Sonstiges
Abendimpressionen - Herr erleuchte meine Augen

Einleitung

Für Moena - Inspiration und Gewidmete des Textes

Die Teelichter

Wir sitzen auf den Holzbänken und blicken in die zuckenden Kerzenflammen. Es sind bloß Teelichter, es ist nur Symbolik, aber dennoch hängen wir beide unseren Gedanken nach. Schweigen hat sich um uns gebettet, als wäre es eine dichte Decke, die uns zugleich verbindet und dabei doch jedes Wort erstickt. Und dann erklingt im Hintergrund die erste helle Stimme, gleich einer Welle ist sie zunächst klein und beinahe unscheinbar, doch dann bricht sie sich mit all ihrer Kraft Bahn, hallt zwischen den Bögen, zwischen den Säulen wieder. Andere Stimmen mischen sich unter, aus der Welle wird ein Meer. Der Chor erinnert mich zugleich an Sand, der aufeinanderliegend wie eine Einheit wirkt und doch ist jedes Korn ein anderes, hat charakteristische Eigenschaften. Aber man sieht dies nur, wenn man sich die Zeit nimmt genau hinzublicken. „Herr, erleuchte meine Augen“ - Ich bin kein gläubiger Mensch, zumindest nicht was die Kirche angeht. Das war ich wohl nie. Doch das Ziehen in meinem Herzen kann ich beim Klang dieser Worte nicht verleugnen. Der Gesang überlagert das Schweigen, umhüllt es gleich einem Kokon, aus dem ein Schmetterling schlüpfen wird. Ich weiß es – Wenn wir noch länger verweilen, werde ich weinen, meinen Kopf an Deiner Schulter vergraben und Du wirst den Arm um mich legen, in dem Versuch mich zu trösten, was Dir nicht gelingen kann. Statt dessen stößt Du mich sacht in die Rippen. „Lass uns gehen.“ Wir stehen auf, lassen uns vom Klang des Lides nach draußen tragen und blinzeln in die Sonne, die sich irgendwie zwischen den Wolken hindurchgestohlen hat. Schweigend laufen wir nebeneinander her, verbunden lediglich durch unsere Blicke, die verstohlen versuchen zu erahnen, was das Gegenüber erwartet oder wünscht. Und dann liegt Deine Hand in meiner, rissig und rau. Dein Daumen streicht über meine Fingerknöchel und sucht Halt. Ein blasses Lächeln liegt auf Deinen Lippen, mehr zu erahnen als tatsächlich zu sehen. Ich mag es Dich so zu sehen. Hinter uns zerfallen die Teelichter zu wächsernen Symbolen. In unseren Herzen tragen wir die Flammen mit uns – Und jene, für die wir sie brennen lassen.