreiben, die waren einfach anders. Mit Pferdeköpfen und Saurierflügeln. Sie hatten irgendwie ein langes Ende, fast wie bei einer Schlange, und eine Art Kugel an dessen Spitze. Das Verrückteste war: auf ihnen ritten so Männer mit erhobenen Schwertern. Ihre Beine, die sahn aus wie bei Kühen oder Ziegen. Dazu hatten sie auch noch Hörner wie bei Ziegen. Also, um das Ganze noch außergewöhnlicher zu machen, pusteten diese Pferde auch noch Feuer! Also, Binjaschar, ehrlich: hast du jemals etwas derart Verrücktes geträumt?“ Binjaschar sagte nur in ruhiger Stimme: „Sprich weiter, Henk!“ „Ja, also, ich weiß ja nicht, ob so ein Traum überhaupt was bedeutet, aber diese Pferde mit ihren Reitern, also, die kamen direkt aus den Resten der Heuschrecken. Plötzlich waren sie da! Und von fern konntest du Feuer sehn. Ãœberall brannte es, Menschen- ich sah Menschen sterben in den Flammen, die diese Pferde direkt auf sie pusteten. So, als wären sie lebende Flammenwerfer! Es wimmelte von ihnen, also, ich meinte, da hätte jemand eine Zahl gesagt. 2 Millionen oder so. Joschiah, was war das nur?“ Binjaschar wartete, bis Henk wieder etwas ruhiger geworden war, und sagte: „Was du da gesehn hast, Henk, ist leider kein bloßer Traum. Es ist die brutale Wahrheit. Und zwar so wahr, wie die Heuschrecken, die euch überfallen haben. Ja, auch das steht in der Bibel. 2 Millionen Soldaten werden mit ihren Flammenwerfer-Pferden ein volles Drittel, ich sage ein volles Drittel der gesamten Menschheit auslöschen!“ Henk rief: „Waaas?“ und sah Binjaschar entsetzt an. „Ja“, sagte Dieser, „Das steht uns noch bevor. Doch höre: Wer das Siegel G'ttes an seiner Stirn empfängt, wird überleben. Wie, weiß ich nicht. Ich kann mir nur denken, dass der Herr ihnen verbietet, solche Menschen anzugreifen. Genauso steht es über die Heuschrecken: Nur die Versiegelten wurden verschont. Ihr Beide habt ja allerhand Kratzer abbekommen. Doch gestochen haben die euch nicht. Ich denke, Er hat euch beschützt, weil Stella Ihn darum gebeten hat.“ Als Henk das hörte, fragte er sich: „Wer ist `Er´? Meint Joschiah etwa G'tt?“ „Wieviel Zeit uns noch bleibt“, hörte er Binjaschar weiter, „weiß ich nicht. Jedenfalls, nach deinem Traum zu urteilen, steht uns dies Massaker unmittelbar bevor. Die Wesen kamen direkt aus den toten Heuschrecken, sagst du. Und sofort waren sie überall. Jedenfalls kommen sie ohne Vorwarnung. Dein Traum“, schloss Binjaschar, „ist G'ttes Mahnung an uns.“ Jetzt wurde es Henk doch sehr ungemütlich, und er platzte heraus: „Aber was können wir denn tun? Ich meine, wir kennen doch G'tt gar nicht, so wie ihr Zwei. Was soll ich machen, Joschiah? Ich will leben!“, und leise, wie für sich selbst, wiederholte Henk: „Ich will doch leben!“
Behutsam begann Binjaschar den jetzt so wichtigen Dienst, und er wusste, dass Henk´s gesamte Zukunft davon abhing. Er sagte: „Henk, du willst überleben. Doch du hast gehört, dass du ein Siegel des Herrn brauchst. Ich muss dir sagen, dass bis jetzt ein Viertel der Menschheit an Hunger, Seuchen und eben lokalen Kriegen umgekommen ist. Ich hab all die Angaben, die uns aus dem Radio bekannt sind, zusammengerechnet und komme nicht umhin, dir zu sagen, daß dies genau die Zahl ist, die der Prophet Jochanan, also Johannes, in der Offenbarung im selben Zusammenhang notiert hat. Wenn jetzt noch ein Drittel des Restes stirbt, bleiben kaum noch Menschen übrig!“ Henk fand keine Worte und schluckte erschüttert. Was Binjaschar ihm auch immer sagte- er würde es ihm glauben. Die Heuschrecken waren eindeutig! „Und“, begann Binjaschar wieder, „wenn wir jetzt 100% minus 25% rechnen, so haben wir die Höchstzahl der bisher Ãœberlebenden, nämlich 75%. Und von Diesen werden bald noch mal 33,3% sterben. Was kommt raus? Genau: knapp über die Hälfte. Doch es werden auch einmal 7.000 Leute durch ein Erdbeben umkommen und noch eine große Anzahl zusätzlich. Also bleibt uns theoretisch nur eine 50%ige Chance. Doch das ist für dich zu wenig, Henk!“ Tonlos nickte Henk: „Ja, viel zu wenig! Ich will aber leben, verdammt noch mal!“ „Ja, das sollst du auch.“, folgerte Binjaschar, „deshalb sind wir auch hier zusammen in diesem Zelt, ungestört von Anderen. Und ich sage dir, was du tun kannst, ja tun musst: Henk, anvertrau dich, deinen ganzen Menschen, in die Obhut JaHweHs.“ Henk´s Gesicht war anzusehn, daß ein heftiger Kampf in ihm tobte. Es war der direkte Krieg um seine Seele, ja um seine Zukunft in der Ewigkeit. Auf der einen Seite standen seine Erfahrungen, sein Weltbild und eine mächtige Festung namens Stolz, auf der andern Seite gegenüber standen die unerwarteten Erlebnisse mit biblischen Tatsachen, das Wissen um den Tod-Ernst ihrer gegenwärtigen Lage und um die offensichtliche Macht dieses Gttes, dessen Messias die Christen den einzigen Retter nannten. Binjaschar hatte während ihrer gesamten Unterhaltung mit G'tt gesprochen und Ihn um die rettende Entscheidung Henk´s gebeten. Gespannt wartete er auf Henk´s Antwort, als dieser ihn bat: „Joschiah, bitte, helf mir! Helf mir dabei, ich kann das nicht so einfach. Ich will, ja, man, ich will!“ Nach einem verzweifelten Seufzer stammelte er: „JaHWeh, du...ich hab Angst, schreckliche Angst. Wenn du mich wirklich willst, dann bitte, bitte, rette mich! Ich will nicht sterben.“, jetzt seufzte er wieder, und in seiner Not schrie er fast: „Hier bin ich, nimm mich alten Atheisten und mach was aus mir.“ Henk senkte seine Stimme: „Ich will ja glauben, daß es dich gibt, egal, was Thomas und Stephan sagen!“ Und fast jammernd sprach er weiter: „Herr, ich will Dich, ich brauch Dich. Ich weiß jetzt, dass Du wirklich da Bist. Die Bibel stimmt ja wirklich! Man, bitte, mach mich zu einem wie Joschiah oder wie Stella.“ Jetzt hielt er seine Hände vors Gesicht und zuckte mit seinem Körper. Seine Worte kamen fast stotternd: „Oh man. Herr, ich will nicht ohne Dein Siegel bleiben.“ Leise hörte er jetzt eine Stimme , und er wusste, dass das nicht Joschiah sein konnte. Auch niemand von den Andern. Der ihm so freundlich zuredete, sprach: „Mein Sohn, mein lieber Sohn. Ich Bin bei dir. Henk, Ich hab dich gerufen. Sei gewiß: du bist Mein! Hab keine Angst, mein geliebtes Kind. Hab keine Angst vor dem Schrecken, der über die Menschheit hereingebrochen ist. Ich Bin bei dir. Die Pferde, die du da gesehn hast, Ich hab sie gesandt. Ich hab ihnen befohlen, Mein Gericht zu vollstrecken an Denen, die Mich hassen und Meine Diener und Kinder abgeschlachtet haben. Aber Ich hab Mir eine neue Schar ausgewählt, und auch dein Name ist dabei! Und wegen deiner Kollegen sei unbesorgt: Stephan gehört ebenfalls zu Mir. Ja, du hast Gefährten an deiner Seite. Bleibt zusammen, denn die Menschen sind böse und wollen sich noch immer nicht zu Mir wenden. All diese Dinge lasse Ich über sie kommen, damit ihr Widerwille gegen Mich offenbar wird und sie auch vor sich selbst keine Ausrede mehr haben. Betet für einander, dass ihr standhaft bleibt. Auch Ich sorge dafür, dass euer Vertraun zu Mir in eurem Innersten wach bleibt. Und jetzt wende dich an Joschiah, Meinen erlesenen Diener. Er wird dir weiterhelfen.“ Henk hatte zuerst vor fassungslosem Staunen seinen Mund weit aufgesperrt, so unerwartet kam die Stimme G'ttes. Ja, der Schöpfer des riesigen Universums hatte zu ihm, dem kleinen Wurm, gesprochen! Doch Seine Stimme hatte ihn auch getröstet. Mit nassen Augen sah er jetzt in Binjaschar´s. Dieser erkannte, dass sein Gegenüber endlich den Frieden gefunden hatte, und umarmte ihn herzlich. Tränen der Freude liefen beiden Männern herunter, und eine tiefe Dankbarkeit zum Herrn füllte ihre Herzen.
G'tt hatte es in Seiner großen Weitsicht so geordnet, dass niemand sehn konnte, dass die beiden Männer geweint hatten. Es war dunkle Nacht, und auch das Feuer war schon zu weit runtergebrannt, als dass man ihnen ihre Emotion hätte anmerken können. Die andern 3 waren schon sehr müde nach diesem langen, anstrengenden Tag. Sie wunderten sich nur etwas über die Sanftheit, mit der Henk ihnen eine gute Nacht wünschte.

Die Astschere war selbstschärfend. Sie hatten das Gerät schon sehr oft gebraucht, um Reisig von den Ginsterbüschen zu ernten. Dabei waren sie stets darauf bedacht, nur unauffällige Schnittstellen zu hinterlassen. Sie waren vorsichtig, denn wer konnte schon wissen, ob sie nicht schon bald aufgespürt sein könnten? Immerhin war da die Gefahr der Banditen. Und wie konnten sie wissen, wann sie aus der Luft angegriffen würden? Jetzt schien wenigstens die letztere Gefahr in Form der Insekten vorüber zu sein. Doch 2 von ihnen wussten es besser: Es würde noch viel schlimmer kommen. Die beiden Freunde hielten sich diese Nachtwache über dicht beisammen. So oft Angst aufkommen wollte, vertrauten sie sich den liebenden Vaterarmen des Herrn an. Der Mensch ist schwach, und auch das menschliche Gemüt: Voller Trotz und Verzagtheit. Angst ist eine starke Macht, nur durch jemanden, dem wir vertraun können, wird sie zurückgedrängt. Hätten die Beiden den Herrn nicht auf ihrer Seite gewusst, wahrscheinlich würden sie kaum bis zu diesem Punkt durchgehalten haben. Es war doch so: Wer nicht wusste, dass die Heuschrecken für 5 Monate kommen würden, auch nicht, dass Diese die Menschen nur verletzen, aber nicht umbringen könnten, musste ja überzeugt sein, dass hier eine Mutation im Stillen stattgefunden habe, um sich jetzt als Invasion mit der Menschheit einen Kampf auf Leben und Tod zu liefern! Wer dachte da nicht an Selbstmord? Schon die Alien- Serie in den Kinos und zahlreiche weitere Filme, Spiele, Comics und sonstige Literatur sprachen die selbe Sprache: Außerirdische kämen auf die Erde und schickten sich an, sie zu erobern. Doch in jeder Produktion half der Mensch sich selbst, oft mittels übermenschlicher Fähigkeiten, von früheren Generationen als okkult bzw. spiritistisch bezeichnet, oder durch eine List. Ganz anders war es da dem Menschen, der die Bibel zu Rate zog: So jemand wusste, was auf die Menschheit zukam und konnte sich entsprechend einrichten, allem voran sich mit seinem ganzen Menschen unter die Herrschaft des G'ttes IsraEl´s zu begeben. Ja, Seine Macht war unangreifbar, so dass die Menschheit ja die ganze Zeit über ihre sichere Zuflucht haben konnte, wenn sie denn Ihn akzeptierten. In Ihm lagen auch die Lösungen aller Probleme, unter denen die Erde ächzte. Doch was taten die Menschen? Ihn verachteten sie, während sie sich der Geisterwelt zuwandten. Alle Aufklärungen darüber waren unangenehm für ihre Ohren, und man musste mit Morden rechnen, sollte es einem einfallen, diesen Leuten die Wahrheit über sie selber zu sagen! Ja, die Bosheit jedes Einzelnen wurde in dieser Zeit offenkundig, und kaum einer hatte überhaupt noch Intresse, sie zu verbergen. Da war es ja nur absolut gerecht, solche Plagen über die Menschheit kommen zu lassen. Der Herr hatte in Seiner großen Liebe die Menschen vor den kommenden Dingen bewahren wollen, doch sie lehnten Ihn ab. Also zog Er seinen Schutz von ihnen weg und gab sie den Schrecknissen preis, die nun Schlag auf Schlag über sie hereingebrochen kamen. Bekümmert schaute Er zu, wie die Menschen die bitteren Früchte ihrer eigenen Bosheit aßen. Doch auch in dieser Zeit suchte Er Solche, die hinter die Kulissen schaun wollten und sich noch immer fragten, warum alles so gekommen war. Ihr stiller Schrei fand Sein Erbarmen. Die Andern kehrten nicht etwa ihren spiritistischen und perversen Praktiken den Rücken, um zu Ihm zurück zu finden. Nein, im Gegenteil: bei jeder neuen Plage fluchten sie mit schmerzverzerrten Gesichtern dem Herrn, Dem, Der sie doch heilen konnte- wenn sie nur gewollt hätten! So lange hatte Er in Seiner göttlichen Geduld gewartet, aber jetzt war die Bosheit stärker als das Gewissen, und weil sie nicht einmal darauf hören wollten, sondern ihre g'ttlosen Aktivitäten unvermindert weiter betrieben- vielfach hatten sie diese in ihrem Trotz noch verstärkt- musste es ja so kommen...

 

Vernichtung

Gespannt lauschte Stella dem Weltempfänger, der seit kurzem den wieder hergestellten Sender Radio Vatikan empfangen konnte. Niemand sonst verstand Italienisch, und so notierte sie die Meldung, um gleich danach zu übersetzen. Am Eufrat befand sich ein Grabenbruch und gehörte zu den tiefsten Stellen der Erde. „...dieser Spalt beträgt an seiner breitesten Stelle schon über 4 Meter...“, hörte sie grade den Reporter sagen. „Wir wissen nicht, was uns jetzt wieder erwartet, meine Damen und Herrn. Papst Konstantin hat alle Gläubigen zur Fürbitte für die Kirche aufgerufen. Schon einmal in unserer Geschichte haben Protestanten und andere Sekten uns angeklagt.“, hieß es weiter, „Sie haben uns verfolgt, wie ein Rudel Wölfe Schafe verfolgt. Doch jetzt werden wir uns zur Wehr setzen.“ Seine Stimme nahm einen feierlichen Ton an, um dem Folgenden eine gewisse Würde zu verleihn: „Die allein selig machende Heilige Römisch-Katholische Kirche des neuen Europa wird sich aus dem Staub der Schmähungen erheben und ihre Feinde zertreten!“ Der Sprecher klang jetzt militärisch, als er lauter wurde, ja, er schrie fast: „Darum ruft unsere Kirche uns auf, die Ehre der Heiligen Jungfrau zu verteidigen. Hat nicht die Heilige Mutter G'ttes uns berufen, ihre Zeugen zu sein? Ja, alle wahren Gläubigen werden aufstehn und im glorreichen Sieg Marien´s ihrer Kirche zu neuem Glanz und Ansehn verhelfen! Wer noch kein Schwert hat, soll sich eins besorgen. Ãœber unsere Hotline geben wir genauere Auskunft.“ Es folgte die Vorwahl für Italien und anschließend kam die Durchwahl des Vatikanischen Büros, wobei die Verwaltung der Waffenkammer unter 666 direkt zu erreichen war. Stella stutzte, als diese Nummer kam: Hatte Binjaschar nicht etwas Ähnliches gesagt? „Doch hüten wir uns vor ihren listigen Worten.“, hetzte der Vatikanreporter weiter, „Sie sagen: sieh doch nur, in der Bibel steht es! Doch wir sollen mit ihnen keine Gemeinschaft haben, damit sie uns nicht auch noch durch ihr Schlangengift verführen. Gebt nicht Raum dem Lästerer, sondern bringt die Feinde der allein selig machenden Kirche zum Schweigen, und zwar für immer!“ Jetzt war es aber zu viel für Stella. Erbost wählte sie einen anderen Sender, diesmal meldete sich Radio Mumbay (Bombay) von einer hoch gelegenen Insel, die noch nie überflutet worden war. Als Wissenschaftlerin brauchte Stella für die internationalen Konferenzen ein solides Englisch, und sie beherrschte es mit Bravour. „Wir Hindus wollen unseren Staat endlich reinigen von diesen Christen.“, schnarrte der indische Sprecher, „Sie sind unserem Land immer fremd gewesen. Gestern wurde eine staatliche Untersuchung veröffentlicht, die ein jedes wahrhaft gläubige Herz zutiefst erschüttert: Ãœberall wollen die Christen ihren Einfluß geltend machen. Ich sage: Ãœberall.“ Auch diese Stimme nahm einen schärferen Ton an: „Aus zuverlässiger Quelle verlautet, sie wollen die Regierung stürzen. Hunderte haben sich von diesen gefährlichen Verführern hinreißen lassen, unserem Glauben den Rücken zuzuwenden und obendrein auch noch Kastenschande zu betreiben.“ Dieser Mann versuchte eine andere Taktik: Jetzt klang er immer schamhafter, während er auf das Finale hinarbeitete: „Die meisten dieser Christen finden sich bei den Unberührbaren. Hier hat sich die Seuche zuerst ausgebreitet, weil die Regierung, eigenen Angaben zufolge, die Unreinen bislang nicht kontrolliert hat. Meine lieben Brüder und Schwestern, die Seuche ist nicht bei den Unreinen geblieben, sondern hat sogar Mitglieder der obersten Kasten erreicht, ja, selbst eine Hand voll Politiker wurden mit dem Schmutz der Unreinen besudelt. Die Regierung hat beschlossen, dass es nunmehr höchste Zeit ist, dieser unheilvollen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Das schlechte Karma der Unberührbaren breitet sich sonst immer rasanter in unserm Volk aus. Darum wird der Innenminister in Kürze ein Soforthilfsprogramm zur Gesunderhaltung unseres Staates vorstellen...“ Das durfte doch nicht wahr sein! Stella schüttelte langsam ihren Kopf, als könne sie das alles nicht glauben. Doch sie hatte wirklich die offiziellen Sender angewählt, und sie waren doch bekannt für ihre Seriosität. Amerikan Broadcast hieb auf seine Weise in die selbe Kerbe, ebenso die restlich verbliebenen 3 Sender Afrika´s. und immer wieder lautete als Endziffer für die direkte Durchwahl zum jeweiligen Büro für Menschenrechte und Religionsfreiheit die Zahl 666. Es schien sich was zusammenzubrauen, eine unheilige Allianz und anschließende Zentralregierung. Bereits am nächsten Tag berichteten alle Sender über die Bildung eines globalnationalen Komitees. Dieses wäre zusammengekommen, um eine Strategie zu erarbeiten, damit sich die Menschheit vom „Krebs“ der „christlichen Fundamentalisten“ heilen könne. Stella schrie empört auf. Oh, diese unerträglichen Heuchler! Was war nur in die gefahren? Doch diese Frage war gleichzeitig auch schon die Antwort: Etwas war in die Regierungsmitglieder gefahren, und zwar nichts andres als dreckige Dämonen. Stella wusste, dass es bei den Satanisten junge Frauen gab, die als `Bräute Satans´ den Auftrag hatten, sich an führende Politiker ranzumachen, um als ihre Huren und Ratgeberinnen beträchtlichen Einfluß auf deren Weltbild und Aktionen auszuüben. Und so musste es ja zur Einstimmigkeit der Nationen kommen!
Im Lauf des Tages kamen weitere Meldungen, denen zufolge ein Militärkontingent als weltweite Eingreiftruppe ausgebildet wurde und nunmehr bereit stand. „O Scheiße!“, entfuhr es Henk, der am Weltempfänger saß. „Diese Schweine wolln uns umbringen. Einfach umbringen!“
Alle waren im Hauptzelt versammelt, während beide Katzen zur Bewachung der Moslems abgestellt wurden. „Also“, schlug Henk nach manchem Hin und Her vor, „Machen wirs doch wie die Christen in der Türkei.“ Als die 4 ihn erwartungsvoll ansahn, fuhr er fort: „Also, ich meine, ähm, da es hier an Felsen mangelt, müssen wir unsere Höhle in die Erde verlegen. Am Besten direkt unter dem Baum, wenn seine Wurzeln uns das erlauben.“ ja, letztendlich war das wohl die richtige Lösung, und alle stimmten zu. Neusser, der sich bisher zurückgehalten hatte, begab sich sofort zum Baum, um die geeignete Stelle des Eingangs abzuschätzen. Alle hatten sich bestimmte Aufgaben ausgesucht. Mit nur einer einzigen Schaufel konnten sie nicht viel ausrichten. Den Strauß konnten sie auch nicht zum Scharren bewegen. Es widersprach seinem Verhalten, Höhlen zu buddeln. Die Katzen mussten schon selbst kommen, auch ihnen fehlte der Sinn für derartige Unternehmungen. Dazu kam noch die nötige Wache, so daß nur 3 von ihnen gleichzeitig am Tunnel sein konnten. Doch eine weitere Frage drängte sich ihnen auf: Woher sollten sie Nahrung bekommen? Die beiden Katzen mussten endlich wieder was zum Futtern haben. Was die toten Heuschrecken betraf, war nichts mehr übrig von ihnen. Neusser hatte schlichtweg das große Glück gehabt, im Lager bei Gläubigen geschützt zu sein, während Henk und Eilers durch die effektive Hilfe der Katzen vor den Stacheln der Insekten bewahrt blieben. Und, was ihnen allen zugute kam, war der Umstand, dass die 5 Monate der Heuschrecken um waren. Der Verwundete hatte sich mittlerweile ebenfalls erholt. Faisal Emirolu hielt es für angebracht, ihn zu gewinnen für seinen Plan. Doch irgendwas schien anders zu sein mit Ali Akbar. Er war äußerst unschlüssig, als Emirolu ihm vom Plan erzählte. Akbar hielt sich auch zurück mit üblichen Titulierungen gegen die 5. Er hatte die Sorgfalt registriert, mit der er gepflegt worden war. Was die Leute da taten, war mehr als nur bloße Pflichterfüllung. Diese Leute taten es für ihn, obwohl sie wussten, wer er war und was er ihren Freunden angetan hatte. In ihm regte sich die Erinnerung an alles, was er als Moslem gehört und geglaubt hatte. Diese Einstellung prallte auf seine Beobachtung. Das, was Emirolu ihm sagte, war ihm nicht fremd- gehörte es schließlich zu seinem bisherigen Weltbild. Immer, wenn Emirolu auf ihn einreden wollte, tat er, als müsse er schlafen. Dieser Trick hielt einige Zeit vor.

Der Tag war gekommen, und Akbar konnte endlich aufstehn, um erste zaghafte Schritte zu unternehmen. Unterstützt wurde er dabei von Stella, die ihn auf seinen Ausflügen begleitete. Emirolu konnte sich etwas freier im Lager bewegen, wenn auch unter ständiger Aufsicht. Was er zu Akbar sagte, konnten sie nicht erkennen, weil sie der Sprache nicht mächtig waren. Doch aus der Art, wie Emirolu mit Akbar sprach, war nichts Gutes zu lesen. Warum Emirolu nicht auch von den Heuschrecken erwischt worden war, verdankte er seiner Geschicklichkeit bei der Flucht. Er hatte ein Feuerzeug dabei gehabt, und als die Insekten auf ihn zugekommen waren, zündete er einfach ein paar der Ginster an, während er selbst auf einem freien Platz stand. Um ihn herum brannten die Sträucher, doch weil sie grün waren, gab es eher viel beißenden Rauch. Das hielt die Tiere ab. Kaum hatten sich diese zurückgezogen, sprang er über die glimmenden Ginster und rannte ins Tal. Dort hatte er eine weiße Katze gesehn, die sich ihrerseits mit Heuschrecken rumschlug. So gelang es ihm, an ihr vorbeizukommen. Von der Anhöhe nahm er einen schwachen Feuerschein wahr, und er lief im Bogen, um nicht von den Wachen aufgegriffen zu werden. Bald kam der ihm günstig erscheinende Zeitpunkt, um ins Lager einzubrechen und sich mit Nahrung einzudecken. Doch er wurde von der Frau bemerkt und vom herbeigeeilten Maharadschah gestellt. Allah, so dachte er, hatte ihn bewahrt und sogar diese Ungläubigen und ihre Tiere als Kanonenfutter benutzt. Akbar´s Zaudern wertete er als Schwäche und Sentimentalität. Ihr würde er schon beikommen, so dachte er. Doch Akbar selbst machte ihm die Sache schwerer als er erwartete: Er hielt sich eng an die Europäer, so dass Emirolu nichts Andres übrig blieb, als einen günstigen Moment abzuwarten, sich Akbar zu greifen und ihn mit `speziellen Argumenten´ umzustimmen. Emirolu sah zwar, wie gut Akbar sich verstand mit beiden Katzen, doch auch das konnte ihn nicht abhalten von seinem finsteren Plan.
Die Höhlung betrug schon 2 Meter und gewann hinter dem Eingang rasch an Höhe, so dass ein ausgewachsener Mann sich bequem darin bewegen konnte. Der Durchmesser schwankte aufgrund von Wurzeln und Gestein. Durch die Erosion war nur noch eine dünne Erdschicht geblieben, während in den Tälern Humus, Schlamm und Schotter mehrere Meter hoch lagerten. Bevor die Ginstermacchie sich des nackten, häßlichen Gemischs erbarmte. Der Bau selbst kam pro Tag nur ca. 20 cm voran, kein Wunder bei nur 1 Schaufel und nicht mal einer Feldhacke. Sie hatten in den verkohlten Resten des Gartenhauses gesucht, ohne ein Gerät zu finden. Die Leute wurden immer schwächer, zum Teil wegen der Anstrengung, doch besonders wegen des Umstands, dass ihnen die Vorräte ausgegangen waren. Ihre weißen Beschützer blieben manchmal tagelang weg, um dann wieder bei guter Kondition aufzutauchen. Neusser erklärte sich bereit, mitzugehn. Dazu nahm er das Gewehr, ihre einzige Waffe, mit den restlichen 480 Schuß an sich. Was blieb ihnen auch anders übrig? Ihnen fehlten Jungpflanzen an Gemüse, weit und breit war noch nicht mal ein Apfelbaum zu finden. Wasser befand sich nur noch als wenige Schluck im Kanister. Zum Bohren fehlte ihnen Gerät und Kraft. Ja, sie standen vor dem Nichts. Ihr Gefährte Neusser war allein gegangen mit den Katzen. Sie baten den Herrn um Bewahrung der 3 und um Erfolg ihres Streifzugs. Emirolu wurde im Tunnel eingesetzt, um Akbar abzulösen. Erst, wenn Akbar im Zelt war, führten sie Emirolu aus dem andern Zelt in den Tunnel. Der Hunger versuchte sie, Dorian zu schlachten. Doch er blieb ihnen als einziger Wächter und Kämpfer, der sich ohne Mühe gut ernähren konnte. Der scharfe Ginster schien ihm nichts auszumachen, und sie waren umgeben davon.
„Joschiah?“ Der Angeredete drehte sich um. „Ja, Henk?“ Dieser war etwas verlegen. „Also, ähm, ich meine, Joschiah, wann kommen die fliegenden Pferde? Werden uns die Militärs vorher überraschen? Dürfen diese Flugpferde auch uns umbringen?“ Binjaschar wusste hierauf beim besten Willen keine Antwort. Was konnte er seinem Freund und Bruder sagen? „Henk, nach deiner Vision müssen die Pferde bald kommen. Mir ist nicht wohl bei der Aktion von Thomas. Wie soll er sich verteidigen? Mit einem Gewehr gegen Ãœberwesen- einfach lächerlich! Die Militärs werden wohl in ihrem Vorhaben von den Pferden gestoppt. Ich denk, noch nicht mal Panzer können da was ausrichten. Es sind wohl nicht biologische Wesen, sondern vom Herrn eigens zum Gericht über die Menschheit geschaffene Geister. Du weißt, G'tt selber und Seine Engel sind Geister. Nur der Messias Jeschua kam in biologischer Form zur Welt, obwohl auch er ein Geist ist wie der Vater. Wenn also G'tt solche Wesen zur Bestrafung der abtrünnigen Menschheit geschaffen hat, so kommen wir nicht ins Gericht. Das heißt also: In dem Fall werden wir verschont.“ Nach kurzem Nachdenken sagte er: „Ja, und warum haben wir uns jetzt abgemüht mit diesem Loch? Ich weiß es nicht, Henk. Vielleicht werden wir es dringend brauchen, wenn irgend welche Leute kommen, um uns auszuheben. Gut, dass ständig jemand einsteht für Thomas und die Tiere!“ Sie hatten eine sogenannte Gebetskette eingerichtet: Jeder betete eine Zeit lang und wurde dann sofort abgelöst. So befand sich die Streife im Schutz der Gebete rund um die Uhr. Akbar hatte all das beobachtet, und er war sehr verwundert über ihre Freiheit. Als Moslem kannte er die enge Regel, die ihm ein 5maliges Gebet am Tag vorschrieb, nach Osten gewandt und mit jeweils 5 Durchgängen des selben Textes hinternander. Klar gab es auch ein freies Gebet, Du'a genannt, aber dies war von so untergeordnetem Wert, dass die meisten Moslems keine Zeit verschwenden wollten damit. Sie erfüllten die Pflicht. Auch diese Feststellung arbeitete in Akbar´s Innerem. Emirolu nahm das Geschehn ebenfalls wahr, doch er hasste diese Ungläubigen, und sein Ziel war deren Vernichtung. Bei Gelegenheit würde er schon Akbar bearbeiten. Besonders wirksam war der Vorwurf gegenüber einem anderen Moslem, dass dieser nunmehr ein Ungläubiger geworden sei. Ein solcher Vorwurf wirkte auf Moslems wie Todesurteil und Beleidigung zugleich. Emirolu war sich der Waffe bewusst, und er würde sie möglichst bald anwenden.

Der Weltempfänger stand heute nicht still. Eifrig notierte Eilers das Wichtigste. Den Sendern zufolge hatte es kleinere Verhaftungswellen gegeben, bei denen Plünderer, Bandenmitglieder und `christliche Fundamentalisten´ gefasst worden waren. Diese wurden, weil auf frischer Tat erwischt, ohne Verhandlung zum Tod verurteilt. Aufgrund globaler Notstandsgesetze wurde die Vollstreckung sofort ausgeführt. Was allerdings mit ihren Leichen geschah, verlautete nicht. Sicher die übliche Gruben- Erschießungs- Massengrabmethode, da waren sich die Freunde sicher. Jetzt intensivierten sie ihr Gebet für Neusser. Er durfte nicht in die Hände der Verhörer fallen. Die Welt unterlag ja schon längst einer Diktatur, wenn auch offiziell die Nationen ihre Souveränität noch innehatten. Das jedoch, so wusste eigentlich mittlerweile jeder Mensch, war nur noch Fassade. Die nächsten Sendungen berichteten über Truppenbewegungen durch wenig besiedelte Orte. „Hier“, hieß es, „halten sich kriminelle Elemente bevorzugt auf und planen ihre nächsten Schandtaten zum Schaden der menschlichen Gesellschaft.“ Also kam ihnen der um weitere 3 Meter verlängerte Tunnel genau gelegen. Die Erde war am Ende locker geworden, was mit der Auswaschung von Humus und Lehm zusammenhing. Gestein und Sand blieben übrig, so erleichterte das Gefüge ihre Arbeit. „Joschiah, wie lang soll der Tunnel werden?“, wollte Stella wissen. „Ja“, sagte er, „noch weitere 5 Meter, dann sind es 8. wenn wir die erreicht haben, baun wir uns komfortable Räume!“ „Aha!“, meldete sich Henk, „Die müssen aber hoch genug ausfallen wegen der Kronleuchter!“ Den Aushub schütteten sie keineswegs zu Hügeln zusammen, sondern verteilten ihn unter die Ginster. Bevor sie ihre Zelte abbrechen würden, mussten sie noch waagerechte Lüftungsröhren anlegen. Waagerecht war auf jeden Fall am Besten, falls irgend welcher Niederschlag fallen sollte oder Gegner die Löcher entdeckten und verschlossen. Das Bauen der Lüftungsschächte gestaltete sich einfacher als gedacht: der Boden war sehr leicht. Aber wie konnten sie das Einstürzen verhindern? Eilers kam auf die Idee, beim Gartenhaus könne es sich vielleicht um ein gut ausgebautes Wochenendhaus mit Keller handeln. Ãœberrascht riefen die Andern aus: „Ach, klar!“, „Man, warum ist niemand vorher drauf gekommen“ und ähnliche Bekundungen. Während sie weiter im Tunnel arbeiteten, begab sich Eilers zur Stelle, auf der noch wenige Balken lagen. Er begann, sie Stück um Stück zu packen und wegzuziehn. Er manövrierte sie in den Tunnel, ohne dass jemand über sie stolpern konnte. Das Brennholz wurde mit ihnen als Kohlen unterstützt. Zufrieden begutachtete er die jetzt freie Fläche. Wenn sie die Heide verschonten, würde diese ihnen effektiv den Boden befestigen, so daß ihnen unmöglich die Decke auf den Kopf fallen konnte. Hier war das Erdreich felsig, wie man das oft kannte von waldigem Boden mit Heidebewuchs. Der typische Kreidefels, mit Schiefer vereint, herrschte hier meist vor. Eilers besah sich genau die freien Stellen, auf denen die Balken gelegen hatten. Mit einem Ginsterast stocherte er vorsichtig im Boden. Da! Unterm Ast klang es wie eine Metallplatte. Er drehte den Ast um und fegte behutsam die Erde weg. Richtig: Eine Abdeckung kam zum Vorschein. Der schmale, etwas hochstehende Griff war noch voll. Als er ihn gesäubert hatte, hob er die dünne Platte an. Wunderbar! Das klappte ohne Schwierigkeiten. Den Eingang ließ er geöffnet, als er sich zu den Ãœbrigen begab. Sie sahen ihn hereinkommen und schauten ihn erwartungsvoll an. „Bingo!“, war das Einzige, was er sagen konnte, schon rasten sie an ihm vorbei. Mit einem Ginsterstock und spiritusgetränkten darum gewickelten Lappen hatten sie sich eine Fackel gefertigt und stiegen die Treppe hinab.

Die Sonne schien grell auf die 3 Wanderer und ließ sie noch heller erscheinen. Ein ungleiches Trio bewegte sich da durch die Macchie. In der Ferne konnten sie eine Art Galleriewald ausmachen, normalerweise ein sicheres Zeichen für baumbegleitete Fließgewässer. Doch die 3 beschleunigten keineswegs ihr Tempo. Sie wollten Kraft sparen. Sonne, Durst und Hunger setzten dem Trupp seit 3 Tagen sehr zu. Wie lang würden sie brauchen, um sich im Schatten endlich ausruhn zu können? Ob da tatsächlich Wasser floss, konnten sie nicht erkennen. Zügig schritten sie weiter, so gut sie noch konnten. Schätzungsweise musste die Waldung 5 oder mehr km entfernt sein. Ein Wanderer bei voller Kraft brauchte ungefähr 20 Minuten für 2-3 km. Also war mit einer 3/4 Stunde zu rechnen. Nu ja, das war noch auszuhalten. Sie hatten ihren Rythmus, durch den sie fast automatisch weiter und weiter kamen, ohne ständig neue Willenskraft aufwenden zu müssen. Der Sinn konnte etwas gedämpft werden, und man spürte nicht mehr so die Anstrengung. Nein, man konnte sogar ziemlich rasch weitermarschieren. Das Gelände hier war sehr eben. Das kam ihnen zugute. Jede Senke bedeutete eine Verlängerung der Strecke. Der Mann hielt jetzt Ausschau nach Vögeln. Wenn die sich dort einfanden, musste Wasser vorhanden sein. Doch die Entfernung war noch zu groß, als dass er Einzelheiten hätte erkennen können. Er hoffte, dass ihnen keine Luftspiegelung einen bösen Streich spielte. Mittlerweile war die Hälfte des Weges geschafft. Sie fühlten sich angesichts des auf sie wartenden Schattens beschwingt und mussten sich zurückhalten, um nicht zu schnell ihre Kraft zu verbrauchen. Was war das? Der Mann kniff seine Augen zusammen. Sah er da nicht langsame Bewegungen? Ja, waren das vielleicht Giraffen, die sich in der Nähe der Bäume aufhielten? Und befanden sich nicht mitten unten ihnen weiße Tiere? Katzen konnten es wirklich nicht sein, denn diese hielten stets einen gehörigen Abstand zu Giraffen. Diese Langhälse forderten Respekt vor ihren großen Hufen. Ja klar: Was außer Zebras? Aha, die Versprengten waren wiederentdeckt. Nur noch um 1 km, und sie konnten sich endlich im Schatten ruhn. Der Mann nahm jetzt seine Waffe und hielt sie auf Hüfthöhe. Seine Begleiter begannen, sich in leichten Trab zu setzen. Er ließ sie gewähren. Schließlich war die Herde angewiesen auf diesen übrig gebliebenen Wald. Sie mussten also nach der Flucht rasch wiederkommen. Die beiden Weißen nahmen einen Bogen um die Giraffen und verschwanden im Dickicht. Er wusste: Jetzt schlichen sie lautlos, Stück für Stück, Meter für Meter. Er sah, wo die Zebras etwas entfernt waren von den Giraffen. Da musste sich gleich was tun, und schon schoss einer der 2 Burschen auf die Tiere los. Eine rasante Verfolgungsjagd war zu beobachten, und als das Zebra weit genug von der Herde weg war, sprang der 2. von vorn mit wenigen Sätzen auf das Tier zu und biss in dessen Kehle, während der Verfolger mit mächtigem Sprung auf dem Rücken der Beute landete, sie zu Fall brachte und schnell das Genick durchbiß. „Bravo!“, sagte anerkennend Neusser, „Ihr seid gute Jäger, habt eure Beute nicht leiden lassen!“ Er war zufrieden. Ja, sogar Stolz auf die Katzen füllte sein Herz. Bald hatte auch er den Wald erreicht, und die Herde weidete friedlich, als habe es den Vorfall nicht gegeben. Er hielt Abstand zu den Katzen, um sie nicht bei ihrer Mahlzeit zu stören. Seine Schritte führten ihn weiter in den Wald hinein, bis er den Hang erreichte. Hier erst machte er Halt. Seine Augen musterten aufmerksam die Lichtung vor ihm. Nichts Verdächtiges regte sich, außer ein paar Affen. Doch die schienen ihn in Ruhe lassen zu wollen. Offenbar hatte auch sie ihr Auskommen. Erleichtert atmete er die angenehm kühle und feuchte Luft ein. Er begab sich den Hang hinunter. Vor ihm zeigte sich ein Band aus Schotter, gesäumt mit einigen Aststücken. Hier war mal ein Fluß geflossen, stellte Neusser nüchtern fest. Wasser musste noch reichlich vorhanden sein, denn der Wald hatte die Katastrophen schadlos überlebt. Die Bäume bestanden nicht nur aus wuchsfreudigen Erlen, auch empfindlichere Arten waren hier zu sehn. Erlen hatten die Fähigkeit, nach vollständiger Entlaubung rasch wieder neu zu bestocken. Neusser suchte sorgfältig die Vertiefungen im Wadi. Irgendwo musste noch Wasser stehn. Auch, wenn es warm, abgestanden und wohl auch unhygienisch sein mochte, brauchte er dringend ein paar Schluck. Da! Wunderbar: Ein kleiner Bach schlängelte sich durch den Schotter. Neusser nahm das Gewehr in Anschlag. Die Affen verstanden in dieser Angelegenheit keinen Spaß. Vor der Herde hatten sie schon Respekt, nicht aber vor einzelnen Menschen. Dreist, wie sie waren, stahlen sie einem das Essen vom Teller, bevor man überhaupt begriff. Bei Wasser stand man einer Armee von langzähnigen, schnellen und wendigen Raufbolden gegenüber. Neusser kniete mit einem Bein und führte seine Hand zum trockenen Mund. Begierig schlürfte er das Wasser, ließ es ein wenig im Mund, um die Schleimhäute zu kühlen und schluckte. Jetzt konnte er seinen Durst stillen. Nach einigen Minuten entnahm er seiner Tasche ein paar Flaschen und füllte sie mit sauberem, frischen Wasser. Sorgfältig verstaute er die Plastikflaschen. Er überlegte: Für seine weißen Freunde war es besser, hier zu bleiben, gewiss. Doch er musste schnellstens zurück, um den Gefährten Wasser und Fleisch zu bringen. Vielleicht konnten sie nach hier übersiedeln? Er wusste um das Reiseziel, doch dies Idyll hier war der einzige Ort, in dem sie längere Zeit überleben konnten. Erst, wenn die komplette Ausrüstung hier war, konnten sie sich eindecken mit genug Vorräten. Alles Andere wäre nur ein Selbstmordkommando gewesen! Nachdem er ein Zebra erlegt und ausgeweidet hatte, legte er es über seine Schultern. So ausgerüstet, nahm er Gewehr und Tasche mit. Er ließ die Katzen zurück.

Sie nahmen die Fackel und hielten sie weit vor sich. Plötzlich schrillte es von allen Seiten, dass sie zurückzuckten. Und schon flatterte ihnen eine dunkle Wolke um die Ohren. Sie gingen erschreckt in die Hocke und warteten, was auf sie zukäme. Nach einigen Minuten waren die Flatterer verschwunden. Noch erschrocken kamen sie wieder zu Atem. Eine Kolonie Fleder hatte in ebenso großer Überraschung ihr Schlafquartier verlassen. Huch! Öfter mal was Neues... vorsichtiger als vorhin drangen sie weiter vor. Aufmerksam beachteten sie die Stufen und jeden Winkel. Konnte ja sein, sie waren hier nicht die Ersten. Doch als sie im Kellerraum anlangten, atmeten sie erleichtert auf. Der Keller hatte wenige Nebenräume, die sie rasch durchforschten. Sogar eine mauerlose Stelle war da, und auch noch in Richtung des Tunnels. Man, wenn das kein Geschenk des Herrn war! Sie befestigten die ergiebige Fackel an einem Heizungsrohr und eilten zu den Zelten, so gut sie im Dämmerlicht über die Treppe kamen. Draußen war es noch hell, wenn auch die Schatten schon lang wurden und den Abend einläuteten. In Eile räumten sie die Zelte aus. Als endlich alles im Keller gelagert war, bauten sie die leeren Zelte ab. Die Feuerstelle wurde mit Erde vom frischen Aushub abgedeckt und mit jungen Ginstern bepflanzt. Hierzu leistete der Klappspaten vortreffliche Dienste, so dass der Ginster über Nacht mit kühlem Tau bedeckt wurde und am kommenden Tag nicht welk aussah. Denn dann hätten sie sich selbst verraten. Jetzt hofften sie, dass auch Neusser den Wettlauf gewinne und beteten inständig für ihn und seine Begleiter.

