"alle fest geschnürten Garben liegen als hätte man sie nie zu Getreidepuppen aufgestell"
Veröffentlicht am 31. März 2008, 4 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen http://www.mystorys.de
Über den Autor:
16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt.
In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur ...
alle fest geschnürten Garben liegen als hätte man sie nie zu Getreidepuppen aufgestell
Kornfeld
Kornfeld
Ich konzentriere mich auf die Linien in meinen Händen und das beruhigt ungemein. Die Stimme des glatzköpfigen Lehrers ist weit weg und gehört nicht in meine Welt. Die Mitschüler tuscheln und hänseln mich bei jeder Gelegenheit. Es ist einerlei, sie existieren nicht in meiner Wirklichkeit! Sie sagen: „Er ist ein Träumer im Elternhaus und in der Schule dumm und faul!“ Ich kann und will es nicht bestreiten, es ist mir so was von egal!
Ein leises kaum hörbares Summen danach
ein kurzes Klick und endlich das erlösende ertönen der Schulglocke, die das Aus bestimmt! Jetzt besitze ich ein bisschen Macht und kann ungestört nach Hause gehen.
Ein frisch gemähtes Weizenfeld erregt meine Aufmerksamkeit. Die satt gebundenen Weizengarben wurden in mühsamer Arbeit zum trocknen aufgestellt. Wie Puppen steht das Korn in Reih und Glied auf diesem Stoppelfeld.
Es ist wieder da dieses undefinierbare Unbehagen, dieses zerstörerische Kribbeln im Bauch, es kriecht wie eine Schlange nach oben, bleibt für kurze Zeit im Hals stecken um sich
unvermittelt aufzuteilen. Ich spüre bis in die äußerste Fingerkuppe und Zehen das Prickeln, Jucken und Stechen. Diese Hitze in mir, mein Kopf wird gleich explodieren! Ruhiges Stehen ist unmöglich, wie ein bekloppter renne ich einfach los und prügle auf diese Puppen ein. Keine wird verschont alle fest geschnürten Garben liegen als hätte man sie nie zu Getreidepuppen aufgestellt!
16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt.
In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur schwer ertragen und davon gab es in der Schule und außerhalb mannigfach.
Frauen brauchen keine Bildung, dieser Meinung war damals mein Vater obwohl meine Mutter einem 100% Job nachging.
1970 ziehe ich für einige Zeit zu meiner damals geschiedenen Schwester Irene und in diesem Jahr lernte ich meinen ersten Mann kennen.
1971 wurde unser gemeinsamer Sohn geboren.
Am 26. November 1974 erhängte sich meine Schwester Irene in ihrer Wohnung, am Schlafzimmerfenster. 13 Tage vor ihrem 29. Geburtstag! Mein verzweifelter Versuch eine Logik in den chaotischen Tod von Irene zu bringen, scheiterte. Entsetzen, Wut, Schuld, Enttäuschung und auch Angst der Verantwortung nicht gerecht zu werden.
Plötzlich war ich mit meinen 22 Lenzen die Ersatzmutter vom damals 10-jährigen Jungen, natürlich nicht ohne die Unterstützung meines ehemaligen Mannes, er war in all den schwierigen Zeiten mein fröhlicher und treuer Begleiter, auch wenn sich unsere Wege später getrennt hatten blieben wir jedoch Freunde. Abschied für immer musste ich am 18. Januar 1983 von Bruder Hans nehmen.
Im 33. Lebensjahr wählte er den Freitod. Ein Schnellzug erfasste ihn in Lenzburg.
Im gleichen Jahr starb auch mein Patenkind. Er war im zarten alter von 3 Jahren in ein Desinfektionsbad für Schafe gestürzt.
Der ohnehin schon angeschlagene Gesundheitszustand meines Vaters verschlechterte sich nach dem Todesfall von Hans zusehends, ja sogar schlagartig.
15. Juni 1984 war mein Vater gestorben. Wenigsten blieb ihm die nur ein gutes Jahr später schmerzliche Nachricht von meinem verunglückten Bruder Hugo, die ich meiner Mutter überbringen musste, erspart.
Am 5. Oktober 1985, im 39. Lebensjahr war er bei einem Tauchgang im Zugersee tödlich verunglückt.
Dieser Abschied war sehr, sehr, sehr schwer, dabei hat das Jahr 1985 glücklich angefangen.
Damals lebte ich allein mit meinem Sohn der ein fröhlicher, lieber und sorgloser Teenager war, ja, sicher in der Schule hätte er durchaus mehr leisten können...
Ich war glückliche Kioskleiterin. Durch gute Leistungen sowie Umsatzsteigerungen gewann ich immer wieder traumhafte und einzigartige Motivationsferien im Ausland unter anderem im Piemont, in Florida, Norwegen, Andalusien und vieles mehr. Den Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen war eine Herausforderung die ich gerne annahm. In meinem Team waren Frauen und Männer mit unterschiedlichsten Berufsausbildungen sowohl Hausfrauen, Lehrerinnen, Studenten und Verkäufer auch auf meinen 20jährigen Sohn durfte ich mich eine Zeitlang verlassen. Er war eine super tolle Unterstützung für unser Team. Zu den Kunden gehörte der Designer Luigi Colani oder der bekannte Jan Tinguely ebenso wie Obdachlose und natürlich meine neue große Liebe.
Am 17. Mai 1991 starteten wir mit einem gecharterten Düsenflugzeug im Berner Flughafen Belpmoos um über den Wolken unser Jawort zu besiegeln.
Am 17. Dezember 2003 wurde ich erneut daran erinnert, dass man diese Zeit nicht für immer hat! Mein geliebter Mann erlitt einen Herzinfarkt. Dieses Mal war es glücklicherweise nur eine Warnung. 2004 und 2005 wurde mein Mann erneut am Herzen operiert und konnte so einem erneuten akuten Herzversagen vorbeugen.
Während ich diese Zeilen schreibe genieße ich ein harmonisches und glückliches Leben!
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MarianneKWieder sehr gerne gelesen und finde es immer noch gut ...
Es war schön deine Stimme zu hören ♥
Zitat: (Original von evchen am 16.06.2008 - 19:53 Uhr) ...wirklich beeindruckende Geschichte.
Es ist für einen (in Anführungsstrichen) normalen Menschen schwierig sich in die Gefühlswelt eines nicht ganz so normalen Menschen hinein zu versetzten. Aber ich denke mit deinen Worten hast du die Gedanken und Gründe für derartiges Handeln deinen Lesern näher gebracht. Supi geschrieben von mir ***** für dich. vlg evi
ja, in der Tat ist es nicht immer nachvollziehbar was in den Köpfen vorgeht...
Danke für dein Kompliment
LG, Erna
evchenEine... - ...wirklich beeindruckende Geschichte.
Es ist für einen (in Anführungsstrichen) normalen Menschen schwierig sich in die Gefühlswelt eines nicht ganz so normalen Menschen hinein zu versetzten. Aber ich denke mit deinen Worten hast du die Gedanken und Gründe für derartiges Handeln deinen Lesern näher gebracht. Supi geschrieben von mir ***** für dich. vlg evi
Zitat: (Original von Sherlock am 08.04.2008 - 20:19 Uhr) Sehr einfühlsam und als ob du in seine Seele hast blicken können!
Und du denkst, du kannst niicht schreiben....ist wohl n Witz!
*grins* nein, nein, ich brauche Stunden um einen Text leserlich zu gestallten... Ich habe vor nicht all zu langer Zeit mit schreiben angefangen und freue mich riesig über solche Komplimente.
LG, Erna