Beschreibung
http://www.herzkinder.at/
liegt mir sehr am Herzen
für meine Anna, Jakob, Niklas und Selina.
Foto: Anna und Jakob Altendorfer
Danke
„Bitte, was soll der kosten?“ Laura steht etwas breitbeinig und nach Halt suchend zwischen den zerdrückten Flohmarkt-Kartons und hält einen riesengroßen Teddybären in Richtung der alten Dame, die die Besitzerin dieses Standes zu sein scheint. „Was ist er Ihnen wert?“
„Was es mir wert ist? O je, was könnte er mir wert sein, dieser zerrupfte Teddy, der Hals abwärts schon geflickt ist? Ich wollte ihn einem Mädchen schenken, dessen kleiner Bruder im vorigen Jahr ein Sternenkind geworden ist. Ich weiß nicht, was sie denkt, wenn sie einen Teddy mit Narbe bekommt. Sie soll Freude daran haben und er soll sie trösten und ihr ein lieber Freund sein. Ob das ein solcher Teddy kann, da bin ich mir nicht sicher. Vielleicht sollte ich doch in einem Spielwarengeschäft nach einem neuen Bären für Selina suchen!“
" Darüber sollten Sie nachdenken, liebe junge Frau. Natürlich bekommen sie im Geschäft einen funkelnagelneuen Bären, der noch keinen einzigen Tag gelebt hat, dessen Fell noch kalt und ungestreichelt ist. Einen der mit vielen maschinell gefertigten Teddys eng zusammengepresst in großen Kartons darauf wartet endlich in den Regalen der Spielwarengeschäfte zu landen, aber keiner wird so sein wie dieser Teddy. Er kennt das Leben mit all seinen schönen und traurigen Seiten. Schauen Sie ihm in die Augen und sie werden spüren was ich meine.“
„Sie haben recht, er schaut so, als hätte er viel Glück und Freude, aber auch schon Leid und Schmerzen gesehen.“ „Liebe junge Frau, das hat er wirklich, wenn Sie mögen erzähle ich Ihnen seine Geschichte.“
Die alte Dame nimmt aus einem der Kartons eine silberne etwas angeschlagene Thermoskanne und zwei weiße Emaillebecher, deren blauer Rand fast vollkommen abgeblättert ist. „Käffchen gefällig?“ „Gerne!“ lacht Laura, obwohl sie sich ein wenig vor dem Kaffee und noch ein wenig mehr vor den zerbeulten Bechern ekelt.
Mit einer raschen Handbewegung fegt die Alte ein paar zerbeulte Filzhüte von den abgewohnten wackeligen Holzschemeln, dreht einen der schmuddeligen, leicht eingedrückten Pappkartons herum, stellt die beiden Becher darauf und bittet Laura Platz zu nehmen. "Natürlich kann ich nur das weitergeben, was mir die Kinder Anna und Jakob erzählt haben. Mich hat ihre Geschichte sehr berührt und so versprach ich ihnen zu helfen.“
Mit etwas brüchiger Stimme beginnt die alte Dame zu erzählen:
„Vor ein paar Wochen kamen diese beiden Kinder zu mir und baten mich, ihren Teddy auf eine große Reise zu schicken. „Warum soll euer Teddy denn verreisen?“ fragte ich die Beiden „und vor allen Dingen wie stellt ihr euch das vor? Ich kann den Teddy doch nicht einfach in ein Zugabteil setzen, winken und dann sagen: "Gute Reise, melde Dich wenn Du irgendwo angekommen bist. Kinder ich glaube das geht nicht.“ „Schade“ sagte die kleine Anna traurig, „es wäre so schön, wenn er vielen Menschen seine Narbe zeigen könnte. Schau mal, mein Bruder Jakob hat die gleiche Narbe. Du glaubst nicht wie viele Kinder wir sind, die alle einen Herzfehler haben. Manche von uns werden gleich nach der Geburt operiert, damit sie ein schönes Leben haben können. Hmmm, weißt Du, ein bisschen beneide ich Jakob schon um diese Narbe, denn jeder sieht sofort das er am Herzen operiert worden ist. Bei mir sieht man das nicht, obwohl auch mein Herz krank ist. Na und weil wir nicht als Botschafter, so sagt man doch, oder? um die Welt reisen dürfen haben wir dem Teddy genau so eine Narbe gemacht, wie sie der Jakob hat.“ „Ihr habt ihn aufgeschnitten, oder soll ich sagen: Ihr habt ihn operiert? Und dann habt ihr mich ausgesucht, damit er auch wirklich zu genau den Menschen kommt, die blind für solche Narben und für die Sorgen, den Mut und die Stärke, die ihr habt, sind? Sehe ich das so richtig?“ „Ja genau. Immer wenn wir hier vorbeigekommen sind, haben wir gesehen, wie die Puppen gelacht und die Bären gemütlich gebrummt haben. Manches Mal haben sie uns sogar zugezwinkert und da kam uns die Idee, dass es keinen besseren Platz als Start für die Reise unseres Teddys gibt!“
„Sehen Sie liebe junge Frau, das ist die Geschichte dieses Teddys. Ich kann Ihnen die Entscheidung nicht abnehmen, ob er der richtige Bär für die kleine Selina ist, aber ich weiß, dass er noch viele Menschen nachdenklich und aufmerksam für kleine und große Herzkinder machen wird!“
Beschämt drückt Laura den Bären an ihre Brust, sie hatte sich nie so wirklich große Gedanken um die Krankheit des kleinen Sternenkindes Niklas gemacht. Natürlich war sie traurig als sie die Geschichte erfahren hatte, aber ihr Denken war mehr auf das kleine Mädchen gerichtet, das ihren kleinen Bruder verloren hatte.
Ein Lächeln huscht um Lauras Mund als sie der alten Damen einen Geldschein in die Hand drückt und diese mit großen Augen verwirrt den Kopf schüttelt: „Das ist viel zu viel, das kann ich nicht annehmen, wirklich nicht!“ „Doch das können Sie, glauben Sie mir, es kann für meine Gedankenlosigkeit kein ZUVIEL geben, ich weiß sehr genau, dass sie dieses Geld nicht für sich behalten. Sie werden schon dafür sorgen, dass es genau dorthin kommt, wo es nötig gebraucht wird. Um einen kleinen Gefallen möchte ich sie aber doch noch bitten, sind sie so lieb und grüßen Anna und Jakob von mir und sagen Sie ihnen, dass ihr Teddy seine Reise gerade erst begonnen hat.“
© Ute AnneMarie Schuster April 2012