Er merkte, dass die Nacht ihn erwischen würde. Wie weit war er schon vom Wald entfernt? Als er zurückschaute, mussten es schon mehr als 5 km sein. Umkehren? War wohl ratsam, ohne Begleitung seiner wehrhaften Freunde, die sicher schon vom 2. Gang ihrer Malzeit ruhten. Er gönnte ihnen das entdeckte kleine Paradies. Ob wohl der legendäre Garten so ausgesehn haben mochte? Jetzt, hier allein in der Wildnis, kam Neusser intensiv zum Nachdenken, und nach anfänglicher Abwehr gab er sich dessen hin. Ob im Garten tatsächlich alles anders war? Die Beutegreifer- wie sah ihr Alltag aus? Er stellte sich vor, wie der Mensch diesen Tieren Saft hinstellte, den sie tranken. Nein, es schien ihm zu lächerlich. Warum behaupteten Binjaschar und Stella, alle Tiere seien damals Vegetarier gewesen? Es war einfach unvorstellbar für ihn. In der hereinbrechenden Abendkühle setze er seinen Weg zum Wald fort. Seine ganze Aufmerksamkeit war nun gefordert. Er hatte keine Lust, über irgendwas zu stolpern. Der Weg erschien ihm in der Dunkelheit viel länger als in den Stunden zuvor. Dunkel ragte der Wald vor ihm auf. Leise rief er seine Katzen beim Namen. Sie röhrten zur Antwort. Er ging etwas weg vom Schall der beiden Tiere. Auf einem erhabenen Felsblock legte er das Zebra ab. Sollten die beiden Weißen es holen, wenn sie mochten. Es waren ja genug da. Er öffnete die Tasche und nahm einen zusammengerollten Schlafsack heraus. Auf einem freien Platz deponierte er ihn und kroch auch sofort hinein. Bald war er entschwunden im Land der Träume. Hier, bei seinen treuen Wächtern, konnte er sich sicher fühlen.

Die Wacht gestaltete sich entspannter: Man musste nicht mehr so weit patrouillieren, sondern brauchte nur aus der Luke Rundumschau zu halten. Es war fast gemütlich. Doch trotzdem erforderte es volle Aufmerksamkeit. Falls irgend jemand kommen sollte, musste die Wache entgegen gehn, um eine eventuelle Gefahr aufzuhalten, damit der 2. Wächter unauffällig die Luke schließen konnte.
Sie hatten Emirolu in einem der Nebenräume am Heizungsrohr festgebunden, damit er nicht auf dumme Gedanken käme. Akbar hatte längst schon gemerkt, wie unverbesserlich dieser war und vermied weiterhin den Kontakt mit ihm. Bei diesen Christen fühlte er sich wohl, und sogar den Juden mochte er. Binjaschar war freundlich zu ihm und nicht bloß höflich. Akbar spürte Binjaschar´s echte Herzlichkeit ihm gegenüber. Allmählich waren ihm auch Zweifel gekommen, ob diese Leute überhaupt als `Ungläubige´ bezeichnet werden durften. Als er weiter nachdachte über Emirolu, schien die Bezeichnung eher zu passen auf Diesen. Akbar erinnerte sich an seine bisherigen Erfahrungen mit andern Moslems. Auch hier gab es reichliche Heuchelei. Schließlich beleuchtete er sich selbst und musste feststellen, dass auch bei ihm, Ali Akbar, ein Vertrauen fehlte. Sein Glaube erschöpfte sich lediglich in einer Religion aus Bestimmungen, Aufrufen zum Mord an Andersdenkenden, Liberalisierung von Plünderung, Vergewaltigung, Entführung und Folterung der Gegner. All das war diesen Christen zuwider, und sie erzählten ihm Einiges aus der Bibel. Die Zitate hatten sein Herz erwärmt, und ihn verlangte, endlich selber in einem solchen Buch zu lesen. Er war fest entschlossen, sich an der Reise zu beteiligen. Er wollte dabei sein, wollte selbst erleben, wenn sie die Bibel finden würden. Sein Herz war nunmehr ganz auf der Seite der Christen und ihres offenbar echten Glaubens, der aus persönlichem Vertrauen bestand. Akbar fiel in tiefen, erholsamen Schlaf.
Er wusste nicht, dass volle 7 Stunden vergangen waren, als laute Stimmen ihn weckten. Etwas irritiert schaute er um sich. Das Stimmengewirr kam von oben. Er stand auf und streckte sich ausgiebig. Jetzt war er doch neugierig! Also stieg er die Treppe hinauf. Da war Neusser, wie gut! Erst jetzt bemerkte Akbar den Duft von Braten. Seine Augen weiteten sich vor Freude: Es gab wieder Tee, und eine Hinterkeule wurde überm Feuer gedreht. Für solche Zwecke lieferten die Ziersträucher gute Spieren, die man als grade Spieße gebrauchen konnte. Akbar genoß die angeregte Unterhaltung, während der er über die Oase am Wadi erfuhr. Ihnen stellte sich die Frage, ob sie im Keller bleiben sollten oder besser am Wadi wohnten. Angenehmer wäre letztere Option gewesen, doch sie waren einfach nur 5 Leute mit einem Gefangenen. Wenigstens stand ihnen eine gute Quelle an Wasser und Nahrung zur Verfügung. Auch, wenn der Hin- und Rückweg insgesamt mindestens 1 1/2 Stunden verschlang, stellte der Keller einen hervorragenden Kühlraum dar. Wenn es ihnen gelang, alle Gefäße mit frischem Wasser zu füllen und genug Fleisch zu lagern, konnten sie den Keller als Bunker gebrauchen. Für Akbar war es keine Frage, sofort in der Streife dabei zu sein. Henk wollte seine Katzen gern wiedersehn, und Eilers hatte den Wunsch, die arme Schlange endlich freizulassen. Es war zwar eine Giftschlange, doch in der Oase hatte sie keinen Grund zum Kämpfen. Eilers versicherte, in einer geräumigen Grube habe sie es gut. Mäuse kamen sicher auch dort zahlreich vor. Was für die Schlange zu steil war, konnten die Nager mühelos überwinden. Wenn man in der Grube einen Köder platziere, so würden schon genug Mahlzeiten zur Schlange kommen, ohne dass der Köder verdürbe. Gut, also dann hätten sie die Büchse ja wieder für andere Verwendungen, überlegte Eilers.
Sie hatten sich aufgeteilt: 3 von ihnen richteten sich im Wald ein, während die andern 3 mit Emirolu den Tunnel von beiden Seiten vorantrieben. Das Schlupfloch der Flederkolonie war bald abgedichtet, und sie hatten durch ihre Anwesenheit die Tiere vertrieben. Diese tauchten bald im Auwald auf, wo sie in einer alten Esche Unterschlupf gefunden hatten. Um so besser war das für die 3 Männer: Eine Kolonie von 20 oder mehr Tieren war sehr erfolgreich im Kampf gegen Stechmücken und andere nächtliche Plagegeister. Durch das katastrophal bedingte Wüsten- und Steppenklima hielt sich der Sommer noch bis weit in den Herbst, und erst gegen Ende November begann es, kühl zu werden. Der Weltempfänger war noch gut im Strom, so dass ihnen die Sender nach wie vor die wichtigsten Meldungen lieferten. Sie dachten an die Tiere, ob ihnen rechtzeitig dichtes Fell wachsen würde. Bei den Zebras gab es einige Fohlen, die Meisten vom Säugen entwöhnt. Wenigstens sie würden heil durch den Winter kommen. Den Giraffen fehlte ihr Winterhaus, und Giraffenfohlen brauchten länger für ihre Entwöhnung. Wenn die Gesäuge keine Milch mehr produzierten, mussten die Fohlen geschlachtet werden, falls die Katzen sie nicht rechtzeitig schlugen. Fleisch würde also genug vorhanden sein.
Endlich war der Tunnel in der Mitte durchbrochen. Das war Allen eine kleine Feier wert. Auf einer freien Fläche richteten sie das Feuer ein. Sie genossen die Wärme der Flammen und schauten versonnen hinein. Emirolu durfte sich frei bewegen, doch Maharadschah war diesmal mit zum Lager gekommen und brachte ihn auf andere Gedanken, falls er flüchten wollte. Akbar war grade im Keller beschäftigt, als er sich zu ihm schlich. Mit freundlichen Worten wollte Emirolu ihn weich machen. „Ali, mein Bruder!“, gurrte er, „Du fühlst dich wohl?“ Akbar war vorsichtig und wachsam. Doch unbefangen konnte er bestätigen: „Klar! Hier bin ich sicher. Hier werde ich überleben.“, und nach kurzer Pause: „Da draußen kommt man um, Faisal. Die Welt ist nur noch mörderisch, unsere Truppe aufgerieben. Wie also willst du ohne diese Leute hier überleben?“ Emirolu versuchte, sich seine Empörung nicht anmerken zu lassen. Er sagte in möglichst lockerm Ton: „Ali, gewiss, die Ungläubigen sind für uns von gewissem Wert, und Allah benutzt ihre Naivität, um uns zu erhalten. Aber sei kein Narr! Wir Moslems werden die ganze Erde unterwerfen für Allah, das ist unser Auftrag, und dafür lasst uns leben und, falls nötig, auch sterben!“ die Antwort Akbar´s kam ganz unerwartet für Emirolu und versetzte ihm einen Hieb: „Faisal, ich, Ali Akbar, kann nicht mehr länger Moslem sein. Ich hab verglichen und nachgedacht, gründlich abgewogen. Das hier ist der wahre Glaube, doch unsre Religion ist eine Lüge und wir sind Heuchler!“ Mit wutverzerrter Mine schlug Emirolu mitten ins Gesicht Akbar´s. Dieser wich zurück vor Schmerz. Grad wollte er sich revanchieren, als er fühlte, wie sein Arm sich nicht weiter bewegen wollte. Als hielt jemand ihn fest. Emirolu sagte voller Arroganz: „Du Ungläubiger, du bist schuldig, du hast die Todsünde des Schirk begangen. Du musst sterben!“ „Wenn Allah mich töten will“, so hörte Akbar sich selbst sagen, „dann soll er mich persönlich töten. Allah braucht keine miesen Verbrecher wie dich, um zu strafen. Außerdem weiß ich endlich, dass die Christen die wahren Gläubigen sind und du der Ungläubige!“ Emirolu war außer sich und wollte erneut auf Akbar losgehn, als er plötzlich vornüber kippte, ein großes weißes Etwas auf seinem Rücken. „Maharadschah!“, sagte Akbar tonlos. Die Katze verließ den liegenden Mann und nahm frontal Aufstellung, hinter sich den fassungslosen Akbar. Kaum hatte Emirolu den Kopf angehoben, als auch schon die Pranken von beiden Seiten darauf einprasselten. Maharadschah hatte die Krallen eingezogen und ohrfeigte Emirolu nach Strich und Faden, unter nachdrücklichem Brüllen. Atemlos kam Henk die Treppe runtergestolpert. „Maharadschah!“, schrie er vor Schreck. Maharadschah ließ ab von Emirolu, der seinen Kopf unter die Hände verborgen hatte, immer noch fauchend. Er blieb zwischen den beiden Männern stehn, bis Henk den am Boden Liegenden aufrichtete. Er sah Maharadschah scharf an, doch dieser blieb unbeweglich vor Akbar stehn. Jetzt erst bemerkte Henk Akbar´s blutende Nase. Man! Wie gut, dass er in der Eile nicht mit der Waffe gekommen war- sicher hätte Maharadschah unschuldig sterben müssen. Voller Achtung blickte er jetzt auf seine treue Katze. Hart fasste er Emirolu´s Arm und drehte ihn auf dessen Rücken. „Mitkommen!“, sagte er nur streng und schob Emirolu die Treppe hinauf. Oben waren aufgeregte Stimmen zu vernehmen. Im Keller drehte sich Maharadschah nach Akbar um und rieb sanft seinen Kopf an dessen Bein, bevor er sich direkt vor die unterste Stufe niederlegte, die Pranken in Richtung Treppe. Akbar war sprachlos. Er versuchte, das, was da soeben passiert war, zu verarbeiten. Neusser kam die Treppe hinab, strich Maharadschah über den Kopf und schritt behutsam über ihm hinweg. „Ali“, sagte er kurz, „komm, wir brauchen dich als Zeugen.“ Als sie nach oben gingen, folgte Maharadschah ihnen auf dem Fuß. Er ließ Akbar ab jetzt nicht mehr allein.
„Also, was ist?“, fragte scharf Eilers, an Emirolu gewandt. Wie oft, hüllte sich dieser in Schweigen. Henk versetzte dem Befragten eine schallende Ohrfeige und brüllte: „Du dummes Arschloch, wer denkst du, wer du bist? Los, machs Maul auf! Ein wuchtiger Faustschlag ließ Emirolu sich nach vorn beugen und husten. Henk riß dessen Kopf am Schopf nach oben. „Los, du dreckiger Bastard, rede! Oder es wird dir gleich noch schlechter gehn!“ Die beiden Männer waren in Rage und nicht zu beruhigen. Akbar stand jetzt vor Emirolu. In festem Ton sagte er bestimmt: „Faisal hat mich geschlagen und wollte mich umbringen. Er hat mir damit gedroht, und es ist ihm zuzutrauen. Maharadschah kam dazwischen und hat ihn gestellt. Ich sag es noch mal, vor euch allen: Ich kann nicht mehr Moslem sein, und ihr seid mein Grund. Ihr habt mich überzeugt, dass euer Glaube der Wahre ist. Und vor mir steht der einzige Ungläubige hier!“ Dabei zeigte er auf den vor sich hinstierenden Emirolu „Los, fesseln!“, befahl Henk voller Zorn, „Morgen bringen wir das Dreckstück weg!“ Emirolu wurde in den kleinen Kellerraum gestoßen und am Heizungsrohr festgezurrt. Henk hielt ihm die Faust unter die Nase: „Du kannst im Stehn schlafen, Bastard!“ Mit Henk war an diesem Abend nicht mehr zu reden, auch Eilers war zu aufgewühlt. Beide wollten auch nicht im Keller schlafen und hielten Wache. Die Nacht sollte ihre Gemüter abkühlen, so hofften sie. Emirolu war leer. Nur Hass füllte seinen Schädel.

Früh, bei der ersten Dämmerung, stellte sich Henk vor Emirolu auf und weckte ihn mit einer Bachpfeife. „Los!“, sagte er barsch, „Mitkommen!“ Er band ihn los und stieß ihn vor sich her, doch bedacht, niemand beim Schlaf zu stören. Emirolu wollte grade fluchen, als er Henk´s eisernen Griff im Nacken zu spüren bekam. Draußen wartete schon Eilers. Wortlos gingen beide mit Emirolu ins Tal.
Die Sonne drang durch die offene Luke. Die Wärme sog die klamme Feuchtigkeit aus dem Keller, als die ersten Gefährten sich regten. Stöhnend reckten sie ihre steifen Körper und rappelten sich mühsam auf. Neusser nahm einen Schimmer auf der halb gewendelten Treppe wahr. Aha, Henk und Stephan machten wohl grad Feuer und würden gleich zu ihnen kommen, um ein paar Stunden zu schlafen. Allmählich waren alle aufgestanden und wünschten einander einen guten Morgen. Stella ging als Erste hinauf, um ihrer Gewohnheit gemäß Tee zu bereiten. Draußen war niemand zu sehn. Kopfschüttelnd legte sie trockene Reiser auf das Kohleholz und betätigte das neu mit Spiritus aufgefüllte Feuerzeug. Weit und breit war nichts von den beiden Zornköpfen zu sehn. Einladend rief sie: Tee ist gleich fertig!“, doch weder Henk noch Eilers kamen. Nach und nach erschienen die Andern am Feuer und rückte nah an die Flammen, ihre Hände darüber breitend. Binjaschar fragte: „Wo sind unsre Freunde?“ Stella zuckte die Schultern und sah ihn ratlos an. Er erhob sich und stieg wieder in den Keller, um Emirolu zu holen. Von da drang nur ein dumpfes „Das darf doch nicht wahr sein!“, und alle waren sie wieder nach unten gehastet. Wortlos schauten sie das Rohr im leeren Raum an. Vielleicht waren die Beiden mit Emirolu noch nicht weit, nur in welcher Richtung? Zum Wald vielleicht? Aber dahin wollten sie doch so wie so am Nachmittag aufbrechen. „Wir sind 4“, begann Akbar, 2 von uns gehn am Besten zum Wald. Ob sie da zu finden sind oder nicht- wir brauchen eh neues Wasser.“ Binjaschar nickte nur und schulterte schon die Tasche mit leeren Flaschen. Diesmal nahmen sie Dorian mit, der sich über eine Abwechslung freute.

Die 3 hatten das Tal schon längst hinter sich gelassen und zogen weiter über eine ausgedehnte Ebene. Sie schwiegen und hingen ihren Gedanken nach. Henk wusste: G'tt wollte niemandem das Leben wegnehmen. Aber dieser Emirolu stellte eine Gefährdung dar. Dessen war sich auch Eilers bewusst. Emirolu brütete nur dumpf vor sich hin und fragte sich, wie weit sie ihn noch bringen würden, bis die Exekution stattfände. Immer weiter ging das Trio. Jeder der beiden Freunde hatte eine volle Flasche dabei. Emirolu bekam nicht einen Schluck davon. Wozu auch? Sollte er schwitzen und halb umkommen. Auch das war ihr Ziel. Sie selbst wollten ihn gar nicht hinrichten, obwohl das Gewehr geladen war. Emirolu hegte indes nicht den geringsten Zweifel an einer solchen Absicht. Sie wollten so weit gehn, bis er endlich zusammenbrechen würde, um ihn dann ohne Hilfsmittel zurückzulassen. Vielleicht würden sie auch auf weitere der Banditen stoßen und ihn als Geisel zu eventuellem Gefangenenaustausch einsetzen. Falls ihnen kein Mensch begegnen sollte, blieb es beim Plan. Jedesmal, wenn Emirolu langsamer wurde, stießen sie ihn weiter.

„Joschiah?“, fragte Akbar. „Ja, Ali?“ „Darf ich auch mal?“, fragte er wieder. „Ja, klar- wenn du nicht runterfällst, vorausgesetzt!“ Schon war Binjaschar auf der Erde, und mit elegantem Schwung saß Akbar auf. Dorian machte keine Anstalten, zu protestieren. Er war wohl umgänglicher als manches brave Pferd. Auf einmal raste Dorian mit seinem neuen Reiter davon, einen verdutzten Binjaschar hinter sich lassend. Er sah nur, wie Dorian mal einen Linksbogen beschrieb, um dann in umgekehrter Richtung weiterzurennen. Jetzt kamen Strauß und Reiter zurück und hielten erst kurz vor Binjaschar, der schon zur Seite springen wollte. „Hey“, rief Akbar, „Besser noch als ein Kamel!“ Wie um ihn zu bestätigen, nestelte Dorian jetzt an Akbar´s Ohr. Mit Lachen drehte dieser sein Gesicht zu Dorian´s. Ein leichter Schenkeldruck veranlasste Dorian zu einer Wendung, und schon ging es los mit wilder Jagd! In wenigen Minuten waren beide am Wald angekommen. Hier sprang Akbar ab und ließ Dorian gewähren. Nach ausgiebigem Staubbad und anschließendem gründlichem Putzen spähte er in die Ferne, wo ein dunkler Strich sich ihm näherte. Gemächlich kam er seinerseits dem Wanderer entgegen, wechselte in leichtem Trab, um dann in vollem Tempo Binjaschar zu erreichen. Bald war er auch mit diesem Reiter zurück. Als Binjaschar sich zu Akbar gesellte, sagte dieser fröhlich: „He, was wär, wenn es uns gelingt, alle übrigen Strauße einzusammeln? Dann hätte jeder von uns einen solchen Schlitten!“ die Idee gefiel den Männern sehr, und sie überlegten, ob nicht Dorian die Sache am Erfolgreichsten erledigen könne.

Die 3 Wanderer kauerten im Ginsterdickicht. In einiger Entfernung vor ihnen tat sich was. Da war offensichtlich ein größerer Trupp im Schatten eines kleinen Waldes, der die bisherigen Katastrophen überlebt hatte. Außer den Männern mit metallisch blinkender Ausrüstung standen etwas weiter dunkle Fahrzeuge, die aussahn wie Jeeps, Rover oder ähnliche Wagen. Alles hatte dunkle Färbung, und es war klar, dass das einen Militärkonvoi darstellte. Was konnten sie jetzt machen? Sich durchs Dickicht zu schleichen, hätte sie durch die Bewegungen der Sträucher verraten. Selbstverständlich hatten die Feldstecher, Fernglas und Nachtaugen dabei. Schlimm war Letzteres: Die 3 konnten sich so gut verstecken, wie sie wollten- ihre Körperwärme leuchtete selbst noch durch Wände, wenn denn welche hier vorhanden gewesen wären. Ãœberraschend für Emirolu war Eilers Entscheidung: „Wir lassen dich jetzt frei.“ Dabei band er ihn los. „Geh jetzt!“, raunte er dem verdutzten Emirolu zu. Ihm viel Glück zu wünschen, wäre nur ironisch und unehrlich gewesen. Unschlüssig hockte Emirolu noch immer bei ihnen. Doch dann kroch er auf allen Vieren davon. Gespannt blieben die 2, wo sie waren. Innerlich hofften sie, dass die Soldaten die Bewegung erst bemerkten, wenn Emirolu sich weit genug entfernt von ihnen befänd. Allerdings bedeutete das bei einem offenen Gelände wie nier ein paar km! Die mussten erst zurückgelegt werden. Emirolu war zwar geschickt, aber die dünnen Ginsteräste bewegten sich sehr schnell. Die beiden Freunde wendeten sich an den Herrn, Der weder Emirolu´s Tod wollte, noch den Ihren. Ja, sie hatten Emirolu liegen lassen wollen, auf die Gefahr hin, dass er durch ihre Schuld verdurstet wäre. Das war ihnen jetzt brennend bewusst, und sie bereuten vorm Herrn, ihrem G'tt, mit ganzem Herzen. „Herr, da sind wir. Mach mit uns und mit Faisal, was gut ist in Deinen Augen!“ sie beobachteten gespannt die Militärs, bei denen aber bis jetzt noch nichts Besonderes zu erkennen war. Sie lagerten dort im Schatten, während 2 von ihnen patrouillierten. Da sah einer der Soldaten zu ihnen rüber. Weitere folgten. Ein Schuss fiel! Die Freunde duckten sich noch tiefer zu Boden. Jetzt bestiegen 2 der Männer das nächste Fahrzeug und fuhren in ihre Richtung. Doch der Wagen kam nicht auf sie direkt zu. Eher schien es, dass Emirolu erwischt worden war. Man, sie fühlten sich ziemlich in der Falle sitzen, im wahrsten Sinn des Wortes. Die Freunde hörten, wie der Wagen hielt und die Männer ihn beluden. Sofort kehrten sie zur Basis zurück, und ein Aufatmen war zu vernehmen. Etwas Wind kam auf, was die Freunde zur behutsamen Flucht nutzen wollten. Leise dankten sie dem Herrn.

„Herr Kommandant, haben Verdächtigen gestellt!“, rief der Fahrer beim Aussteigen. Die Soldaten hoben den Mann von der Ladefläche und legten ihn auf eine Unterlage. Einer der Scharfschützen hatte ihn getroffen, doch nicht getötet. Scharfschützen dieser Einheit konnten extrem genau zielen und selbst auf derartigen Entfernungen Menschen betäuben, ohne sie tödlich zu verletzen. Der Kommandant besah sich den Mann, ließ die Mappe holen und ging die Fotos durch. „Da, das isser!“, stellte er zufrieden fest, „Emirolu, Faisal“ Einen hatten sie schon mal. Die übrigen 29 dürften dann auch nicht mehr weit sein. „Versorgt ihn im Lazarett!“, befahl er. Sie trugen Emirolu in den Saniwagen, der sich daraufhin in Bewegung setzte und zum Hauptquartier fuhr. Der Wind war zeitweise schwächer geworden, so dass die beiden Flüchtenden lieber verhielten, als dass ihre Bewegung den Soldaten aufgefallen wäre. Wie freuten sie sich, als vor ihnen das wohlvertraute Tal erschien. Jetzt erst wagten sie es, aufgerichtet zum Lager zu laufen.

Sie hatten die Flaschen noch nicht mit frischem Wasser gefüllt. Erst unmittelbar vor ihrem Rückweg wollten sie auch das tun. Dann blieb das Wasser länger kühl und schmeckte besser. Bisher waren ihnen außer den bekannten Giraffen, Zebras und Affen noch keine weiteren Bewohner des zerstörten Safariparks begegnet. In der Grube hatten sie eine Höhle gebuddelt, in der die Schlange einigermaßen frostgeschützt überdauern konnte, zumindest bei dem derzeitigen Warmklima. Was werden würde, falls wieder Asche die Erde auskühlen ließ, konnte niemand abschätzen. Sie mussten die Dinge weitgehend nehmen, wie sie kamen. Ihre Bekanntschaft mit Jeschua bedeutete unverschämtes Glück in dieser heidnischen Zeit globaler Katastrophen und gesellschaftlicher Umbrüche. Die beiden Freunde hatten eine Stelle im Wadi gefunden, in der das Wasser fast 3 m tief war. Große Felsen bildeten zum Teil das Bett. Selbst hier konnte von abgestandenem Wasser keine Rede sein, denn langsam strömte es weiter in die jeweils tiefer gelegene Becken. Auch fanden sich kleine Fische, die trotz der monatelang hohen Temperatur noch immer gesund zu sein schienen. Die Männer entkleideten sich und nahmen ein ausgiebiges Bad. Ihre Kleidung wurde anschließend gründlich von Staub und Schweiß befreit. In triefend nassen Klamotten kamen sie am gegenüber liegenden Waldrand an. Bei jedem Schritt knatschten ihre Schuhe, was ihnen Erheiterung brachte. Diese Seite des Auwaldes hatten sie noch nicht genauer erforscht, obwohl die Katzen wohl schon überall rumgepirscht sein mussten.
Die Zebras hatten vom Ginster probiert, aber dessen Schärfe brachte sie auf andere Gedanken. Sie brauchten Gras und nochmals Gras. Höchstens tief genug sitzende Zweige konnten ihren Speisezettel etwas erweitern. In der Nähe des jenseitigen Waldrands standen die Freunde und schauten auf die wunderbare Landschaft, die sich hier vor ihnen ausbreitete. Ja, sie konnten sich nicht sattsehn an der Farbenpracht: hier war ein weitläufiges Areal ohne Ginster, und blühende Heide füllte die Fläche. Sogar Bienen hatten überlebt und waren vertreten durch Sammlerinnen. Mitten in diesem Heidegebiet standen weitere Zebras, eine Sinfonie in Rosa und Schwarz-Weiß. Die Freunde schritten durch die Heide und genossen die besondere Atmosphäre. Was war das? Vor ihnen tauchte Getreide auf. Wahrscheinlich hatte es hier Landwirtschaft gegeben, typisch für die Europäer. Immer dicht an Fließgewässern legten sie ihre Felder und sonstigen Agrarflächen an. Jetzt hatte die geschundene Erde etwas Zeit, sich zu regenerieren. Sobald sich der Wadi wieder gefüllt haben würde, konnte auch der Galleriewald endlich zu einem richtigen Auwald heranwachsen. Die beiden Freunde hatten schnell die leere und gereinigte Büchse geholt, genau richtig für die Ernte. Der Bestand an Korn war so reich, dass ihre Hosen- und Hemdentaschen sogar davon überquollen. Noch immer standen einige volle Ähren im steinigen Lehmboden. Längst waren die Männer satt vom Korn, doch sie sammelten noch soviel als möglich, um es an Ort und Stelle auszusähn. Mitten in der Heide befanden sich hier und da kleine Grasflächen, ideal für das 1jährige Gras namens Getreide. Als alles noch verbliebene Korn ausgesät war, zogen sie zufrieden wieder durch den Wadi ans andere Ufer. Hier nahmen sie ihre Sachen und riefen Dorian. Dorian? Wo war er? Sowas war völlig untypisch für ihn. Wie ein Hühnervogel hielt sich der zahme Strauß beständig in der Nähe ihrer Stationen auf. Akbar war es, der in die Ferne deutete und lachte. Was dort zu sehn war, hatte schon seine eigene Komik. Auch Binjaschar amüsierte sich bei diesem Schauspiel: da war eine teils schimmernde, teils schwarz-weiße Wolke. Unter dieser befanden sich viele dünne Säulen, während nach oben halb so viele ebenfalls dünne Gebilde ragten. Letztere bewegten sich unregelmäßig rasch auf und ab. Teilweise nahmen sie etwas vom Boden auf, und teilweise kamen sie rasch in die Senkrechte. Die Freunde beschlossen, den Straußen entgegen zu kommen. Dorian feierte offensichtlich ein Wiedersehn mit seinen Gefährten. Binjaschar musste an die Andern denken. Wie lang schon hatten sie sich aus den Augen verloren? Dr. Falcone- ob er das alles überlebt hatte? Lissi´s Gesicht war ihm jetzt klar und deutlich im Sinn. „O Lissi, wie es dir wohl ergangen ist?“ Gesenkten Kopfes musste er tief seufzen. Sein feinfühliger Begleiter verstand und schwieg. Insgeheim wünschte er sich, irgendwie für Binjaschar beten zu können, doch er wusste ja gar nicht, wie. Und so einfach wie bei diesen Christen war es für ihn ja längst nicht. Zuviel Barrieren standen da, teils die Tradition, teils die daraus resultierende Scheu, so frei und ohne Liturgie vor dem Allmächtigen zu stehn. Sein ganzes Weltbild war noch sehr moslemisch, auch wenn er die Religion als teuflisch erkannt hatte. Da war ja noch eine komplette Kultur, und sie stellte eine Macht dar- besonders bei Moslems waren Religion und Kultur miteinander verwoben.

Sie hatten sich der Herde bis auf 10 m genähert, als Dorian zu ihnen kam. Die übrigen Strauße waren zwar ebenfalls menschlichen Kontakt gewöhnt, blieben diesmal aber doch etwas reserviert. Binjaschar blickte auf die Herde zurück, die noch immer 2 oder 3 m Abstand hielt. Er hörte ein kurzes Rauschen und wendete sich um. Er sah nur noch einem davoneilenden Akbar hinterher. Sein Freund beherrschte das Reiten offenbar wie kein Zweiter, daran hatte Binjaschar nicht den geringsten Zweifel. Hinter ihm begann auf einmal Gestapfe, so dass er unwillkürlich herumfuhr. Woaah! Die großen Vögel rannten auf ihn zu, und im Reflex warf er sich zur Seite. Dicht an ihm vorbei stoben die mit mächtigen Zehn ausgestatteten Läufer hinter dem kleinen Punkt her, der da drüben zu erkennen war. Lachend stand Binjaschar auf. Lebhaft stellte er sich die Reaktion der Andern vor, wenn sie Akbar samt Herde zu sehn bekamen!

Die Basis hatte eine Streife losgeschickt: 10 Mann, auf dreien ihrer Fahrzeuge verteilt, bewegten sich die Ebene entlang. Ursprünglich hatte der Kommandant sie im Schatten der Baumreihe fahren lassen wollen, doch das hätte eine zu große Verzögerung bedeutet. Also befanden sie sich jetzt auf offenem Gelände. Sie waren vom Europa- Gouverneur zu diesem Spezialauftrag bestellt worden. Ihre Einheit war eigens ausgebildet worden, paramilitärische Trupps unschädlich zu machen. Jetzt jagten sie eine der gefährlichsten Verbrecherbande Europa´s. ihnen war klar, dass diese 30 Mann zu einer Armee aus Usbekistan und weiteren moslemisierten Ländern gehörten. Zehntausende von Juden und Christen hatten die Flucht ergriffen, als die moslemische Diktatur immer schlimmer geworden war. Die führenden Männer konnten es nicht länger hinnehmen, dass ihre Frauen, Schwestern, Töchter, Cousinen und Enkelinnen immer wieder vergewaltigt wurden. Es gab keinerlei rechtliche Handhabe gegen solche Ausschreitungen. Diesen Bestien wollten sie nicht länger als Fleisch dienen. Die Flüchtlinge drangen nach Süden vor, in der Hoffnung, eine Zuflucht zu finden im Heiligen Land. Europa war groß, und selbst im Süden wurden sie gehasst. Zahlreiche Boote zogen über die See, und viele waren schon aufgegriffen worden. Die regionalen Gerichte hatten tausenden Christen das Todesurteil gesprochen. Der Holocaust ging weiter. Die Moslems ihrerseits hatten Truppen entsandt, um Sklaven zu fangen. Sollten sie unterwegs auf irgendwelche Flüchtlinge treffen, waren diese zu eliminieren. Emirolu´s Einheit war auf der Suche nach Wasser an einen Wadi gekommen. Sie hatten sich dort ihre Basis eingerichtet, um weitere Beutezüge zu unternehmen. Ihre Gefangenen kamen aus dem Süden, soviel sie feststellen konnten. Eine Wachmannschaft von 10 blieb bei den Südländern, während die andern 20 am Flußbett entlang mit der Strömung des verbliebenen Bachs vorstießen. Von entgegengesetzter Richtung näherte sich ein Militärkonvoi. Es war Nacht, und sie lagerten. Im Ginsterdickicht raschelte und knisterte es, doch sie fühlten sich stark. Allah würde sie schon bewahren für ihren Auftrag.
Der Militärkonvoi seinerseits hatte eine Basis am Wadi eingerichtet. Sie hörten ebenfalls das verdächtige Rascheln und Knistern. Im Scheinwerferlicht machten sie eine grausige Entdeckung: um sie herum waren Hunderte riesiger Heuschrecken. Wo immer das Licht hinkam, saßen sie. Der Kommandant entschied schnell: „Sofort Panzer kommen lassen!“ Nach wenigen Minuten standen die 5 Panzer bei der Wache. „Panzergrenadier Leng meldet sich!“ „Gut“, antwortete der Kommandant, „Sehn Sie diese Riesentiere?“ Der Greadier war nicht auf einen solchen Anblick gefasst. Er hatte schon viele Dinge zu Gesicht bekommen, von Folteropfern bis zu Minenunglücken, ja. Doch solche nichtmenschlichen Monstren verschlugen ihm die Sprache. Er sah nur seinen Kommandanten an und nickte. „Sie dürfen auf keinen Fall schießen, haben Sie verstanden?“ Tonlos antwortete der Grenadier mit „Ja, habe verstanden!“ „Wenn Sie schießen“, erklärte der Kommandant weiter, „warnen Sie die Moslems. Sie fahren systematisch, bis alle Heuschrecken vernichtet sind und kommen dann wieder zum Basislager.“ der Grenadier hatte einigermaßen die Fassung wiedererlangt und bestätigte. Im Panzer gab er den andern Fahrern über Funk die Anweisung weiter. Sie brauchten eine volle Stunde, um die Insekten alle zu erfassen. Dass starkes Licht vermieden werden musste, war kein Problem, sie bedienten sich sowieso des Radarschirms. Doch es waren so viele Tiere! 2 Tage später blieb von den zermantschten Leibern nichts mehr übrig. Heerscharen der die Katastrophen überlebenden Krähen und Mäuse taten sich gütlich am gefundenen Fressen, bevor die ganze Gegend von Fliegen gewimmelt hätte. Die Soldaten konnten sich das gespenstische Geschehn nicht erklären. Keiner unter ihnen kannte die Offenbarung an Jochanan. Grenadier Leng´s Vorfahren waren zwar noch in der Synagoge gewesen, doch davon hatte er selber keine Ahnung. Wie die Meisten, wusste auch er nichts von seiner jüdischen Identität.

 

Die Basis wenige km flußaufwärts befand sich direkt an den Stämmen der Bäume, doch etwas im schmalen Wald verborgen. Rundum hatten sie kleine Mulden ausgehoben, in denen 3 bis 4 Schützen bequem Platz fanden. Als das Knacken, Rispeln und Rascheln immer näher kam, lagen sie bald in diesen Mulden. Die Gefangenen hatten sie noch ohne Schußwaffen überwältigen können, doch unterwegs war es ihnen gelungen, einen kleinen militärischen Außenposten zu plündern. Der einzige Überlebende hatte Verstärkung angefordert und meldete den Verlust seiner 11 Kameraden und fast aller Waffen. Die eingetroffenen Truppen schwärmten als kleinere Einheiten von 40 Mann mit schwerem Gerät nach allen Seiten aus, während der Außenposten als Lazarett genutzt werden sollte. Ihren überfallenen Kameraden verarzteten sie als Ersten. Weitere wurden von den verteilten Einheiten gebracht, wobei die Meisten sich leicht verletzt hatten. Diese Nacht war nicht vollständig dunkel, und im fahlen Mondlicht zeichneten sich die Konturen der Ginster ab. Den 30 Männern war es, als machten sie im Gesträuch überall Bewegungen aus. Und seltsamerweise schienen die Geräusche näher zu kommen. Allmählich wurde diesen hartgesottenen Draufgängern etwas ungemütlich zumute. Das Knacken konnte unmöglich von brechenden Zweigen herrühren. Nein, etwas Anderes ging hier vor. Diese Klänge ließen sich einfach nicht einordnen. Fast hörte sich die Geräuschkullisse an, als gäb es hier ein unsichtbares Feuer. Die Männer dachten daran, brennende Scheite in Richtung des unheimlichen Szenarios zu werfen, doch dann hätten sie es mit wirklichem Feuer zu tun, und zwar nicht zu knapp! Nein, ihnen schien diesmal nichts Anderes übrig zu bleiben, als zu warten. Worauf, das war ihnen absolut unklar. Schließlich kroch einer von ihnen aus der Mulde nach hinten heraus, um sich mit einer Fackel zu bewaffnen. Langsam schritt er damit wieder vor den Ginster und schrie auf. Die Kameraden erschraken durch seinen Schrei, doch als im Schein der Fackel sich ihnen ein schauriger Anblick bot, lief es ihnen kalt über den Rücken: da waren große schwarze Gestalten, die sich langsam auf sie zubewegten. Diese Wesen hatten mit Menschen kaum was zu tun, doch ihre Köpfe erinnerten an solche. Die geschockten Männer meinten eine Art Mischwesen vor sich zu haben. Sie erkannten, dass die Tiere, oder was auch immer, sechs Beine und lange, anliegende Flügel hatten. Irgendwie erinnerte diese Begegnung der unheimlichen Art an die ihnen bekannten Wanderheuschrecken. Doch das hier war etwas Anderes. Vor ihnen bewegten sich riesenhafte Wesen unbarmherzig auf sie zu. Die Männer wurden immer nervöser. Angespannt starrten sie auf das mysteriöse Geschehn vor sich. Die Riesentiere waren jetzt bedrohlich nah gekommen, so dass die ersten der Männer hektisch aus ihren Mulden krochen und sich auf allen Viern zurückzogen. Die 2 vorderen Reihen der Mulden hatten sich bereits geleert, und man konnte genau dort die Tiere hören. Da durchbrach ein Schuß die schaurigen Geräusche. Hatten sie sich damit verraten? Doch was konnte ihnen Schlimmeres passiern, als von gefühllosen Insekten gefressen zu werden? Manche der Männer hatten immer wieder Geschichten gehört über Außerirdische. Sollten die wirklich existiern und jetzt sogar vor ihren eigenen Augen eine Invasion landen? Die Spannung der Männer entlud sich plötzlich in wilder Schießerei. Sie schossen ihre Magazine leer, in der vagen Hoffnung, die unbekannten Wesen auf Abstand zu halten. Und wirklich verlangsamten sie deren Vorwärtsbewegung. Manche schienen irritiert stehnzubleiben. Doch die Masse drängte weiter auf die ratlosen Männer ein. Einige begannen vor Angst zu schreien, und ein atemloser Tumult brach über sie herein: Nichts mehr konnte sie halten. Panisch ergriffen sie die Flucht und ließen ihre Gefangenen zurück. Sollten doch diese Bestien an Denen ihre Lust haben! Emirolu rannte, so schnell er eben konnte. Oft stolperte er über Äste und stieß gegen irgend welche Knüppel oder Steine. Brombeeren rissen ihm die Hände blutig, doch er wollte und musste vorwärts kommen! Bloß weg von hier, weg vom Grauen! Die andern Männer hatten sich tief in den Auwald verzogen. Durch Rufe und Pfiffe fand man sich langsam wieder zusammen. Die Männer versuchten, ihre Gedanken zu ordnen. Was war überhaupt vor sich gegangen? Angestrengt lauschten sie in die Nacht. Konnten sie Schreie hören? Alles war still, unheimlich still. Nichts war zu vernehmen. Nicht mal die Frauen klagten! Ob ihre Gefangenen schlagartig überfallen worden waren von diesen Monstern? Hatte Allah sie nur prüfen wollen, ob sie auch in solch außergewöhnlichen Situationen Stand halten würden? Doch grade diese Todesstille hielt sie zurück. Lieber blieben sie hier. Die Nacht war nicht kühl, doch einige der Männer zitterten. Niemand hatte Lust, sich zu äußern. Verwirrt schwiegen sie und lauschten in die Stille. Nur ihr unruhiger Atem war hörbar. Ab und zu raschelten Mäuse oder schrillten Grillen. Hier und da brummte irgend ein Insekt um ihre Ohren. Wie sehnten sich diese Männer den Morgen herbei! Irgendwann hatte sich die Müdigkeit ihrer bemächtigt, und erschöpft lagen sie unter den Bäumen. Erst als die Sonne ihre wärmenden Strahlen auf sie sendete, kamen sie wieder zu sich. Sie wachten auf aus einem Alptraum und schauten sich um. Da war noch immer der Wald und ihresgleichen. Doch im Schatten der Bäume bewegten sich andere Schatten. Der Alptraum war zurückgekommen! Schnell sprangen die Männer auf und schulterten die Waffen. Doch das metallische Klacken erinnerte sie an ihre nächtliche Flucht. In der Panik hatte niemand an Munition denken können. Jetzt nützten ihnen die Waffen höchstens noch als Prügel gegen die Riesentiere. Kaum hatten sie das begriffen, rannten sie auch schon von den Tieren weg. Doch wo sie auch hinkamen, standen Diese. Sie waren von ihnen umzingelt. Da sprangen die Insekten auch schon hoch und schwirrten von allen Seiten auf sie zu. Ihre Flügel verursachten einen ohrenbetäubenden Krach, als wäre ein antikes Wagenrennen im Gange. Da schrien auch schon die ersten der Männer vor Schmerz. Verzweifelt versuchten sie sich der übermächtigen Gegner zu erwehren, doch bald lagen sie am Boden, über sich die geöffneten Kiefer. Aber der Schmerz kam vom Hinterende der Monster. Es war eine Mischung aus verschiedenen Lebewesen: Heuschrecken mit menschenähnlichen Gesichtern und einer Art Löwenmähne, noch dazu mit Skorpionsschwanz. Diese Schwänze trugen je einen langen Stachel. Dieser brachte den Männern solche Qualen bei. Hätten die Tiere wirklich ihre Kiefer eingesetzt, wäre niemand mehr am Leben. Ein Biß, und man hätte lauter Enthauptete finden können. Die Männer wünschten sich, die Wesen würden ihrer Qual endlich ein Ende setzen, doch diese ließen abrupt von ihrem Werk ab. So unheimlich, wie sie bei Nacht gekommen waren, entfernten sie sich jetzt wieder von ihren Opfern. Schmerzgekrümmt lagen die Männer noch immer an Ort und Stelle. Tiefe Einstiche und Kratzwunden machten jede Bewegung zur Tortur. Sie wussten nicht, ob sie lieber den Abend herbeisehnen sollten oder den Tod. Emirolu war an einem Abhang angekommen. Vor ihm breitete sich ein Tal aus. Er war zu erschöpft, um sich noch gut verstecken zu können. Unter besonders dichten Ginstern fiel er in tiefen Schlaf. Ob er dabei träumte, wusste er anschließend nicht mehr, doch bei seinem Erwachen war es schon später Nachmittag, und er fühlte sich wie verprügelt. Überall brannten seine wunden Stellen, die er sich während seiner Flucht zugezogen hatte. Den Rest des Tages verbrachte er in seinem Versteck. Wenn er jetzt von wem auch immer entdeckt würde, stellte er allzu leichte Beute dar, das wusste er. Gegen Abend wagte er sich ein paar Schritte weiter. In der Dämmerung nahmen seine Ohren wieder dieses Knacken und Rispeln wahr. Also wüteten die Heuschrecken auch in dieser Gegend. Hörte er da nicht ein Gebrüll? Ja, zweifelsohne knurrten und röhrten da noch andere Tiere. Wenn es wirklich Außerirdische gab, dann waren sie es! Aus einem für ihn selbst unerklärlichen Drang heraus spähte er in Richtung des Geschehns. 2 weiße Etwasse schimmerten da unten. Diese 2 schienen sich mit den Insekten tatsächlich ein Gefecht zu liefern! Er dachte an Engel, die wohl von Allah geschickt worden waren, um diesen Biestern Einhalt zu gebieten. Doch sollten etwa Engel ein solches Geknurre und Brüllen von sich geben? Nein, das erinnerte ihn eher an fauchende Löwen, die sich in die Mähnen geraten waren. Da! Jetzt sah er es genau: die 2 Wesen mussten wirklich solche Katzen sein, die allerdings erfolgreich derart riesige Insekten zu Boden brachten und in Stücke rissen. Fasziniert sah er sich das Schauspiel an. Diese weißen Katzen wirbelten die Angreifer durch die Luft und hieben sie in die Sträucher, als gäbe es deren Stachel einfach nicht! Es konnten nur Engel Allah´s sein, folgerte Emirolu. Allah war mit ihm. Das verlieh ihm Antrieb, den Hang hinunter zu kommen. Am gegenüber liegenden Ufer des Tales hatte er einen schwachen Lichtschein ausgemacht. Einen weiten Bogen umschreibend, passierte er von den Kämpfern unbemerkt das Tal. Als Binjaschar ihm dann später ein Artefakt von den Heuschrecken präsentierte, war er nicht überrascht. Nur, als kurz darauf nochmals ein Angriff erfolgte, rechnete Emirolu mit einer längeren Prüfung seitens Allah´s.

Wenige Tage später hatten die Soldaten ihn gefangen und im Lazarett untergebracht. Nun war er zum zweiten Mal in der Gewalt Anderer. Aber er verschwendete nicht eine Minute an den Gedanken, dass seine eigenen Gefangenen sich wohl ähnlich gefühlt haben mochten. Ihn beherrschte nur eine Sache: Seine Religion würde sehr bald alles und Jeden erfüllen! Der Verwirklichung dieses Ziels hatte er sich geweiht. Ja, er war entschlossen, als standhafter Moslem zu sterben und vielleicht, falls es Allah gefiel, in den 7. Himmel zu kommen.

Das Camp befand sich noch immer im Schatten der Bäume, als ein kleiner Trupp sich am Flußbett entlang bewegte. Sie vermieden, auf knackende Zweige zu treten und verständigten sich lautlos durch bestimmte Gesten. Mit sich führten sie einige Waffen, unter anderm auch Panzerfäuste. Wer konnte schon sagen, ob nicht noch weitere Ãœberraschungen ihrer harrten? Die Heuschrecken hatten ihnen im Nachhinein noch immer einen Schauer bereitet. Wer konnte schon solche Tiere vergessen? Die Erinnerung daran jedenfalls blieb für den Rest ihres Lebens in ihnen bestehn, selbst, falls ihre Kinder ihnen keinen Glauben schenken würden. Wenn man von dergestaltigen Kreaturen nichts wusste, konnte man auch nicht an ihre Existenz glauben. Das war die reale Wechselwirkung zwischen Glauben und Wissen. Aufmerksam suchte der Trupp die Umgebung ab. War da nicht ein leichter Geruch im Wald? Sollte wohl ein Scherz sein, oder befanden sie sich tatsächlich in der Nähe eines Lagers? Der Rauch ließ die Soldaten noch vorsichtiger werden bei ihrer Pirsch. Mit ihrem der Zoologie bekannten Schalltrichter, in dessen Mitte ein Mikrofon angebracht war, orteten sie soeben mehrere Stimmen: „Lasst uns doch endlich gehn, ihr seht ja, dass die Heuschrecken uns in Ruhe gelassen haben, euch hingegen haben sie zugesetzt!“, war von einer Frau zu vernehmen. Eine rauhe Männerstimme antwortete etwas in einer anderen Sprache, die irgendwie indisch oder tamilisch klang und wohl an Urdu heranreichen mochte. Aha! Da hatten sie ja die brutalen Moslems. Ein leiser Funkspruch, und die Basis war informiert. Am andern Ende gab der Kommandant seine Anweisungen durch. Die Truppführerin hatte verstanden und bestätigte ihrerseits. Die Soldaten verteilten sich: Eine Gruppe zu 5 bezog im Hinterhalt Stellung, während die Ãœbrigen einen Halbkreis bildeten, der nun an das Lager heranrückte. Schütze Ryker trat auf einen Zweig, den er nicht hatte erkennen können. Das Knacken musste den Gegner alarmiert haben, da war der Soldat sich sicher. Ryker verhielt und ging schnell in die Hocke. Ein Schuß fiel, und über seinem Kopf schlug das Geschoss im Baum ein. Erleichtert atmete Ryker auf- gut reagiert! Drüben regte sich der Gegner und eröffnete das Feuer, soweit sich nach dem Insektenüberfall noch Munition finden ließ, doch schon zog sich die Schlinge zu. Sie waren umzingelt von einer gut ausgebildeten Einheit. Angesichts der Bewaffnung war es besser, sich zu ergeben. Aus den vergewaltigenden Fängern waren nunmehr selbst Gefangene geworden. Nach rascher Entwaffnung erfolgte der Funkspruch: „Hier Fischadler, haben Hechte geholt. Einige Elritzen dabei. Erwarten weitere Anweisungen. Ende.“ Der Kommandant meldete sich: „Hier Adlerhorst. Kommt mit der Beute zurück! Ende und aus.“
26 der gesuchten Terroristen waren ihnen auf einem Schlag ins Netz gegangen, nachdem ihnen gewissermaßen Emirolu direkt vor die Flinte gelaufen kam. Lediglich zwei hatten sie trotz anschließender genauer Suche nicht gefunden. Doch die waren sicher nicht weit gekommen. Die Gegner hatten kaum Widerstand geleistet, und man konnte den Grund nicht allein in der militärischen Überlegenheit erkennen: einige wiesen tiefe Wunden auf, und es war klar, das hier ein Anderer den Soldaten zuvorgekommen war. Unter Bewachung trugen die gesünderen Moslems ihre Kameraden flußabwärts, wo bald ein Saniwagen wartete, der auch die geschundenen Frauen und Mädchen aufnahm.

Im Camp wurden sie bereits erwartet. Kommandant Ebeling zeigte sich sehr zufrieden mit seiner Kompanie und redete persönlich mit den weg von der Hand der Moslems befreiten Flüchtlingen. Von ihnen erfuhr er, dass sie als Juden und Christen höchstens noch das eigene Leben zu verlieren hatten. Doch bei diesem Gedanken wirkten sie seltsam gefasst. Kaum jemand war bestürzt über die Tatsache, dass die Militärs ihnen an Ort und Stelle den Prozeß machen sollten. Denn auch diese Anweisung war ihnen von der Kommandozentrale mitgegeben worden. Alle Terroristen und flüchtigen Bibelgläubigen waren zu eliminieren. So lautete der Befehl. Ebeling sah seinen Leuten in die Augen. Man konnte ihm den Konflikt ansehn, und in ihm tobte ein Krieg. Er, der erfahrene Militär, der schon oft getötet hatte, war wie gelähmt. Er riskierte seinen Rang, seine Stellung und angesichts der real existierenden Weltdiktatur wahrscheinlich sogar sein eigenes Leben. Er musste an seine Frau denken. Rackel Steinfurth war eine sehr sanfte Erscheinung und hatte ihm, dem abgehärteten Soldaten, wiedergegeben, was er schon verschüttet meinte: Gewissen und Mitmenschlichkeit. Ihm war nicht bekannt, dass Ortsnamen ausschließlich von Juden angenommen wurden. Es war eine typisch jüdische Tradition, den Namen des Ortes, in dem man lange gewohnt hatte, zum Eigenen zu machen. Auch Rackel hatte nicht im Entferntesten Ahnung von ihrer Identität. Dass auch er selber, Ebeling, Glied eines alten jüdischen Stammes war, konnte er nicht wissen. Ebeling war eine Variante von Abel, der europäisierten Form des Orginals Hewel. Hewel seinerseits war der Bruder Kajin´s. Dieses Brüderpaar war die direkte Nachkommenschaft Adam´s und Chawah´s. Adam und Chawah waren die allerersten Menschen. Erst im 20. Jahrh. hatten die Genetiker herausgefunden, dass die Menschheit wirklich von nur 1 Elternpaar abstammte!
Kommandant Ebeling sah in die gelassenen Augen der Flüchtlinge. Nein, irgendwas in ihm sprach ein mächtiges Verbot zur Exekution aus. Ebeling erhob seine Stimme, dass alle Anwesenden ihn gut hören konnten. Er war selbst überrascht von dem, was er da sagte: „Ihr wisst, als Militär haben wir uns zur Loyalität gegenüber unserem Vorsitzenden, dem Parlament der Erde, verpflichtet. Wir haben die Ãœbeltäter erfolgreich gestellt und werden sie auch dem Gericht überführen. Doch...“, und jetzt wies er auf die Flüchtlinge: „diese Leute hier sind geflohen vor Denen, die wir zusammen mit ihnen geschnappt haben. Truppführerin Pötschke, Sie haben medizinische Kenntnisse. Sie haben die Aussagen der Frauen und Mädchen überprüft. Ja, wie können wir denn diese Leute ans Messer liefern, die von den Moslems vergewaltigt worden sind?“ Kommandant Ebeling schwieg und musterte seine Kompanie aufmerksam. Er musste ihnen Zeit lassen. Schon zeigten sich vereinzelt zustimmende Reaktionen, und ein Raunen breitete sich aus. „Truppführerin Pötschke, bitte kommen Sie mit mir.“, war die kurze Bemerkung Ebeling´s. Beide hatten sich bereits einige Meter von der Kompanie entfernt. „Ursel, ich weiß, welcher Gefahr wir uns damit aussetzen. Sicher! Doch ich hab auch Verantwortung vor meinem Gewissen. Sie als Frau könnten bestimmt auch nicht ertragen, dass diese Opfer zusammen mit ihren Peinigern hingerichtet würden. Ich denke, meine Entscheidung ist ganz in Ihrem Sinn.“ Truppführerin Pötschke nickte nur und sah ihren Kommandanten freundlich an. „Ja, Oskar, Sie nehmen eine schwere Bürde von mir. Ich beglückwünsche Sie zu ihrem wahrhaft menschenfreundlichen Entschluss. Diese Leute am Leben zu lassen, ist in Wahrheit ein großer Dienst an der Menschheit. Ich war in vielen Krankenstationen tätig. Und überall waren es diese Juden und Christen, die echtes Intresse an den Patienten gezeigt haben. Oskar, ich könnte erst recht nicht mehr in den Spiegel schaun, wenn wir sie umbringen würden.“ Wortlos legte Ebeling seinen Arm auf ihre Schulter. Sie verstand, und erleichtert atmeten beide auf. Seine geliebte Frau wäre jetzt bestimmt glücklich, dessen war er sich gewiss. Ursel Pötschke sah in ihm einen großartigen Menschen. Als Kommandant standen ihm weitaus mehr Möglichkeiten offen, und sicher hätte er jetzt eine Bilderbuchkarriere hinter sich, säß gemütlich mit Familie und Freunden im eigenen Park vor seiner Villa und verbrächte viel Zeit mit den Spielen der Millionäre. Doch dieser Mann hatte „den Menschen entdeckt“, wie er sich zu seiner Wahl äußerte. Statt eines selbstgefälligen Verschwenderdaseins hatte er es vorgezogen, bei seinem Stützpunkt zu bleiben und für die Kollegenschaft dazusein. Unter seiner Obhut wuchsen Ursel Pötschke´s Mut, Geschicklichkeit, Ausdauer und Moral. Bald wurde sie zur Truppführerin ernannt. Ja, sie verdankte ihm weit mehr als ihren Aufstieg: würden sie plötzlich seinen Verlust beklagen müssen, sein Beispiel blieb ihnen stets erstrebenswert. Als Kommandant war er nicht irgend ein kalter, unnahbarer Befehlserteiler, sondern ihm konnten sich alle anvertraun, die mit ihm zu tun hatten. Er war ein väterlicher Freund zu allen, die ihre Menschlichkeit bewahren wollten. Für draufgängerische Rambos hatte er allerdings einige Rüffel bereit, und mancher Militär kam durch ihn zum Nachdenken über sich selbst und seine Mitmenschen. Wer gänzlich uneinsichtig bleiben wollte, bekam von ihm die Möglichkeit, zu anderen Vorgesetzten überzuwechseln, die einen schärferen Drill anboten. Meist wählten diese Soldaten und Rekruten den Pionierdienst, und viele kamen um. Obwohl Ebeling wusste, dass er nunmehr keinen Einfluß auf sie ausüben konnte, fühlte er sich dennoch verantwortlich für sie. Wie gut war es da, Rackel zur Seite zu haben. Sie verfügte über genug Feingefühl, ihn vor Abstürzen zu warnen. Er hatte nie zur Flasche oder sonstigen Betäubungsmitteln gegriffen, selbst Nikotin war ihm völlig abwegig. Seine Stärke kam aus einer tiefen Quelle, die ihm selbst unbekannt war. Die Behauptungen einiger Esoteriker und fernöstlich Intressierter konnten ihm keine wirklich plausiblen Erklärungen geben. Irgendwie spürte er, dass da noch was sein musste. Unter seinen Freunden gab es Konservative, feurige Demokraten und solche, denen eine noch größere Kraft innewohnte. Von Diesen wusste er, daß letztendlich G'tt es war, Der ihm das Gewissen am Leben erhielt. Diese Leute fühlten sich verantwortlich vor dem Schöpfer, vor sich selber und vor allen Mitgeschöpfen. „Sei dir klar darüber“, sagte ein besonders naher Freund ihm einmal, „dass bei allem, was du tust, sagst und auch nur denkst, du vor einer höheren Instanz stehn wirst. Und zwar vor einer unbestechlichen und absolut gerechten!“ So umschrieb damals der Freund seine Verantwortung vor dem Schöpfer. Ja, diese lieben Freunde, sie hatten entscheidend beigetragen zu seiner Festigkeit, mit der er festhielt an dieser Tugend. Da war etwas Kostbares, und er war im Besitz dessen. Wie konnte er jemals einen andern Weg einschlagen? Betrachtete er die Welt um sich herum, musste er immer wieder nüchtern feststellen, dass der Individualismus lediglich ein weiteres Wort war für Egozentrik. Alle wollten „sich selbst entfalten“, „sich selbst verwirklichen“ und erkannten dabei nicht, dass sie ihr Selbst mehr und mehr verloren. Diesen Schöpfer musste es ja wirklich geben, schloss Ebeling. Je weiter entfernt ein Mensch war von den biblischen Vorgaben, um so karger und leerer wurde sein Dasein. Also war es das Vernünftigste, so kombinierte Ebeling, zum Ursprung zurück zu finden. Oft hatten seine Frau und er darüber nachgedacht, doch sie konnten einfach nicht den Zugang finden, der sie in die Nähe des Schöpfers brachte. Sie spürten, dass Er voller Wärme auf sie wartete. Das gab ihnen immer wieder neuen Mut, ihre Suche nicht aufzugeben. Insgeheim wussten sie, dass der Schöpfer eine Person voller tiefer, reiner Liebe sein musste. Ihre Beobachtungen ließen keinen andern Schluss zu. Von der Bibel kannten sie nicht viel, und nur gelegentlich kamen sie zum Lesen. Doch das war jedesmal eine Entdeckung für sich: Oft, sehr oft sogar, sprach die ausgewählte Stelle genau ihre jeweiligen Situationen an und gab ihnen sehr effektive Lösungen zur Hand. Beide spürten, dass in keinem andern Buch so viel Kraft geballt war wie in der Bibel. Als habe der Schöpfer in ihr ein Energiedepot angelegt, bereit für jeden ratsuchenden Menschen, der „das Wort des Herrn befragen wollte“, wie sie einmal mehr erstaunt lesen konnten. „In der Bibel wohnt das Herz Gottes!“, hatte Rackel dazu ins Ehetagebuch eingetragen. Mit nur wenigen Bekannten konnten sie ihre Bibel-Sternstunden teilen. Selbst unter den Gottgläubigen gab es nur diesen einen nahen Freund, der die Bibel hoch achtete, während zum Schluss die Andern eher oberflächlich darüber redeten. Dieser Freund las in den letzten Monaten vor ihrem Umzug öfters zusammen mit ihnen darin. Fred war es auch, der eine wirkliche Ehrfurcht vor dem Schöpfer zeigte. Wenn die gottgläubigen Freunde auf Gott zu sprechen kamen, ertönten ab und zu gewisse Mißklänge, wie: „Heute darf man die Bibel nicht mehr wortwörtlich nehmen“, „Hüten wir uns vor Frömmelei!“, „Hauptsache, man glaubt an den Schöpfer“ und ähnliche Unverbindlichkeiten. Fred und den Ebeling´s ging es wirklich um dieses unendlich großherzige, mächtige Wesen, das den Menschen erlaubt und sogar geboten hatte, ihre Erlebnisse mit Ihm schriftlich aufzuzeichnen. So kam auch einzig und allein Fred zu ihren gemeinsamen Lesungen. Später, nach ihrem Umzug, erreichte sie die Nachricht, ihr Freund sei verstorben. Außer einer Katze hatte er nichts im hiesigen Dasein zurückgelassen. Gern hatten die Ebeling´s das Tier aufgenommen, um ihm ein geruhsames Alter zu garantieren. Schließlich war Samantah schon reichlich betagt, als sie zu ihnen kam. Oscar Ebeling hatte die Ausbildung und Führung einer Garnison angeboten bekommen. Seine Frau war nicht begeistert vom Gedanken an eine neue Umgebung. Doch sie wusste in ihrem Innern, dass das Angebot gut sei für sie beide. Oscar hatte bisher nichts gesagt und wartete auf seine Frau, wie sie diese Sache säh. Rackel las nochmal das Schreiben durch, in Anwesenheit Oscar´s. Und als sie ihn dann fragte, wie er darüber denke, sah er ihr tief in die Augen. „Mein Liebes“, begann er, „mir ist klar, dass wir alles zurücklassen, was uns hier so wertvoll geworden ist. Sicher finden wir neue Freunde, vielleicht gibt es auch dort einen wie Fred? Aber wie denkst du über den Ortswechsel? Es ist ja schließlich kein Katzensprung, diese fast 2.000 km!“ Erwartungsvoll betrachtete er das anmutige Gesicht seiner Gefährtin und Freundin. Sie schmiegte sich eng an ihn und seufzte leicht. Nach einer Weile sagte sie: „Was hat Ruth gesagt, als sie umkehren sollte nach Moaw?“ Und jetzt zitierte Rackel Ruth´s Worte, wie schon von so Vielen zuvor und auch später, bis auf diesen Tag: „Dringe nicht in mich, dich zu verlassen und von dir mich abzuwenden. Denn wo du hingehst, will ich hingehn, dort, wo du weilst, will ich verweilen, dein Volk ist mein Volk, und dein G'tt ist mein G'tt.“ Sie sah ihn liebevoll an, als sie weitersprach: „Wo du stirbst, will ich sterben und dort begraben werden! So tue mir der Ewige an, so und noch mehr: Nur der Tod kann scheiden zwischen mir und dir!“

Einige Jahre waren schon vergangen, und ihr Sohn trug dem Schöpfer zu Ehren den Namen Amos. Dieser unscheinbare Landwirt war immer ein Teil des „Volkes des Landes“ geblieben. Die abgehobene religiöse Oberschicht hatte gänzlich versagt und war außerstande, dem Volk richtungsweisend voranzugehn. Der lebende G'tt hatte ausgerechnet einen bodenständigen Amos ausgewählt, um nochmals Worte Seiner Liebe ans Volk zu richten. Mit der Wahl dieses Namens verbanden die Ebeling´s auch eine leise Hoffnung, ihr Sohn werde wie Amos zum Sprachrohr des liebenden Schöpfers heranreifen und ein starker, unerschütterlicher Diener für alle Suchenden sein. Ihre eigene Sehnsucht nach G'tt spiegelte sich in diesem Namen wieder. Ursel Pötschke kannte die Ebeling´s gut, und auch sie ahnte, dass da noch ein „großes Gegenüber“ Acht auf sie hatte und sie diesem Wesen niemals gleichgültig sein konnte. Auch sie suchte, wenn auch nicht in der Bibel. Zu diesem Buch hatte sie einfach keine Beziehung. Gewiss, IsraEl´s G'tt zeigte Sich an, in und auch durch IsraEl. Doch was hatte das alles zu tun mit ihr? Sie konnte sich einfach keinen Reim daraus reimen. Doch deutlich war ihre Sehnsucht, dieses „große Gegenüber“ endlich zu entdecken. War die Menschheitsgeschichte ihr auch fremd, so nahm sie indes jedes Wort begierig auf, das von Seiner Liebe handelte. Ja, einen solchen G'tt konnte sie wirklich akzeptieren! Grade die persönlichen Erfahrungen der Ebeling´s mit Ihm verschaffte ihr neuen Mut, ihre Suche nicht aufzugeben.

Oscar Ebeling stand vor einer neuen Entscheidung: Von seinem Urteil hing das Leben dieser geschundenen Flüchtlinge ab. Doch unausgesprochen stand seine gesamte Kompanie hinter ihm. Als er sie nochmals zusammengerufen hatte und ihnen seinen festen Entschluß mitteilte, ging anerkennendes Murmeln durch die Menge. An ihren Gesichtern konnte er lesen: sie waren froh darüber, nicht als Todesmaschinen mißbraucht zu werden. Ihr Kommandant hatte sie davor bewahrt, sich vor sich selbst ekeln zu müssen. Sie brachten ihm tiefe Hochachtung entgegen, besonders angesichts des Umstands, dass er sehr viel für diesen mutigen Schritt riskierte. Um so fester hielten sie zu ihm wie 1 Mann.

Dorian war der Erste, der ein brauchbares Transportmittel abgab. Seine Anwesenheit wirkte auf die Herde nachhaltig: Es dauerte nicht allzu lang, und fast alle Strauße dienten bereitwillig als zuverlässige Helfer. Sei es für die Reiterei, sei es als Zugtiere für Lasten. Die kleine Gemeinschaft hatte mittlerweile eine feste Route eingerichtet zwischen Oase und Bunker. Täglich wurden die Vorräte gepflegt. Leider fehlte es ihnen an Konservierungsmitteln wie Salz oder Frost. Ob es überhaupt noch einen richtigen Winter geben würde in den kommenden Jahren? Leicht verderbliche Nahrung, insbesondere das Fleisch, musste bald völlig aufgebraucht werden, was ihnen allerdings ein besonderes Problem aufgab: wie ließen sich die Herden am Nachhaltigsten bewirtschaften, sprich ohne zu große Verluste? Ideal wäre gewesen, irgend welches Milchvieh aufzutreiben. Doch davon fehlte jede Spur. Die Wildbestände wurden hauptsächlich bestritten durch das Inventar des zerstörten Safariparks, und kaum einmal konnten die Freunde eines Rehs habhaft werden. Kontakt aufnehmen mit den Militärs? Ob grade das nicht ihr Todesurteil werden würde? Nein, sie mussten lernen, auszukommen mit ihrem Reservoir. So einfach und zugleich auch schwer war das. Gut, ihre Vögel waren zum Teil Hennen, und man konnte neben einer stabilen Vermehrung auch noch ergiebige Eier verwerten. Henk war es, durch den sie wieder mal auf den Boden der Tatsache G'ttes zurück gebracht wurden. Sie saßen am Feuer und ratschlagten hin und her, als er sie alle erinnerte: „Sagt mal, was hat uns Binjaschar nicht schon alles gesagt von dem Buch? Also, steht da drin, dass uns G'tt versorgt oder nicht?“
Beschämt saßen sie da und zeigten sich verlegen. Langsam meldete sich Thomas Neusser jetzt zu Wort: „wenn...“, verlegen räusperte er sich, „sich alles verhält, wie ihr so sagt...“, tief holte er Luft, „also, dann will auch ich diesem G'ott vertrauen ....schließlich bin ich Ihm eine Erklärung schuldig!“ An den erfreuten Gesichtern der Freunde konnte er nur Zustimmung erkennen, und neuer Mut erfüllte ihn, als er sich ihnen offenbarte: „Also, jetzt will ich endlich, wie man so sagt, Nägel mit Köpfen machen. Wie werde ich einer von euch?“ „Kommt, lasst uns knien vor unserm Schöpfer!“, lud feierlich Binjaschar ein. Es war eine intensive Zeit, während sie mit G'tt sprachen. Als Thomas Neusser sich dem Herrn übereignet hatte und Stille eintrat, meldete sich schüchtern die Stimme von Ali: „G'tt IsraEl´s, da bin ich. Ein Verbrecher, der vielen das Leben schwer gemacht hat. Einige sind unter mir gestorben. Ja, ein gemeiner Mörder wagt es, vor dem heiligen Schöpfer des Himmels und der Hölle zu kommen. Bitte, oh G'tt, im Namen von Jeschua, Jesu al Masia, kannst Du mir jemals vergeben? Diese große Schuld, sie lastet auf mir und ist mir zu schwer. Da bin ich, mach mit mir, was immer Du tun willst. Es möge geschehn. Es ist nur gut und gerecht. Amin!“
Im nächsten Augenblick fielen sich die sechs Schicksalsgefährten in die Arme und weinten Tränen der Freude und tiefen Dankbarkeit. Ali hatte sein Leben niedergelegt vor seinem Schöpfer. Jetzt war er gefasst auf alles, was kommen würde. Selbst, wenn ein Gericht ihm den verdienten Tod brächte, er war bereit, sich zu stellen.

Zur Hälfte waren sie am Fluß, zur Hälfte im Keller beschäftigt. Das Team am Fluß begutachtete die trotz Bejagung wachsenden Herden und holte frische Wasserreserven, während im Keller die Vorräte auf weitere Haltbarkeit überprüft wurden. Stella hatte sich seit wenigen Minuten nach oben begeben, um frische Luft zu tanken. Trotz der seitlichen Schächte gab es nur wenig Zirkulation in den Räumen. Sie sah ins Tal hinab und wunderte sich, dass im Dezember noch immer grünes Laub an der Birke war. Sie hatte den Jungbaum eigenhändig an die Kante zum Tal gepflanzt. Ihr Blick schwiff weiter in die Ferne, als von da, zunächst kaum wahrzunehmen, eine Staubfahne auf das Lager zukam. Schnell holte sie das Fernglas von Henk und eilte wieder, ohne ein Wort zu sagen, nach oben. Verstohlen schauten sich Thomas und Binjaschar an. Was gab es schon wieder an Veränderungen? Etwa die Flügelpferde mit ihren Flammenwerfer- Mäulern? Auf alles waren die Freunde mittlerweile gefasst. Ja, selbst auf die wortwörtliche Erfüllung der biblischen Prophetie. Stella´s aufgeregte Stimme lockte die Beiden nach draußen. „Kugt euch mal Ali an!“, rief sie, „der reitet wie ...ähm, wie der Henker!“ In rasantem Tempo kam da Ali auf Dorian herangeschossen, als ginge es um sein Leben. Von Weitem rief er ihnen irgendwas zu. Nur noch wenige hundert Meter lagen zwischen ihnen, als man einige unbestimmte Wortfetzten erahnen konnte. Endlich hielten Strauß und Reiter wenige Meter vor den Wartenden. Atemlos sprang Ali zu Boden, einen hechelnden Dorian bei sich. Noch immer konnten sie ihn kaum verstehn, weil er noch keuchend nach Luft rang. Aber schließlich rief er: „Sie haben uns. Die Soldaten. Sie kamen plötzlich und haben uns gestellt. Mich haben sie nach euch geschickt, um euch zu warnen!“ Jetzt wurde Ali überstürmt von Fragen, und abwehrend hob er seine Linke. „Bitte“, wendete er hastig ein, „Lasst euren Bruder zu Wort kommen!“ Da packte er aus: Das Radar des Hauptquartiers hatte seltsame Bewegungen im Luftraum verzeichnet, unter Anderem auch den gleichzeitigen Ausbruch von Bränden. „Sie sind“, so sagte Ali, „eilends beschäftigt, ihr HQ zu verlassen. Abzubaun kostet zuviel Zeit. Sie befinden sich auf direktem Weg hier hin. Hoffentlich können sie es noch schaffen. Sie führen auch schweres Gerät mit sich, um den Tunnel auszubauen. Die Kompanie, die Faisal Emirolu gefangen hat, müsste zuerst kommen. Sie führen unsere, ich meine, die Gefangenen meiner vergangenen Einheit mit sich. Emirolu ist aber nicht bei ihnen, sie haben ihn bereits hingerichtet. Alle andern Mörder kommen mit zu uns. Aber seid unbesorgt, sie sind bestens verwahrt!“
Tolle Neuigkeiten, nun kamen die Mörder, die ihr Camp überfallen hatten, gefesselt zu ihnen...

Stella war überrascht über sich selbst, warum sie nicht in Zorn verfiel über die Banditen. Sie beobachtete, dass bei Ali nicht ein Anflug an Angst zu erkennen war, obwohl die Soldaten ihn mit Sicherheit ebenfalls dem Tod ausliefern mussten. Nein, an Stelle dessen gingen sie auch noch das Risiko ein, ihn entkommen zu lassen. Oder hatten sie die andern Beiden etwa als Pfand...?
Was holte Ali denn da unter seinem Umhang hervor? Ja, jetzt erkannte Stella ein militärisches Sprechgerät. „Feuerwagen an Adlerhorst, bin als Erster am Ziel“, hörte sie Ali mit einer Selbstverständlichkeit sagen, „Wiederhole: bin als Erster am Ziel. Bestätigung folgt sofort.“ Er hielt Stella das Gerät hin. „Stella, bestätige ihnen, dass Ali Akbar wirklich fortan ein ehrlicher Mann der Menschlichkeit ist. Stella, bitte!“ Der Nachdruck in seinem Gesicht sprach deutlich in ihr Herz. „Hier Stella Romana vom Team B. Ja, ich bestätige, daß Ali hier angekommen ist. Adlerhorst, willkommen!“ hiermit gab sie das Gerät zurück an Ali, der mit „Ower and out“ schloss. Der bislang schweigende Binjaschar stellte fest: „Nu denn, auf zum Abenteuer. Was bleibt uns übrig, als auf die Güte des Militärs zu hoffen, nachdem wir ständig Seine Güte erfahren durften?“ Mit bedeutungsvoller Miene nickte Thomas dazu. Es war Stella, die sie auf einen anderen Aspekt brachte: „Ich denke, dass auch die Soldaten ein Recht auf G'tt haben! Also, dienen wir ihnen, damit auch sie Ihn kennen lernen“, und auflockernd: „Was, Jungs?“
Bevor sie antworten konnten, meldete sich das Funkgerät wieder. „Hier Feuerwagen, ich höre...“ Ein kurzes Knacken zeigte an, daß Adlerhorst sich meldete: „Adlerhorst hier. Falken im Anflug. Positionslicht erbeten. Ende und aus“. Aha, die Soldaten gingen das Risiko ein, alles durch ein Feuer zu verraten. Aber wie sollten sie sonst das gut versteckte Lager orten? Klar: warum kam Ali erst jetzt auf den Gedanken? Er hob das Gerät abermals an den Mund: „Feuerwagen, hier Feuerwagen.“ Knacken und kurzes Rauschen. „Adlerhorst hier. Höre.“ „Feuerwagen kommt zum Start zurück. Ende und aus“. Ohne abzuwarten sprang Ali auf und brauste auf Dorian direkt wieder ins Tal zurück. Offenbar wollte er ihnen die Gefahr einer feindlichen Entdeckung ersparen. Wer oder was auch immer jetzt über die Menschheit kommen würde- diese Feinde jedenfalls kannten weder Zurückhaltung noch Erbarmen. Auch, wenn G'tt selber sie losließ auf die Erde- wie konnte man wissen, ob diese neue Invasion unterschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen? Jedenfalls konnte das Militär mit seinen Waffen wohl nichts ausrichten gegen Geisterwesen. Am wenigsten allerdings gegen eine Armee, die auf Befehl des Allmächtigen ausgezogen war. Diese wurde angeführt, so die Bibel, von 4 mächtigen Engeln persönlich. Ein volles Drittel der Menschheit, oder des bisherigen Restes, musste nun den Tod schmecken!
Leises Brummen riß die Freunde aus ihren Gedanken. Waren es Fahrzeuge, die da näher kamen? Seit wenigen Minuten war es merkwürdig dunkel geworden. Paarweise Lichter wiesen auf die Vehikel hin. Sie fuhren im Gänsemarsch das Tal hinauf. Schon kam der erste Jeep auf ihrem Hügel zu stehn. Sofort stiegen die Soldaten aus, begrüßten kurz die Freunde und ließen sich ohne Umschweife den Unterschlupf zeigen. Weitere Geländfahrzeuge hielten, und auch ihnen entstiegen eilends die Insassen. Ohne viel zu sagen, hoben sie im Vorbeieilen nur kurz die Hände an ihre Schläfen und verschwanden auch schon im Bunker. Von drinnen war eifrige Geschäftigkeit zu hören: Offensichtlich waren sie beim Aufbau irgend welcher Elektronik. Jedenfalls rauschte und piepte es bald, was auf Radar und Funkverbindungen wies. Unschlüssig, was zu tun sei, standen die 3 noch immer auf der Anhöhe, als ein typisches Trappeln sie an Dorian erinnerte. „He, ihr Lieben...“, hörten sie Ali rufen, „Da sag einer noch mal, diese Vögel seien mit Nachtblindheit geschlagen!“. Mit elegantem Sprung landete er direkt vor den Freunden. Ohne sie zu Wort kommen zu lassen, legte er los: Also, da würden noch ein paar LKWs nachkommen, beladen mit seiner ehemaligen Verbrecher- Einheit. Außerdem eine handvoll Panzer, die aber zunächst versuchten, die Nachhut zu sichern, falls möglich. „Was das Hauptquartier betrifft, haben sie Schwierigkeiten, stehn unter schwerem Beschuss. Ja, Beschuss. Irgend eine fremde Luftwaffe nimmt sie unter Feuer. Niemand kann die Flieger orten. Einfach gespenstisch, das Ganze! Klar haben sie auch einen Bunker, aber sie wollen möglichst schnell zu uns stoßen, um dem Inferno dort zu entkommen. Schnell, runter mit uns!“, rief Ali, der schon im Laufschritt zum Eingang eilte. Ohne zu überlegen, fast automatisch, folgten sie ihm unter den Erdboden. Der Hauptraum glich in der Tat einem Zentrum des Militärs und war es jetzt auch. Funksprüche bestätigten einen mittlerweise funktionierenden Verbindungsaufbau, als ein offenbar hochrangiger Offizier die Zivilisten begrüßte: „Kommandant Oscar Ebeling. Bitte, haben sie Verständnis für unsere gemeinsame Lage. Aber nur gemeinsam können wir das hier überstehn. Ich will nicht wissen, wie viele meiner Einheit auf der Strecke bleiben werden. Wünschen Sie etwas Kaffee? Da drüben steht alles bereit. Ich hoffe, Ihnen möglichst bald alles erklären zu können, aber zur Zeit- Sie sehn es ja selbst“. Schon war er wieder mitten im Funkverkehr und fragte verschiedene Posten ab, gab Anweisungen und versuchte, den Gesprächspartnern Mut zuzusprechen. Aus den Lautsprechern waren Explosionen zu vernehmen, aufgeregte Schreie und Befehle. Es musste die Hölle sein, was die Einheiten da draußen erlitten! Stella schaute leise betend in die Runde, als ein weibliches Augenpaar das Ihre traf. Die mittelblonde Frau kam auf sie zu und stellte sich vor: „Truppführerin Ursel Pötschke, willkommen im Krieg!“, sagte sie mit einem Galgenhumor, wie er wohl nur geprüften Zeitgenossen eigen war. „Stella Romana, Team B. Willkommen in unserem Prunkpalast!“. Erfreut, sie endlich zu sehn, stellte Ursel Pötschke fest: „Ja, Sie hatten wir am Apparat! Schön, dass Herr Akbar sich so kooperativ zeigt. Das hat seinen Kopf aus der Schlinge gezogen, meine Teure!“ Vom Radarpult kam ein Ruf an sie, und schon wandte sie sich halb um. „Entschuldigen Sie bitte, Stella. Aber meine Einheit ist in Schwierigkeiten, sie braucht mich jetzt!“ Schon hatte sie das Gerät in Händen und fragte: „Albert, wie sieht es aus bei euch da draußen?“ Rauschen. „Albert, melde dich!“ Durch das Rauschen kam schwach die Stimme Leng´s, kaum zu verstehn, was er sagte. „Rauschfilter ausgefallen, Truppführerin“, meldete sich einer der Techniker, „versuche, was ich kann!“ Leise murmelte sie: „Ja, und du kannst verdammt viel auf deinem Gebiet.“ „Albert, bitte kommen!“ Aus dem Rauschen waren Wortfetzten zu hören. Ursel Pötschke entnahm ihnen, dass die Situation äußerst prikär geworden war. Die Nachhut musste tiefe Krater umkurven und war dadurch erheblich verlangsamt, während die Panzer verzweifelt versuchten, dem feindlichen Luftangriff etwas entgegenzusetzen. Das Radar sprach eine ernste Sprache: Einen Großteil der Fahrzeuge hatten sie verloren, andere warfen unstetige Signale zurück, was auf Schäden in größerem Umfang schließen ließ. Ursel Pötschke ließ entmutigt die Arme sinken. Nichts konnte sie tun. Sollte sie sich ebenfalls abfackeln lassen? Hoffentlich blieben die Bauausrüstung und ihre Geländefahrzeuge hier beim Bunker noch intakt! „Radar zeigt Formation auf uns zukommen, Notsignalfrequenz.“ Sofort wies Oscar Ebeling die leise betenden Freunde an, auf dem Hügelkamm Positionslicht herzustellen. „Egal, ob das uns verrät. Es ist ihre einzige Chance, direkt zu uns zu finden! Auf, machen Sie schnell, bevor Sie auch noch draufgehn!“, schrie er jetzt eindringlich. Kaum rannten die Freunde nach oben, als ein Mann die Treppe heruntergestolpert kam. Ali! Es war Ali. Sichtbar angeschlagen torkelte er die Stufen hinab. Sofort stützten Stella und Thomas ihn, während Binjaschar mit dem Feuerzeug bewaffnet zur Kante eilte. „Schon lustig“, bemerkte er, „ein Feuerzeug als Waffe gegen Flammenwerfer der Superlative...“ Rasch hatte er ein paar trockene Reiser aufgetürmt und entzündete sie. Kurz wartete er, bis die Flammen Fuß gefasst hatten, und holte schnell noch Kohlen aus dem Bunker. Vom Tal waren auch schon erste Scheinwerfer auszumachen. Erleichtert wollte er aufatmen, doch was war da am Horizont? Mit eigenen Augen sah er, wie Feuerstöße auf die Erde niederfegten und alles in ein einziges Flammenmeer verwandelten. Im Feuerschein erkannte er einzelne Fahrzeuge, die verzweifelt versuchten, dem Bombardement zu entkommen. Welch ein grausiges Schauspiel! „Loß, macht schnell!“, stammelte er. Jetzt nahm er einen Ginsterast, brach ihn ab und hielt sein bezweigtes Ende ins Feuer, um ihn darauf über dem Kopf hin- und her zu schwenken. Das war so ziemlich alles, was er tun konnte. „Herr, bitte!“, schrie er jetzt, „Ana, ha Schem, hoschianah, ana, ha Schem, hatslichanah!“ ( „Bitte, Ewiger, rette uns, bitte, Ewiger, schenke Gelingen uns!“).
die ersten Fahrzeuge waren auf seiner Höhe angekommen und bremsten mit heftigem Ruck, dass die Insassen sich nach vorne neigten. Zum Reden war keine Zeit. Binjaschar wies auf den Eingang und wartete auf das allerletzte der flüchtenden Vehikel. Diese seltsame Dunkelheit, mitten im Nachmittag. Obwohl Dezember war, brach sie schon um 15 Uhr herein, statt frühstens um 16, 15. Als wolle diese Streitmacht ihre Feuerkraft noch unterstreichen dadurch! Binjaschar erinnerte sich an die weg von den Händen der Moslems Befreiten. Landsleit und Christen. Sollten etwa auch Diese umkommen durch G'ttes Gericht? Unvorstellbar! „Nein, wenn es wirklich Gläubige sind, kommen auch sie nicht ins Gericht, sondern werden gerettet. Herr, unser G'tt und himmlischer Vater, in Deine mächtigen Hände Diese. Du bestrafst ja die Feinde, und nicht noch Deine Getreuen!“ Diese tiefe Gewissheit machte ihn auf einmal seltsam ruhig, als er dastand und hilflos der Katastrophe zuschaute, die immer näher rückte. Schon war das halbe Tal in Feuer getaucht. Da vibrierten Luft und Boden, begleitet von Rattern und Quietschen. Das mussten die abschließenden Panzer sein! Wieder brach Binjaschar einen Ginsterast ab und machte ihn zur Fackel, die er über sich schwenkte. Das erschütternde Vibrieren kam bedrohlich näher, und eh er sich dessen klar war, stieben auch schon die Panzer zu beiden Seiten an ihm vorbei. Er wartete auf das allerletzte Besatzungsmitglied und rannte mit diesem zum Bunker. Noch während sie zum Unterschlupf hetzten, wendete der Soldat ihm das Gesicht zu. „Gestatten, Kommandant Albert Leng. Meine Hochachtung, Zivilist! Los, retten wir unsere Ärsche, solange die da unten noch weit genug weg sind.“

Die Räume waren jetzt wirklich prallvoll mit Menschen. Doch sie boten ihnen immer noch einigermaßen Bewegung. Sogar genug Schlafplatz war vorhanden für über die Hälfte. Da sie eine Runduhr- Wache einrichten würden, reichte die derzeitige Kapazität erst mal. Die Neuankömmlinge verhielten sich ziemlich ruhig nach den zurückliegenden Anstrengungen. Die Offiziere bemühten sich um das Wohl der Eingetroffenen, ohne den Funkkontakt zum Hauptquatier abzubrechen. Für Truppführerin Ursel Pötschke gab es auf der Kommandobrücke nichts mehr zu tun, hatte ihre Einheit es doch bis hier hin geschafft. Sie sprach mit Leng über das, was da draußen vor sich ging. Dabei nahmen sie einige Modelle der Luftwaffen durch, um sich einigermaßen ein Bild machen zu können, mit was sie sich da überhaupt konfrontiert sahen. Die Sanitäter waren vollauf beschäftigt mit ihren Patienten, während die Freunde, jetzt wieder komplett, die Schlafstätten bereiteten. Insgeheim konnte Binjaschar nicht verstehn, warum die Streitmacht G'ttes derart wütete. Aus dem Gedächtnis zitierte er die Stelle, die Rabbi Jah'El ihm damals gezeigt hatte: „...und aus ihren Mäulern gehn Feuer und Rauch und Schwefel hervor. Von diesen 3 Plagen wurde 1/3 der Menschheit getötet, vom Feuer, Rauch und Schwefel, die aus ihren Mäulern hervorkamen. Denn die Gewalt der Rosse ist in ihrem Maul und in ihren Schwänzen, denn ihre Schwänze gleichen Schlangen und besitzen Köpfe, und mit ihnen fügen sie Schaden zu.“ Also Feuer von vorn und hinten. Von manchen Kampfhubschraubern war bekannt, dass an ihren Schwänzen Waffensysteme angebracht wurden, die in fast jede Richtung zu feuern vermochten. In fast jede, um nicht ihren Träger selber zu beschädigen. Aber warum dann eine solch aufwendige Beschreibung, die eher an Drachen erinnerte, wenn sie es lediglich mit Kampfhubschraubern zu tun hatten? Außerdem wurde hierbei keinerlei Fluglärm erwähnt, wo die Bibel sich doch stets größter Detailgenauigkeit erfreute. Nein, mit bekannten Waffensystemen hatte der unbekannte Feind nicht viel gemeinsam.
Stella hatte sich zu den Frauen und Mädchen gesetzt. Ihr Herz blutete bei all dem, was ihr da berichtet wurde. Henk hockte an einer Wand und suchte die Frequenzen ab. Doch diesmal schien der Weltempfänger nichts auffangen zu können. Oscar Ebeling fragte das HQ nach deren aktuellen Lage. Sie wollten lieber im Bunkersystem bleiben, bis draußen wirklich alles ruhig war. Er konnte es ihnen auch nicht verdenken.
„wie gehts?“, fragte eine warme Stimme die dasitzende Stella. Diese schaute auf. Ursel Pötschke reichte ihr eine Tasse frischen Kaffees und gesellte sich zu ihr. Stella war nach den gehörten Schilderungen der Frauen und Mädchen wortlos und wirkte müde. Wie wohltuend jetzt Ursel´s Gesellschaft war! Den Kaffee konnte man kaum trinken, so heiß wie der noch war.

 

Ursel brauchte nicht viel zu sagen, schon ihre Anwesenheit schien Stella zu stärken. Diese legte jetzt ihren Kopf in den Nacken und seufzte tonlos. Ursel wusste von der Begegnung mit den Befreiten, wie bedrückend solche Berichte aus erster Hand wirken konnten. Die Festigkeit ihrer eigenen Stimme überraschte sie, als sie sich sagen hörte: „Wir schaffen das gemeinsam, Stella!“ Kaum wahrnehmbar nickte die Angesprochene jetzt und lächelte müde. „Ja, Ursel. Das hier stehn wir nur zusammen durch. Wer weiß, was noch auf uns wartet?“ Insgeheim dachte sie sich die Antwort, wer das wissen konnte. Da spürte sie Ursel´s Hand auf ihrer Eigenen, und sie verschränkten einander die Finger. Diese Geste tiefer Freundschaft brauchte keine Worte. Soldaten waren immer noch Menschen trotz erlernter Disziplin. Und so lange sie das auch zeigen konnten, waren sie nicht zu Maschinen verkommen. Diese Schicksalsgemeinschaft aus Kriegern und Zivilisten wusste, dass es keinen anderen Weg als das Zusammenhalten gab. Zum Glück im Unglück hatten sie genug Platz, um sich einigermaßen frei zu bewegen. Auch wenn es an Sanitäranlagen mangelte, befand sich im Waschraum ein Abfluss im Boden. Solch ein Plumsklo war besser als nichts.

Draußen hatte man die Fahrzeuge nach Kräften verborgen unter den mitgeführten Tarnnetzen. Zusätzlich wurden Ginsteräste gesteckt, um einen bewachsenen Hügel zu mimen. Aber mehr als hoffen konnten sie nicht. Sicher wäre da von „der Macht des Gebetes“ zu sprechen gewesen, aber wenn jemand erst in einer prikären Lage steckt, hält so manche Theorie angesichts der Prüfung nicht Stand. Und sie waren umgeben von realen Bedrohungen, die niemand ernsthaft in Frage stellen konnte. Nur Narren hätten jetzt den Vorwurf des Unglaubens erhoben und gehöhnt. Aber insgeheim spürten die Flüchtlinge, Militärs gleichermaßen wie Nichtkombattanden, dass ihnen die blanke Realität begegnete und keine Ausflucht ließ. Das Innerste wurde aufgedeckt und ihnen vor Augen gehalten.

„Achtung!“, meldete Panzerkommandant Leng, „feindliches Geschwader steht vor der Tür“. Ein Raunen erfüllte die Gestrandeten. Jetzt blieb ihnen, abzuwarten. Was hätten sie auch tun können? Die fliegenden Feuerspeier würden auf jede Bewegung sofort reagieren. Dass Tarnung nicht immer hilft, war den im Keller Ausharrenden klar. Metall schimmerte nunmal, wenn es Licht reflektierte. Eben so wiesen die Gummiteile der Netze einen matten Glanz auf. Alles in Allem keine guten Voraussetzungen, den Verfolgern zu entkommen. Angespanntes Lauschen, ob irgend etwas da draußen geschah. Aber die Objekte, die das Radar ihnen so deutlich präsentierte, schienen ihrerseits zu warten. Jede Belagerung ist von tödlicher Wirkung, wenn den Verteidigern alle Nachschubwege versperrt werden. Und genau danach sah es aus. Die Schweber, wer auch immer sie steuerte und was es auch immer war, schienen in geringer Höhe zu parken.

Kein Signal war aufzufangen, da draußen herrschte absolute Stille. Was konnten sie tun, um sich doch noch mit Wasser und Essen zu versorgen? Das Einzige wäre ein Tunnel gewesen, der sie unbemerkt zur Oase führen konnte. Doch das überstieg aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Ausdauer. „Meine Herrschaften“, begann Oscar Ebeling die kleine Runde, „uns liegt keinerlei Absichtserklärung des Feindes vor, noch ist uns bekannt, wie lange er uns zu belauern gedenkt. Irgend welche Vorschläge?“ Unauffällig hatte er Binjaschar angesprochen und seine beiden Offiziere mitgeführt. Binjaschar war es dann auch, der den Tunnel als Möglichkeit erwähnte, wenn auch mit Vorbehalt. „Hmmm“, schürzte Ebeling die Lippen. Ursel Pötschke ging in Gedanken die verfügbaren Geräte durch, einschließlich geeigneten Sprengstoffes. „Jaaa“, bemerkte sie schließlich, „wir haben Zündschnüre und Lunten mitgebracht. Notfalls können Granaten das härtere Gestein lösen. Ich denke, das bringt uns einigermaßen voran. Die Karte hier“, wobei sie auf das Gelände zwischen Keller und Flusstal zeigte, lässt uns die Entfernung ziemlich genau abschätzen.“ Und jedem Einzelnen in die Augen blickend, sagte sie: „Wenn wir gar nichts unternehmen, sterben wir.“ „Albert, wie schätzt du die Panzergranaten ein? Sind sie zu wuchtig für den Tunnelbau?“, wollte Ebeling wissen. Der Angesprochene wiegte seinen Kopf, bevor er ansetzte. „Theoretisch könnte eine AK- Munition für Stollen taugen. Aber nur, wenn er tief genug unter der Oberfläche liegt, sonst besteht Einsturzgefahr. Und einen Schützengraben können wir nicht gebrauchen, wenn uns Luftwaffe bedroht. Ich würde daher Granaten erst später verwenden.“ Allgemeines Zustimmen. „Gut“, folgerte Ebeling, „dann stellen wir den Bautrupp zusammen!“

Zum Glück hatten die Soldaten die Munitionskisten in den Keller geschafft, bevor die anrückende Armada ihnen zu nah gekommen wäre. Auch fanden sich ein paar Pickel der Pioniere. Unter den Zivilisten waren sehr wenig Arbeitsfähige für das Projekt verfügbar, doch das genügte vollauf. Ohnehin konnten immer nur 5 nebenander das Erdreich bearbeiten. Für die Baumaschinen war kein Zugang vorhanden, abgesehn vom hohen Risiko, außerhalb des Kellers entdeckt zu werden und auch noch alle Fahrzeuge im Feuer zu verlieren. Bisher zeigte das Radar keine Bewegung der Schweber, obwohl sie garantiert wissen mussten, wie ein Tarnnetz aussieht. Nein, an den Fahrzeugen schienen sie kein Intresse zu haben.

Mittlerweile betrug der Tunnel 10 Meter, das aber schon am ersten Tag. Allmählich fragte man sich, wo denn der Abraum verbracht werden könne. Einfach nach draußen damit, käme Selbstmord gleich. Damit wäre alles verraten worden. Sie mussten wohl oder übel enger zusammenrücken und vorerst einen Raum für den Schutt opfern. Was die Nahrung anbelangte, war Binjaschar von Anfang an gegen das Schlachten, zumal nicht ein widerkäuender Paarhufer in der Oase gesichet wurde. Außerdem konnte der Bestand eher ihre Katzen bei Kräften halten, und eventuell fanden sich alle Weißen ein. Vom löwischen Verhalten her neigten auch die Kreuzungen zum Rudel. Auch wenn der Tiger als Einzelgänger galt, musste das nicht viel bedeuten, weniger noch bei ihren Parktieren, die von klein auf das Rudel gewohnt waren. Sie zogen es vor, den schwebenden Ungetümen aus dem Weg zu gehen. Was, wenn ein Teil der Flammenwerfer in der Oase stationiert wurde? Doch das war nicht vorausschaubar, und ohne Verbindung zum Frischwasser konnte niemand länger als wenige Tage aushalten. Trotz des Baubetriebes konzentrierten sich die Offiziere auf den Funkverkehr. Wichtig war auch, was der Weltempfänger vermittelte. Da tat sich Einiges auf politischer Ebene. Internationale Streitigkeiten traten in den Hintergrund, hatte man doch gemeinsame Feinde und half einander beim Wiederaufbau, so fern daran zu denken war. Denn Kleinstmeteoriten hagelten auf die Erdoberfläche und verursachten massive Schäden. Nicht selten wurden Fahrzeuge zertrümmert, Gebäude beschädigt und Menschen erschlagen. Was man ahnte, aber zu verdrängen suchte, war der Umstand, dass die kleinen Brocken die Bugwelle eines etwas größeren Objektes darstellten. Als wenn der Einschlag vor Monaten zu wenig war, folgte sehr wahrscheinlich noch einmal so etwas. Und nicht alleine der Impakt selber, nein, die unausweichlichen Folgen waren das Verheerende. Da kam erst einmal die enorme Druckwelle, die für Zerstörung im Umkreis vieler, mitunter hunderter Kilometer, sorgte. Vulkanasche hüllte die Welt in Dunkelheit und erstickte fast alles Leben. Dann regnete es geschmolzene Steine, die weltweit Brände verursachten. Genau das war damals beim Einschlag im Golf von Mexiko passiert und löste auch noch die Globalflut aus. Der Meteorit vor Monaten war dagegen vergleichsweise harmlos. Vergleichsweise, denn er hatte schon schlimm gewütet, wie alle Überlebenden hautnah mitbekamen. Das, was man dem Weltempfänger entnehmen konnte, zeichnete ein düsteres Bild. Neben Lobliedern auf die Regierungen und Reden Lord Maitreya´s, des `Weltenlehrers´ in Dalai Lama- Manier, steigerten sich die Reporter immer wieder in Hasstiraden gegen Christen und Juden. Klassischer Buhmann der Nationen war wie üblich IsraEl. Und man blieb nicht beim Reden. Truppenkonzentrationen entlang der Grenzen manövrierten IsraEl in einen Belagerungszustand, ähnlich wie das HQ umstellt war von ominösen schwebenden Flammern.

Eine Woche Bautätigkeit hatte sie 200 Meter näher zur Oase gebracht, als massiver Fels den Weg blockierte. Mittlerweile 20 Meter unterhalb der Oberfläche, konnte Panzerkommandant und Grenadier Leng eine erste vorsichtige Sprengung wagen. Dazu probierte er zunächst eine Lunte, um die Reaktion des Gesteins zu sehn. Die Lunte erbrachte allerdings nur leichte Absplitterung. Doch die Mulde am Fuß des Felsens genügte für eine ferngezündete Granate. Die Detonation legte Einiges frei. Zumal konnte der Bautrupp mit seinen Pickeln, die auch als Kreuzhacken bekannt waren, von da an ungefähr einen Meter weiter. Dann musste nochmals eine Granate zum Einsatz kommen. Das Ganze zog sich über einen vollen Tag hin, wobei an die 10 Granaten verbraucht worden waren. Irgend wie klang das Gestein unter den Hieben jetzt anders. „Albert, was könnte das bedeuten?“, fragte Binjaschar während einer Pause. Leng brauchte nicht lange zu überlegen, denn ihm war klar, dass ihr Bautrupp sich einem Hohlraum näherte. „Leute, seid auf der Hut. Geht vorsichtig zu Werke. Wir können leider nicht abschätzen, in welchem Winkel wir herankommen. Es kann gut sein, dass wir beim Durchbruch irgend wo im Höhlendach landen. Gebt also Obacht und fallt nicht in ein Loch! Unsere Pioniere werden mit Kletterausrüstung und Entfernungsmessern bereitstehn.“ Letztgenannte Untensile bestanden aus phosphorisierenden Stäben, die in das Dunkel geschossen oder geworfen wurden und auf dem HUD eine genaue Meterangabe erlaubte. Jede Klangveränderung wurde gemeldet, um ein genaueres Bild zu erhalten. Schließlich bröckelte das Gestein und rutschte in einer Kaskade zu Boden. Binjaschar war zur Stelle und leuchtete als Erster in den unbekannten Hohlraum. Da zeichneten sich trübe in einiger Entfernung wenige Konturen ab. Sofort schickte er jemanden los, um die Offiziere zu verständigen. Bald rückten auch schon die Pioniere an. Bildete der Durchbruch anfangs nur einen Spalt, so wurde er schnell auf rund 2 Meter ausgeweitet. Von jetzt an hatte der Bautrupp Urlaub, denn die Höhle war Pioniersache. Sie musste gründlich erforscht werden und auf Gefahren untersucht. Falls ein Ausgang zu finden war, galt es, unauffällige Erkundungen im Freien durchzuführen. Auf jeden Fall brauchten sie den schnellsten Weg zur lebensspendenden Oase!

Die Höhle war eine wirklich eindrucksvolle Entdeckung. An ihren Wänden glizerten Kristalle, wenige Stalagtiten und Stalagmiten wuchsen ihrer Vereinigung entgegen. Es war nicht sehr kalt, aber eine gewisse Luftfeuchte wies auf Wasservorkommen hin. Es roch nicht muffig, die Luft war also staubfrei. Bald schon fanden die Pioniere frisches Wasser. Bevor man es trinken wollte, wurde eine Probe analysiert. Für Strategien zum Überleben war das Militär gut ausgerüstet. Mobile Labore gehörten eben dazu. Die Ergebnisse ließen kaum auf sich warten, und endlich wurde das Höhlenwasser zum Trinken freigegeben. Wenigstens mussten sie nicht verdursten. Die Pioniere hatten im schon erforschten Teil der Höhle ein Basislager aufgebaut und brachten einige weitere Materialkisten hinein. Da waren auch große sperrige Güter zu transportieren, die nur per Kran von den Ladeflächen der LKW gehoben werden konnten. Die Baumaschinen hatten das noch rechtzeitig schaffen können, und eigens für Schwerlasten mit Ketten bestückte Paletten wurden über die Kellertreppe nach unten geschafft. Zum Glück war sie nicht verwinkelt und führte grade hinunter. Sonst wäre das Sperrgut noch immer nicht, wo man es haben wollte. Diese kettenbetriebenen Paletten wurden bis zum Durchbruch geschoben. Bis dahin hatten sie in Ruhe arbeiten können. Doch nun brauchten sie Krantechnik, denn der Durchbruch befand sich tatsächlich weit oben in der Höhle. Erst nach einigen Tagen wurden an deren Dach hängende Skelette entdeckt. Dies waren aber keine Ausnahmen, denn von weiteren Höhlen waren solche Funde bekannt. So sah man in der deutschen Attahöhle einen Bären an der Decke. Hals und Beine baumelten abwärts, und ganz offensichtlich war er in der Höhle ertrunken und mit seinem Rücken durch Mineralien festzementiert worden, als die Wasser wieder sanken. Genau so musste es diesen Zeugen der Vergangenheit widerfahren sein. Was das genau für Arten waren, sollte das Team um Dr. Falcone begutachten, doch vorerst befanden sie sich noch in ärztlicher Obhut im HQ des Kellers.

Bislang hatte zur Stromversorgung ein kraftstoffbetriebenes Aggregat gute Dienste erwiesen, doch das war nur für eine begrenzte Zeit befeuerbar. Denn von wo sollte Nachschub an Sprit kommen? Im Basislager waren die Pioniere um ein paar Techniker verstärkt worden. Draußen begab sich ein kleines Team in große Gefahr. Unter den wachsamen Augen des Feindes mussten sie es fertigbringen, einen Kranaufsatz vom Fahrzeug abzumontieren, ohne eine sichtbare Erschütterung des Tarnnetzes zu verursachen. Hinzu kam, dass die ganze Aktion möglichst ohne Geräusch ablaufen sollte. Ein Himmelfahrtskommando, wenn man an Himmelfahrt glaubte. Sie konnten immer nur wenige Einzelteile bergen, doch die großen Elemente wie den Motor und Sockel mussten sie mit Hilfe der anderen Baumaschinen abheben und auf die Kettenpaletten setzen.
„Leute, ihr wisst, was ihr zu tun habt!“, sagte Oscar Ebeling zum Team Feuerstein. Er wartete die Bestätigung ab. Als die Bereitschaftsmeldung eintraf, rückte der kleine Trupp aus. Mittlerweile hatten die Pioniere einen bequemen Ausgang finden können, der dazu noch gut verborgen hinter großen Felsen und Bäumen lag. Die Bäume hatten doch tatsächlich überlebt und boten mit ihrem Laub Deckung. Von diesem Startpunkt aus begaben sich die Wagemutigen zum vereinbarten Standort. Am Ziel sollten sie ein Lagerfeuer inszenieren und möglichst alle Feinde anlocken. Um auch sicherzugehn, dass die sich ablenken ließen, wurde jemand als Amokläufer losgeschickt, Steine gegen die schwebenden Flammenwerfer zu schleudern. Alle Mitglieder des Teams trugen feuerfeste Kleidung, auch der Amokläufer. Vorsichtig stiegen sie die Kettenleiter hinab und begaben sich zum Ausgang, vorbei an einem von den Pionieren gebauten Gehäuse, in dem einige Elektronik installiert war. An sie sollte bald angeschlossen werden, was noch in den sperrigen Kisten verborgen war. Kommandant Ebeling wartete auf die Meldung des Funkers, der ihn benachrichtigte, sobald Feuerstein in Position sein würde. Knacken in der Leitung. Alle horchte gespannt auf. Ganz leise war jetzt jemand zu hören. Irgend etwas stimmte nicht. Als ob die Luft ionisiert wäre. So etwas hatten die Soldaten bisher nur gehört in Verbing mit EMP- Effekten, wie sie beim Einsatz der Atom- oder Neutronenbombe auftraten. Besorgt sahn sie einander in die Augen. Ganz leise konnte der Funker Worte verstehn und schrieb sie auf. Schließlich las er sie vor: „So was wie Nordlicht... noch nie gesehn... Luft flimmert... irgend wie vibriert... oh Scheiße... zur Höhle... sich, wer kann. Die Verbindung ist endgültig weg. Team Feuerstein muss wohl in Schwierigkeiten stecken. Ich bleibe dran.“ Die Pioniere in der Höhle hatten eh das Ganze mitgehört und meldeten sich: „Hier Höhlenbär. Feuerstein wurde überrascht und kommt zurück. Ihnen brennt aber nicht der Kittel. Wiederhole: Kittel brennt nicht“ So weit war klar, dass die Aktion vereitelt wurde. Durch was und wen auch immer, sollten Alle bald erfahren.
Wieder meldete sich der Funker: „Höhlenbär hat Honig bekommen. Wenigstens etwas!“ Es würde ungefähr 30 Minuten dauern, bis Team Feuerstein aus dem Tunnel wieder im HQ eintraf. Im Idealfall.
Doch Team Feuerstein sprach vom Basislager aus: „Hier Feuerstein von Höhlenbär. Das Erste, was wir da draußen sahn, war eine Art Aurora australis. Dann flimmerte die Luft überall, und wir spürten so ein Brummen. Auf einmal kamen sie. Wir dachten zuerst an die Flammenwerfer, aber die Schiffe, die da runterkamen, sahn anders aus. Wir konnten besser nur verschwinden. Wer weiß, was die aus uns gemacht hätten... Gut, wir kommen jetzt zurück. Macht schon mal Kaffee für uns. Ende.“

Alle sahn sich einander wortlos an. Wer auch immer da landete, kam als Invasor. So viel stand schon mal fest. „Wir wissen absolut nicht, von was wir hier sprechen“, sagte Kommandant Ebeling zur versammelten Menge. „Der Feind verfügt über eine uns unbekannte Hochtechnologie, das ist klar. Doch weder wissen wir, von wo er kommt, wer das ist, noch was er überhaupt will. Wir wissen gar nichts, außer dass es ein Feind ist. Aber vermutlich gibt es einen Hinweis, einen Hinweis, den wir noch nicht nachprüfen können. Joschiah Binjaschar kann uns eventuell etwas dazu sagen.“ Und an Joschiah gewand: „Komm bitte zu mir“. Als er schließlich neben Ebeling auf dem kleinen Podest stand und das Mikrofon hielt, lauschten Alle seinen Ausführungen. „Ihr wisst ja, dass das verbotene Buch einige Dinge enthält, welche wortwörtlich eingetroffen sind. Man sagt `Prophetie´ zu solchen Voraussagen. Im Buch sind Vorgänge beschrieben, die sehr an Atomschläge erinnern. Auch von einer Weltherrschaft mit Zentralregierung ist zu lesen. Von etwas, was wir heute als faulen Zauber bezeichnen würden, von betrügerischen Wundern, wie es heißt. Ich denke, die Schiffe tarnen sich als außerirdische UFOs. Die Wesen, welche ihnen entsteigen, werden uns glauben machen wollen, sie kämen von fremden Welten in der Absicht, uns zu `retten´. Aber lassen wir uns nicht von ihnen täuschen, weder von ihrer Macht, noch von ihren Tricks! Nein, sie sind keine Außerirdischen. Aber sie gehören auch nicht zu unserer Welt. Ich nenne sie überirdisch. Sie kommen als Götter, als Boten der Weisheit und ähnlicher Dinge. Sie kommen, uns zu kontrollieren und zu knechten. Damals hießen sie `Göttersöhne´, doch es waren von G'tt abgefallene Kreaturen, die uns beinah ausgerottet hätten in ihrer maßlosen Gier. Das wird in den kommenden Jahren auch so sein. Wir werden es erleiden und mehr. Die Katastrophen werden auch nicht nachlassen. Auch diesmal werden wir zur bedrohten Art gemacht. Von Denen. Es wird Zeit, unser aller Leben in die Obhut G'ttes zu begeben. An dieser Stelle haben wir die Gelegenheit, uns Ihm anzuvertraun. Ich tue das jetzt stellvertretend für uns alle. Wer mag, soll meine Worte für sich sprechen lassen, als bete er sie selber.“ Nun hob er seine Hände nach oben, schaute hoch und begann: „Vater in den Himmeln, trotz unserer Erungenschaften sind wir schwache Menschen geblieben. Unser Geschick ist erneut bedroht. Nur Du weißt, wer von uns überlebt. Nur Du kannst uns wirklich durchhelfen. Wir stehn hier mit leeren Händen. Keine Waffe wird uns nützen gegen diese... Diese Bestien, die sich als unsere Helfer ausgeben, doch unser Blut fordern. Vater, da sind wir. In Deine Obhut begeben wir uns. Du hast uns die Höhle finden lassen, frisches Wasser. Du wirst uns auch mit Essen versorgen, dass wir holen können unter Deinem Schutz. Von dieser Stunde an leben wir mit Dir. Amin.“ Und an die Umstehenden gewand, sagte er: „Wer mag, spreche ebenfalls amin. Das kommt vom Wort Emuna und bedeutet so viel wie Treue und Vertrauen.“ Hiermit entließ Ebeling die Versammelten.

Ein seltsames Schweigen lag in der Luft. Jeder schien sich Gedanken zu machen und abzuwägen, was Joschiah gesagt hatte. Hier und da begannen sich Leute auszutauschen. Joschiah hoffte insgeheim, dass man diese Chance nutzen würde und nicht wieder zur Tagesordnung übergehe. „Das war genau richtig für den Augenblick“, hörte er eine vertraute Stimme hinter sich. Und wahrhaftig, als er sich umdrehte, stand Lissi bei ihm. Sofort fielen sie sich in die Arme. Endlich war sie genesen. Ob wohl Doktor Falcone und seine Vertrauten auch wieder auf den Beinen waren? Doch erst wollten Beide ihre wiedererlangte Zweisamkeit auskosten und saßen beisammen.

 

 

Alien

Die Schiffe setzten ihre Fahrt fort. Sie zogen langsam über dem abgebrannten einsamen Haus hinweg, unbemerkt vom Radar, das allerdings auch keine Flammenwerfer zeigte. Sie waren verschwunden. Allmählich traute man sich wieder ins Freie. Aber Binjaschar´s Worte blieben ihnen bewusst. Niemand hatte Ambitionen, Streit anzufangen oder alleine außer Sichtweite zu geraten. Immer waren sie in Gruppen unterwegs. Ali hatte wieder auf Dorian Gebietserkundungen durchgeführt. Vielleicht fand er ja eine Obstplantage oder Ähnliches. Auch weitere Mitglieder der Gemeinschaft waren „auf den Strauß gekommen“, und bald hatten sie eine kleine Reiterei. Die Soldaten hatten ihre Pflicht erfüllt und am Ende die Verbrecher hingerichtet. Als Zeugen wurden die Ãœberfallenen vereidigt. Ihre Aussagen waren zugleich auch eine Art Lebensversicherung, denn wer an der Strafverfolgung aktiv mitwirkte, erhielt Amnestie. Das war eine Masche, durch die man schlüpfen konnte, wenn man davon wusste. Kommandant Ebeling hatte es den Zivilisten am Abend vor der Verhandlung mitgeteilt, so dass Alle ein Stück erleichtert waren.

Während sie die Höhle weiter erforschten und auch die Krananlage beim Durchbruch installiert hatten, wartete der Weltempfänger mit seltsamen Reportagen auf. Sehr seltsamen Reportagen...
„...auf einmal materialisierte das Wesen vor unseren Augen!“, war aus dem Weltempfänger zu hören. Erich von Däniken und weitere Zeugen sprachen über ihre Begegnungen mit Fremden, die aus dem Nichts erschienen, ihre Botschaft an die Menschen lieferten und wieder unsichtbar wurden. Sofort musste Binjaschar an Lord Maitreya denken, von dem es ebenfalls hieß, er habe eine solche Fähigkeit. Hinzu kam, dass er angeblich auch noch sein Äußeres nach Belieben ändern könne, mal erscheine er als Frau, mal als Mann und als unterschiedliche Personen. Das Ganze erinnerte an Darstellungen von Engeln, die sich quasi „in Zivil“ unter die Bevölkerung mischten und ihre Mission durchführten. All das bekamen Millionen Zuschauer schon Jahre zuvor per Spielfilm präsentiert. Wurden die Massen etwa auf das vorbereitet, was nun käme? Mit Schaudern wurde Binjaschar der antiken Berichte gewahr, wie sie in der Bibel und anderen Dokumenten weltweit aufgefunden wurden und bis auf diesen Tag in Archiven studiert werden konnten. Hatte ein Teil der Gemeinschaft anfangs noch starke Skepsis gezeigt, nahmen sie nunmehr die Sache doch erster. Allmählich breitete sich ein mulmiges Gefühl unter ihnen aus, je mehr sie durch den Funk erfuhren. Obwohl man über den angeblichen Ausgang des Mayakalenders frotzelte, übte der Gedanke an den 21. Dezember 2012 schon eine gewisse Faszination aus. Doch der Termin war verstrichen, ohne dass „Bolon Yokte herniedergekommen“ wäre. Nein, etwas oder jemand Anderes war seit etlichen Jahren präsent, als „Lord Maitreya“ bekannt. Polizisten hatten zeitweise gleich serienmäßig Zulauf irritierter Passanten, die allesamt eine identische Geschichte erzählten: Anhalter wären zugestiegen, hätten etwas von „Jesus“, der „sehr bald wiederkäme“ gefaselt und seien daraufhin „spurlos verschwunden, in Luft aufgelöst“, wie es hieß. Diese Begebheiten häuften sich um die 1980er Jahre, und zwar nicht regional begrenzt. Was auch immer da geschah, mutete äußerst befremdend an. Und im nächsten Jahrtausend, im ersten Jahrzehnt, meldeten Einige unerklärliche Lichtzeichen an Wänden, sternartige Himmelserscheinungen und ähnliche Phänomene. Die Experimente der NASA in der Area 51 taten ihr Ãœbriges, um den Glauben an Außerirdische anzukurbeln. Binjaschar wusste, dass es eine andere, eine näherliegende Erklärung zu all diesen Begebenheiten gab, und sie zu finden war er mit seinen Gefährten aufgebrochen. Wann würde es endlich dazu kommen? Angesichts der Geschwindigkeit, in der sich die Rundfunkbeiträge häuften, blieb kaum noch Zeit. Obwohl die Bevölkerung drastisch abgenommen hatte, war es jetzt noch gefährlicher, das verbotene Buch bei sich zu haben. Fast schon konnte man es eine einfache Gleichung nennen: Weniger Personen, mehr Kontrolle. Man fiel eher auf als im Schutz der anonymen Masse. Das bedeutete ein Problem, dessen sich Alle mehr oder weniger bewusst waren.

„Ihr Menschen müsst wieder auf eure inneren Werte achten“, war aus dem Weltempfänger zu vernehmen. Maitreya hielt einen seiner Vorträge. Mit sanfter Stimme, die an den Dalai Lama erinnerte, zog er die Massen in seinen Bann. „Ãœbt Ehrlichkeit und sucht Freundschaft. Was trennt, lasst hinter euch. Nun stehn wir am Wendepunkt und bereiten uns vor für etwas Neues. Die Menschheit wird gereinigt von aller negativen Energie. Zwist und Neid müssen enden. Der nächste Schritt ist ein Quantensprung in die Zukunft und führt in ein besseres Leben. Neue Technologien ersetzen veraltete zerstörende Methoden. Die Umwelt kann sich nur noch erholen, wenn keinerlei Abgas, kein Zubetonieren und keine Kriegshandlung mehr vorkommt. Wir gaben euch alle 12 Kristallschädel, doch nur Wenige vermögen ihre Botschaften zu empfangen. Von den 12 Planeten ist eure Erde am Schlimmsten dran. Ihr seid unser Sorgenkind. Zu euch bin ich abgesandt worden, euch in die Geheimnisse einzuführen. Es besteht Hoffnung für den gereinigten Ãœberrest. Alle Frevler werden ausgesondert und bleiben fern von der neuen Welt. Sie werden euch niemehr an der Weiterentwicklung hindern. Unwürdig, wie sie sind, bedeuten sie Gefahr und vereiteln die Erneuerung, die euch Freiheit bringt. Werft alle Fesseln der Vergangenheit von euch ab und schaut nach vorne, wo das Licht eines neuen goldenen Zeitalters euch empfängt.“

Alle Anwesenden waren angerührt von diesen Worten, drückten sie doch die Hoffnung und Sehnsucht unzähliger Generation aus. Binjaschar ließ den Blick durch die Runde schweifen. Da trafen sich seine Augen mit Ebeling´s. Unauffällig begab er sich zum Kommandanten und bat ihn leise um eine Lagebesprechung. Auch Ursel Pötschke und Grenadier Leng schlossen sich an. „Ich weiß nicht, wie das Ganze auf euch gewirkt hat“, fing er an, „Was haltet ihr von der Behauptung, da seien 11 weitere Planeten mit Menschen besiedelt? Und wer sind Jene, die Maitreya angeblich zu uns abkommandiert haben sollen? Ich bin skeptisch.“ Panzerkommandant Leng schien am Wenigsten mit Maitreya´s Botschaft anfangen zu können. Während er noch nach Worten suchte, teilte Ursel Pötschke ihre Gedanken mit: „Da ist schon etwas dran, wenn man sich anschaut, was wir aus unserer Welt gemacht haben. Ãœberall herrscht Chaos und Gier, aber der Mensch bleibt auf der Strecke! Ich denke, wir sollten uns anhören, was der Mann zu sagen hat. Vielleicht kann er uns ja wirklich weiterhelfen, auch wenn ich das kosmische Zeug nicht glaube. Egal, ob da noch andere Erden sind und wie viel davon. Hinkommen werden wir eh niemals, also ist es unwichtig. Aber lasst uns wenigstens hören, was er auf Lager hat.“ Oscar Ebeling war sehr ernst und gefasst, als er seinen Eindruck schilderte: „Auf der einen Seite klingt seine Rede ja einleuchtend, aber ist sie auch realistisch? Was meint er denn mit `Reinigung´? Das Massensterben etwa? Hinrichtungen? Denkt er etwa, so die Menschheit ändern zu können? Das halte ich für Fantasterei. Seine Worte mögen ja bei Vielen ankommen und ihnen so etwas wie neuen Mut geben, doch sie werden am nächsten Tag schon in den Spiegel sehn müssen und eingestehn, dass im Grunde nichts geschieht, was nicht schon immer geschehn ist. Da kommt keine `große Erleuchtung´ auf uns zu. Nicht, so lange wir so sind, wie wir nun mal sind, und es wird sich auch nichts ändern. Mag ja sein, dass bei Manchen ein Gesinnungswandel stattfindet, was gut wäre. Doch denken wir ernsthaft, mit guten Vorsätzen wäre es getan? Wir bleiben fehlerhaft, was auch immer wir gegenteilig beteuern mögen.“ Einige Zeit saßen sie noch schweigend beisammen und hingen ihren Gedanken nach. Schließlich schlug Binjaschar vor, die Sache vor G'tt auszubreiten. Oscar Ebeling schaute ihn an, als läge alle Sehnsucht darin. Ursel Pötschke nickte nur, und Albert Leng wiegte verlegen seinen Kopf, stimmte aber doch noch zu. So begann ihre erste „Konsultation mit G'tt“. Waren die Worte noch zaghaft, so löste sich dennoch in ihnen etwas, wie Binjaschar spürte. Diesmal brauchte er sie nicht so stark zu leiten, denn es war offenkundig, dass mehr Freiheit vorhanden war. Sie fassten endlich eigene Worte und wagten sich voran. Selbst Albert Leng überwand sein anfängliches Stammeln und öffnete sich dem „realen Schöpfer“, wie er G'tt fortan zu nennen pflegte. Das Umdenken geschah in kleinen Schritten, bevor sie bereit waren zu diesem großen Schritt und mit G'tt Kontakt aufnahmen. Der Anfang war gemacht. Nun trug Binjaschar eine um so größere Verantwortung. Grade die sensible Phase kann einen Menschen entweder weiterbringen oder auskippen. Das war nicht anders in dieser kleinen Runde. Die nächsten Stunden und auch Tage würden zeigen, wie bei jedem Einzelnen die Änderung Fuß fasste. Noch hielt Binjaschar sich zurück und wartete lieber darauf, dass von ihrer eigenen Seite Fragen kämen. Das schien ihm angebracht. Je nach Situation würde er wenige helfende Worte anbringen, möglichst unauffällig angesichts der Menge um sie herum. Einzig Lissi erfuhr etwas mehr davon. Sie Sollte es an die gläubigen Freunde weitergeben, was auch durch ihre Geschicklichkeit gelang. Längst hatte sie selber Zugang zum Vater gefunden und Jeschua als ihren „großen Bruder“ anerkannt, an dem sie sich orientieren konnte, so weit ihr seine Lehre bekannt war. Dafür sorgte Binjaschar, der immer mal jemanden von ihnen beiseite nahm und sich zur Verfügung stellte.

Wieder einmal hielt Maitreya seine Rede, mittlerweile fast jeden Tag. Im Grunde baute er auf das bereits Gesagte systhematisch auf. So lenkte er die Zuhörerschaft immer weiter zu den entscheidenden Punkten, auf die er hinarbeitete. Kommandant Ebeling hatte eine Versammlung einberufen, an der möglichst Alle sich beteiligten. Wer anderweitig zu tun hatte, bekam es per Funk übertragen. Ebeling griff die Thesen Maitreya´s auf und hinterfragte sie mit praktischen Ãœberlegungen. Das brachte, wie er hoffte, die ganze Gemeinschaft zum Nachdenken und zur Wachsamkeit. In der Menge gut verteilt befanden sich die Gläubigen mit aufmerksamem Blick. Ihnen oblag es, die Stimmung einzufangen und „hinter den Kullissen“ zu agieren, wie sie das heimliche Beten genannt hatten. Irgend wann im Anschluss war ein öffentlicher Austausch vorgesehn. Die Freunde hielten ihre Aktion für gekommen und wollten keinen weiteren Aufschub zulassen. Darin waren sie sich einig, denn bei Manchen schienen Maitreya´s Worte zu fruchten. Jetzt galt es, die Gemeinschaft mit G'tt in Berührung zu bringen und ihnen die Augen zu öffnen. Das musste behutsam vonstattengehn, um sich keine Rebellen einzuhandeln. Denn dann wäre das Zusammenleben wirklich kompliziert worden, was niemand brauchen konnte. Nein, die Leute mussten selber denken und kritisch genug sein, um nicht auf schöne Worte reinzufallen und falschen Hoffnungen zu erliegen.

Weißes Haus, Washington
Die Zusammenkunft von den führenden Vertretern der wichtigsten Religionen und Wirtschaftsministern war bis auf den letzten Platz gefüllt. Lord Maitreya nahm den Ehrensitz Nummer 666 ein. Dieser Stuhl wurde noch nie zuvor besetzt, und alle Parlamentsmitglieder hielten ihn respektvoll frei. Nicht einmal wollte jemand Unterlagen darauf beiseitelegen. Feierlich Eröffnete der PM den Kongress und verlas das Tagesprogramm. Einige Referenden sollten die aktuelle Lage ihrer Länder vortragen, doch für den Hauptredner war von vorneherein eine Extrazeit einkalkuliert worden. Was einem Außenstehenden auffiehl, war der hohe Anteil aus muslimisierten Ländern. Alle Nationen bis zu den Stadtstaaten waren anwesend. Nur ein einziges Land fehlte. IsraEl war gar nicht erst eingeladen worden. Wirtschaftlich angeschlagen infolge weltweiter Boykotte, hatten seine Politiker und Wirtschaftsfachkräfte genug zu tun, um die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, was schwer genug war. Hinzu kam noch die militärische Lage im Land selber und an den Grenzen. Bislang hatte die Führung erfolgreich einen arabischen Terrorstaat im Staat verweigern können, doch das genau waren die Nachbarn ihnen aufzuzwingen aufs Äußerste entschlossen. Jetzt nützte keine weitere Diplomatie. Die Reden waren vorbei. Nunmehr standen sich die Armeen direkt gegenüber.
Das war letzten Endes auch der eigentliche Anlass des Kongresses. Das allseits isolierte IsraEl würde entweder den finalen Kniefall vollführen oder den „gerechten Zorn“ der Nationen zu spüren bekommen.
Als Maitreya schließlich am Rednerpult stand, hätte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können, so gebannt lauschte der Kongress jedem seiner Worte. Maitreya beschwor ein Bild herauf, das IsraEl als Aggressor und Störenfried per exellance darstellte. Dann führte er alle völkerrechtlichen Aspekte auf, gegen die das Land verstoßen haben sollte. Die Liste war dieses Tages besonders lang. Im Anschluss hielten die Vertreter jeweils ein kurzes Plädoyer, und es kam zur Abstimmung. Wie man sich denken konnte, war der Beschluss einstimmig. Erst jetzt wurde dem Land ein Ultimatum erteilt.

Was davon im Äther ausgestrahlt werden durfte, beschränkte sich nur auf das Nötigste. Das Ultimatum fand Erwähnung, doch eingebettet als letzter Punkt einer Liste „zionistischer Vergehn gegen die palästinensischen Ureinwohner und bestehenden internationalen Rechtes“. Besonders hervorgehoben wurde „IsraEl´s Widerspenstigkeit gegenüber jeglichen palästinensischen Friedensangebotes“. Man gebe gutherzig dem Land eine letzte Chance, sich zu beweisen. Mit „dieser Geste des guten Willens“ zeige man die Bereitschaft, IsraEl einen Platz innerhalb der Völkergemeinschaft einzuräumen. Sollte „wider Erwarten“ das Volk sich weigern, den „Palästinensern ihr Daseinsrecht zu gewähren“, würde die internationale Völkergemeinschaft „entsprechende Maßnahmen nach Ablauf des Ultimatums unverzüglich einleiten“.

Im HQ war man schockiert. Niemand hatte mit einem solchen Augenblick in der Geschichte gerechnet. Fast niemand. Nach der ersten Reaktion ergriff Binjaschar das Wort. Tief atmete er durch und schaute allen Umstehenden in die Augen, bevor er sprach. „Liebe Freunde, geachtete Gemeinschaft. Wir stehn in der Tat an einem Wendepunkt, ganz wie Maitreya gesagt hat. Nur ist es nicht entsprechend seiner ach so süßen Worte, wie sie uns noch voriger Tage in den Ohren geklungen haben! Wir sehn jetzt, was er wirklich beabsichtigt, und zwar die Versklavung einer Nation, welche über Jahrtausende um Leben und Freiheit zu kämpfen gezwungen worden war. Mit unerträglicher Heuchelei stürzen sich all die Nationen auf JisraEl, die schon immer imperialistischen antisemitischen Dreck am Stecken hatten! Wollen wir da mitziehn? Gehn wir in uns und entscheiden, was wir tun werden. Morgen treffen wir uns wieder vollzählig. Jetzt lasst uns die Zeit nutzen, um unser Innerstes zu prüfen.“ Damit verließ er wieder das Rednerpult.

Sofort bildeten sich rege diskutierende Gruppen, die gemeinsam die Offerte zu verarbeiten suchten. Auch um Binjaschar sammelten sich manche Mitglieder. Selber schwieg er während der ersten Minuten, hörte aber um so aufmerksamer zu. Erst nach und nach beruhigte sich die Menge und genehmigte sich Kaffee und Essen. Ja, die Straußenreiter waren erfolgreich bei ihrer Suche nach verlassenen Gärten. Mittlerweile konnte man auch das damals nachgesähte Getreide ernten und erstes frisches Brot genießen. Sogar ein verwildertes Kartoffelfeld enthielt per Saatgut überlebende Pflanzen. Tatsächlich hatten auch sie etliche Knollen, so war der Nachschub gesichert. Knollen zu legen ging wesentlich rascher als die Pflanzen sich selber aussähn zu lassen. Ergänzt wurde das Angebot mit allmählich aufkommenden Brombeeren und Himbeeren so wie Hagebutten. Die Vegetation hatte sich langsam erholt, wenn auch längst nicht regeneriert. Bis dereinst wieder nennenswerter Wald entstand, brauchte es Jahrzehnte. Eher noch war eine Buschsavanne denkbar, die im ausgedörrten und humusarmen Boden gedeihn konnte. Die ungebremsten Regenschauer hatten sämtliche fruchtbare Erde in die Täler gespült, wo zwischen dem Ginster vereinzelt schnellwachsende Arten wie Birken und Hollunder zum Vorschein kamen. Und mit wachsender Artenfülle vergrößerte sich auch das Angebot an Essbarem, an Medizin und Kosmetika. Man brauchte nur zu wissen, was für welche Zwecke sich eignete.

Der Morgen graute, und mit ihm kam die Wachablösung an der Funkanlage. Wer nicht an der Versammlung teilnehmen konnte, bekam ein Protokoll zu lesen. So war sichergestellt, dass auch Alle über die aktuellen Ereignisse informiert wurden. Das war enorm wichtig, denn jederzeit konnte etwas passieren, dann musste die Gemeinschaft reibungslos zusammenarbeiten. Die Konferenz war für den späten Vormittag angesetzt. So hatten sie Zeit, nachmittags zu sprechen und neue Gedanken zu sammeln.
Unterdessen tat sich etwas in der Höhle, genauer im kleinen Gebäude. Eine techniche Anlage entstand zwischen den Mauern. Kein Zivilist war informiert, was da allmählich Teil für Teil verschraubt und eingeklinkt wurde. Was höchstens auffiel, waren die Strahlenschutzanzüge, in denen die Pioniere steckten. Eigentlich war das Gebäude nicht wirklich als „klein“ anzusehn, doch wirkte es in dieser majestätischen Umgebung winzig. Uneingeweihte konnten es ohnehin kaum auf den ersten Blick entdecken, da die Techniker es bewusst zwischen massiven Wällen gesetzt hatten. Lediglich ein Rohrsysthem verband es mit einer Wasserstelle, aus der kein Trinkwasser entnommen wurde. Man hielt sich ran, denn der Vorrat an Treibstoff neigte sich rapide auf Null. Anfangs des neuen Jahrtausends befand sich in Frankreich ein experimenteller Prototyp in Bau, um den es allerdings bald still wurde. Die Soldaten hatten ein solches Gebäude im Kleinformat entworfen. Genau diese Anlage wuchs in der Höhle heran. Der Fusionsreaktor sollte bald alle Geräte und Fahrzeuge mit Strom versorgen. Die Verbrennungsmotoren waren rellativ schnell ausgebaut und ersetzt mit Batterieaggregaten. Und noch etwas ruhte bislang in den restlichen großen Kisten...
Endlich waren alle Anwesenden durch das Frühstück munter und gestärkt. Oscar Ebeling eröffnete das Treffen, in dem er über den Zweck des Militärs referierte. Bis wann ging die Pflicht, ab wann musste man dem Gewissen folgen? Grundlegende Fragen, denen jeder Soldat bald gegenüberstand. „Es ist nur eine Frage der Zeit“, führte er weiter aus, „und man bekommt von den Regierenden den Marschbefehl. In unserem Fall dürfte der fällig sein. Machen wir uns auf einen Besuch gefasst. Wir können uns der Sache nicht entziehn, ohne zu einer Art Rebellenarmee zu werden. Meine Damen und Herrn, jeden Augenblick kann uns die Stunde der Wahrheit ereilen, und wir müssen uns entscheidenden, auf wessen Seite wir stehn. Das hat Joschia Binjaschar gestern bereits angesprochen, deshalb sind wir heute zusammengekommen. Wir Offiziere haben uns darauf geeinigt, Ihnen beizustehn und uns nicht in den Vernichtungsfeldzug hineinziehn zu lassen. Wir haben das verbürgte Recht, aus Gewissensgründen bestimmte Handlungen zu verweigern. Dazu zählen auch Waffengänge gegen Ziele, die unser Wohlwollen genießen. Jeder Einzelne hier steht in Verantwortung für seine Taten. Falls jemand in den Krieg zu ziehn gedenkt und gegen IsraEl kämpfen will, steht ihm der Abzug frei. Wir werden ihm nicht hinderlich sein. Ob er aber noch immer sein Spiegelbild ertragen kann, ist eine andere Sache. Wir jedenfalls haben entschieden, uns nicht an solch Massaker zu beteiligen!“ Das Wort hatte er fast ausgespuckt, so angewidert verzog er das Gesicht bei dessen Erwähnung. „Allerdings“, fügte er jetzt hinzu, „erfolgt von unserer Seite aus auch keinerlei Unterstützung. Wer gehn will, verlässt uns ohne Proviant und Ausrüstung. Wir halten keinen Reisewilligen auf. Die Funkgeräte und Werkzeuge bleiben hier. Das wäre dann alles. Wegtreten!“
Mit Erleichterung nahmen die Gläubigen den Entschluss zur Kenntnis. Jetzt blieb abzuwarten, wie sich die Lage entwickeln würde. Immer wieder konnte man während der nächsten Stunden sehn, wie sich kleine Gruppen bildeten und über das Gehörte austauschten. So vergingen die Tage. Doch niemand nahm Abschied. Sah man ihnen in die Augen, so erweckten sie einen entschlossenen und gefassten Eindruck. Als dann der Weltempfänger meldete, was ja kommen musste, waren überall Seufzer und Missfallensbekundungen zu vernehmen. Unter ihnen konnte Lord Maitreya keine Beute machen. Diese Entschlossenheit stärkte den Zusammenhalt Aller, auch wenn sie ganz unterschiedliche Denkweisen hatten. Aber welche Gemeinschaft hatte sie nicht?

Längst waren alle Flüge von und nach IsraEl gestrichen, und nichts ging mehr. Kein Grenztransfer war noch möglich. Im Land selber tobte der Aufstand siegesgewisser Araber. Die Armee bekam Schießerlaubnis und machte davon Gebrauch. Doch auch jetzt vermieden die Soldaten, Frauen und Kinder zu treffen. Einzig Bewaffnete wurden aufgegriffen und eingesperrt. Erste Raketensalven kamen von Syrien und Libanon, verstärkt von dem Beschuss aus dem Gazastreifen. Nun, da der Krieg offiziell ausgebrochen war, begann die IDF den Gazastreifen einzunehmen. Die Blausterne taten ihr Bestes, feindliche Artilleriestellungen zu bombardieren, doch die waren durch Flak verstärkt. Zielsuchende Raketen machten es den Maschinen schwer, überhaupt nah genug heran zu kommen. Schon gab es Verluste. Wie konnte ein Land alle seine Grenzen zur selben Zeit verteidigen? Die Jets trafen auch auf gegnerische Maschinen und sahn sich in Luftkämpfen gebunden. Die eigentlichen Ziele konnten erst gar nicht erreicht werden. Israelische Artillerie anwortete ihrerseits auf den Hagel des Feindes. Die Autonomiegebiete bereiteten die größten Probleme, denn sie funktionierten plötzlich als Aufmarschwege des Feindes aus Jordanien. Schon sah Jerusalem sich umstellt.

In der Höhle wurden unterdessen die letzten Kisten geöffnet. Keinem Zivilisten war der Zutritt gestattet. Dr. Falcone´s Team war wieder genesen, einzig der Doktor selber litt unter pneumatischen Komplikationen und hing am Sauerstoffgerät. Sie sollten die Skelette begutachten, doch das musste warten. In den Kisten waren Einzelteile gelagert gewesen, welche bestenfalls an Industrieroboterarme erinnerten. Doch da lagen wesentlich dickere Teile, deren Enden mit Flanschen versehn waren. Die kleineren Stücke endeten in Geschützläufe. Eine der großen Kisten enthielt Gestänge und Bauteile eines Fahrzeugs mit Fräsvorrichtung. So bald es zusammengebaut und betriebsbereit war, bearbeitete es die Höhlenwände, hobelte grade Flächen und Nischen. Den Schutt schaffte man in ein Loch, dass die Pioniere zuvor am Höhlenrand ausfindig machen konnten.

 

 

Es war wohl sehr tief, denn man konnte es kaum ausleuchten. Am Ehsten war es vergleichbar mit einer Absenkung oder so etwas wie einem Schacht. Als die Steinbrocken hineingekippt wurden, verursachten sie einen ungewöhnlichen Lärm.
Endlich waren die Arbeiten an der Höhlenwand abgeschlossen, und schon brachte ein weiterer Kran Halterungen an die gefrästen Wände an. So bald sie fest im Gestein verankert waren, wurde das Gestänge an ihnen fixiert. Insgesamt sah es aus, als hätte man die Wände mit Geländern und Laufstegen ausgekleidet. Wer einen genaueren Blick darauf warf, konnte in der Tat Entsprechendes entdecken. Da waren Leitern vom Boden durchgehend zur höchsten Etage, riesige Halteklammern ragten von den breiteren Hinterwänden in Richtung Öffnung der Nischen. Leitungen wurden anmontiert und Geräte angeschlossen. Ungefähr 100 Meter vom Geschehn entfernt fügten die Techniker jene künstlichen Gliedmaßen an wuchtige Rümpfe an. Man konnte nicht umhin, sich an Roboter erinnert zu fühlen. Die Maße dieser Konstruktionen allerdings übertrafen alles Dagewesene weit. Schließlich wurden mit Seilwinden die Ungetüme aufgerichtet. Erst jetzt war ihre gigantische Größe zu bewundern. Ein weiteres Fahrzeug, dass ebenfalls in der Höhle zusammengebaut worden war, sah aus wie ein Flurförderzeug mit Korb. Techniker bestiegen ihn und wurden an einen Koloss herangefahren. Der Korb hob sich in die Höhe. Oben im Torso der zweibeinigen Maschine konnte man Sichtfenster erkennen. Offenbar war das ein Cockpit. Der Korb war mit einem Tor versehn, dass geöffnet wurde und Zugang zur Kabine ermöglichte. Zwei der Techniker schlüpften da hinein, die Anderen hangelten sich zu den Gelenken und öffneten Wartungsluken in Beinen und Armen. Die Maschinen wurden klargemacht.

Jerusalem war belagert. Mittlerweile befand sich ihr Ostteil in Feindeshand. Auch die Altstadt wurde bedroht. Nein, es gab kein Entrinnen. Der einzige Fluchtweg, ein im vergangenen Jahrhundert entdeckter und restaurierter Tunnel, war ebenfalls besetzt und ließ den Feind bequem ins Innere vorstoßen. Kein Magen adum- Wagen fuhr mehr zum Krankenhaus. Hilflos mussten die Bürger mitansehn, wie ihre Lieben verbluteten. Immer enger wurde es ihnen in der geliebten Stadt, immer weiter strömten die Feinde hinein und verfolgten sie. Schon trafen sie sich im Zentrum. Jerusalem war gefallen. Die Häuser wurden geplündert. Von überall waren die Schmerzensschreie der weiblichen Bewohner zu hören. Gleichzeitig wehte die jordanische Fahne, wo vorher noch der Degel war. Die Ãœberlebenden wurden gemustert, wer noch gesund war, abtransportiert in eine ungewisse Zukunft. Von ganz Jerusalem fehlte die Hälfte der Einwohnerschaft. In irgend welche anderen Ländern deportiert, hätten sich die Unglücklichen gleich umbringen können. Doch wie? Das wussten ihre Peiniger zu verhindern. Während Jerusalem´s verbliebene Bürger weinten, tanzten die Feinde. Müßig, zu fragen, wie die Kommentare der Massenmedien ausfielen. Bestimmt wurde nichts vom angerichteten Elend gesagt, sondern von der „längst überfälligen Befreiung des palästinensischen Volkes...“

In der Höhle herrschte Hochbetrieb. Die zweibeinigen Kampfroboter hatten alle Tests durchlaufen und wurden in die Nischen gesteuert. Als ihre Reaktoren auf Standby heruntergefahren waren, entstiegen die verbliebenen Techniker den Pilotenkabinen und begaben sich über die Wartungsgerüste nach unten, wo sie sich zu den Kollegen gesellten, die nach verrichteter Arbeit von den Mechs geklettert waren. Da standen sie nun. Riesenhafte Metallkolosse, von Waffensysthemen starrend. Raketenlafetten, Geschützläufe für unterschiedliche Waffenarten, an den Cockpits ragten Antennen empor wie die Fühler von Heuschrecken. Bis zu hundert Tonnen Stahl und Elektronik. Dass die Flachbetten und LKW es überhaupt bis zum HQ geschafft hatten, war unter Anderem einem wagemutigen Überläufer zu verdanken: Ali Akbar, der auf Dorian in Windeseile den Kontakt zum Keller hergestellt hatte. Unter gefährlichem Beschuss von oben hatte er alles auf eine Karte gesetzt, einfach weil er endlich Mensch sein wollte.
Die Pioniere meldeten im HQ die Fertigstellung der Anlagen und Abschluss aller Vorbereitungen. Oscar Ebeling sammelte das Team von Dr. Falcone um dessen Krankenbett. „Meine Damen und Herrn, heute werden Sie in die Höhle eingelassen. Geben Sie Acht beim Einstieg. Unsere Leute haben eine Feuerleiter angebracht, über die sie bequem zum Boden gelangen. Sie werden zum Fundort geführt und einen ersten Blick auf die Knochen werfen. Zu deren Untersuchung bauen wir noch das nötige Gerüst. Dr. Falcone, Sie können stolz auf Ihre Mitarbeiter sein!“ Das Team verabschiedete sich von ihren Leiter und folgte Ebeling zum Tunneleingang, wo man sie in Empfang nahm. Sie konnten nicht wissen, dass es ihr endgültiger Abschied war.

Die eroberte Stadt hallte vom Lärm der triumphierenden Araber wider. Alles öffentliche Leben war zum Erliegen gekommen. Die Bürger lagen in Agonie irgend wo im Tumult. Manche hatten das „Glück“, in stilleren Gassen zu leiden. Lautlos glitten die Schiffe durch die Luft. Kein Radar erfasste sie, nicht einmal optische Kennung war möglich. Ihre Hochtechnologie machte sie unsichtbar, als ob sie nicht vorhanden seien. Mittlerweile hatten sie den Tempelberg erreicht. Langsam senkten sie sich Meter für Meter zu Boden. Unter ihnen feierten ahnungslose Massen von Arabern und waren zu sehr mit ihrem Sieg beschäftigt, als dass ihnen die langsam sichtbar werdenden Schiffe aufgefallen wären. Doch endlich wurden sie stutzig. Was waren das auf einmal für schwebende Gegenstände, und von wo kamen die so plötzlich her? Langsam wurde ihnen unheimlich. Da glitten wie von Geisterhand Schiebetüren auf, die vorher noch nicht zu sehn waren. Eine große Gestalt sprang zu Boden und grüßte in fehlerfreiem Arabisch. Eine Faszination ging von diesem Wesen aus, dass wie ein Mensch aussah, doch irgend wie sich von ihnen unterschied. Gebannt starrten sie auf den Fremden, der mit einladender Stimme weitersprach. „Der Schöpfer hat uns zu euch entsandt, euch zu beglückwünschen. Der heutige Tag leitet eine neue Ära ein. Eine Ära der Wiederherstellung aller Dinge. Glück und Wohlstand halten Einzug auf der Erde.“ Während er weitersprach, merkte niemand, wie die Besatzungen der Schiffe ringsum Aufstellung nahmen. Keiner hatte sie aussteigen sehn.

Endlich kam das letzte Mitglied von Dr. Falcone´s Team am Höhlenboden an. „Folgen Sie mir!“, sagte der Pionier knapp. Sie begaben sich an Markierungen entlang zu einer Baustelle, wo etwas wie ein Gabelstapler vor ihnen aufragte. Nur war das Vehikel viel höher. „Kommen Sie, steigen Sie ein!“ Kaum war das letzte Mitglied im Korb, fuhr der auch schon aufwärts, einem beleuchteten Punkt entgegen. Ungefähr 20 Meter unter dem Höhlendach kamen sie zum Halten. „Höher kann der Hubmast uns nicht bringen. Sie sehn die Skelette da hängen. Schauen Sie sich die in Ruhe an. Dazu wurden Sie hergebracht.“ Stella Romana traute ihren Augen kaum, als die bleichen Knochen ihr entgegenstrahlten vom reflektierten Licht. Ein Raunen ging durch die Gruppe. „Haben Sie irgend welche Fragen bezüglich des Fundes?“, wollte der Pionier wissen. „Ja“, meldete sich jetzt jemand, „Wann werden wir über das Gerüst an die Knochen herankönnen?“ Der Pionier antwortete gleichmütig, aber bestimmt: „Innerhalb der nächsten Tage ist es montiert. Sollten Sie Ausrüstung brauchen, wird sie Ihnen bereitgestellt.“ Wie auf geheimen Wink fuhr der Korb schon wieder abwärts. „Sie werden rechtzeitig informiert, wann Sie Ihre Arbeit beginnen können. Ich begleite Sie jetzt wieder zum Tunnel.“ Die Wissenschaftler merkten, dass der Mann für keinen weiteren Wortwechsel bereit war und schwiegen ihrerseits. Doch in ihrem Inneren überschlugen sich die Gedanken.
Sobald sie das andere Tunnelende erreicht hatten, verabschiedete sich der Mann höflich, aber knapp und begab sich wieder zur Höhle. Das Team war noch reichlich verwirrt über die Eindrücke und wollte das auch gleich mit Falkone besprechen. Doch der Zugang zum Lazarett wurde ihnen verwehrt. Noch verwirrter, suchten sie sich eine stille Ecke, um alles zu verarbeiten.

Das menschenartige Wesen befahl den Lauschenden, sich ruhig zu verhalten und vom Tempelberg zu entfernen. Sie konnten sich keinen Reim daraus machen, doch jetzt nahmen sie die anderen Fremden wahr, die sich rundum an den Rändern der Erhebung postiert hatten. Und sie trugen mächtige Waffen! Im Weißen Haus tagte unterdessen der Kongress und hörte die Rede Maitreya´s zur aktuellen Lage. „In diesem Augenblick, meine Damen und Herrn, wurde das goldene Zeitalter eingeleitet. Als Zeichen unseres guten Willens werden wir einen Tempel stiften, wie er für Juden, Muslime und Christen gleichermaßen akzeptabel ist. Keiner der Parteien soll es an irgend etwas mangeln. Dem Frieden steht nunmehr nichts im Wege!“ Tosender Beifall brandete durch den Saal, und überall weltweit schallte er aus den Fenstern auf die Straßen. Jedes öffentliche Gebäude war gefüllt mit Besuchern, die sich die Ãœbertragung nicht entgehn ließen. Von einem Abkommen war die Rede, welches „dauerhaften Frieden zwischen IsraEl und Palästina“ garantiere. Ja, da die Juden etwas zum Jubeln hatten, einen Tempel, der ihnen auch keinen Ärger mit Muslimen und Christen bescherte, würden sie doch wohl endlich den Vertrag unterzeichnen. Zumindest war das die Vorstellung der meisten Erdenbürger. Jerusalem wurde per UNESCO- Beschluss zum „internationalen Kulturerbe“ ernannt. Geschlagen, wie die überlebenden israelischen Politiker waren, unterzeichneten sie missmutig den vorgelegten Kontrakt. Die Autonmiegebiete wurden samt Gazastreifen zum „Staat Palästina“ vereinigt, wobei ein Korridor beide Teile verband. Fortan besaß IsraEl nur noch eingeschränkte Wasserrechte, und Juden wie auch Christen fristeten ein kärgliches Dasein, stets reglementiert seitens der mächtigen Völkergemeinschaft. Aus vorgefertigten Bauelementen wurde dann der Tempel erbaut unter Einbeziehung des Felsendoms. Al Aksa war nicht länger nötig und wich ohne Widerstand. Wie in den Kirchen üblich, wurden auch Zeiten für die Parteien festgelegt, von wann bis wann sie den Tempel für sich nutzen konnten, und wie zwischen den Christen in den Kirchgebäuden würden auch im Tempel bald schon Händel ausbrechen. Doch vorerst schienen alle Beteiligten zufrieden ihre Zeremonien zu verrichten. Wächter darüber waren die Fremden. Allmählich kam der Wunsch nach einem „Präsidenten der Völkergemeinschaft“ auf. Einstimmig wurde Lord Maitreya gewählt. Nur er kam als Schlichter zwischen den Parteien in Frage, und nur er vermochte ein Ansprechpartner zwischen Menschen und „Außerirdischen“ zu sein.

In der Höhle war das Gerüst endlich angebracht, und mit großem Intresse nahmen die Forscher die Skelette aus nächster Nähe in Augenschein. Proben wurden einer Datierungsmessung unterzogen und chemisch wie biologisch analysiert. Inzwischen war Dr. Falcone feierlich beigesetzt worden, und noch immer war die Stimmung durch seinen Tod überschattet. Selbst vermochte die sensationelle Ansammlung prähistorischer mit rezenten Arten auf engstem Raum die Wissenschaftler nicht über den Verlust hinweg zu trösten. Was aber vor ihren Augen da an der Decke hing, widersprach sowohl der damals durch Prof. Protsch frei erfundenen Menschheitsgeschichte wie auch der gesamten paläontologischen Zeitskala. Mitten unter die Tiere aus allen „Erdzeitaltern“, die hier munter versammelt waren, hatten sich auch zwei Hominiden gemischt. Einer entsprach der Marke Neandertaler, der Zweite war ein „moderner“ Mensch. Und ganz nebenbei hielten manche Tiere wie Hominiden gemeinsam eine versteinerte Holzplanke umklammert. Man konnte nur ihre äußere Form erkennen, die sich da unter der Mineralkruste noch abzeichnete. Eine spätere Freilegung sollte mit noch weiteren Ãœberraschungen aufwarten...
Doch wie konnte man die zusammenhängende Fossilansammlung als Ganzes vom Höhlendach lösen und intakt in ein Labor verbringen? Die übliche Ausgräbermethode mit Klopapier und Gips stand zur Debatte, doch wie konnte das dadurch entstehende enorme Gewicht abgestützt werden, ohne Schäden zu riskieren? Die ganze Aktion musste wohldurchdacht sein, wobei alle Eventualitäten abzuwiegen waren.
Zunächst bestellte das Team bei den Soldaten ein stabiles Stahlnetz, welches knapp unterhalb des tiefsten Punktes der Knochenansammlung reichen musste. Nach erfolgter Gipsung durfte kein Sturz der kompakten Masse vorkommen. Um das Netz auch wirklich sicher zu befestigen, bedurfte es einer Strukturanalyse des Gesteins. Parallel zu den Vorbereitungen arbeiteten die Techniker auch an einem Aufbau für die Kettenpalette, welche die Fracht später tragen sollte. Ein stabiler Stahlrahmen mit Füllstoff zur festen Lagerung musste aufmontiert werden. Falls die Palette sich als zu klein erwies, würden die Techniker auf das Flachbett zurückgreifen und sich eigens dafür etwas einfallen lassen. Doch vorerst schätzten sie, dass eine der großen Kisten, in denen vorher die Torsi ihrer Mechs untergebracht waren, an Volumen dem zu erwartenden Gipsklumpen entspräche. Für alle Fälle fertigten sie aber den Rahmen, falls die Kiste nicht geeignet sei. Eine massive Gipsmasse war im Vergleich eines gleichgroßen Mechtorso um ein Vielfaches schwerer. Dem war von Anfang an Rechnung zu tragen. Das Team wurde stets von der Bodenstation der Feuerleiter zum Einsatzort gefahren, auch während ihrer Pausen bekamen sie nur das Gebäude zu sehn, welches den Fusionsreaktor umschloss. Fragen dazu wurden strikt überhört. Als Personentransporter diente ein Elektrobus, wie sie bei Flughäfen in Gebrauch waren. Auch alle weiteren strombetriebenen Motoren, die die Funktion der Vorherigen erfüllten, kamen von Militärflugplätzen.

Endlich war der Zeitpunkt gekommen, das Netz hing bauchig unter den Skeletten. Seine Ränder ließen zur Höhlendecke hin etwas Platz, und man konnte bequem nach innen schlüpfen. Die Eingipsung hatte begonnen. Sobald sie beendet sein wäre, sollte der schwierige Teil erfolgen: Das Abtrennen des Gesteines, an dem die Knochen hingen, vom Höhlendach. Das würde ein gefährliches Unterfangen sein. Die gesamten Haftpunkte mussten zur selben Zeit aus dem umgebenden Gestein gelöst werden, wenn es nicht zum Abreißen von Knochen kommen sollte. Noch ein Problem ergab sich, während man beim Gipsen war. Die Frage kam auf, als das Team den tiefsten Punkt umhüllte. Wie konnte vor dem Aushärten ein Festkleben am Netz vermieden werden, obwohl es doch das enorme Gewicht halten musste, während man sich am Höhlendach zu schaffen machte? Nein, das Ganze härtete am Besten aus, bevor sie sich ans Lösen begaben. Derweil formten die Techniker stabile Polster, die genau zwischen Material und Netz eingepasst werden konnten. Selbst nach erfolgtem Ablösen des Gebildes brauchten sie eine Methode, das Netz mit Inhalt vom Höhlendach zum Boden zu fördern. Apropos Fördern...
Die Techniker bekamen einen Sonderauftrag. Unter Berücksichtigung aller Daten sollte ein Turm gebaut werden, wie von Bergwerken bekannt. Und zwar in vierfacher Ausfertigung, jeder Turm für je eine Ecke des Stahlnetzes. Das war eine große Herausforderung an die Experten, zumal sie vermuteten, dass ihre Stahlreserven für gleich 4 solcher Türme nicht reichten. Sie hatten keinen Hochofen, waren ergo angewiesen auf die mitgebrachten Schraub- Schweiß- und Stecksystheme. Selbst wenn sie dafür einen Kran ausschlachteten, blieb doch der Zweifel an der Durchführbarkeit. Sicherungsbolzen und Sockel waren kein Problem, der Berg lieferte genug Zement. Nein, absoluter Schwachpunkt war die Menge an Stahl für die Türme. Einer der Piloten war es, der die „zündende“ Idee hatte: „Wenn es uns gelingt, Erz zu schürfen, können wir im Höhlenboden eine Pfanne aushauen. Die Energiewaffen dürften dann die nötige Wärme erzeugen, das Gestein zu schmelzen. Wir bräuchten lediglich eine Vorrichtung zum Schöpfen und Gießen. Die Gussformen sind schnell aus Holz gebastelt.“ Gut, war notiert. Falls ihnen der Stahl tatsächlich ausging, hatten sie nunmehr eine Lösung impetto. Der Fossilienblock war vollständig eingepackt. Erst einmal konnten die Forscher eine Pause weniger Tage einlegen, so lange die Förderturmkonstruktion im Gange war. Falls tatsächlich Erz verhüttet wurde, bedeutete das ein etwas längeres Warten der Gelehrten auf ihre Stunde. Schon jetzt überlegten die Techniker, in wie weit sie einen Teil der Fördertürme nach Abschluss der Fossilbergung für den weiteren Ausbau neuer Wandflächen einsetzen konnten. Das Gerüst hatte die Forscher zwar bis zur Decke gelangen lassen, war jedoch nicht geeignet für das Ablassen des gefüllten Stahlnetzes. Die Bauteile wurden aber für jene Türme verwendet. Jedenfalls waren jetzt mit Fertigstellung der Türme größere Höhen erreichbar. Das Gestänge reichte für den ersten Turm. Es genügte auch noch für den Zweiten. Beim Dritten war man skeptisch, und mit Presslufthämmern begannen die Pioniere an einer der abseits gelegenen Stellen mit ihrem Aushub. So oder so würden sie die Pfanne bestimmt gut gebrauchen können, deshalb machten sie weiter, selbst falls der Stahl hinkäme. Rund um die Pfanne zogen sie einen Umriss. Und parallel dazu setzten sie eine größere Linienführung. Das gesamte Muster erinnerte zwar an die Figuren auf dem Nazcaplateau, sollten aber schon bald ihren wahren Zweck offenbaren.

Tatsächlich konnte Turm Nummer 4 nicht in Angriff genommen werden, trotz der Demontage eines Kranes. Weitere Kräne wollten sie nicht opfern, denn sie wurden für die Bestückung der Mechs benötigt. Fixiert in den Klammern, konnten sie zwar gewartet werden, aber das Austauschen größerer Module wie zum Beipiel der Waffensystheme samt Nachfüllen der Munitionskammern war nur durch Kräne möglich. Ein ständiges Umbauen verbrauchte Zeit und verschliss vorhandene Bauteile. Genau das wollte man vermeiden. Sie würden ihre Mechs neben der obligatorischen Wartung noch oft reparieren müssen. Denn ob sie wollten oder nicht: Mit ihrer Weigerung, sich gegen IsraEl zu stellen, hatten sie es auf die schwarze Liste geschafft. Von Stund an war mit Regierungsaktionen gegen ihr Gut und Leben zu rechnen.
Parallel zur Ausformung der Schmelzpfanne vertiefte der Bautrupp der Pioniere den vorgezeichneten Rahmen um das Quadrat, in dessen Mitte die Pfanne entstand. Ein anderes Abteil machte sich an die Konstruktion eines Statives, dass auf einer Protzkuppelung befestigt wurde. An das nun frei schwenkbare Stativ montierten sie einen leichten Laser. Der lieferte genug Wärme für die Stahlkocherei, ohne jedoch das umgebende Gestein zu verändern. Außerdem konnte die Waffe ihnen im Notfall feindliche Infantrie und leichte Fahrzeuge fernhalten. So oder so würden sie neues Metall dringend benötigen, um weitere Panzer, Fahrzeuge, Geräte, Waffensystheme, Mechs und jede Menge Ersatzteile zu produzieren. Die Höhle hatte sich als größer erwiesen als zunächst vermutet. Weitere Erkundungen zeigten sogar neue Kammern, und es schien kein Ende abzusehn. Sie konnten quasi eine komplette Zivilisation aufbauen, was angesichts der aktuellen Weltlage immer wahrscheinlicher wurde. Die Techniker planten und konstruierten Sanitäranlagen, Wohnbezirke entstanden, Lagerstellen für Lebensmittel, Magazine für allerlei Gerätschaften und zivile Ersatzteile. Schließlich wuchs nach und nach eine ganze Stadt, verborgen im Bauch der Erde. 3 Jahre waren vergangen, Ehen geschlossen und kleine Familien gegründet. Nach dem Tod seiner Frau hatte Oscar Ebeling doch noch wieder geheiratet, und zwar Ursel Pötschke. Ihr Alter war nicht so weit weg von einander, als dass es eine Hürde dargestellt hätte. Joschia war endlich mit Lissi verbunden, auch die meisten Anderen der Gefährten hatten jemanden finden können. Glücklicherweise waren unter den Wissenschaftlern Einige mit Begabung zum Lehren, und Joschiah bot Religionsunterricht an, der selbst von scheinbar Ungläubigen besucht wurde. In einer ausgebauten Halle war ein Flugzeughangar samt Werft entstanden, denn die Tecnniker hatten sämtliche Baupläne als Kopien mitgenommen. Angesichts der massiven Zerstörungen bestand jedes Kontingent aus allen Berufszweigen und verfügte über jede nur denkbare Ausrüstung bis hin zu Krankenhäusern und weiteren zivilen Einrichtungen, die für einen erfolgreichen Wiederaufbau der Zivilisation erforderlich waren. Jetzt hatten sie die Flächen, auf denen die neue Bevölkerung wohnen und arbeiten konnte. In den Laboratorien entwickelten die Forscher brauchbare Verfahren, Algen und Mikroorganismen als Nahrung zu nutzen und für die Rohstoffgewinnung zu verwenden. Das alles gelang ihnen innerhalb der 3 Jahre. Weder der Fusionsreaktor noch die Mechs bedurften weiterer Geheimhaltung. Im Gegenteil warteten schon Dutzende Anwärter auf ihre Ausbildung zum Piloten, und neue Reaktoren standen schon tief im Erdinneren, von festem Fels umgeben. Eine professionelle Industrie stellte die Reaktoren für Gebäude, Maschinen, Fahrzeuge, Luftwaffe und Mechs in Serie her. Niemand verlangte für irgend etwas Geld. Nein, jeder bezahlte durch sein Dazutun für das Gelingen der Gesellschaft.

Ali Akbar führte die Straußenreiter in das vor ihnen liegende Tal. Da unten standen Häuser, die erst kürzlich gebaut worden sein mussten. Vorsichtig näherten sie sich im Schrittempo. Ein paar Soldaten waren offiziell in ihren Verband eingegliedert worden. Strauße hatten gegenüber den Fahrzeugen einige Vorteile: Sie waren lautlos, wendig und mit schnellen Reflexen ausgestattet. Ihre Genügsamkeit erlaubte es den Reitern, ohne Futter auszukommen. Strauße fanden immer und überall Nahrung. Selbst für den Menschen toxische Pflanzen konnten ihnen anscheinend nichts anhaben. Sollten sie einmal zur Flucht gezwungen werden, forderten die Reiter Verstärkung an. Zwar war es für die Piloten bislang nur bei Ãœbungen geblieben, aber sie wussten schon um ihren Daseinszweck. Langsam näherten sich die Strauße dem ersten Gebäude. Ali signalisierte dem Trupp, anzuhalten. Er alleine ritt weiter. Solch ein Strauß hatte zuverlässige Sinne und spürte lauernde Gefahr. „Ist jemand hier?“, rief er jetzt. Keine Antwort. Aber auch kein Waffenklicken. Da lauerte wohl niemand hinter irgend einer Deckung. Dorian blieb stehn und senkte den Hals, als untersuche er den Boden. Doch er pickte nicht nach Insekten. Auch scharrte er keine Knollen frei. Wie ein Hund schien er irgend etwas in der Erde entdeckt zu haben, obwohl sein Geruchsinn nicht zum Schnuppern ausgelegt war. Nein, eine Kombination von Oberfrequenten Lauten und seinem Gehör taten ihre Arbeit. Ali schöpfte Verdacht und lenkte Dorian auf den Rückweg, nachdem er ein Tuch an Ort und Stelle hatte fallen lassen. Bei dem Trupp angekommen, verständigte er das HQ, welches längst schon in einem gut ausgebauten Raum unter der Erde tätig war. Nichts verriet Unbekannten, dass da einst ein Haus gestanden hatte und jemals ein Keller existierte. „Keschik hört“, kam als Antwort. Das Oberkommando wurde seit seinem Umzug in den künstlich ausgefrästen Raum nur noch so genannt. „Laufenten haben Teich gefunden. Eisenkugeln im Schlamm.“ Nach wenigen Sekunden meldete der Funker sich wieder: „Verstanden. Fischer sind unterwegs. Bleibt in der Nähe. Ende.“ Was auch immer Dorian da gefunden hatte, sie würden es

 

bald feststellen.

Das Minenräumkommando strebte den angegebenen Koordinaten entgegen, unterstützt von einem Flugroboter im Kleinformat. Als Fliege getarnt, war das Gerät programmiert auf Suche im Rasterprinzip. Bestimmte gleichmäßig verteilte Punkte wurden angeflogen. Die Kamera schickte an jedem der Punkte ein Foto zum Empfänger, bevor die Fliege ihren Weg fortsetzte. Sie konnte auch jederzeit manuell umgeleitet werden, falls erforderlich. Diesmal folgte sie einfach der Straußenfährte. Sie durfte nur nicht zu nah an die Strauße selber heran, denn solch ein Vogel konnte ganz flink sein, wenn er einen Happen erspähte. Sobald man der Tiere ansichtig wurde, nahm die Fliege Höhe auf und entging den Vögeln. Die Reiterei war erreicht, und ein Tastendruck steuerte die Fliege 4 Meter über den Boden. Die Herde hinter sich lassend, senkte sich das Spionagegerät wieder auf einen Meter ab und folgte der Spur Dorian´s. Aha, hier endete sie. Der zuständige Techniker schickte eine Schnellbotschaft an den Funker. Dieser gab die Koordinaten an den Minenräumer weiter. Kurz vor dem Ziel kam er zum Halten. Zwei Mann führten Detektoren mit sich und entstiegen dem Gefährt. Systhematisch suchten sie die gesamte Ortschaft ab. Für Ali´s Trupp gab es nurmehr nichts weiter zu tun, als die Umgebung zu überwachen. Sie teilten sich in Zweiergruppen auf und patroullierten rund um das Dorf, immer aufmerksam nach Verdächtigkeiten ausschauend. Auch die Fliege steuerte die Häuser an, um nach Möglichkeit auch ihr Innenleben zu durchsuchen. Dazu umflog sie ein Gebäude und spähte nach irgend einem Durchgang, sei es ein gekipptes Fenster, ein Schussloch, Türspalt oder sonstige Öffnung. Da, ein Schuppen. Normalerweise konnten kleine Flieger mit Leichtigkeit in derlei Gebäude eindringen, besonders wenn sie nach Scheunenart gebaut waren. Dies war der Fall, und schon schwebte die Fliege zur Öffnung. Einzig war jetzt auf Spinnweben und eventuell flinke Tiere zu achten. Alles war frei. Das Gerät befand sich drin. Doch der Schuppen war völlig leer. Nichts als die Wände, nicht einmal eine Decke zwischen den Giebeln. Raus und zum nächsten Bauwerk. Nach ungefähr zwei Stunden Suche gelangte die Fliege zum vorletzten Haus. Hier gab es Zeichen von Leben. Eine Katze spazierte durch die Wohnung. Ihr Napf war leer, doch eine umgefallene Futterschachtel war aufgerissen und bot noch etwas an. Die Fliege tastete weiter jeden Winkel ab, nahm sich einen anderen Raum vor, zog dann weiter. Außer der Katze schien sich kein sonstiges Lebewesen im den Zimmern aufzuhalten. Da war eine Treppe. Auf zur nächsten Etage. Selbe Vorgehensweise. Im Bad schließlich lugte hinter der Tür ein Arm hervor. Die Fliege sendete mehrere Aufnahmen des Körpers aus unterschiedlichen Positionen. Keine äußerliche Verwesung war zu erkennen. Auch der Gasmesser schlug nicht an. Ob noch Hoffnung bestand? Obligatorisch wurde jedes Minenräumkommando von Medizinern begleitet. Hier war es nicht anders. Der Lazarettwagen eilte herbei, denn keine Mine war nach dem Einsatz des Räumers übrig. Sie wurden vor Ort entschärft und anschließend eingesammelt. Aber auch innerhalb von Bauwerken konnten solche Gegenstände angebracht worden sein. Die Tür wurde aufgebrochen, und schon gingen die zwei Minensucher zielstrebig zur Treppe, die Geräte immer in weitem Bogen schwenkend. Bis hier war der Weg frei. Jetzt untersuchten sie jede Stufe, ob eventuell Kontakte eingebaut waren, die durch das Gewicht eines Schrittes ausgelöst werden konnten. Wieder schien es in Ordnung zu sein. Die Sanitäter folgten ihnen auf Zuruf, um sicherzugehn. Auch der Flur zum Bad ergab keine Besonderheit. Da die Fliege kein Verwesungsgas gemessen hatte, konnte der Mensch eventuell noch leben. Vorsichtig tasteten die Minensucher die ganze Tür nach irgend welchen Drähten ab. Keine Besonderheit. Auch der Fußboden schien sauber. Der Mensch war auch nicht verbunden mit irgend welchem Sprengsatz. Jetzt endlich wagten sich die Mediziner heran. Puls war vorhanden, Aufatmen angesagt. Vorsichtig wurde Der Mensch angehoben, ohne die Lage des Halses zu verändern, und auf die mitgebrachte Trage gebettet, wobei sie den Kopf behutsam fixierten. So schnell es ging, waren sie mit ihrem Patienten wieder im Lazarettwagen, diesmal eskortiert von einem Teil der Straußenreiterei. Die Katze kam auch gleich mit, eben so das restliche Futter samt Fress- und Wassernapf. Doch noch konnten sie nicht starten, denn da wartete das letzte Gebäude auf ihre Suche. Die Fliege fand gleich im Wohnzimmer ein verängstigtes Kind, sichtlich abgemagert presste es ein Stofftier an sich. Die beiden Sanitäter waren sofort wieder vor Ort, ihre Kollegenschaft versorgte den Patienten schon. Im Wohnzimmer war sonst alles in Ordnung, und aus keinem Nebenraum kam eine Meldung. Während sich die Fliege nach oben begab, betraten die Minensucher das Wohnzimmer. Nichts. Wenigstens auch kein Aasgeruch. Während sie die anderen Räume untersuchten, kamen die Sanitäter und nahmen sich des Kindes an. Behutsam hob Einer der beiden Männer es hoch und trug es zum Wagen, der Andere wartete und schaute sich aufmerksam um, ob ihm irgend etwas auffallen könnte. Nach wenigen Minuten kam der Kollege zurück und gesellte sich zu ihm. Die Minensucher brachten Vorräte ins Wohnzimmer. Mehrmals gingen sie zurück und holten Essen wie auch Spielsachen. Essgeschirr, besonders für das Kind, kam ebenfalls hinzu. Seltsam war nur, dass es trotz der Vorräte so abmagern konnte. Entweder durch Krankheit, oder es litt unter einem Trauma. Letzteres schien der Fall zu sein, denn es zeigte kaum eine sichtbare Reaktion auf die Retter. Nur auf den Armen des Mediziners schmiegte es sich an und war etwas entspannt, wie ihm vorkam. Aus dem nächsten Stockwerk funkte die Fliege Alarm an das HQ. Auch die Minensucher hörten ihn über ihr Headset. Jetzt nichts übereilen! Wie gewohnt gingen sie langsam weiter, die Geräte schwenkend. Keine Besonderheit, auch nicht bei der Treppe. Nirgends fanden sie etwas. Die Fliege war noch immer aktiv. Da, schon wieder der Piepton! Ihr HUD im Visier zeigte magnetische Anomalien. Um so aufmerksamer sahn sie sich um. Da war eine Tür, vermutlich zur Besenkammer. Keine verdächtigen Metallteile. Die Tür musste warten. Erst kamen die zugänglichen Räume dran. Seltsam. Irgend etwas war hier anders, obwohl weder die Fliege sich meldete, außer die zwei Male wegen magnetischer Interferenzen und offenbar auch nichts Besonderes von der Kamera festgehalten wurde, noch schlugen ihre Metalldetektoren aus. Aber da war definitiv etwas. Die Männer spürten es, obwohl nichts zu sehn war. Der fliegende Roboter wurde noch intensiver auf Suche geschickt, aber kein weiterer Zwischenfall tauchte auf. Dennoch spürte man eine seltsame Gegenwart in der Nähe. Instinktiv begaben sie sich in den Flur zurück und nach unten. Hier wurde ihnen wohler. Kein Wunder, dass das Kind so verängstigt war. Irgend etwas stimmte nicht im oberen Stockwerk. Die Minensucher forderten Verstärkung an, einen Sturmtrupp. Sie mussten der Sache nachgehn. Bis der Sturmtrupp eintraf, hielten sie sich lieber im Wohnzimmer auf und gaben ihren Eindruck an das HQ weiter. Sollten die sich Gedanken machen, was da vor sich ginge. Vielleicht hatte ja der Feind Schleichanzüge entwickelt und konnte deshalb nicht gesehn werden, und aus irgend einem Grund hatte der Sensor der Fliege den Tarnmechanismus zweimal aufgespürt. Um so besser, wenn der bewaffnete Sturmtrupp mit entsprechenden Geräten anrückte und jene Schleicher stellte. Die Keschik war jedenfalls über die Einzelheiten informiert.

Wie lange hatten sie schon gewartet? Von draußen hallten dumpfe stampfende Laute und kamen näher. Oh, die Keschik nahm es aber sehr ernst, sogar einen der beiden Mechs zu schicken! Dann war es auch ernst genug. Schnell packten sie die gefundenen Sachen und luden sie in den Minensucher. Hin und her, so schnell sie konnten, bis alles Bergegut gesichert war. Längst schon kam Ihr Mech heran, so dass der Boden bei jedem Schritt scheinbar zuckte. Die Fliege schwebte vor dem Schlüsselloch der Tür und sendete einen UV- Strahl hindurch. Die Abtastung ergab nichts. Jetzt im IR- Bereich. Da war eine unregelmäßige Wärmequelle. Im HQ sah man sich die Bilder bereits in mehrfacher Vergrößerung und Auflösung an. Da lag offenbar ein Körper, dessen Umgebung zu vibrieren schien. Ob ein Kadaver oder jemand Ohnmächtiges, konnte nur das Team vor Ort klären. Die Fliege jedenfalls hatte kein Verwesungsgas registriert. Aber außer der magnetischen Anomalie zeigte ihre IR- Abtastung nichts. Normalerweise schaltete sie automatisch alle Sensoren hinternander durch. Um so seltsamer die magnetische Störung und was die Minensucher gespürt hatten.
Lautlos mit Zeichen kommunizierend umstellte der Sturmtrupp das Haus, bevor die Entermannschaft zum oberen Stockwerk vordrang. Auch sie spürten es und meldeten der Keschick durch Signalgeber eine Bestätigung der Minensuchermeldung. Ihre Detektoren aber zeigten keine Anomalie. Jetzt brachen sie die Tür auf. Normalerweise waren solche Soldaten hartgesotten und auf alles Mögliche und Unmögliche bis hin zu versteckten Selbstschussanlagen und magischen Spielereien vorbereitet. Doch nur ihre eingebauten Kameras sprachen jetzt. Ihre gefunkten Bilder in Echtfarben, UV und IR sagten alles. Den Mitgliedern des Einsatzteams hatte es jedenfalls die Sprache verschlagen. Da lag etwas vor ihnen, das an kein bekanntes Lebewesen erinnerte. War es überhaupt ein Solches? Ihre Schutzanzüge waren sowohl auf Strahlen wie auch auf chemische und biologische Kontamination abgestimmt. Endlich wieder Fassung erlangt, riefen sie die Minensucher. Selber standen sie noch außerhalb des Raumes. Es half nichts, die beiden Männer mussten ihr mulmiges Gefühl so gut es ging ignorieren und in das Stockwerk zurückkehren. Je näher sie der Etage kamen, um so stärker wuchs die Beklemmung. Schließlich sahn auch sie das Etwas da liegen. Wenigstens waren sie nicht ganz allein, auch wenn es den Kameraden kaum besser erging. Schritt um Schritt rückten sie vor und schwangen die Detektoren überal herum. Auch die Fliege surrte leise durch das ganze Zimmer. Immer, wenn sie in einem bestimmten Winkel zum Objekt war, erfolgte die Magnetanomaliemeldung. Ihre Kamera erfasste den Bereich. Keine Metallischen Gegenstände, die außergewöhnlich waren, keine Emmission. Leichte Radioaktivität. Aha. Der Magnetismus in einem bestimmten Winkel kam aller Wahrscheinlichkeit nach von einer kleineren Quelle in oder an dem Objekt. Vorsichtig packten die Männer das mysteriöse Etwas und hoben es an. Es war elastisch und bog sich durch. Zum Glück befand sich im Lazarettwagen eine zweite Trage. Diese wurde herbeigeschafft. Nach ihrem Einsatz würde man sie vor Ort dekontaminieren. Etwas Radioaktives hatte jedenfalls im Krankentransport nichts zu suchen. Ein Transporter für radioaktives Gut kam nach einer Stunde herangekurvt. In der Höhle bereiteten die Techniker den gesamten Weg vom Eingang bis zum Raum für solche Dinge vor. Gummimatten deckten den Boden ab, Spezialfaserblöcke bildeten beiderseits eine Gasse vom Eingang bis zum Raum, in dem auch ein Labor integriert war.

Sobald ihr Fund abtransportiert wurde, sollten sie nochmals das Haus überprüfen, ob sich irgend etwas geändert habe. Die Sensoren der Fliege blieben stumm. Auch die beteiligten Männer meldeten nichts. Ihre Beklemmung schien von ihnen gewichen zu sein. Dennoch wurde das leere Dorf streng abgeriegelt und von Doppelwachen gesichert. Auch der andere Mech löste den Größeren ab, welcher den Sondertransport auf dem gemeinsamen Rückweg eskortierte. Dieses Chassis war eher auf Infantrie und leichte Fahrzeuge ausgelegt, während ihre größere Maschine effektiv gegen Panzer, Luftwaffe und andere Mechs war, so fern Letztere auftauchen sollten, falls noch jemand außer ihnen solche Titanmonster besaß.

Der größte Teil des Weges war geschafft, und grade plauderten Pilot und Fahrer angeregt, als die Sensoren des Mech einen Signalton auslösten. Angestrengt schaute sich der Pilot jede mögliche Deckung an, ob da vielleicht jemand lauere. Nichts. Fast hätte er die Technik beschimpft, aber da war ein Punkt am Himmel, den er bemerkte. „Strahlemann von BigBoy, da vorne fliegt etwas. Ich zoome das mal ran.“ Kurz darauf begann er wieder: “BigBoy sieht etwas wie einen großen Vogel. Augen auf, Leute!“ Der Fahrer bestätigte die Sichtung, verfügte jedoch nicht über ein Zoom. Das Transporter- HUD war nur für Wegpunkte konfiguriert. Nach wenigen Minuten entfuhr es dem Piloten: „Da laust mich doch der Pelikan...“, und kurz darauf: „Ehem, Strahlemann von BigBoy, wie es ausschaut, wedelt uns da ein etwas ungewöhnliches Objekt entgegen. Sieht aus wie ein überdimensionales Fledertier. Es hat solche Flügel, ja. Aber es ist zum Teil ein Vogel mit langem Schnabel.“ Jetzt antwortete der Fahrer: „BigBoy von Strahlemann, das, was du mir da beschreibst, erinnert mich an die vielen Erzählungen der letzten 200 Jahre. Ich meine das mit Flugechsen. Habe ich dir ja mal geplaudert von. Weißt du noch?“ Ja, es dämmerte ihm. „Richtig, Strahlemann, diese angeblichen Sichtungen von Pterosauriern und ähnlichen Flattermännern. Sag mal, kann es sein, dass... Oh Scheiße... Da kommt gleich ein ganzer Schwarm hinterher! Ja, die sehn wirklich so aus. Und sie sind nicht grade klein. Können unseren Kutschen zwar nichts anhaben, aber wenn die vor unserer Nase rumwedeln, nehmen sie uns die schöne Aussicht.“
Jetzt schaltete der Fahrer auf erweiterte Frequenz. „Strahlemann hier. Keschik, habt ihr das mitgehört?“ Keine Antwort. Zweiter Versuch. „Strahlemann an Keschik, bitte melden“ Mist, irgend etwas blockierte den Fernfunk. „Strahlemann von BigBoy, vorhin haben die Sturmis mir was von irgend einem Störsender im Artefakt gesteckt.“ Ein kurzer Grunzer, dann: „Viel Spaß denn im Nebel. Kann ja lustig werden. Ein Wasweißich, das unseren Funk blockiert. Undankbarer Fahrgast!“ Jetzt frotzelte der Pilot: „Hat wohl keine Bordkarte, was?“ Gut, versuchte er eben selber, die Verbindung herzustellen. „Keschik von Bigboy, könnt ihr mich hören?“ Das musste doch klappen, war die Kommunikationsanlage eines Mech, kurz „Komm“ genannt, um Längen stärker als bei Fahrzeugen! Rauschen, Knacken, schwache ganz ferne Stimmen. Allmählich kam ihnen das, was da im Laderaum des Transporters lag, doch unangenehm vor. Wenigstens war die Nahfrequenz nicht betroffen. „BigBoy von Strahlemann, was denkst du, sollen wir daheim sagen?“ Gute Frage. „Strahlemann, am Besten bleibst du vor der Scheune stehn. Ich klopfe an und bezahle das Porto.“ Der Fahrer war erleichtert. Zumindest, was die Sache betraf. Blieb allerdings noch der Drachenschwarm, dem sie begegneten. „Die da haben uns bestimmt schon bemerkt“, setzte der Pilot an, „und ich weiß nicht, wer von uns wen mehr beeindruckt.“ Lakonische Antwort vom Fahrer: „Werden wir ja gleich sehn... Wenn die Wert auf unsere Bekanntschaft legen sollten“ Diese Flugreptilien, die laut etablierter Geologie und Paläontologie vor langer, langer Zeit einst lebten, hatten einen schlechten Ruf angehängt bekommen seitens der zahlreichen Darstellungen von Leuten, die mit ihnen zu tun gehabt haben wollten. Sie galten als aggressiv, wenn man in ihre Reviere eindrang. Zudem wurde ihnen Einiges nachgesagt. Sie würden Tote kurz nach deren Beisetzung ausbuddeln und fressen, sogar gesunde Menschen sollten schon von ihnen attackiert worden sein. Für den Augenblich war der Schutz innerhalb des Cockpits eines Fahrzeugs, Mechs oder schnellen Fliegers beruhigend. Aber trotzdem wünschten sich Beide, sie kämen schneller voran. Leider war der Transporter anderer Meinung, denn er fuhr schon mit Höchstgeschwindigkeit. Um so tröstender war die reiche Bewaffnung des Mech. Ein einziger Stahlriese, sogar der Kleinste, vermochte eine komplette Stadt einzuäschern. Gegen einen Schwarm Flugsaurier brauchte er nur die MG- Bündel rattern zu lassen. Wollte der Pilot Munition sparen, leisteten die Flammenwerfer gute Arbeit. So oder so hatte jedes Lebewesen gegenüber Mechs keine Chance. Der große Mech verfügte über weitaus fettere Kaliber, bis hin zu Fernwaffen. Seine Laser konnten anfliegende Raketen verdampfen, bevor sie ihm zu nah kamen. Kein Jagdflieger mit Ausnahme des getarnten Bombers wurde ihm gefährlich. Auch Panzer waren ihm unterlegen bis auf Artillerie. Einzige Feinde waren vergleichbare Mechs. Und von denen existierten grade mal 2, falls nicht irgend wer heimlich eine eigene Produktion am Laufen hatte.

Der Schwarm zog über ihnen hinweg, doch wenige Tiere lösten sich und sanken zu den beiden metallenen Gestalten hinunter. Sowas hatten sie bislang nicht gesehn. Die Neugier war gegenseitig. Fahrer und Pilot besahn sich diese eindrucksvollen Tiere aus nächster Nähe, als diese einen Blick in die Kabinen warfen und abdrehten, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Welch ein Erlebnis! Ob das wohl auch ihre geflügelten Besucher dachten? Sie wanderten weiter, einem den beiden Soldaten unbekannten Ziel entgegen. Für den kurzen Moment befürchteten die Beiden das Dorf in der Flugrichtung. Doch die HUD- Anzeigen wiesen den Anfangspunkt ihrer Strecke zu weit östlich, und schon von Vögeln waren grade Strecken ohne Kurven bekannt. Warum sollte es bei diesen Flugkünstlern anders aussehn? Jede Kursabweichung bedeutete eine Verlängerung des Weges, was mit mehr Kraftaufwand verbunden war.
Weiter ging der Weg sowohl des Schwarms als auch der Soldaten. Insgeheim wünschten die Männer den Tieren eine gute Ankunft, wo immer das auch sei. Ganz weit weg erblickten sie einen kleinen Punkt am Horizont. Wieder auf Zoom geschaltet, entpuppte er sich als Humvee. Der Geländewagen hatte ein aktives Peilgerät aufmontiert bekommen und fuhr nun etwas zur Seite, wo er anhielt. Aha, ihre Leute hatten offenbar die Funkstörung registriert. „Weitblick an Ausreißer. Willkommen im Nest!“ Endlich mal etwas Vertrautes. „Schafe an Hirten. Wir folgen. Hatten unterwegs intressante Begebenheiten. Mehr dazu im Nest.“

Oscar Ebeling erschien persönlich am Eingang und fragte über Funk den Piloten zum aktuellen Status. „Gut, Sie direkt zu sprechen, Chef!“, erwiderte der. „die Fracht hat offenbar eine Art Störfeld aufgebaut. Es wirkt sich aber nur auf Langstreckenfrequenzen aus. Wie ich seh, kann ich noch nicht einchecken. Seid bitte vorsichtig mit unserem Gast. Wir wissen zu wenig über das Objekt. Irgend etwas ist sehr seltsam daran. Es verursacht ein Beklemmungsgefühl, wie die Minensucher samt Sturmis festgestellt haben.“ Ebeling antwortete: „Bleiben Sie in der Maschine, Pilot und warten Sie auf Instruktionen. Halten Sie die Augen offen für alle Fälle!“ Der Pilot bestätigte. Da war wohl etwas mehr im Gange, wie ihm dämmerte. Schnell prüfte er alle Geräte und Anzeigen. Keine Besonderheit, alle Systheme normal. Kein Blip. Sie schienen vorerst Ruhe zu haben, aber wer konnte schon wissen, was im nächsten Moment geschah?

Langsam manövrierte der Transporter durch den Korridor aus strahlungsabschirmenden Faserblöcken in Richtung des ausgefrästen Radiationsraumes. Alle Sinne zusammennehmend, fuhr der Mann meterweise weiter. Geschafft! Endlich war die seltsame Fracht im Raum und konnte ausgeladen werden für das Labor. Schon umringten Schützen, Techniker und Wissenschaftler in den obligatorischen Spezialanzügen die Ladeluke des Fahrzeugs, während man mit Geigerzählern eventuelle Kontaminierungen am Äußeren suchte. Negativ. Erst jetzt knackte es im Inneren, worauf die Klappe langsam nach oben schwang und fast zur selben Zeit eine Rampe vom Bauch des Hinterendes mittels eines Rundbügels nach außen gebracht und aufwärts gehoben wurde. Zwei Mann griffen sich die Deichsel der Kettenpalette und zogen das Ganze auf die Rampe, die dann zu Boden gesenkt wurde. Das Labor war völlig ebenerdig, so dass ein erschütterungsfreies Bewegen der Fracht in den Untersuchungsbereich erfolgte. Der Transporter wurde gründlich auf Strahlung und sonstige Anomalien untersucht, bevor er in seiner Bucht geparkt werden durfte. Zum Check musste der Fahrer seine Montur wieder Vervollständigen und aussteigen. Auch er wurde gründlich gescannt. Als er schließlich grünes Licht bekam, setzte er sich abermals hinter das Steuer und stellte das Fahrzeug in der Bucht ab. Zum Abschluss erfolgte nochmals ein Kontaminationstest, bevor er sich des Anzugs entledigen konnte und sich durch eine Schleuse in den Zwischentrakt begab. Sicherheitsdusche, frische Kleidung, medizinische Untersuchung, dann durch die zweite Schleuse den Gang entlang zum Pausenraum. Leckere Sachen wurden in der Kantine angeboten. Endlich durfte er sich entspannen.

Unterdessen hatte der Pilot freie Bahn und checkte seinerseits ein. Kontaminierungstest negativ. Den Mech in die Wartungsbucht gesteuert und endlich aussteigen.Unterwegs grüßten ihn die Techniker, die das Ungetüm der zahlreichen Prüfungen unterzogen. Für ihn war ein direkter Weg zur Kantine frei, wo er den Fahrer traf und sich zu ihm gesellte. Nach der Pause hatten sie einen Bericht zu verfassen und beim angeschlossenen Büro abzugeben. Dann endlich war Feierabend. Nach den technischen Untersuchungen des Mechs bestieg ihn ein anderer Pilot und postierte ihn innerhalb des Eigangsbereiches. Bevor nicht vollautomatische Geschütztürme die Höhle sicherten, musste dieses stundenlange Rumstehn sein. Doch bald schon würden sie über mehr Maschinen verfügen und in der gigantischen Halle für Mechs ihre Schießübungen absolvieren. Sämtliche Manöver fanden tief im Inneren der Erde statt. Um keinen Preis wollten sie auffallen. Ihre auswärtige Anwesenheit wurde auf ein Mindestmaß begrenzt. Sicherheit hatte den absoluten Vorrang. Auch hatten die Techniker Simulationskabinen gebaut, in denen die Flugpiloten ihre Fertigkeiten probten und verbessern konnten.

Im Labor herrschte Anspannung. Erste Messungen ergaben seltsame Werte. Einerseits schien das Objekt ein Gerät zu sein. Aber da waren auch biochemische Prozesse im Gang. Hatten sie sich gar eine völlig unbekannte Lebensform eingehandelt? Um sicher zu sein, wurde eine ständige Wache mit schwerer Ausrüstung im Labor stationiert. Alle Kameras erfuhren permanente Kontrolle und nahmen jede auch noch so geringe Bewegung aus unterschiedlichen Winkeln auf. Sollte dies eintreten, wurde automatisch Alarm ausgelöst. Emmissions- und Kontaminierungsmesser maßen ständig die Luft in der unmittelbaren Umgebung des mysteriösen „Dinges“. Oberflächensensoren gaben Temperatur und Feuchte an den LabComp weiter.
Ihr Bergegut hatte eine graue Oberfläche mit schwärzlichen Vertiefungen. Eine Art Kopf saß auf dem rhombischen Rumpf. Scheinbar hatte das „Etwas“ 2 Beine mit Knien und Füßen, doch ohne Zehen. Von den „Schultern“ entsprang je ein Lamellenschlauch und verlief parallel zum Rumpf, um wieder kurz oberhalb der Hüfte einzumünden. Messungen im UV- und IR- Bereich ergaben eine ständige wabernde Aura. Der Magnetismus schien sich nur nach außen zu richten und hatte sendende Funktion, ohne irgend welche Anziehung zu bewirken. Kein Impuls wurde registriert. Ultraschall- und Mikrowellenabtastung ergaben weitere Anomalien, doch was da reflektierte, entzog sich der Analyse. Entweder das Ganze hatte Leben in sich und war vorerst intakt zu lassen,

 

oder aber ihnen lag ein Gegenstand mit biochemischen Produkten vor. So lange das nicht geklärt war, schlossen sie ein Öffnen des Objektes aus. Auch die beklemmende Wirkung hatte sich verändert und nahm scheinbar ab.
Heute wollten die Wissenschaftler einen Versuch unternehmen. Dabei sollte das graue „Ding“ auf seinen Füßen gelagert werden. Alle Messungen würden weiterlaufen und eventuell Veränderungen aufzeichnen. Ob die Beine es überhaupt aufrecht halten konnten, würden die Beteiligten ja sehn. Bislang war keine Probe entnommen worden, denn falls es irgend eine Lebensform war, wollten sie kein Risiko eingehn. Das Objekt sollte unbeschädigt bleiben. Vielleicht konnte man es ja später nutzbringend in ein Systhem integrieren und möglicherweise als Ganzes kopieren oder Teile davon. Behutsam hoben sie es in die Senkrechte. Keine Reaktion. Zwei Leute hielten es, jederzeit bereit, es anzuheben, um Schäden zu vermeiden. Vorsichtig ließen sie es den Boden berühren. Die Füße erwiesen sich als elastisch. Drucksensoren überwachten deren Oberfläche. Endlich lagen ihre ebenen Sohlen komplett auf. Langsam senkte man das Objekt weiter. Da: Die Oberfläche der Unterbeine verfestigte sich. Erstmalig zeigte der Ultraschall die interne Struktur. Offenbar bestanden die Knie aus knochenähnlichen Gelenken, doch was war mit allen übrigen inneren Teilen? Bisher konnten die Forscher keine differenzierte Struktur ausfindig machen. Doch das hieß nicht, ihr Objekt sei hohl. Aus den Werten ging hervor, dass eine Art Gel oder Plasma Rumpf und Anhänge füllte. Sie senkten es weiter ab. Mit zunehmender Druckbelastung verfestigte sich auch die Oberfläche und erinnerte an ein Exoskelett, wie es bei Insekten üblich war.
Nach einer Stunde trugen die Füße das ganze Gewicht, und vorsichtig lockerten die Beiden den Griff. Das „Ding“ schien stabil zu stehn. Jetzt wurde ein Rahmen ringsum plaziert und zusammengesteckt. Sie hatten das Material sorgfältig ausgewählt, um keinen Messwert zu beeinflussen. Es durfte nicht magnetisch sein und musste chemisch neutral bleiben. Jetzt galt es, abzuwarten auf irgend welche weitere Veränderung.

Das Innere der Höhle hatte mittlerweile ein anderes Aussehn, besonders der Bereich um die Schmelzpfanne war stark bearbeitet worden. Das, was anfangs als Rahmen markiert war, glich jetzt einem Burggraben. Vom die Pfanne umgebenden Plateau führte beiderseits je eine Treppe zum Boden des Grabens. Am Ende des Plateaus war eine Rinne zu sehn, die sich bis zur Pfanne zog. Unterhalb des äußeren Endes der Gussrinne befand sich eine etwas niedrigere zweite Ebene, auf der hölzerne Gussformen bündig mit dem tiefsten Punkt der Rinne abschlossen. Das pfannenwärtige Ende wurde mittels eines Schiebers verschlossen. So konnten sie das flüssige Metall nach Bedarf durch die Rinne in die Formen laufen lassen. Mit Metalldetektoren hatte man eine vielversprechende Erzader entdeckt, an die sich die Steinfräse nun herangrub.

Noch mussten sie mit ihren 2 Mechs auskommen, welche einzeln ihren Dienst versahn. Das kleinere Chassis patroullierte beim leeren Dorf. Einzig auf das Größere konnten sie zurückgreifen, falls irgend wer ihrer verborgenen Zivilisation zu nahe käme. Doch in wenigen Tagen sollte sich das ändern. Sobald ihnen der neue Stahl zur Verfügung stand, konnten sie den vierten Turm konstruieren und endlich die Fossilien bergen. Baupläne weiterer Mechs dienten als Vorlagen für Gussformen. Alle Vorbereitungen liefen zügig.

Das herangefahrene Elektronenrastermikroskop sollte den Forschern beim Ermitteln der Materialeigenschaften des noch immer nahezu unbekannten Fundstückes neue Daten liefern. Sie konnten bis jetzt nicht sagen, aus was die Oberfläche des ominösen Objektes bestand. Weder Metall, Kunststoff noch irgend etwas Organisches war damit vergleichbar. Erste Bilder ließen auf mineralische Anteile deuten. Eine gleichmäßige Gitterstruktur kam zutage, wobei sie in den verfestigten Bereichen deutlich enger war als in den unbelasteten Stellen. Der Kopf schien innere Vorrichtungen zu enthalten, die Sensoren sein konnten. Ein Beleuchtungstest ergab, dass im Stirnbereich etwas auf das Licht ansprach. Beschallung in Oberfrequenz schien ebenfalls aufgenommen zu werden. Die schall- und Lichtreflektierenden Stellen im Objekt waren von unregelmäßiger Beschaffenheit. Ob Motoren oder Organe, sollten spätere Untersuchungen zeigen.
Alle bisherigen Daten wurden in Diagrammen, Tabellen und Zeichnungen dargestellt, um die Forscher mehr sehn zu lassen. Und ein maßstabgetreues Modell entstand. Zwar wussten sie nicht, mit welchen Materialien eventuell die bisherigen Funktionen erzeugt werden konnten, aber sie waren etwas weiter gekommen.
Im HQ liefen vom Außenposten beim Dorf immer wieder besondere Meldungen ein, denen zufolge weitere fliegende Reptilien auftraten. Offenbar kamen sie in der Gegend vor. Man ließ die Saurier gewähren, beobachtete ihr Verhalten jedoch eingehend. Schlussendlich hatte man die Gebäude gründlich untersucht und nichts entdeckt. Sie wurden jetzt von Soldaten, Technikern und Wissenschaftlern bewohnt. Auch baulich erfuhr das Gelände eine Veränderung. Sockel ragten rundum auf, gekrönt von Protzkupplungen mit Geschützen. Ähnliches geschah auch im Eingangsbereich der Höhle. Nach der ersten Förderung war es dann so weit: in der Schmelzpfanne türmte sich erzhaltiges Gestein und wurde unter Laserbeschuss genommen. Allmählich glühte es auf. Der Haufen sank zusehends in sich zusammen. Bald schon glich die Pfanne einem brennenden dampfenden Pfuhl. Endlich wurde der Schieber gehoben, und eine grelle Flüssigkeit verließ den Tigel, um gleich darauf die erste Gussform zu füllen. Nach dem Erstarren des Inhaltes zog ein Greifarm das Gefäß beiseite, während ihm gegenüber ein Zweiter die nächste Form unter den Ausguss brachte. Schon hob eine Seilwinde den Schieber erneut, um ihn sensorgesteuert wieder sinken zu lassen. Auf diese Weise füllten sich alle Gussformen. Ein dritter Greiferarm schwenkte die erste Form herum und badete sie in einem ausgehauenen Bassin. Sofort bewegte er sich wieder zurück, worauf der Greifer sie umstülpte. Ein kleinerer Arm endete in einer Art Hammer und klopfte auf das Gefäß, bevor ein weiterer Greifarm die leere Form wieder wieder auf der Fläche vor dem Ausguss absetzte. Diese vier Arme arbeiteten dank Regeltechnik reibungslos zusammen.
Die Ader war ergiebig, was die Produktion rasch voranbrachte. Noch während man die erstarrten Bauelemente zusammenfügte und allmählich die Letzten abgeschreckt wurden, brachten Techniker andere Gussformen heran. Auf den Kettenpaletten harrten unterschiedliche Formen ihres Einsatzes. Da waren längliche Kästen, die wie große Ausgaben der Gussformen für den Förderturm aussahn, andere Gefäße bildeten flache Schalen und hatten schwenkbare Deckel mit Einfüllstutzen. In anderen Hallen wurde flexibler Kunststoff hergestellt, auch für elektrische Leitungen. Die Forschungsabteile hatten Verfahren entwickelt, ohne Kupfer auszukommen. Glasfaserähnliches Material ersetzte die herkömmlichen Drähte.

Nach nur einer Woche standen der vierte Turm und ein dritter Mech einsatzbereit auf ihren Posten. Längst war das Team von Dr. Falcone verstärkt und umgab nach geduldigem Warten wieder den Gipsblock. Jetzt begann der spannendste Teil ihrer Vorbereitungen: Ganz genau aufeinander abgestimmt begannen sie, das Höhlendach mit Meiseln zu bearbeiten. Gleichzeitig musste der Vorgang an jedem Punkt erfolgen, wo die Knochen am umgebenden Gestein festsaßen. Erst einmal gelöst und alleine vom Netz gehalten, konnten sie den Block der gepolsterten Schale überlassen, die an Ort und Stelle das untere Ende schon umhüllte. Bevor der vierte Turm stand, hatten die Techniker eine Plattform zwischen die drei anderen Türme gefahren und an den Seilhaken befestigt. So taten sie es dann auch nach Errichten des letzten Turmes und hoben die Plattform in die Höhe, bis das Netz mitsamt Schale plan auf ihr zu liegen kam. Das verschaffte Fossilien wie auch Menschen eine deutliche Sicherheit. Nunmehr von der hängenden Plattform gehalten, bedurfte die Schale keines Netzes, und es wurde von den Deckenhaken gelöst. Mit einem dumpfen Knacken trennte sich die kompakte Masse endgültig von der Decke. Ein erleichtertes Team brach in Jubel aus. Die Aktion war ein voller Erfolg. Jetzt kletterten die Forscher vom Gipsblock, an dem sie sich während ihrer Mühe teilweise lehnen mussten, über die Plattform auf das Gerüst, welches die Türme verband. An ihnen befanden sich Leitern, über die sie den Boden erreichten. Die Phase des Lösens war abgeschlossen. Jetzt konnte die Plattform zu Boden gelassen werden. Es war ein seltsamer Anblick für die Forscher, den Gipsblock an sich vorbei nach unten gleiten zu sehn. Für sie war erst mal nichts weiter zu tun. So lange nicht mindestens ein Turm wieder entfernt wurde, saß die Plattform fest. Nach seinem Abtransport würde sie, die im Grunde nur eine riesige Kettenpalette aus Metall darstellte, mühelos in ein vorbereitetes Labor gefahren werden. Hallen waren bedarfsweise ausgefräst und mit jeweils erforderlichen Einrichtungen bestückt.

Nach der ganzen Aktion konnte man sich Gedanken machen, welcher weiteren Verwendung die Türme zugeführt werden sollten. Inzwischen setzten die Techniker einen weiteren Mech zusammen. Dieses Chassis wies fast nur Fernwaffen auf und war als Artillerie konzipiert. Für den Zweck brauchten die Konstrukteure weder auf Gesamtgewicht noch auf Tempo zu achten. Der langsame Mech der Sturmklasse würde eh in hinterster Linie stehn, vor sich die schnelleren Maschinen als Deckung. Zusätzlich hatte man vollautomatische Flugabwehr angebracht. Sie vermochte Flieger und Raketen in sicherer Entfernung zu neutralisieren. Ein fünfter Mech sollte die Einheit vervollständigen. So lange sie den kleineren Bodentruppenjäger beim Dorf ließen, bauten sie eben eine identische Maschine. Ihr erster Stern, wie sie einen Mechtrupp nannten, bestand aus zwei leichten, einem oder zwei mittelschweren, einem oder zwei schweren und einem überschweren für den Sturm vorgesehenen Mech.
Noch war Platz genug im tiefen Loch, dass schon vor ihrer Ankunft in der Höhle existiert hatte. Vor dessen Verwendung als Schuttlager war es genau untersucht worden, enthielt aber kein Leben oder Wasser. Ein idealer Abfalleimer für geraume Zeit. Sie wollten möglichst viele Sterne und Flieger herstellen, so lange ihnen kein Angriff drohte. Über die Jahre war ihre Zivilisation völlig autark und funktionierte ohne irgend welche Zahlungsmittel. Jedes Mitglied brachte sich nach bestem Können ein und hielt ihre Gesellschaft aufrecht.

Dreieinhalb Jahre lang lief der Betrieb des Tempels ohne nennenswerten Zwischenfall. Doch immer häufiger versuchten die Parteien, zu dominieren. Das führte zu Spannungen, die sich in Handgemengen äußerten. Lord Maitreya hatte den obersten Vorsitz des Parlamentes der Völkergemeinschaft wie auch des Tempelkommités. An ihm vorbei wollte niemand handeln. Auf ihn hörten auch die „außerirdischen“ mächtigen Wesen, die mit ihm eng verwandt zu sein schienen. Sein Wort galt, anerkannt vom Parlament, jeder einzelnen Regierung bis hin zum geringsten Bürger. Durch die an Heftigkeit zunehmenden Händel sah er das Risiko, dass man allmählich Zweifel hegen könne an seiner Autorität. Etwas musste dagegen unternommen werden. Hier und heute noch.
Kein Abgeordneter fehlte, alle Plätze waren besetzt, an diesem Tag war sogar ein großes Gedränge zu verzeichnen. Maitreya stand hinter dem Rednerpult und hatte grade die Einleitung beendet. Schon sie alleine hätte eine komplette Rede abgegeben. Doch noch immer hing die Menge gebannt an seinen Lippen. „Aufgrund all der Aggression, die um sich gegriffen hat, ja, sich beständig ausweitet, müssen wir eine Notbremse ziehn. Ohne diese Maßnahme bricht sehr bald schon das Chaos aus. Wir kennen die Folgen von Anarchie und Gesetzlosigkeit, meine Damen und Herrn. Wenn der Tempel weiterhin so genutzt wird wie bisher, können die Verantwortlichen für nichts garantieren. Wollen wir es denn so weit kommen lassen?“ Raunen bestätigte, dass niemand es wollte. „Deshalb“, setzte er nach der wohlplatzierten Pause fort, „werden wir eine Änderung des täglichen Ablaufs vornehmen müssen, und zwar sofort. Wir sind zur Erde gekommen in friedlicher Absicht, um der Menschheit zu einem besseren Leben zu verhelfen. Doch dieser Aufbruch wird nun bedroht. Wenn wir den Tempelbetrieb so laufen lassen wie bis heute, kocht sehr schnell der Zorn über und entläd sich in einen weltweiten Bürgerkrieg. Das dürfen wir nicht zulassen!“ Wieder raunten die Anwesenden zustimmend. „So schwer uns das auch fällt, müssen wir die täglichen Handlungen beenden. Aber das wird nicht bedeuten, den Betrieb des Tempels an sich zu stoppen. Wir haben ein gemeinsames Konzept erarbeitet. Es wurde Ihnen zu Beginn des Kongresses in vollem Wortlaut ausgehändigt. Öffnen Sie die versiegelten Umschläge! Sie haben eine halbe Stunde zum Lesen. Anschließend wird abgestimmt“ Hiermit zog sich Maitreya zurück, um zur angegebenen Zeit punktgenau wieder vor Ort zu sein.
Die Anwesenden hatten sich alle Punkte zu Gemüte geführt und nutzten die verbliebenen Minuten, sich dazu auszutauschen. Doch schon stand Maitreya wieder hinter dem Pult. Augenblicklich kehrte Stille ein. „Meine Damen und Herrn, wie Sie sehn, ist ein Fragebogen dem Konzept hinzugefügt worden. Füllen sie ihn aus und geben ihn dann am Ausgang ab. Anschließend sind Sie freigestellt.“

Sämtliche Fragen wurden im Fernsehn eingeblendet, und in regelmäßigem Abstand erfolgte eine Hochrechnung zu den einzelnen „Ja“ und „Nein“. Die Rede wurde von Anfang an übertragen und simultan übersetzt. An diesem Tag ruhte weltweit jegliche Arbeit. Kein Haushalt war ohne Fernsehanlage, und niemand versäumte die Rede. Auch während der Hochrechnungen blieben die Geräte angeschaltet. Auch tief im Bauch der Erde liefen Holoprojektoren ohne Unterbrechung, auch wenn hier kein weltweiter Pausentag eingehalten wurde. Die Keschik war äußerst wachsam, ihre mittlerweile auf mehrere Kompanien zu je 3 Sternen angewachsenen Mecheinheiten hatten erhöhte Alarmbereitschaft, ihre Piloten waren einsatzbereit und hielten sich ganz in der Nähe der Maschinen auf. Mehrere Staffeln Luftjäger waren auf einer Plattform durch einen Schacht nach oben befördert worden, wo sie das einzig sichtbare Bauwerk außerhalb des Höhlenreiches zum Formieren benutzten und jetzt abflugbereit waren. Die Jäger brauchten keine Start- oder Landebahn. Sie waren VTOL, Senkrechtstarter. Einzig zum Nachfüllen der Munition und für eventuelle Reparaturen unterbrachen sie ihren Einsatz und flogen verborgene Stationen an. Von oben waren weder der Startplatz noch die Wartungsstationen zu orten. Seitlich glichen sie irgend welchen zugewachsenen Höhlen und hatten absolut nichts Verdächtiges an sich, selbst nicht beim Ein- oder Auslaufen eines VTOL. Diese setzten auf eine getarnte Plattform auf, die sich mehrere Meter absenkte. Darauf hatten gleich zwei Jäger Platz, eine einlaufende und eine auslaufende Maschine. Die Tarnung der Plattformen war perfekt. Kein Metall oder andere glänzende Flächen konnte Verdacht erzeugen. Die sichtbare Anlage bestand aus dem schon vorher existierenden Felsen, und nur aus nächster Nähe war ein hauchdünner Spalt zu sehn. Unter dem Felsen erst befand sich die stählerne Mechanik, welche die Plattform hob oder senkte.

 

Befreiung

Der unabhängigen Zivilisation war klar, wie die Abstimmung ausfallen würde. Das wussten sie mittlerweile durch das verbotene Buch, welches während einer Exkursion gefunden und geborgen werden konnte. Binjaschar hatte den Zweck seiner langen Reise erfüllt. Auch die aus der Ehe mit Dr. Lissi Puttraman hervorgegangenen Kinder waren alt genug, um das Werk ihrer Eltern weiterzuführen. Präsident Ebeling war noch im Amt, hatte aber längst einen würdigen Vertreter und Nachfolger zur Seite. Allen war nur zu bewusst, was ab diesem Tag passieren würde. Maitreya hatte angeordnet, man müsse sich vor den „Außerirdischen“ verbeugen und ihnen regelmäßig einen festgelegten Obulus entrichten. Ãœberall auf der Welt wurden baugleiche Ehrenmäler eingeweiht. Je nach Berührungspunkt auf den Schaltflächen konnte man akustisch die Gesetze abrufen, während vor den Besuchern die symbolischen Statuen aufragten und alle vor drei einhalb Jahren gelandeten Fremden vertraten. Im Zentrum des Tempels befand sich jetzt ein Thron, allgemein der „Sitz des Präsidenten“ genannt. Wer weiterhin an den Traditionen des Tempelkultes festhielt und sich den „Meistern“ verweigerte, erlitt einen „göttlichen Schlag“, wie der Schuss aus dem Orbit genannt wurde. Da hatte Maitreya heimlich Raumstationen mit Energiewaffen bauen lassen. Für die uneingeweihten Bürger musste es ja aussehn wie „Feuer, das von den Göttern gesendet wurde“. Die Regierung unter Maitreya, der sich mittlerweile selber als G'tt ausgab, zeigte immer mehr Härte. Bald begann es auch dem hörigsten Bürger zu dämmern, dass der versprochene „Frieden und Wohlstand in Harmonie“ nicht ganz identisch war mit aktuellen Dingen. Anfänglicher Ehrfurcht folgten Scheu und Beklemmung. Was niemand ahnen konnte: In den Statuen verborgen befanden sich Geräte, die Beklommenheit bei skeptischen Besuchern auslösten. Lähmende Angst brachte Gegner schnell auf zahmere Gedanken und hielt sie ausreichend gefügig.

Die Forscher hatten das „Ding“ sehr gründlich unter die Lupe bzw. das Mikroskop genommen. So gründlich, dass der Mechanismus aufgespürt worden war, durch den besagte Beklemmung ausgelöst wurde. Das machten sich die Militärs zunutze. Eigene Piloten davor abgeschirmt, sendete ein Transponder in der Nase des VTOL die unterbewusste Beeinflussung zum gegnerischen Ziel. Das war bei den Mechs weder möglich noch notwendig. Ihr bloßes Erscheinen sprach für sich. Präsident Ebeling hatte etwas bekanntgegeben. Diesmal waren keine Ãœbungen angesetzt. Nein, es wurde ernst. Sie hatten genug Schlagkraft erreicht, um die nach der Eroberung Jerusalem´s deportierten Einwohner zu befreien. Genau dazu rückten einige Mechkompanien aus. Mit allen militärischen Vehikeln und Jägern konnten sie fertigwerden. Ihre Ausrüstung machte selbst EMP unwirksam. Die lokalisierten Ziele befanden sich fast ausnahmslos in muslimisierten Gegenden, denn anderswo war Sklaverei zumindest offiziell weitestgehend abgeschafft. Sondereinheiten sollten Gebäude stürmen und alle Geknechteten unversehrt evakuieren, bevor die Mechs Ruinen hinter sich ließen. Jetzt war eingetroffen, was ihnen von vorneherein, seit Gründung ihrer Gesellschaft, klar war: Sie stellten dem Tyrannen eine Rebellenarmee entgegen. Das Auftauchen der Mechs erschien der Bevölkerung außerhalb des Höhlenreiches wie Alpträume aus einer anderen Welt. Trotz Aufrufe, besonnen zu sein, gerieten immer wieder Passanten in Panik und verursachten ein Chaos. Dennoch gelang es den Rebellen, hunderte Sklaven zu befreien und erfolgreich in die Sicherheit der Höhle zu bringen. Das rief allmählich Gegenwehr auf den Plan. Ein paar der Schiffe wurden besetzt und rückten aus. Ob der modifizierte Angstgenerator auch die überirdischen Gegner lähmen konnte? Ein ganzes Geschwader zog ihnen entgegen. Die VTOL hatten entscheidende Vorteile: Durch ihre Wendigkeit waren sie schneller als andere Flugkörper. Die Munition war so weit entwickelt worden, den Gegner nicht nur durch Explosionen zu beschädigen, sondern durch EMP und Spezialklebstoff zu verlangsamen und möglichst abstürzen zu lassen. Auch Napalm verstärkte die verheerende Kombination in den Sprengköpfen. Die feindlichen Schiffe verfügten wahrscheinlich über Hitzeschilder und energetische Schirme. Falls ja, trafen ebenbürtige Gegner aufeinander. Panzer waren machtlos gegen die VTOL, selbst mit Flugabwehr erzielten sie nur wenige Treffer. Die Napalmangriffe machten Gegenmaßnahmen unwirksam. Dazu gesellten sich Mechs mit wohlgezielten Laserstrahlen. Im Nu zerschmolzen dickste Fahrzeugwände und verwandelten alle Vehikel in Lochstreifen. Selbst für die Versorgung standen besondere VTOL zur Verfügung. Flugblätter wurden ebenfalls über Ortschaften abgeworfen. Einzig auf Breitbandsendungen verzichtete man. Das Risiko war dann doch zu hoch. Nein, die Keschik hatte keine Absicht, entdeckt zu werden. Eine ganze Zivilisation stand auf dem Spiel. Den Mechs konnte nur wenig wirklich gefährlich werden. Darunter befanden sich die Orbitalwaffen. Selbst für die satelitenunterstützte Ortung unsichtbar, schossen sie aus unangreifbarer Position. Das bekamen die Kommandeure zu spüren, als einige Kameraden durch die enormen Laserstrahlen fielen. Selbst ein Extremreichweiten- Großlaser der Mechs war schmächtig angesichts der Orbitalkanonen. Doch der unbeugsame Wille zur Freiheit war es, der die Evakuierten zu Freiwilligen machte. Sie verstärkten die Mech- und Jägeranwärter als topografisch erfahrene Kämpfer, die genau wussten, was wo los war. Dies erleichterte der Keschik einige Gebietserkundungen und erhöhte die Effektivität beim Lokalisieren bestimmter Einrichtungen.

Den Gegenstand aus dem Dorf hatten sie in ein entlegenes Versteck transportiert, nachdem der Magnetsender mit Falschdaten programmiert worden war. Der Finder konnte ihre Spur nicht zurückverfolgen. Außerdem hatten sie einen kleinen Sensor angebracht, welcher die Richtungen beim Bewegen maß und an einen Sender leitete. Über GPS waren dann sie selber in der Lage, die Koordinaten des Feindes zu ermitteln. Vielleicht funktionierte der Köder, zu dem auch Spuren eines Fahrzeuges führten, welches ein VTOL irgend wo auf einer felsigen Anhöhe abgesetzt hatte, um das Fundstück zum Versteck zu bringen. Eigens dafür hatten sie einen LKW mit Verbrennungsmotor gebaut und ihm einen rostigen Tank verpasst. Auch die damals abgefackelten Panzer standen auf dem Hügel. Für Außenstehende war klar: Das Vehikel musste wegen des leeren Tankes aufgegeben werden. Eine kleine Gruppe wurde beauftragt, per Fliege und Peilung die Gegend zu kontrollieren. Alle technischen Details des erforschten Objektes waren genaustens katalogisiert, nachgebaut und modifiziert worden. Es hatte seinen Zweck erfüllt und sollte ihnen zum Abschluss den letzten Dienst erweisen.

Alle waren sie froh, rechtzeitig die Höhle gefunden zu haben. Erdbeben traten überraschend auf, Tsunamis wurden durch unterseeische Störungen hervorgerufen, und immer wieder sausten Steine aus dem Kuipergürtel in steilem Winkel auf die Oberfläche. Im Bauch der Erde entstanden zwar auch Erschütterungen, doch wurden sie durch das massive umgebende Gestein wesentlich abgemildert. Ganz anders wirkte sich die Tektonik auf der Oberfläche aus, welche ungebremst vibrieren konnte. Die hier in Ruhe gewachsene Zivilisation war erstarkt, hatte fortschrittliche Technik weiterentwickelt und eine Nahrungsindustrie im Höhlensysthem aufgebaut. Ãœberall entstanden bedarfsweise neue Hallen und wurden ihrem jeweiligen Zweck zugeführt. Von den Gründern lebte über die Hälfte noch, verstärkt wurden sie durch Nachwuchs wie in den letzten Monaten auch durch befreite Sklaven. Ãœberläufer hatten allerdings Probleme, überhaupt in Kontakt zu treten. Die Keschik war wachsam und brachte die Neuankömmlinge erst zu einem versteckten Außenposten, der mittels falscher Signale den Feind in die Irre lockte. Erst nach einer Beobachtungszeit und psychologischer Ãœberwachung wurden die Leute einzeln ausgewählt. Freundschaften blieben erhalten, auch wenn die Sicherheit absolute Priorität genoss. Verhielt sich jemand verdächtig, wurde er im Außenposten festgehalten. Alle, die man zuließ, kamen mit verbundenen Augen in einen Transporter, aus dem keine Sicht nach außen möglich war. Der Transfer lief durch einen Tunnel und endete in einer abseits gelegen „Empfangshalle“, deren Durchgang zum endgültigen Verbindungsweg mit einem dicken Schiebetor verschlossen war. Nur ein scharfes Auge konnte dessen Existenz ausmachen. Es war schlicht ein Teil der Wand. Jeder Neuling nahm Unterricht, bevor er nach gewisser Zeit in eine besondere Eignungsgruppe kam, die seinen Stärken entsprach. Sogar Anwärter auf die VTOL und Mechs fanden sich.

Ein Spezialistentrupp machte sich die Katastrophen zunutze, um an kritische Verwaltungsbebäude heranzukommen. Hier brachten sie unauffällig Sonden mit Sendern an, da Sprengsätze. Bald entschied man, auch andere Lokaliäten unterirdisch zu besiedeln. So entstanden mehrere verborgene Ortschaften und Außenposten. Auf diese Art pirschte man sich unbemerkt an Gebäude, durch deren Keller Überfallkommandos die Kontrolle übernahmen. Einige hochrangige Funktionäre kamen dadurch in Gewahrsam und lieferten Informationen. Irgend wann musste es ja zur direkten Konfrontation kommen mit überirdischen Wesen. Längst schon waren die Bibel und weitere antike Schriften Grundlage des Maßnahmekataloges zur Bekämpfung. Die scheinbar unbesiegbaren übermenschlichen Wesen hatten sterbliche Körper. Genau das war ihnen mit Erdenkindern gemeinsam. An ihnen war nichts Mystisches. Zerstörte man ihnen wichtige Organe, war es aus.

Der schwerste Gegner, auf den man jemals treffen konnte, war unsichtbar, schlug schnell und hart zu und verschwunden, bevor eine Gegenmaßnahme greifen konnte. Das war eine uralte Taktik und wurde „Guerillakampf“ genannt. Im bewaldeten Südamerika des vorigen Jahrtausends kam der spanische Name auf. Selbst hoffnungslos unterlegene Truppen bis hin zu Einzelkämpfern hatten durch diese unkonventionelle Methode einen Vorteil, der ihnen oft nicht nur das eigene Ãœberleben sicherte, sondern manchmal den Sieg brachte. Statt eines dichten Waldes hatten sie ihre unterirdischen Stationen, von denen sie operierten. Doch auch die Ãœbermenschen, wenn man diese Wesen so nennen konnte, verfügten über besondere Fähigkeiten. Dem trug die Keschik Rechnung und installierte überall Sensoren, die auf Infrarot, UV, Magnetismus und weitere Anomalitäten ansprachen. Selbst in jeder Maschine waren sie eingebaut. So erfuhr ein Pilot keine böse Ãœberraschung, nachdem er das Cockpit übernahm.

Eine neue Forschung war fällig: die Schiffe der Fremden. Entweder ihnen gelang das Kapern, oder sie konnten eine Fliege reinschleusen. Sicher behinderte ein Energieschild Abtastungen, wenn er sie nicht ganz vereitelte. Doch das konnte man erst wissen, wenn es gelang, nah genug an die Maschinen zu kommen. Zu dem Zweck brauchte die Keschik nur eine geortete Station auszukundschaften. Das jedoch war kein Spaziergang! Wie konnte ein menschlicher Spion unerkannt mitten zwischen unirdischen Wesen rumlaufen und auch noch Ermittlungen durchführen, die ihn verdächtig machten? Das Ungefährlichste war wohl wieder eine Drohne wie die Fliege. Oder aber sie bastelten etwas, das wie der mysteriöse Gegenstand wirkte, den sie selber damals im Dorf bargen. Ja, einen androiden Roboter mit alter Mechanik ausgestattet konnten sie irgend wo „liegen lassen“. Technik, die einen Versuch darstellte, irgend welche Roboter gegen die „Außerirdischen“ zu schicken. Wenn das kein verlockender Köder war, der den Feind in falscher Sicherheit wog?!

Das VTOL schwebte langsam auf die Stadt zu. Gegen Radar abgeschirmt, kam es unbeobachtet voran. Eine kleine Luke öffnete sich und entließ mehrere Fliegen. Diese schwärmten aus und erkundeten die nächste Umgebung. Das würde erst einmal Stunden beanspruchen. Auf den Hubschrauberlandeplätzen der Flachdächer waren eventuell Schiffe geparkt. Jedenfalls hatten Verhöre das ergeben. Langsam näherte sich ein Fahrzeug, hinter Gebäuden verborgen. Doch eine der Fliegen hatte es geortet und sendete zum VTOL. In der Keschik verfolgte man jede Fliege einzeln. Auch das VTOL empfing die Fliegendaten über jeweils eigene Frequenzen. Keine der Fliegen konnte verwechselt werden. Den Wissenschaftlern war gelungen, Antigravitationsmotoren zu entwickeln. Das ersetzte den lauten Düsenantrieb. Die neue Generation der VTOL war jetzt noch schneller und beweglicher als die ersten Modelle. Außerdem erreichten sie als Drohnen den hohen Orbit und hatten einige Geschütze neutralisiert. Es war überlebensnotwendig, denn das „Feuer vom Himmel“ stellte eine ernsthafte Bedrohung dar. Von einer anderen Richtung näherte sich ein weiteres VTOL, diesmal ein Transporter der ersten Generation. Seine Düsen verursachten entsprechenden Radau. Genau so war es vorgesehn. Endlich meldeten die Fliegen Bewegung in der Stadt. Noch immer das Fahrzeug im Auge, schickte das VTOL die anderen Fliegen in Richtung der Betriebsamkeit. Irgend etwas tat sich, das war unübersehbar. Fast zeitgleich meldeten mehrere Fliegen, dass in den Gebäuden Aufzüge nach oben kamen. Da: Auf einem Hubschrauberlandeplatz klaffte ein Spalt und wurde langsam breiter. Schon zeichneten sich Silouetten ab, die immer höher kamen. Das waren also die Aufzüge. Gleich mehrere Jäger wurden da emporgehoben. Offenbar hatte auch der Feind seine Hausaufgaben erledigt und eigene Senkrechtstarter im Programm. Leider kamen die Maschinen schon besetzt an die Oberfläche. Keine der Fliegen konnte hineinschlüpfen. Zumindest nicht in die Maschinen. Schnell entschieden sich die Offiziere: Ãœber das VTOL steuerten sie die Spionagedrohnen in den Schacht, sobald er wieder offen war. Doch das konnte dauern, falls die Plattform nach erfolgtem Start ihrer Fracht keine weiteren Maschinen von unten förderte. Plan B wurde aus der Trickkiste geholt: Alle Fliegen waren mit Haftlamellen an den Füßen ausgestattet. Geckofüßen abgeschaut, klebten sie selbst an glatten Flächen bei ordentlicher Luftströhmung und Niederschlag. Jetzt galt es: Nichts wie ran an die Jäger! Sollten die Maschinen als Kameratürme dienen. Zwar wurde der Keschick innerhalb der kommenden Minuten ein Angriff auf die ausgeladenen Mechs vorgeführt, aber das war es wert. Sobald auch der letzte Mech das VTOL verlassen hatte, kletterten die Piloten rasch über Kettenleitern zu Boden. Auf Knopfdruck befahlen sie per Sender das Einholen der Leiter und Schließen der Klappe. Schnell ins über dem Boden schwebende VTOL gesprungen. Während sie Platz nahmen und sich anschnallten, stieg der Flieger auch schon und schloss die Luke. Einzig blieb das unbemannte VTOL an Ort und Stelle. Es war deutlich kleiner als die Bemannten, fasste es doch lediglich einen Bordrechner wie auch eine Transportbox für die Kleindrohnen. Ein Fahrzeugreaktor passte noch so eben hinzu und erlaubte der mobilen Spionagestation beliebig langen Aufenthalt im Luftraum. Am anderen Ende der Stadt warteten die Mechs. Ihnen waren konventionelle Waffen eingebaut worden, wie sie für Panzer gefertigt wurden. Ohnehin hatte die Keschik die Mechs von Anfang an mit veralteter Technik ausgestattet. Sollte der Feind sie bergen, hätte er nichts Neues in der Hand. Per Fernsteuerung setzte sich der Trupp in Bewegung und marschierte in die Stadt ein. Da kamen Panzer und Hovercraft heran. Den ersten Schuss gaben sie bewusst nicht ab. Sonst hätten sie längst ihre Fernwaffen aktiviert. Gut, spielte die Keschik etwas Katz und Maus mit ihnen, eine intressante Abwechslung. Unbeirrt rückten die Mechs weiter vor, umstellt vom Feind. Kein Vehikel machte Anstalten, auszuweichen. Gut, ein kleiner Materialtest am Lack würde nicht schaden. Schon schepperten die Füße und Unterschenkel der Mechs gegen die Fahrzeuge und schubsten sie vor sich her, als von oben Raketen regneten. Aha, die Jäger waren angekommen. Das Schauspiel direkt von den Fliegenkameras übertragen zu bekommen, bot faszinierende Anblicke. Doch es lieferte zugleich Aufschluss auf Schwachstellen von Mechs und Jägern, denn jetzt antworteten die Zweibeiner ihrerseits mit Raketensalven. Sooo, die Bodentruppe blieb auch nicht länger untätig. Sollten sie Granaten schlucken! Fast nur ballistische Waffen befanden sich in den Mechs. Kein in den Höhlenlaboren entwickelter Laser war dabei, nur altbekannte Technik. Wenige Laser, wie sie damals in Panzern und Jägern zum Einsatz kamen, ergänzten das Arsenal. Kein EMP, keine Raketenabwehr. Nein, der Feind sollte absolut genasführt werden. Und noch etwas wollte die Keschik vermeiden: Verluste bei den Menschen. Deshalb schossen die Mechs gezielt vorbei oder verursachten lediglich moderate Schäden. Kein Absturz war vorgesehn. Bei den Fahrzeugen gestaltete sich das Ganze schon wesentlich einfacher: die Luftschürze der Hovercrafts, einseitig versengt, nagelte die Schweber fest. Ähnlich wirkte der Verlust einer Panzerkette. Als ein Teil der Vehikel sich nur noch im Kreis drehte, zogen intakt gelassenen Verteidiger ab. Nur die Luftwaffe behielt ihren Angriff bei. Das war auch so geplant. Irgend wann würde ihnen schon die Munition ausgehn, und sie kämen zum Dock zurück. Dann erledigten die Fliegen ihre eigentliche Aufgabe. Doch noch hatten sie Raketen und verwandelten die Mechs langsam in Siebe. Das war noch zu verantworten. Der Verlust konnte keine Gefahr bedeuten. Allerdings hätte der Feind auch die Möglichkeit, abgeschossene Maschinen als Vorlagen zur eigenen Produktion zu verwenden. Ausnahmsweise durfte er das. Was auch immer herauskäme, es würde den bemannten Mechs nicht standhalten können. Konventionelle Waffensystheme wurden in einem dafür ausgefrästen Bereich hergestellt. Sie waren als Bergegut und zur Irreführung des Feindes konzipiert. Veraltete Technologie einmal anders genutzt. Sollte dem Feind einfallen, ihren unterirdischen Stationen zu nah zu kommen, hatten sie für ihn ein warmes Willkommen mit Ãœberraschungen bereit.

In der jüngsten Rede Maitreya´s ging es dann auch um die Attacken. Klar waren die Angreifer „irregeleitete verzweifelte Dissidenten“, die zwar eine neue Technologie erfunden hatten, wobei zweifelsohne die Mechs gemeint waren, doch sei man „ihnen schon auf den Fersen“. Das konnte zweierlei bedeuten: Irgend welche Ortungsversuche, aber auch Spionage. Auf beide Dinge war die Keschik vorbereitet. Ihre stark beschädigten Mechs traten den Rückzug an, denn allmählich kehrten die ersten Jäger zur Plattform heim. Für den Rest waren die Fliegen zuständig, die noch immer an den Rümpfen hingen. Sobald eine Maschine gelandet war, löste sich die Fliege und nahm schnell Sicherheitsabstand, um unbemerkt zu bleiben. Auch wenn der Feind eigene Spionagedrohnen hatte, mussten die erst mal am Sensornetz vorbei. Das alleine würde sie schon beschäftigt halten. Und Maulwürfe, wie ein alter Ausdruck des vergangenen Jahrtausends die menschlichen Spione nannte, hatten kaum eine Möglichkeit, lange unentdeckt zu bleiben. Bevor ein von außen gekommener Neuling zu den Funkern durfte, vergingen Jahre. Selbst wenn, blieb er nie alleine. Auch in einer Mecheinheit gab es keine Privatfrequenz.

Während ihres Einsatzes hatten die fergesteuerten Mechs untereinander fingierten Funk. Das ließ den Feind glauben, sie seien bemannt. Falls er die Frequenzen abhören konnte, war er gut beschäftigt. Von der Keschik aus gelangten die Sprüche zu den jeweiligen Kommanlagen der Maschinen. Allesamt veraltete Geräte mit eben so alten Frequenzen lieferten dem Feind ein falsches Bild. Als die Mechs vor den Fliegern zurückwichen, meldete „Emma“: „Prügelknabe steckt heftige Schläge ein. Ziehn uns zurück“. Von der Keschik erfolgte die Antwort: „Nein, Stellung halten!“, worauf „Emma“ erwiderte, ihre Maschinen seien „zu beschädigt“. So ergab sich ein gespieltes Wortgefecht und ließ den Eindruck von Uneinigkeit aufkommen. Um den zu verstärken, wechselten die Mechs auf interne Frequenz und beratschlagten, wie sie den „Befehl umgehn konnten“. Das alles spielte sich im selben Studio ab, untermalt von Hintergrundgeräuschen, die ein mobiles HQ mimten. Sollte der Feind nach irgend einem Fahrzeug fahnden! Das würde ihn hübsch ablenken, während sich die Fliegen in den Schacht mitnehmen ließen und allerbeste Bilder zur Keschik sendeten. Als der erste Mech explodierte, verursachte die Druckwelle enorme Schäden in der Umgebung. Das machte sich auch an den Jägern bemerkbar, deren Piloten spätestens jetzt an Reparatur denken mussten. Nur noch drei Maschinen umkurvten die abziehenden Mechs, von denen fast nur noch wandelnder Schrott übrig war. Die Zweibeiner hatten ihre Rolle meisterhaft erfüllt und konnten vom Feind geborgen werden. An den Rußfahnen sah man, dass ihnen Verbrennungsmotoren innewohnten, und zwar in Rückentornistern, ganz woanders als die Reaktoren der bemannten „Laufpanzer“. Jetzt änderten sie abrupt ihr Verhalten: aus dem langsamen Rückzugsgefecht mit Racheschwüren wegen des „gefallenen Kameraden“ wurde plötzlich ein Spurt. Endlich hatten die verbliebenen Jägerpiloten etwas Abwechslung. Der fingierte Funk artete in panische abgehackte Rufe aus. Welch eine Irreführung! Die Keschick zog den Feind nach Strich und Faden über den Tisch. Der machte Jagd auf die zerschossenen und zum Teil schon humpelnden Stahlkolosse. Jetzt kam das Finale: Eine Mech nach dem Anderen fiel aus. Zum Teil gingen sie in Flammen auf und brannten aus, weitere zwei der Giganten platzten mit lautem Getöse aus allen Nähten. Die restlichen Maschinen, welche noch schnell genug waren, stieben in mehrere Richtungen davon. Den Jägern blieb keine andere Möglichkeit, als die Verfolgung auf die Langsamsten zu konzentrieren. Jetzt hatten die weiter entfernten Mechs genug Abstand gewonnen. Ihre langsameren Gefährten drosselten das Tempo weiter ab, um von den restlichen Raketen in Grund und Boden gehämmert zu werden. Das war der Moment, einen Ausstieg zu imitieren. Im Dach des Cockpits schwang eine Luke auf und entließ eine Düsenbetriebene Kapsel. Der Feind verfolgte sie per Ortung. Die Kapsel steuerte einem entfernten Ziel entgegen. Die anderen Mechs waren alle abgeschossen worden zu rauchenden Schrotthaufen. Dieser eine verbliebene Mech sollte ihren Hochmut steigern und sie um so verletzbarer werden lassen. Irgend wann würden sie die Rettungskapsel offen und leer auffinden und nach dem vermeintlichen Piloten suchen.

Bis das Bergungsteam den gestrandeten Mech erreichte, parkten die Jäger um ihn herum. Ihre Piloten hatten Erlaubnis, die fremdartige Maschine von der Nähe zu betrachten. Endlich trafen die Techniker ein, begleitet von Fahrzeugen. Sie hatten allerdings keinen adäquaten Transporter und richteten bis zu dessen Ankunft ein provisorisches Lager ein. Ohnehin wollten sie den „Schreiter“ erst einmal vorab untersuchen. Dessen Innenausstattung wich erheblich von den bemannten Mechs ab. Statt einer Pilotenliege war eine Art Fahrzeugsessel montiert. Alle Geräte entstammten Panzern und von der Marine. Lauter für Mechs kaum brauchbares Zeug, aber beste Irreführung. Wenn der Feind eigene Maschinen bauen wollte, sollte er sich bei der ersten Konfrontation wundern. Und sie

 

 

würde kommen.

In der Keschik wurden die Fliegendaten ausgewertet. Erste Trakte erschienen. Die Drohnen bewegten sich langsam vorwärts. Beleuchtete Räume boten weitere Details. Zuverlässig ließen sich die kleinen insektoiden Spionageflieger durch die Gänge und offenen Türen steuern. Das glich einem Geduldsspiel, zumal die Fliegen erst auf Einlass warten mussten, doch der Betrieb war nicht so rege. Wenigstens hatten sie die Lokalisierung des Gebäudes und Schachtes mit seinem näheren Umfeld. Auch wenn sie lange warten mussten, würde die Ablöse mehr in Erfahrung bringen. Denn die versteckte Zivilisation funktionierte in fließenden Schichten, ruhte und war zugleich aktiv.

Die verbliebene Fliege, welche nicht in den Schacht geschickt worden war, kehrte zum VTOL zurück und wurde von dem Transportbehälter aufgenommen. Sie hatte ihre Aufgabe erfüllt. Von diesem Zeitpunkt an war sie abgeschaltet bis zum nächsten Einsatz. Den Mech brauchte sie nicht zu überwachen. Dessen Verbleib war unwichtig. Falls der Feind wirklich derlei Chassis nachbauen würde, trafen sie auf einen besser ausgerüsteten Gegner. Auch wenn die Fliege keine Koordinaten ermittelte, die der Keschik einen Stützpunkt verraten konnten, war die gesamte Aktion ein Erfolg. Sie wussten, wo sich ein Teil der Luftwaffe befand. Es war nur eine Frage der Zeit, und man würde die Roboteratrappe entdecken. Das konnte der Keschik nur gelegen sein. Ihre Aktionen zur Befreiung der verschleppten Bürger Jerusalem´s gingen indessen weiter. Und sie hatten Köder ausgelegt: Eine Basis mit konventionellen Waffensysthemen, deren Gebäude mit Kameras und Sensoren ausstaffiert waren, gab Aufschluss über eventuelle Entwicklungen der feindlichen Technologie. Später sollten Basen hinzukommen, die durch Gegenfeuermodus ein jeweilig stationiertes Drohnengeschwader aktivierten. Im Boden versenkte Geschütztürme mit Raketen und Artillerie waren zum Schwächen der angreifenden Verbände bestens geeignet.

Die Fliegen hatten ganze Arbeit geleistet und jeden Winkel der Anlage ausgekundschaftet. Jetzt zogen sie sich unauffällig wieder zurück und bewegten sich auf den Schacht zu. Eine neue Welle von Mechdrohnen musste herbei, um die Jäger abermals herauszulocken. Die Spionagegeräte würden sich wie vorher auch an die Maschinen heften und im Freien zum wartenden VTOL eilen. Ihre unbemannten Mechs waren diesmal mit elektronischen Gegenmaßnahmen (EGM) ausgerüstet und sollten sich jagen lassen zu einem Hinterhalt. Der Bau ihrer „Köderdose“, wie sie die oberirdische Basis nannten, ging rasch vonstatten dank Fertigteilen. Dahin sollten die Mechdrohnen rennen und zur Verteidigung beitragen. Die erste Basis mit Sensoren erweckte den Eindruck, nicht weitergebaut worden zu sein, denn auf den Sockeln fehlten die Geschütztürme, und ein paar Gebäude waren erst ansatzweise gemauert. Wann würde der Feind ihre offene Einladung wahrnehmen? Auch dieser Ort wurde von den Fliegen beobachtet, welche in unregelmäßigen Bahnen und Kurven über die Gebäude strichen.

Unterdessen wurden entlang der entlegensten Mittelmeerküsten „große Seevögel“ gemeldet. Sie schienen äußerst scheu zu sein und hielten sich von Menschen fern. Das war wohl der Aufenthalt, welchen die Flugechsen vor Wochen erreicht hatten. Die Sensorbasis wurde aus einiger Entfernung mittels Feldstechern in Augenschein genommen. Die Späher standen zwischen Felsbrocken und herangewachsenen Birken. Das Radar tastete die Umgebung ab. Ihr Humvee registrierte fast jedes Geräusch. Fast. Noch wussten sie nichts von der Anwesenheit jener kleinen Flugdrohnen, die ihrerseits nach verdächtigen Bewegungen Ausschau hielten. Man wartete auf einen Bautrupp, dem ein Verhör wahrscheinlich wertvolle Informationen entlocken konnte. Doch niemand kam. Weder Bauarbeiter noch die Beobachter näherten sich. Aber die Keschik wollte nicht aufgeben.

In der unterirdischen Basis Delta herrschte Hochbetrieb. Drei Mechs konnten zur selben Zeit konstruiert werden. Es war der selbe Typ wie die ersten Maschinen, welche zur Stadt ausrückten und vernichtet wurden. Diesmal befand sich erwähnte EGM in ihren Kabinen. Die „Köderdose“ war bewusst nicht unterkellert. Lediglich ein Luftschutzbunker spiegelte dem Feind eine größeren Infanterieeinheit vor. Tatsächlich patroullierten da Soldaten, wenn auch nicht sonderlich zahlreich. Alles erweckte den Eindruck eines nur leicht verteidigten Stützpunktes. Um Delta zu verstärken, produzierte auch die Hauptbasis in der Höhle neben den echten Mechs ein paar Drohnen und schickte sie zum VTOL- Startpunkt. Vor Kurzen hatten die Ingineure einen weiteren Schacht installiert, eigens für die wesentlich höheren Zweibeiner. In diesem Fall wurde der Durchgang nach draußen von einem aufschingenden Tor verschlossen, dass zum Berg selber gehörte. Niemand konnte ahnen, dass es von innen durch einen stabilen Bügel gelagert war. Außen war der Bewuchs genau so frisch wie in der Umgebung. Eine perfekte Tarnung. Einziger Moment für die Entdeckung war, wenn das Tor offenstand. Aber das Risiko konnte die Keschik eingehn, zumal auch diese Anlage mit getarnten Geschützen bewehrt war. Selbst wenn ein Milionenheer anrücken sollte, lauerten im Berg selber einige Ãœberraschungen auf Invasoren.

Fliegen der „Köderdose“ meldeten feindliche Jäger, denen eine Fahrzeugkollone und Mechs folgte. Hatten die es tatsächlich geschafft, eigene Chassis zu basteln! Vom Design her bestand kaum ein Unterschied, nur verlief das Cockpit etwas flacher, doch dafür langgezogen und wirkte mitsamt Nase eher wie von einem Flugzeug abgeschaut. Insgesamt schien die Karosserie mehr horizontal als vertikal zu verlaufen. Wie auch immer, selbst ein geduckter Mech mit veralteten Waffen war den bemannten Mechs der Keschik unterlegen. Allmählich beim VTOL- Startpunkt angekommen, begaben sich die Drohnen auch gleich auf die vorgesehene Plattform und wurden zur Etage gefahren, wo sie den Tunnel füllten. Da ging ein Rums durch die Mechanik, und langsam bewegte sich der Bügel nach außen. Die Mechs traten ins Freie, als die Nachzügler zum Tunnel gehoben wurden. Längst nicht alle Ungetüme passten hinein, und so fand es in Etappen statt. Eine Kompanie insgesamt rückte aus, der Köderdosenbasis entgegen. Sie bewegten sich im Höchsttempo, um den Stützpunkt rechtzeitig zu verstärken. Polternd setzten die Füße auf, begleitet vom donnerartigen Vibrieren des Metalls. Nach wenigen Stunden war Delta in Sicht, wo schon die vor Ort gefertigte Kompanie abmarschbereit stand. Zwei Kompanien, das ergab 30 Mechs. Der Feind sollte möglichst viel zur Verfolgung aufbieten. Schon erreichte der gegnerische Panzerzug mit Mecheskorte die 2.000 Metergrenze, war mit bloßem Auge gut zu sehn. Wie zu erwarten stieß die Luftwaffe vor, um die Basis für den Sturm vorzubereiten. Doch sie hatten die Verteidiger unterschätzt. EGM erschwerte die Zielerfassung erheblich, so dass die Raketen kaum ernsthafte Treffer landeten. Allmählich ging den Jägern die Munition aus, und Laser alleine arbeiteten sehr langsam. Die Fliegen meldeten allerdings auch ernstzunehmende Gegner: hinter dem Panzerzug parkten Artilleriewerfer. Die wenige Infanterie, welche stationiert war, forderte VTOL an. „In Ordnung, Schlammspringer. Vögel sind in der Luft. Eintreffen in 5 Minuten. Ende.“ Das dürfte knapp werden, doch sie hatten ja reichlich Geschütze mitsamt eigener Artillerie. Ãœber einen manuellen Code fuhren die Türme mit Fernwaffen aus ihren Versenkungen und richteten die Werfer aus. Mit lautem Dröhnen verschossen die Rohre einen Granatenteppich, der sich auf den Panzerzug legte. Das musste wehtun! Die zweite Salve landete auch schon auf den Artilleriefahrzeugen, bevor die feuern konnten. Ihr Gegenschlag war kläglich, aber nicht harmlos. Die Keschik entschied, Kompanie 1 ausrücken zu lassen. Während 15 Mechs losrannten, schossen sie Raketen und Granaten auf den Feind, welcher seinerseits die Bodentruppe zum Verteidigen der Artillerie vorschickte. Aus dem Bunker verfolgte die Infanterie das ganze Spektakel. Mann, wo blieben die VTOL? Schon kamen die feindlichen Jäger mit Verstärkung zurück. Nein, ohne Flugabwehr war die Köderdose nicht zu halten. Die Raketentürme hoben sich empor und suchten sich die nahsten Ziele. Damit hatten die Piloten wohl nicht gerechnet. Eine böse Ãœberraschung für sie. Verzweifelt versuchten sie, abzudrehn und leiteten Loopings ein. Die nachfolgenden Flugmaschinen waren gewarnt worden und brachen ebenfalls den Angriff ab. Sie versuchten, die Basis zu umgehn, um von der anderen Seite anzugreifen, doch die Abwehrtürme waren gut postiert. Erste Ausfälle wurden dem feindlichen Kommando gemeldet. Noch erfolgte kein Rückruf. Doch da blitzten einige Jäger auf. Aus den Stellen, wo die Lichtreflexe auftgetreten waren, quoll Rauch. Auf einmal sahn sie sich einer neuen Bedrohung ausgesetzt. Unerwartet bekamen sie Gesellschaft einer Staffel fremder Flugzeuge. Diese waren schneller, wendiger und feuerten offenbar mit überlegenen Waffen. Panische Funksprüche liefen beim Kommando ein. Endlich erfolgte der ersehnte Rückruf. Die VTOL nahmen keine Verfolgung auf. Erst musste die Artillerie ausgeschaltet werden. Wie vom Erdboden verschluckt, waren die Flugabwehrtürme wieder verschwunden. Die Artillerietürme schossen jetzt verhaltener, um keine eigenen Mechs zu beschädigen. Auf einmal wendeten sich die Drohnen und stürmten auf die Basis zu, dicht gefolgt vom Feind. Sie erreichten die noch immer wartende zweite Kompanie und nahmen Aufstellung. Ein Hagel aus Raketen empfing die Verfolger und schüttelte sie kräftig durch. Auf ihre Artillerie konnten sie nicht länger hoffen, denn die befand sich in Trümmern. Von oben schossen die VTOL mit ihren Energiewaffen, nur gelegentlich folgten einzelne Raketen. Waren sich die Angreifer vor dem Eintreffen der VTOL noch siegesgewiss, entschieden Letztere die Schlacht zum Disaster. Nein, hier war kein Erfolg in Aussicht. Auch das Kommando sah das ein und ordneten den Rückzug an. Sollte die Keschik sie entkommen lassen? Zumindest ein Teil musste ja Bericht erstatten, das war die Luftwaffe. Doch die Bodentruppe würde das Ganze um so dramatischer schildern. Gut, sollten die VTOL erst einmal in der Nähe parken. Sofort begaben sich Analytiker an die Auswertung der eingesteckten Schäden. Beim abziehenden Feind würde das erst mal ein wenig dauern, denn die Fahrzeuge und Mechs mussten die Strecke zurücklegen, auf der sie gekommen waren. Ihnen standen keine ebenmäßigen Tunnel oder Lufttransporter zur Verfügung. Beschädigt, wie sie waren, kamen sie um so langsamer voran.

Längst hatte die Infanterie den Bunker verlassen und nach ausgestiegenen Piloten gesucht. Was die Köderdose betraf, sollte sie vorerst bleiben, um weitere Angriffe zu provozieren. Unterdessen trafen Meldungen von der Sensorbasis ein. Der Feind hatte Artillerie aufgefahren und nahm ohne Zögern die ganze Anlage unter Beschuss. Das hatte den Vorteil, die Munition zu studieren. Anhand ihres Flugverhaltens und wie sie explodierte ließen sich Daten zur Abwehr ermitteln. Lasersystheme sollten darauf abgestimmt und an Maschinen wie auch Türmen montiert werden. Die Techniker hatten ordendlich zu tun. Sollte dem Feind je ein VTOL oder bemannter Mech in die Hände fallen, bedeutete das intensivste Forschungsarbeit, um die eigenen Waffensystheme und Abwehrmaßnahmen zu verbessern. Dann wäre ein Wettrüsten ausgebrochen mit Folgen wie Nuklearschlägen. Massenvernichtungswaffen, die ultimative Bedrohung. Aus der Bibel und anderen antiken Schriften der vergangenen Jahrtausende kannten sie die Beschreibung von Atombomben und ihren Folgen an den Ãœberlebenden. Das musste ernstgenommen werden, spätestens nach den Ereignissen der Neuzeit in Japan. Erst wenn ihre Streitmacht groß genug war, wollten sie ihre neuen Waffen zum Einsatz bringen. Die VTOL hatten den Anfang unternommen. Genau das beschäftigte den Feind jetzt, und sicher hatte er starkes Intresse, an solch einen Flieger zu gelangen. In der Keschik beriet man sich. Präsident Ebeling sagte: „Tun wir ihnen doch den Gefallen! Wir verlieren ein VTOL mit veralteter Technik und alten Waffensysthemen und sehn, welche Modifikationen sie zustande bringen. Das dürfte uns zeigen, was ihnen von uns bekannt ist!“

Aktion „Windei“ war geboren. Dazu flogen VTOL einen Angriff auf die bekannte Luftwaffenstation der Stadt. Unter ihnen befand sich das Windei. Unbemannt, aber mit Rettungskapsel, sollte ein Ausstieg in geringer Höhe simuliert werden. Das Windei durfte nicht zu sehr beschädigt werden durch den Aufprall. Schließlich sollten die feindlichen Techniker es untersuchen und nachbauen. Diesmal bekam es den alten Antigravitationsantrieb. Ja, das Risiko ging man ein. Die neue Generation des AGM war schon ganz anders aufgebaut. Als Energiewaffe diente ein mittelschwerer Laser der alten Bauweise. Ansonsten konventionelle Raketen, wie sie seit 100 Jahren in Gebrauch waren. Bislang nutzten sie die neuen überlegenen Waffen ausschließlich zur Verteidigung, wo dem Feind eine Bergung am Unmöglichsten war.

Diesmal wurde die Drohnenkompanie durch einen bemannten Artilleriemech verstärkt. Dessen Pilot meldete sich: „Nesträuber an Oviraptor. Sind in Position, 1 km vorm Ziel.“ Antwort: „Verstanden. Position halten. Raptoren schleichen sich an.“ Schon huschten die VTOL über die Kompanie hinweg und kreisten um das Hochhaus, durch dessen Längsachse der Schacht führte. Ab und zu schossen sie mit leichten Lasern auf die Fenster. Nette Zielübungen, wenn man bedachte, dass es nur eine unbewohnte Tarnung mit rechnergesteuerter Beleuchtung war. Mitgekommene Fliegen lösten sich von der Kompanie und umgaben das turmartige Gebäude zum Abtasten des Innenlebens. Und ja: die Plattform fuhr nach oben. „Nesthocker gesichtet!“, funkte jetzt ein VTOL- Pilot. Sekunden später kamen gleich mehrere Meldungen zugleich, aus denen hervorging, dass neben Jägern auch etwas Anderes gekommen war. Ein Mech. Doch so ein Chassis war ihnen unbekannt. „Offenbar haben ihre Techs dazugelernt!“, kam von der Staffel. Der Mech schien 4 große Raketenlafetten zu tragen und ein paar Geschützläufe, wahrscheinlich Laser und Autokanonen kleineren Kalibers. Je leichter die Munition, um so weiter konnte sie geschossen werden, falls kein starker Wind aufkam und sie wegen ihres geringen Gewichtes ablenkte. „Aaaachtung, Raptoren, macht euch auf Prügel gefasst!“, mahnte die Keschik. Die VTOL vergrößerten ihren Abstand, auch um die Jäger anzulocken. Diese blieben an Ort und Stelle, doch der Mech eröffnete den Pfeilhagel. Neben Raketen flogen den Piloten auch Granaten um die Ohren. Das war etwas viel, und sie zogen um so weitere Kreise in der Hoffnung, sich aus der Waffenreichweite des Mechs zu begeben. Doch weit gefehlt! Seine Waffensystheme kamen offenbar um so besser zum Einsatz. Gut, jetzt gab die Keschik einen anderen Befehl: „Raptoren, setzt eure Großlaser ein und kocht eine Suppe!“ solch ein Großlaser hatte eine längere Ladezeit und lief heiß. Doch der Versuch war es wert. Also Feuer. Die parkenden Jäger qualmten beträchtlich, doch der Mech schien kaum beeindruckt zu sein. Er verließ die Plattform, welche die Jäger wieder nach unten fuhr. Nun stand nur diese große Maschine als ernstzunehmender Gegner auf dem Dach, dessen Abdeckung sich wieder schloss.
„Nesträuber von Raptoren, versucht mal, etwas Krach zu machen!“, kam von dem Staffelführer an den eigenen Mechpiloten. Dieser sagte lakonisch: „Rock oder Blasmusik?“, worauf der Staffelführer kurz auflachte, dann aber knurrte: „Blase ihm den Rock durch!“ Der Mechpilot meldete Zielerfassung und schickte eine Raketensalve zum Dach. „Treffer!“, bestätigte der Staffelführer, der einen Großlaserschuss hinterherschickte. „Bin mal gespannt, wie lange er das durchhält.“, kam von der Keschik. „Nesträuber hier. Ich weiß nicht, ob wir ihn abschießen sollten. Lasst uns Eier legen!“ Jetzt meldete sich die Keschik wieder: „Gut, macht es und kommt nach Hause. Wir haben dem Raketenmech einen Arschtritt gegeben. Ist auch was wert. Ende“ Hiermit fegten die VTOL von allen Seiten auf den Mech zu, gaben Laserschüsse ab und stieben endgültig davon, doch ein VTOL wollte es wissen und stellte sich zum Duell. Der Mech funkte es an: „Nenne mir Namen, Rang und Einheit, bevor ich dich zerstöre!“ Die Kommunikationsanlage wurde von der Keschik aus bedient: „Hier spricht Windei Gadafi. Versuch es doch, Blechbüchsenfahrer!“ Ein paar Treffer konnte der Vogel einstecken, das war er dem Gegner schuldig. Ein Vorstoß direkt über den Mech, Feuern aus allen Rohren und Abdrehn. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Auch der Mech aktivierte die Raketenlafetten und beide Autokanonen. Da sah sein Pilot, wie die Rettungskapsel davonflog und gab das an das Kommando weiter. Noch geraume Zeit blieb er auf dem Dach, bevor er die Plattform anforderte.

„Nesträuber an Gobi. Sind auf dem Weg zur Düne. Ankunft in etwa einer Stun... Scheiße!“, entfuhr es dem Piloten. „Nesträuber von Gobi, was ist los?“ Krachen am anderen Ende. Offenbar war etwas nicht optimal. Jetzt kamen abgehackte Sätze: „Werden... Beschuss... Mechs... Große... Brauchen Unterstützung. Lange... nicht durch.“ Der Ernstfall war eingetreten, und sie liefen Gefahr, einen bemannten Mech mitsamt aktueller Bewaffnung und Piloten zu verlieren. Sofort erhielten die VTOL Order, umzudrehn und zur Feuerunterstüzung zu eilen. Nicht lange, und sie konnten die Schlacht orten. Doch das war nicht grade lustig, was da vor ihren Augen ablief: Offenbar hatte der Feind gleich mehrere große Mechs des Typus gebaut und zerstörte die Drohnen reihenweise. Auch der bemannte Mech sah nicht besser dabei aus. „Raptoren hier. Nesträuber, renne los! Wir machen das hier.“ Gesagt, getan. Der einzige bemannte Mech ließ die Drohnen zurück und spurtete so schnell es ging auf direktem Weg zum Hauptquartier. Diesmal kam ihm ein Außenposten zu schwach vor. Zudem lagen sie nicht nah genug auf seinem Weg. Der Bordcomputer meldete Raketen im Anflug. Abwehr aktiviert. Aber trotzdem donnerte es mit Gedröhn durch das Cockpit. Weiter! Durchkommen und in Sicherheit bringen. An etwas Anderes war nicht zu denken. Obwohl die Verfolger langsamer waren, glichen sie das durch die Raketen aus. Wo blieb die Luftunterstützung? War er ganz alleine? Weiter ging es im Höchsttempo, immer noch schlugen Raketen ein und schaukelten den Mech, dessen Pilot sich abmühte, die Maschine auf Kurs zu halten. In der Gitterdarstellung tauchte vor ihm das Gebirge auf. „Nesträuber an Gobi, bin in der Nähe und bringe etwas Obst mit. Brauche Pflücker!“ Antwort: „Wie bitte? Nesträuber, wiederholen!“ Jetzt standen die auch noch auf der langen Leitung! Nichts wie zum Höhleneingang „Nesträuber hier, bin 2 km von der Düne entfernt. Brauche Unterstützung!“ Das musste doch helfen... „Gobi sendet Hilfe, Nesträuber. Haben dich. Holen Mitbringsel jetzt ab. Auf zur Düne, du Hühne!“ Diesen Humor liebte er, besonders in schwierigen Lagen. Je schwärzer, um so besser. „Haltet schon mal das Netz bereit, falls ich mich gleich zusammen mit dem Obst rüberwerfe...“ In seinem Radar traten auf 12 Uhr blaue Blibs in Erscheinung. Endlich Verbündete! Die Scheinwerfer hatte er während seiner Flucht ausgeschaltet und sich ganz auf Sensoren und Radar verlassen. Weiter hetzte er den angeschlagenen Mech, der soeben fast gestolpert wäre. Nein, auch noch Beinschaden! Im Diagramm war es tiefrot. Panzerung weg, Fuß fragmentiert. So eine Scheiße! „Heh, rettet mir den brennenden Arsch!“, rief er ins Mikrophon. „sind schon da, Cowboy! Kompanie, Zielerfassung und los!“ Das war sein Kommandant. Vor sich sah er 15 Maschinen. Auf die Schnelle hatten sie einen Ersatz für ihn eingeteilt. Ha! Jetzt würde der Feind mal echte Waffen kennenlernen! Schon kam die Raketenmeldung. Doch die Geschosse näherten sich von hinten und galten ihm. Die Verfolger wollten ihn unbedingt abschießen, das war ihm jetzt klar. Zum Ãœberlegen brauchte er nicht lange. Taste für Dachluke. Gleichzeitig wurde seine Pilotenliege durch Düsen aufwärts gehoben und von einem stählernen Zylinder aufgenommen, der seinerseits mittels einer schwenkbaren Düse den stürzenden Mech verließ. „Nesträuber an Gobi, Heureka! Wo ist euer Netz?“ Antwort vom HQ: „Nesträuber, willkommen daheim. Halte dich gut fest und zieh dich etwas an den Griffen hoch. Das mindert Stauchungen und Brüche. Wir suchen dein Ei, kein Problem..“ Die Kompanie stand sieben großen Mechs gegenüber, wahrscheinlich waren es vom Gewicht Schwere oder Sturmklässler. Das konnten die Techniker später einteilen, wie sie wollten. Jetzt wurde gekämpft. Ihre sechs leichten Mechs rannten los und umkreisten die Angreifer ständig. Das irritierte den Gegner und behinderte die Zielerfassung, doch die Piloten konzentrierten sich auf die schwersten Ziele, auf die drei Artilleriemaschinen. Mit einem Hagel konzentrierter Granaten und Raketen wurden sie eingedeckt und konnten erstmal gar nicht zurückfeuern. Doch ihre Kameraden in den anderen Gewichtsklassen schlugen erbarmungslos zu. Schon knickte einem Gegner das Bein weg, und langsam neigte sich die Maschine seitwärts, bevor sie stürzte. Das bedeutete aber nicht, ihr Pilot sei besiegt. Nein, er schoss aus allen Rohren wie ein Berserker. Die sechs anderen Maschinen intensivierten ebenfalls das Gefecht und ließen Salve auf Salve regnen. Zunehmend setzten sie ihre Laser ein. Das konnte bedeuten, dass keine oder kaum noch Munition vorhanden war. Aber darauf konnte man sich nicht verlassen. „Zerberus an Keschik. Schickt uns mal die Vögel. Die können jetzt.“ Knacken. „Gut, sind unterwegs. Wir orten sieben Ziele. Bitte bestätigen.“ Ja, sieben schwere Kaliber... „Keschik, sieben fette Kanonen, richtig. Die Vögel sollen etwas übrig lassen, möglichst mit frischem Inhalt. Kann uns nur nützen.“ Keschik: „verstanden, Zerberus. Gute Ernte heute! Der Nesträuber hat nicht zu viel versprochen.“ Das hatte er nicht. Während sie auf die Beine des Gegners zielten und auch die anrückenden VTOL darauf hinwiesen, meldete eine Drohne den Metallzylinder. Schnell nahm sie ihn mittels Greifer auf und brachte ihn zum Höhleneingang, wo er auf einen Transporter abgesetzt und fixiert wurde. Sofort begab er sich zur Krankenstation, wo die Sanitäter sich des Piloten annahmen.

Von den Angreifern waren zwei weitere Maschinen ausgefallen. Die verteidigende Artillerie zog sich zu Reparaturen zurück. Aktuell standen fünf Angreifer gegen zwölf Verteidiger. Die feindlichen Mechs waren außerodentlich gut gepanzert. Auch sonst stellten sie eine Ãœberraschung dar. Der Keschik musste das eine deutliche Lehre sein! Schon bereuhte man, dem Feind ein VTOL geschenkt zu haben. Wenn er schon so schnell aus veralteter Technik schlagfähige Maschinen hinbekam, was würde sie erst im Luftraum erwarten, wenn die Techniker den Senkrechtstarter ausgewertet hatten? Solch einen Fehler beging die Keschik nicht wieder! Jetzt waren die VTOL heran und kamen über die Feindmechs. Keine Rakete flog ihnen entgegen, keine Granate. Nur noch Energiewaffen. Aber diesmal erwischten sie einige VTOL, deren Piloten ausgestiegen waren und sich suchen ließen. Was waren das für Geschütze? Langsam dämmerte es den Verteidigern. „Zerberus an Keschik. Wir haben hier ein echtes Problem. Der Feind feuert mit Orbitalkanonen.

 

Wiederhole: Feind hat Orbitalkanonen. Brauchen weitere Verstärkung zum Ausschalten und Erbeuten.“ Also gut. „Keschik hier. Wie lautet euer Status?“ Der Kommandant gab eine grobe Einschätzung des Schadens. „wenn wir die Mechs noch intakt haben wollen, brauchen wir schwere Maschinen, die ihnen die Beine abmähn. Wenn sie erst mal am Boden sind, können wir die Piloten zum Aufgeben bringen.“ Wenige Sekunden später stürmte eine Kompanie schwerer Mechs nach vorne und umkreisten zusammen mit den sechs Leichtgewichten die Gegner, deren Panzerung endlich nachgab. Da stürzte auch schon der nächste Koloss. Dann ging es immer schneller, denn je weniger Feuerkraft sie hatten, um so stärker war deren Feind. Als der letzte Mech lag, stellten die Verteidiger das Feuer ein. Ãœber Breitbandfrequenz nahm der Kommandant Kontakt zu den Besiegten auf: „Das war es für euch. Ihr habt verloren. Klettert aus den Kabinen und ergebt euch. Wir sind keine Bestien. Ihr bekommt ärztliche Versorgung und zu essen. Wenn ihr euch erholt habt, sehn wir weiter. Und nein, wir haben keine Folterknechte.“ Die erste Luke öffnete sich, und eine Hand winkte. Sofort kamen die Krankentransporter heran. Die Sanitäter kletterten auf den gefallenen Mech und bargen den Piloten. Die anderen Maschinen öffneten ebenfalls die Luken und entließen ihre Insassen.

Allmählich rückten Flachbetten vor und luden die Beute auf. Noch blieben die unbeschädigten Mechs und hielten Wache, während alle angeschossenen Maschinen eincheckten und sich in die Wartungsnischen begaben. Die Reparaturen würden Wochen andauern, das war klar. Aber sie hatten genug Wartungseinrichtungen und Personal. Die gefangenen Piloten wurden zur Assistenz den Cheftechs zugeteilt. Wenn sie sich bewährten und als loyal erwiesen, sollten sie auch ihre mitgebrachten Maschinen steuern. Deren Motoren wurden durch Reaktoren ersetzt. Zugleich bauten die Ingineure an entsprechenden Chassis mit ähnlicher Bestückung. Besonders die Orbitalkanonen, Laser der Superlative, durchliefen gründliche Forschung. Schließlich waren die Techniker so weit: Erste eigene Laser der Orbitalklasse gingen in Serie. Geschütztürme, VTOL und überschwere Mechs bekamen solche fetten Teile anmontiert. Jetzt hatten sie wieder einen Ausgleich. Nur die Panzerung der geborgenen Maschinen stellte die Laboranden vor ein Rätsel. Vielleicht konnten die gefangenen Piloten etwas dazu sagen.

Innerhalb der nächsten drei Tage wurden sie in ihrer Gemeinschaftsunterkunft beobachtet, und ihre Konversationen durchliefen genauer Analysen. Dies war eleganter als jede Verhörmethode. Die Psychologen und weitere Fachleute hatten viel zu tun beim Auswerten. Jeder noch so kleine Hinweis auf irgend ein Labor, Fertigungshallen und ähnliche Einrichtungen konnte sie weiterbringen. Das Metall oder seine Legierung waren der Schlüssel. Bislang schienen die Piloten kein Wort über die excellente Haltbarkeit ihrer mitgebrachten Mechs zu verlieren. Das konnte sich ändern, wenn sie den leitenden Techs zugeteilt worden waren. Aber noch wollte die Keschik abwarten, ob eventuell bei Streitereien unbedachte Äußerungen aufhorchen ließen. Und so blieben die Gefangenen zwei Wochen unter sich. Ja, da waren Andeutungen, wenn sie ihre Zeit vor der Gefangennahme Revue passieren ließen. Doch die waren unzureichend, und jetzt wollte die Keschik handeln.

Zu dritt wurden sie je einem Vorgesetzten anvertraut. Ihr siebter Kollege befand sich nach wie vor in ärztlicher Behandlung. Die beiden ChefTechs hatten in ihrer Kleidung Mikrophone versteckt, über die eventuell doch noch mehr herauskam. Wie die Piloten auf die fortschrittlichere Technologie ansprachen und was in ihrer Gemeinschaftsunterkunft gesagt wurde, ergab nur eine Möglichkeit: Sie verglichen die Mechs und erwähnten irgend wann die Fremden, die vor Monaten mit Schiffen auf dem Tempelberg gelandet waren und ihn dauerhaft verwalteten. Ob die Panzerung von ihnen gefertigt wurde? Die Vermutung lag sehr nah, doch die gefangenen Piloten schienen sich das ebenfalls zu fragen, als nochmals die Schlacht vor der Höhle zur Sprache kam. Dass die Verteidiger schwerere Schäden eingesteckt hatten, führten sie auf die Orbitalkanonen ihrer Maschinen zurück und nicht auf die Panzerung.
Vielleicht waren sie noch gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass die Fremden irgend ein überlegenes Material „von der Zentralwelt“ mitgebracht haben könnten. Jedenfalls schienen sich diese Wesen erfolgreich als „außerirdische Botschafter“ zu verkaufen. Die erst einmal als Techs dienenden Piloten waren mehr oder weniger überzeugt von der Darstellung.

Jetzt hatte die Keschik entschieden: Unter Führung ihrer Vorgesetzten sollten die neuen Techs erstmals den Schießübungen in der Halle für Mechschulung beiwohnen und bei der Justierung von Waffensysthemen und Munitionstransfer assistieren. Das bedeutete eine intressante Abwechslung für die Neulinge und würde vielleicht mehr entdecken lassen. Wie es aussah, wussten sie wirklich nichts. Aber egal, die Keschik wollte ihre Loyalität gewinnen. Waren sie erst einmal begeistert von der neuen Welt, in die sie unfreiwillig hineingeraten waren, würden sie sich als gute Soldaten bewähren im Kampf gegen ihre vormaligen Herren.

Für die Gemeinschaftsunterkunft stellte die Keschik einen Holoprojektor zur Verfügung, über den die Techassistenten Informationen zu unterschiedlichen Themen abfragen konnten. Das linderte aufkommende Langeweile, vertiefte die Lektionen, an denen auch sie teilnahmen und half ihnen, sich besser in den Stationen zurechtzufinden, in die man sie einließ. Allmählich zeigte sich, dass die Männer die Höhlenwelt als neues Zuhause betrachteten. Sie waren zusehends entspannt und ließen erste Kritik an der Weltregierung hören. Das war ein guter Anfang. Man gab ihnen Gelegenheit, ihre früheren Erfahrungen zu vergleichen mit ihrem jetztigen Los. Als schließlich bei der Arbeit und unter sich der Wunsch Form annahm, Bürger dieser verborgenen Welt zu werden, durften sie in ihren Mechs an den Schießübungen teilnehmen. Reges Intresse fanden auch die SimKabinen, in denen Gefechtsbedingungen realistisch dargestellt wurden. Bald schon fragten sie von sich aus, wann sie einer Kompanie zugeteilt würden. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen: Sie nahmen an der Pilotenabschlussklasse teil. Durch ihre praktische Erfahrung im Feld bedurften sie keiner vorgeschalteten Kurse und konnten direkt in zwei Monaten die Prüfung absolvieren, um als vollwertige Mechpiloten den Dienst anzutreten. Das war für sie eine Zeit gehobener Stimmung. Nein, hätte man sie als Angehörige dieser Gesellschaft gefangengenommen, wären sie längst unter Folter gebrochen und versklavt worden. Doch niemals wieder hätte man sie als Piloten zugelassen!

Seit mehreren Tagen fing die Keschik Funksprüche unbekannter Herkunft ab. Offenbar schien man die Piloten samt Mechs wieder haben zu wollen. Besonders die Piloten, wie die Keschik vermutete, und sicher nicht als Befreite. Denn die monatelange Abwesenheit konnte nur bedeuten, dass entweder kein Pilot überlebt hatte, oder dass man ihnen alles ausgequetscht hatte, was ihnen bekannt war. Jedenfalls würde man sie nicht mit Willkommensgruß empfangen. Das bedeutete: Die eingepflanzten Mikrochips, welche die Ärzte ihnen entfernt hatten, gaben wunderbare Köder ab. Und schon entstand ein Plan. Dazu fertigten die Techniker Dummies, denen sie die Chips an entsprechenden Stellen einbauten. Körperwärme und weitere biometrische Daten erfolgten per Generatoren. Die Dummies wurden in Mechdrohnen gesetzt, und jetzt spielten die ehemaligen Feindpiloten sich selber. Ãœber Funk bedienten sie die Kommanlage der jeweiligen Drohne. Das Schauspiel konnte beginnen. Basis Delta war ein wunderbarer Startpunkt und Austragungsort. Zwar vermissten sie ihren siebten Kameraden, der noch nicht so weit war, aber sie konnten ihn ja als gefallen beklagen. Das taten sie auch mit Bravour. Aktion Giftköder lief an. Je zu zweit in den drei Sternen der Kompanie „Racheengel“ integriert, marschierten die Drohnen mit bemannten Maschinen. Die Geisterpiloten hatten sich Rufzeichen zugelegt, welche die Feinde aufhorchen lassen sollten. Ja, sie mussten ihre Existenz verraten. Das war der Sinn des Unterfangens. Die Keschik meldete sich: „Himmel an Racheengel: Ausrücken. Und... Viel Glück!“ Die drei Kommandeure der Kompanie bestätigten und führten ihre Sterne in Formation Richtung Stadt. Um die vermeintlichen Piloten noch realistischer erscheinen zu lassen, waren die Drohnen mit veralteter Technik ausgestattet. Ihre Dieselmotoren verrieten durch Rußfahnen und Lärm ihre Position. Begleitet wurden die Mechs durch ferngesteuerte Panzer, die randvoll mit Sprengstoff gefüllt waren. Auch ihnen hatten die Techs Kommanlagen eingebaut, welche durch echte Fahrer im Keschikstudio bedient wurden. Typische Hintergrundgeräusche vom Band perfektionierten das Ganze. Je näher der gemischte Zug der Stadt kam, um so eindringlicher mahnten die Kommandeure zur Vorsicht. In einigem Abstand folgten bestens ausgestattete VTOL, bereit, einen Sturm der Vernichtung über die Feinde zu bringen. Dem Zug voran tasteten Fliegen die Umgebung nach versteckten Geschützen und weiteren Ãœberraschungen ab. Sicher hatte der Feind gelernt und seinerseits Artillerie mit Luftabwehr kombiniert. Was die anrückende Truppe stutzig machte, war die absolute Stille. Kein Jäger, keine sonstige Bewegung. Da! Die Fliegen meldeten metallische Konzentrationen im Boden direkt voraus. Das gebot erst einmal Halt. Bestimmt war der Stadtrand vermint. Jetzt hieß es Abstand gewinnen. „Himmel von Racheengel, müssen uns von Ziel entfernen. Boden ist geladen. Widerhole: Boden geladen.“ Jetzt rief ein Geisterpilot: „Jaaaaa jaaaa, ist wieder mal typisch. Feige Bande. Haben wohl Angst vor uns. Wir wissen, wo ihr seid und holen euch!“ Das dürfte seine Wirkung nicht verfehlt haben, wie sie hofften. Der Geisterpilot setzte noch Einen drauf: „Leute, da drüben auf 10 Uhr ist ein Lager im Keller. Ich markiere das mal eben.“ Tatsächlich erschien auf den HUDs ein Wegpunkt. Ob das Lager noch immer vorhanden war, spielte keine Rolle. All das gehörte zum Köder. Jetzt befahl der Kompanieführer, das Gebäude mit Artillerie zu belegen. Die sechs Drohnen waren Kopien der Beutemechs und feuerten gleichzeitig je eine Raketensalve ab. Teile des Gebäudes bröckelten und stürzten zu Boden. Eine Staubwolke hüllte es ein. Wie gut, Langstreckenraketen zu haben! Sie überbrückten das Gelände und lockten vielleicht endlich irgend jemanden aus der Versenkung. Noch tat sich nichts. „Himmel von Racheengel. Stadt schläft. Schickt uns Renovierer für den Einzug.“ Sollte der Gegner denken, sie wöllten die Stadt erobern! Das konnte ihnen recht sein. Ein Transport- VTOL schwebte herbei und senkte sich langsam neben den Panzerzug. Aus der geöffneten Luke drang das Motorensumen zweier Minenräumer. Sofort begannen sie parallel ihre Arbeit. Erste Minen wurden lokalisiert und geborgen. Das nahm Zeit in Anspruch, doch um so besser für die Lockwirkung. Auf einmal meldeten die Fliegen magnetostatische Anomalien im Luftraum. Das konnte durch Tarnkappen hervorgerufen worden sein. Erhöhte Wachsamkeit. Vielleicht wurden sie längst von den Schiffen der Fremden beobachtet. „Racheengel von Himmel. Ihr habt eben genug Muße.“ Das war der Befehl für EGM und wurde postwendend bestätigt: „Himmel von Racheengel. Muße ist gut... Zeit ist besser.“ Die EGM störte erheblich gegnerische Zielerfassung, so dass Raketen einzig durch optische Sicht abgefeuert werden konnten. Kein Feindobjekt konnte markiert werden. Kein roter Blip erschien, der die aktuelle Position sonst gezeigt hätte. Der Kompaniekommandant gab erneuten Feuerbefehl. Sie wollten den Feind etwas ärgern. Irgend wann musste der seine Beherrschung verlieren, doch wann? Sie wussten über diese Schiffe fast nichts. Aber es lag nah, dass die mit verheerender Bewaffnung bestückt, noch dazu bestens gepanzert und abgeschirmt waren. So lange sie nur still beobachteten, konnte das Schauspiel weiterlaufen. Inzwischen hatten die Räumer die ersten Häuser erreicht. In den umgebenden Gebäuden war nichts, was aufgefallen wäre. Auch der Boden schien sauber zu sein. Ãœber den minenfreien Korridor rollte zunächst Panzer für Panzer. Der Zug begab sich weiter stadteinwärts, als die nachrückenden Mechs am beschossenen Gebäude hielten. Langsam kam der Verdacht auf, die Stadt sei komplett evakuiert und leer. Ein paar Fliegen drangen in das Gebäude ein und untersuchten jeden erreichbaren Winkel. Keine Anomalie, das bedeutete aber auch das Fehlen von Munition. Das Lager war verlegt worden. Falls die Stadt wirklich leer war, mussten sich die Jäger und Mechs irgend wo anders aufhalten. Ein Geduldsspiel. „Haha! Die sind geflohen, feige Bande!“, versetzte wieder der eine Geisterpilot, ergänzt von den Anderen, die auf ähnliche Weise ihren Hohn hören ließen. Sollte der Feind sie für sorglos halten. Schon stimmte jemand ein Spottlied an, um den Eindruck zu verstärken. Warnlichter blinkten in den Cockpits und ließen die Piloten und Fahrer noch aufmerksamer sein, während sie weiter Unbekümmertsein zur Schau stellten. Der Gegner sollte nicht merken, dass er bemerkt wurde. Leise schwärmten die VTOL aus und patroullierten durch jede Straße in mittlerer Flughöhe. Nichts, keine Bewegung. Doch die Fliegen machten sichtbar, was dem Radar entkam. Um die Stadt hatte sich ein Ring von Schiffen geschlossen. Das beobachtete auch die Keschik. Jeder VTOL- Pilot bekam eine Textnachricht zu lesen und wusste Bescheid. Auf das Startzeichen des Geschwaderführers hoben sie sich über die Gebäude, drehten die Nasen zum Stadtrand und schossen mit ihren Orbitalkanonen ins Dunkel. Wenn ihnen die Provokation gelang, dann jetzt. Bläulich- weiße Lichteffekte zeichneten aktive Energieschilde ab. Das neutralisierte die gegnerische Tarnung, führte jedoch nur zur Erkenntniss, dass der Feind so bald nicht verwundbar sein konnte. Jetzt begannen auch die Panzer und Mechs, auf die getarnten Schiffe zu feuern. Diese reagierten aber nicht. Offenbar wollten sie warten, bis die Munition zur Neige ging, um vielleicht eine Ãœberraschung einzuleiten.
Irgend etwas war oberfaul. „Rakete im Anflug! AML, schnell!“, kam von der Keschik. Doch das, was da in hohem Tempo von draußen zur Stadt flog, war mehr als eine Artillerierakete. Die Größe verriet ihnen, dass Flucht so ziemlich die einzige Hoffnung barg. Sofort setzten die Mechoffiziere die Maschinen in Bewegung und steuerten den minengeräumten Korridor an, gefolgt von der übrigen Kompanie. Etwas zurück blieben die sechs Raketenmechs. Nur noch 10 km war das Geschoss entfernt. Endlich waren die Mechs aus der Stadt gekommen und rasten Richtung eines befestigten Außenpostens, der mit Schacht versehn war. Die VTOL stürmten der Kompanie wenige Meter über dem Boden hinterher und entgingen dem Bombardement aus Laserstrahlen. Die Schiffe zogen ab. Selbst ihre Schilde vermochten der Gewalt von Atomwaffen kein Paroli zu bieten. Den Panzern gelang es nicht, rechtzeitig wegzukommen. Auch die Mechdrohnen waren zu langsam. Mit Sorge sah die Keschik den geringen Abstand zur Stadt. Schneller konnten die bemannten Mechs nicht rennen. Sie waren mal grade 10 km weit gekommen, als die Detonation erfolgte. Jetzt war nur noch zu hoffen, dass 10 km genügten, um der Druckwelle zu entgehn. Das war ein übler Augenblick. Die nächsten Minuten waren erfüllt mit Schreien. Geistesgegenwärtig verabschiedeten sich die Geisterpiloten vom Leben, um ihren Tod im Inferno glaubhaft zu machen. Die bemanten Mechs wurden erfasst und hilflos durch die Luft geschoben. Alles hatte sich die Keschik ausgemalt. Alles, nur keine Nuklearbombe. Jetzt machten sie sich Selbstvorwürfe und wünschten sich, nur Drohen eingesetzt zu haben. Doch das Lamento nützte niemandem. Sofort wurden die VTOL zum Suchen und Evakuieren der Ãœberlebenden beordert. Sie machten Kehrt und hielten Ausschau nach Mechs oder deren Ãœberbleibsel. Da fanden sie zerstreut qualmende und glühend Metallteile. Keine Biometriewerte. Sofort wurden Löschzüge angefordert. Nach einer halben Stunde landeten Transporter und setzten die Fahrzeuge ab. Im Löschmittel befand sich zugleich auch dekontaminierender Zuschlag. Weitere Transporter landeten mit Flachbetten und Lazarettfahrzeugen. Doch da war kein Leben.

Im Zwielicht vor Sonenaufgang offenbarte sich den Bergungstrupps eine schwarze Ebene. Überall stieg Dampf auf. Die Piloten ohne Schutzanzug waren schnell zum HQ gerufen worden und hatten sich einer vorsorglichen Dekontaminierung unterzogen. Alle betroffenen VTOL waren ebenfalls in Quarantäne. Die Transporter würden mit nur kaum beladenen Flachbetten im Laufe des Tages eintreffen. Gefechts- ROMs, falls vorhanden, sollten Auskunft geben. Doch angesichts der kargen Reste, die mal funktionierenden Mechs gehörten, bestand kaum Aussicht auf die Geräte. Jedenfalls musste das Gelände gesichert werden, so lange noch irgend ein Teil auffindbar war. Sie durchlebten ein Trauma. 12 gute erfahrene Piloten waren vermisst, falls noch jemand lebte. Angestrengt striffen Suchtrupps durch die Gegend und gaben ihr Bestes, um vielleicht noch Überlebende zu retten. Mit jedem Tag schwand ihre Hoffnung. Nicht eine Rettungskapsel war geortet und ihre Flugbahn verfolgt worden. Wenn ihre Piloten keine Zeit zum Ausstieg hatten, waren sie in ihren zerstörten Mechs verglüht. Fliegen und VTOL patroullierten systhematisch über der gesamten Fläche des Fluchtweges und auch im Umkreis der noch intakten Landschaft. Geschütztürme in großer Zahl befanden sich innerhalb kurzer Zeit rund um die gefährdeten Stationen. In den Laboren verbesserten Ingineure die Reichweite aller Sensoren.

Nach zwei Wochen verordnete die Keschik einen Gedenktag für die vermissten und auch tot aufgefundenen Piloten. Der Bereitschaftsdienst blieb aktiv, doch die Produktion ruhte. Statt Unterrichtes fanden Podien statt, in denen sich die Bürger aussprechen konnten. Am Abend wurde eine Versammlung einberufen, die in jeden Haushalt und jede Station übertragen wurde. Präsident Ebeling sprach einleitende Worte, gab jedoch dann symbolisch das Mikrophon weiter an seinen Vertreter, bevor er ihn zum neuen Präsidenten ernannte. Selber stand er seinem Nachfolger aber beratend zur Seite. Das blieb. Der neue Präsident, Amos Binjaschar, war der Sohn des legendären Joschiah Binjaschar und als würdig befunden, den Präsidenten zu begleiten und später dessen Amt weiterzuführen. Der Tag war gekommen. „Werte Bürgerschaft, meine Eltern wären jetzt glücklich, wenn sie noch unter uns weilen würden. Doch ihr Andenken lebt weiter in ihren Kindern. Lasst uns nie vergessen, wer wir sind und von wo wir kommen. Denn sobald wir das vergessen, haben wir unsere Bestimmung verloren. Wir halten unsere Vorfahren und Lehrer in Ehre, wenn wir das Werk aufnehmen und weiterführen. Unsere gewachsene und gereifte Zivilisation ist vielleicht alles, was von der freien Menschheit übrig blieb. Da draußen herrschen die Tyrannen und ihre Vasallen über unsere Artgenossen. Diese Fremden, die Maitreya gefolgt sind, um abermals uns Menschen zu versklaven und für ihre maßlose Gier zu missbrauchen, sie sind fehl am Platz! Wir dürfen sie nicht länger dulden. Das Goldene Zeitalter- wo ist es denn? Sie haben ihr wahres Ansinnen gezeigt. In der Menschheitsgeschichte ist ein weiterer schwarzer Fleck.“ Jeder wusste, was Binjaschar hier meinte. „was, außer Selbstherrlichkeit und Zerstörung, haben sie denn gebracht? Auf dem Tempelberg ist Platz für nur einen einzigen Dienst. Auf unserer Welt ist Platz für nur uns Erdgeborene. Diese Ãœberwesen haben bei uns nichts zu suchen. Erinnern wir uns an jenen Tyrannen, der als Nimrod bekannt wurde. Dieser Typ hatte unsägliches Chaos und Leid über uns gebracht mit seiner Bosheit und Anmaßung.“ Jetzt holte Binjaschar tief Luft und rief es laut aus: „Was, wenn Maitreya dieser Nimrod ist? Außen ein Schaf, innen ein Jäger. Das ist er, genau wie Nimrod. Er umgarnt ahnungslose Bürger, lenkt sie ab von den echten Problemen und erschlägt jede Kritik. Aber wir, die freien Menschen, erschlagen jetzt ihn! Tod über den Tyrannen, Sieg der Freiheit!“ seine weiteren Worte gingen in lärmendem Beifall unter. Fast alles war gesagt. Allmählich kehrte wieder Stille ein, und Binjaschar begann das neue Ziel zu stecken: „Ab heute werden wir den Planeten zurückerobern. Stück für Stück, Landschaft für Landschaft wird wieder unter unsere Kontrolle gebracht. Aus den begangenen Fehlern haben wir gelernt. Niemals wieder liefern wir dem Feind unsere Technologie so leichtfertig ins Haus! Ab jetzt nehmen wir ihm alles, was er hat. Keine Gnade, keine Geduld. Mit Hilfe des Ewigen bereiten wir den Weg, auf dem Er den endgültigen Schlag ausführt und unsere Feinde für immer zerstört. Höre, JisraEl: Adonai, unser G'tt, Adonai ist Einer. Neben Ihm ist keiner der Herr, und erst recht nicht über uns! Und jetzt lasst uns wieder an die Arbeit gehn. Bauen wir eine Heeresmacht auf, die dem Feind jede Grundlage entzieht. Wohlan, freie Bürgerschaft. Ans Werk!“ Hiermit verließ er das Rednerpult und begab sich in das HQ der Keschik. Oscar Ebeling nahm das Mikrophon kurz an sich und erklärte die Versammlung für beendet. Anschließend folgte er Präsident Binjaschar.

Eine Woche später waren alle Stationen mit besseren Sensornetzen und effektiverer Verteidigung verstärkt. Auch die Vorgehensweise war anders: Die Fliegen spürten feindliche Einheiten auf. Kurz danach kamen VTOL über sie und bombardierten sie in Grund und Boden. So schnell sie den Feind erreicht hatten, verschwanden sie. Immer weiter drangen die unterirdischen Anlagen vor. Die Massen an Abraum wurden fortan zu Wällen aufgeschüttet. Zwar verrieten sie dadurch ihre Anwesenheit, aber feindliche Bodentruppen wurden stark abgebremst. Und hinter den Wällen lauerte der Tod. Getarnte Geschütze und Minen lehrten dem Feind, sie zu fürchten. Die unterirdische Ausweitung ihrer Zivilisation verlief genau nach Plan. Stratigisch wichtige Gegenden erfuhren besonders intensive Konsolidierung. Ein Ausläufer verlief durch den Süden Europa´s, entlang des Mittelmeeres, um schließlich unter Jordanien, den arabisch besetzten Gebieten IsraEl´s bis zum noch freien Land zu reichen. Hier mussten sie wegen der Tektonik behutsam sein. Die Gegend war ein Grabenbruch. In wenigen Metern stand ozeanisches Grundwasser. Weitaus besser sah es aus im Bereich des Ostjordanlandes. Man vertrauten den Ingineuren, zu deren Aufgaben auch das Ermitteln günstigster Baustellen gehörte. Für den vielen Abraum hatten sie Tunnel zum Ozean angelegt. Sie mündeten unterhalb des Wasserspiegels und wurden durch amphibische Baufahrzeuge bedient. Statt aus Metall bestanden sie aus Kunststoff und Karbonfasern. Einzig der Motor war wie üblich ein Fusionsreaktor, gut abgeschirmt gegen das korrosive Wasser. Monate hatten sie sich unter den Landstrichen vorangegraben, und überall entstanden Wälle und Grale, die Batterien von Geschützen bargen.
Wo die VTOL selber in zu große Gefahr geraten wären, setzte man Artillerie und Flugabwehr ein, meistens in Form der Mechs. Erst ganz am Schluss konnte Infantrie ohne Gefahr die eroberten Stationen sichern und alle noch brauchbaren Abwehreinrichtungen umprogrammieren und wieder aktivieren. Präsident Binjaschar hatte den Kommandos im nahen Osten ausdrücklich angemahnt, Saudien, beide Ostflügel Jordanien´s und Südirak zu umgehn. Das verlangsamte ihren Vorstoß. Aber sie wussten den Grund. In der Gegend wären Tunnel zu gefährlich gewesen, denn sehr bald

schon würde das komplette Gebiet eine brodelnde lebensfeindliche Vulkanlandschaft sein und für immer so bleiben. Das war die zukünftige Hölle. Die Tunnelung musste weit genug von den Ländereien weg sein.

Unbemerkt vom Jordanier, quasi unter seinen Füßen, fräste das Nahostkontingent neue Hallen in den Fels. Die Gefechtsstationen mussten unaffällig im Gebirge entstehn. Um Aufmärsche zu verhindern, förderte die Plattform tonnenweise Abraum nach oben, der dann als Lavinen zu Tal donnerte. Nein, hier traute sich keine Armee hin. Innerhalb weniger Monate standen mehrere tausend Mechs in den Hallen unter Jordanien´s Erdboden. Die Keschik gab das Angriffszeichen. Dutzendweise fuhren sie zur Gebirgsoberfläche, rückten vor und geben den Weg frei für weitere Maschinen. Kompanie auf Kompanie bedeckte den Höhenzug. Schon zogen die ersten Verbände die Pfade entlang, immer auf der Hut vor Luftangriffen. Am Fuß standen mittlerweile Hundertschaften abmarschbereit. Ihre Ziele waren alle Militärflughäfen und Radarstationen. Die Verbände waren organisiert in je 5 Kompanien, so genannte Sternhaufen, bestehend aus 5 mal 15 Mechs, gesamt 75 Maschinen. Die Sternhaufen rückten aus. Jeder Jet wurde durch Orbitalkanonen und Großlaser derart ramponiert, so dass die Raketen eingespart werden konnten für später. Ausgestiegenen Piloten wurde die unbehelligte Flucht gewährt. Man ignorierte sie einfach. Was konnte sie auch schon tun außer Evakuierung anfordern? Panzer wären von vorne herein verloren gewesen. Jordanien musste hilflos zusehn, wie die Invasion sich den Weg zu ihren Zielen bahnte. Einzig die Schiffe der Fremden konnten die Mechflut noch aufhalten. Doch die Wesen dachten gar nicht an ein Intervenieren. Sie hatten ein echtes Problem...

In der Ebene des historischen Ortes Megido braute sich etwas zusammen. Gleich mehrere Armeen trafen sich in der Gegend. Sie wollten auf eigene Faust einen Schlussstrich unter Israel´s Geschichte ziehn und hatten hier ihr Aufmarschgebiet gewählt. Selbstverständlich war es der Keschik nicht entgangen. Wenige Kilometer von den Armeen entfernt parkten die VTOL. Ausgesandte Fliegen meldeten seltsame Anomalien im Luftraum. Ob das wohl wieder die getarnten Schiffe waren? Doch die Signaturen waren völlig ungewohnt und wollten keinem bekannten Muster entsprechen. Und noch etwas ging vor sich. Der kosmische Steinhagel, welcher schon seit einem halben Jahr andauerte, wurde immer heftiger. Der gesamte Kuipergürtel schien sich entleeren zu wollen. Doch das war nur der Anfang. Mit vielfacher Schallgeschwindigkeit sauste etwas Großes im steilen Winkel durch die Athmosphäre, zu schnell, um irgend eine Reaktion zu erlauben. Innerhalb nur zweier Sekunden schlug der Himmelskörper senkrecht in Westsaudien ein. Kilometerhohe Staubfontänen verdüsterten die Landschaft, und im Epizentrum brach die Erdkruste auf. Lava stieg hoch und regnete im Umkreis hunderter Kilometer auf die Ortschaften. Der schwarzgetünchte Würfel, welcher seit Jahrhunderten den Pilgern als Treffort galt, konnte den entfesselten Gewalten kein bisschen standhalten. Der gesamte Wallfahtsort war auf einen Schlag unter meterhoher glühender Asche begraben und brannte zu Boden. Die Erde bebte so heftig, dass kein Gebäude in Saudien intakt blieb. Niemand hatte irgend eine Chance zur Flucht. Ebenfalls vor den östlichen Ausläufern Jordanien´s machte die Katastrophe keinen Halt. Auch da riss die Erde auf und gab heißen Fontänen aus Öl, Magma, Wasser und Asche frei. Teile des Irak waren genau so hart getroffen. Ein riesiges Inferno erinnerte an den Ausbruch eines Megavulkanes.

Die Schiffe der Fremden schwebten im hohen Orbit, bereit zur Flucht in ruhigere Gebiete. Tief unten in der Megido- Ebene prallten die Armeen aufeinander. So war das nicht gedacht! Aber urplötzlich dachte jede einzelne Partei an die Gelegenheit, hier vor Ort zu siegen und weltweite Dominanz durchsetzen zu können. Die Heeresmacht aus Mechs war zu weit weg, um sich am chaotischen Getümmel zu beteiligen. Außerdem wäre das völlig idiotisch gewesen. Die Sternhaufen Richtung Osten machten Halt, als das Inferno losbrach. Schnellsten kehrten sie um und rannten landeinwärts. Hier gab es für sie nichts weiter zu tun. Über Funk verständigten die Sternhaufenkommander sich und koordinierten den gemeinsamen Vorstoß zum Zentrum. Von da aus wollten sie nord- und südwärts, um anschließend IsraEl zu verstärken im Kampf gegen die überirdische Plage der Nephilim.

Die Ebene von Megido war nun tiefrot und von Kadavern bedeckt. Überall kämpften restliche Truppen gegenander. Da zog eine Wolke aus abertausenden fliegenden Kreaturen heran. Die Luft war erfüllt von heiserem Krächtzen, das entfernt an Kraniche und Seevögel denken ließ. Doch das da waren gar keine Vögel. Ihre Flughäute erinnerten an Fledertiere, nur waren diese Lebewesen viel größer. Sie gehörten zur Familie der Pterosaurier, Flugdrachen der Antike, als Versteinerungen bekannte fliegende Reptilien. Immer mehr segelten zur Erde nieder. Unten bot sich dem Beobachter eine grausige Szenerie. Hungrig machten sich die Tiere über die Gefallenen und Sterbenden her.
Von fern ertönte der Klang eines priesterlichen Schofars, wie man es blies für synagogale Anlässe. Die hungrigen Saurier ließen sich nicht stören bei ihrem Festmahl. Dies war ihr verbürgtes Recht, hatten die Toten doch alle Futtergründe verseucht. Jetzt waren sie selber die Nahrung für ausgemergelte Tiere, die alle nachflutlichen Jahrtausende versteckt überleben konnten und jetzt erst beinah endgültig ausgestorben wären. Endlich triumphierte auch für sie die Gerechtigkeit!

Ein unerwartetes Erdbeben erschütterte den Berg Zion. Hier, mitten über dem Grabenbruch, spaltete sich das Erdreich. Jerusalem wurde hart erwischt und in drei Teile zerrissen. Der benachbarte Olivenberg erlitt ebenfalls eine Verwerfung. Beidseits an seiner Basis begann sich der Erdmantel su senken und kippte. Der ganze Berg schien auseinandergezogen zu werden und ähnlete einer Knospe, die sich teilte.
Im Orbit hingen die Schiffe und warteten auf den Befehl Maitreya´s. Doch der würde nicht kommen. Eine andere, bis dahin der Erde unbekannte Streitmacht näherte sich aus großer Höhe und eilte abwärts. Wer bis dato nicht an fliegende Pferde geglaubt hatte, musste jetzt an seinem Verstand zweifeln. Da erschien ein Reiter auf seinem schneeweißen Pferd und führte das Heer an. Hilflos schauten die Schiffsbesatzungen zu, wie sich die Phallanx zur Stadt begab, auf dem Tempelberg landete und alle Getreuen Maitreya´s ergriff. Schließlich ritt ein einzelner Krieger, der Anführer, in den Tempel ein. Schweigend standen sie sich gegenüber. Keiner der Beiden zeigte Nachgiebigkeit. Maitreya bereitete sich innerlich auf den Kampf um die Herrschaft vor. Kein Wort fiel. Sie starrten einander an. Jetzt sprang Maitreya auf und schwebte an den Reiter heran. Der öffnete seinen Mund und hauchte in Maitreya´s Richtung. Was für Menschen den Hauch des Lebens bedeutete, wirkte auf Maitreya als Hauch des Todes. Er war besiegt. Sofort startete die Streitmacht und jagte den panisch davonstiebenden Schiffen hinterher. Diesen konnte jetzt kein Geschütz helfen, selbst Orbitalkanonen waren machtlos. Niemand entkam dem Zugriff der Befreier, die gekommen waren, die Schöpfung zu retten. Jetzt ging alles in Sekunden: Maitreya wurde gepackt und in den schwefelhaltigen Lavasee mitten im vulkanischen Inferno geschleudert. Nicht anders erging es den Schiffen samt ihrer Besatzungen. Die letzte Generation der Nephilim befand sich nach Jahrtausenden am Ort ihrer endgültigen Bestimmung. Aus diesem Gefängnis würden sie niemals entlassen werden. Sie hatten ihre Chance zur Umkehr abgelehnt und mussten jetzt für ihre unbeschreibliche Bosheit bezahlen.

Das Heer folgte seinem Anführer in Richtung der Nachbarländer IsraEl´s. Auch da wurden viele unbeugsame Feinde gerichtet. Während er mit seiner Gefolgschaft unterwegs war, erscholl etwas wie antike Blechblasinstrumente. Ein seltsames Leuchten erschien am Firmament und senkte sich herab, wobei es an Intensität zunahm. Jetzt konnte man Einzelheiten erahnen. Das Ganze sah aus wie eine Art Burg oder Festung, die herabschwebte und sich auf den Berg Zion senkte. Seltsamerweise verschwand jedes Anzeichen der vorigen Zerstörung im Nichts. Keine dreigeteilte Stadt. Weder Dunkelheit, Rauch, Feuer noch andere Zeichen des Todes. Da war nur noch diese seltsam leuchtende Stadt, welche einen Goldschimmer aufwies. Der Streiter kam zurück und zog durch ein Tor in die unwirklich anmutende Stadt ein. Sein Gefolge schwärmte aus in alle Richtungen und würde die verschleppten Einwohner wiederbringen, dazu auch jeden weiteren Israeliten, so dass nach Jahrtausenden das überlebende Volk endlich wieder vollzählig im Heimatland versammelt wäre. Dies erfüllte sich nun vor den Augen der Mechpiloten, vor den Augen aller Überlebenden. Und noch etwas geschah: Der Planet wurde um ein Vielfaches größer. Die verseuchten stinkenden Ozeane waren plötzlich verschwunden. Ein Fluss bahnte sich den Weg vom Zentrum der leuchtenden Stadt und mündete im Salzmeer, wie das Tote Meer auch genannt wurde. Bald schon würde es ein fischreiches Gewässer werden. Das Leben schien endlich in seiner Fülle auf den geschundenen Planeten zurückgekommen zu sein. Israel´s treuer G'tt und liebender Vater kam zusammen mit jener goldschimmernden Stadt nach Zion zurück.

Die Mechpiloten steuerten ihre Maschinen zum Berg Zion und hielten vor der Stadt. Fast synchron schwangen die Cockpitluken auf, die Kettenleitern rasselten herab und an ihnen stiegen die Piloten zu Boden, sich vor den Toren der neuen Stadt einzufinden. Ehrfürchtig verneigten sie sich vor dem unbeschreiblichen Wesen, das in ihrer Mitte residierte. Auch der Krieger, welcher Maitreya getötet hatte, war zugegen. Da kamen seine Mitstreiter und brachten unzählige Menschen durch die Tore zur Stadt hinein. Den Mechpiloten wurde warm ums Herz, und sie fühlten, wie ihr tiefstes Innere verwandelt, ja geheilt und befreit wurde. Glückselig, wer diese Stunden erleben durfte. Vergessen waren die Anstrengungen, Entbehrungen, Schmerzen und Nöte der vergangenen Tage.

Nun, da niemand zu kämpfen brauchte, dienten die Mechs als Zugmaschinen für den Wiederaufbau. Auch in der Landwirtschaft konnte man sie gut verwenden, selbst VTOL eigneten sich zum Transport von Arbeitern und Ernte. Soldaten belegten fortan entsprechende Kurse, und niemand hatte Intresse an Waffenkunde. Jahr für Jahr entsandten die Nationen Delegierte zum Laubhüttenfest, auch zum Neumond fanden überall auf der Welt Feiern statt. Niemand litt irgend einen Mangel, keine Währung war bekannt. Jeder brachte sich in die Gesellschaft ein und hielt sie dadurch in Gang. Bäcker wurden ohne Verzögerung beliefert, jeder Mensch hatte sein Auskommen. Da gab es kein Horten, weil niemand Angst vor Mangel kannte. Die unterirdische Zivilisation bekam alle Hände voll zu tun, um der überlebenden Menschheit wieder aufzuhelfen. Sogar die Nachkommen von Tieren aus Zoos und Parks oder von Haustieren tummelten sich auf dem Berg Zion ohne irgend eine Aggression. Kein Blut floss, kein Toter musste beklagt werden. Der Berg Zion war ein kleines Paradies und eine Oase der Harmonie.
Jetzt war tatsächlich eine goldene Zeit gekommen!

 

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Eaglesword
seit 07 wegen voller Erwerbsminderung berentet, bin ich jeden Tag online aktiv. Da ist zuerst mal www.teschuwa-hausisrael.org, wo ich CoAdmin bin. Hier versuche ich, eine Möglichkeit zum Veröffentlichen meiner Arbeiten zu nutzen, aber auch weiteren Autoren zu helfen, sei es durch Anregung, ermutigende Worte oder konstruktive Kritik.

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Eaglesword Sooo, ihr lieben Literaten, in besagtem Forum www.teschuwa-hausisrael.org ist auch die aktualisierte Ausgabe des Romanes zu finden unter dem Suchwort "Romane". Die einzelnen Kapitel sind verlinkt zum schnellen Reinspringen. Mehr Info folgt noch.
Soeben das Lesezeichen auf S. 21 gesetzt. Könnt ihr das nutzen? Wäre schön, falls es nicht nur für meinen Bedarf aktiv ist.
Vor langer Zeit - Antworten
Eaglesword einfachhalber endlich der Link zur überarbeiteten Auflage im Forum: http://www.teschuwa-hausisrael.org/t924-tage-danach?highlight=Tage+danach
Vor langer Zeit - Antworten
Eaglesword am Besten in die Browserzeile pasten, ansonsten sprecht mich an, falls nichts will wie es doch sollte...
Vor langer Zeit - Antworten
Eaglesword ab S. 21 beginnt samt Kapitelübersicht wirklich die Erzählung von Anfang an. Verzeiht, erst jetzt bin ich dazu gekommen, wieder etwas von mir hören zu lassen. Ja, bisher ist Manches geschehn. War mein Fehler, noch nicht auf die Seitenzahl hingewiesen zu haben.
Vor langer Zeit - Antworten
Eaglesword dummerweise ist mir das Kapitel `Aufdeckung´ noch einmal vor dem Inhaltsverzeichnis gelandet, wo es nicht hingehört.
Vor langer Zeit - Antworten
caloramoena Ich habe nur die ersten paar Seiten gelesen, finde deine Geschichte aber schon toll. Der Text liest sich sehr flüssig und lädt ein, weiterzulesen.
Leider sind 512 Seiten etwas zu lang, um sie an einem Stück zu lesen.

LG Cali
Vor langer Zeit - Antworten
EagleWriter Hab grade mal den Prolog gelsen udn bin schon begeistert. Wirklich gut ausbgeabreitet und wieder einer dieser Texte die ich würde ich sie in einer Buchandlung finden vermutlich spontan kaufen würde. Respekt.
Vor langer Zeit - Antworten
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