Der 2. Teil
„Hast du Tudoroki schon die Schriftrollen gebracht?“ „Nein aber ich bin auf dem Weg. Bis gleich.“ „Bleib aber nicht zu lange weg, es gibt bald Essen.“ „Ja ja.“ Man meine Mutter kann echt nerven. Ich habe ihr schon vor ein paar Minuten gesagt das ich gleich gehe, aber sie muss es mir hundertmal sagen. Wie das nervt.
Ich verließ das Haus und ging auf direktem Weg durch dem Wald zu Tudoroki. Tudoroki ist der weise alte Mann von dem ich euch schon einmal erzählt habe. Er wohnt in einer kleinen Hütte am Waldrand. Er liebt die Ruhe und hält sich deshalb nicht sehr oft im Dorf auf. Ich soll ihm einige Schriftrollen bringen. Was sie enthalten weiß ich leider selber nicht. Meine Mutter sammelt Informationen über die sechs Welten und überträgt sie dann auf solche Schriftrollen. Alles was sie enthalten ist geheim, deshalb sind sie auch mir einem Siegel versehen, das man nur öffnen kann wenn man einen bestimmten Code kennt. Sie und Tudoroki sind die einzigen die diesen kennen. Aber meine Mutter meint, wenn ich alt genug bin erzählt sie ihn mir auch. Aber auch nur dann, wenn ich auch ein Ninja werde und für Tsushikage kämpfe, so wie sie es tut.
Da ist der dunkle und dicht von Bäumen umschlungener Wald. Früher hatte ich immer Angst hinein zu gehen, weil ich dachte dort lauern Monster die nur so darauf warteten das ein kleines Mädchen vorbei kommt das sie fressen können. Aber nun bin ich schon älter und glaube nicht an solchen Schwachsinn.Es gibt keine Monster oder irgendwelche bösen Kreaturen, alles frei erfunden.
Die Bäume wurden dichter und ich ging immer weiter in den Wald hinein. Links und rechts konnte ich in der schwärze nur die Umrisse von Büschen und Sträucher erkennen. Vor mir lag nur ein aus kleinen Steinen gebildeter Weg direkt in die Dunkelheit. Manchmal hatte ich das Gefühl als würde ich einfach so vom Weg abkommen und irgendwo hin laufen wo ich gar nicht hin sollte.
„Was war das?“ Plötzlich hörte ich ein merkwürdiges Geräusch. Ein krächzen. Nein! Ein heulen. Ich konnte nicht erkennen was es war. Eigentlich wollte ich es gar nicht. Das einzige was ich in dieser Situation machen wollte ich wegrennen. So schnell es nur geht. Raus aus diesem Wald. Raus an Tageslicht.
Ich begann zu laufen. Schneller. Schneller. Doch auch das heulen wurde immer lauter und immer schriller. Einmal glaubte ich mein Trommelfell würde platzen. Ich blieb stehen. Mein Herz klopfte wie verrückt und ich bekam nicht genug Luft. Ich fiel auf beide Knie. So erschöpft wie ich war.
Nach ein paar Minuten merkte ich das das heulen aufgehört hatte. Langsam stand ich auf und versuchte mit zu orientieren. Ein zweiter Schreck durchfloss meinen Körper und ließ mich erstarren. Der Weg war nicht mehr da! Ich drehte mich um, nach links und nach rechts. Er war nirgendwo zu sehen. „Fuck“, dachte ich. „Und was nun?“. Ich hatte mich im Wald verirrt. Und auch noch im dunkelsten in unserer Gegend. Keine Menschenseele traut sich hier hinein. Nicht ein mal der beste Kämpfer würde es hier heil heraus schaffen. Nein! Niemand würde es hier hinaus schaffen!
Ich war gefangen. Allein. Einsam. Hilflos. Niemand würde kommen mich zu retten. Niemand würde merken das ich hier bin. Niemand!
Mir liefen Tränen über die Wangen, allein schon bei dem Gedanken hier vielleicht sterben zu müssen. Noch nie habe ich hier ein Tier gesehen. Alles sah immer so ausgestorben aus und still. Es war einfach schrecklich.
Langsam machte ich mich auf den Weg. Obwohl man das ja nicht sagen kann, weil es ja gar keinen Weg mehr gibt. Ich ging einfach in irgendeine Richtung und hoffte das es die richtige wäre. Nein! Ich sollte nicht „hoffte“ sagen, viel mehr es „muss“ der richtige Weg sein. Es gibt da nämlich ein Prinzip. Wenn du nur hoffst oder willst, dann wirst du nie das bekommen was du willst, weil du nicht entschlossen genug dazu bist. Aber wenn du sagst es muss so werden oder es wird so werden, dann bis du viel entschlossener und in deinem Unterbewusstsein arbeitest du automatisch auf dieses eine Ziel hin. Also dann wollen wir mal. Raus aus diesem Wald!
Mir kommt es so vor, als ginge ich schon seit Stunden durch diesen beschissenen Wald. Langsam habe ich das Gefühl, dass ich ständig im Kreis laufe. Links, rechts, egal wo ich hinschaue, für mich sieht alles gleich aus. „Ahhhh“, ich drehe hier noch durch. Ich kann nicht mehr. Ständig dieses Gefühl hier zu verrecken, und dann auch noch diese Finsternis. Ich sehe nichts, ich höre nichts, am liebsten würde ich mich auf der Stelle umbringen. Es hat ja doch keinen Zweck. Mein Leben ist erbärmlich, war erbärmlich, und wird auch immer erbärmlich sein. Allein schon wegen der Tatsache, das ich bei dem kleinsten Geräusch wegrenne wie ein aufgescheuchtes Huhn. Ich verdiene das irgendwie. Meine Mutter will zwar das ich mal ein großer Ninja werde, aber wenn ich so ängstlich bin und nicht mal aus einem Wald heraus finde, werde ich höchstens mal eine Hausfrau und nichts weiter. Ein Ninja darf nämlich weder Angst noch sonst welche Gefühle haben. Er darf sich beim Ausführen seines Auftrags nicht von seinen Gefühlen leiten lassen. Er kämpft nur für sein Land und führt alle Befehle aus , egal wie niederträchtig sie auch sein mögen. Ich werde es nie zu so jemandem schaffen. Ich bin einfach zu ängstlich und manchmal zu direkt, außerdem kann ich sehr schnell die Nerven verlieren, was in manchen Situationen ein echtes Problem ist. Nicht zu vergessen muss ich mich in alle Angelegenheiten einmischen, und ruhig dasitzen und zuschauen kann ich auch nicht, ich muss immer etwas machen oder unternehmen, sonst fühle ich mich irgendwie unsichtbar. Kurz gesagt, ich habe viele Probleme. Aber im Gegensatz zu manchen anderen Leuten kann ich meine Probleme aussprechen. Ich ignoriere sie nicht und stehe auch zu ihnen. Leider gibt es viele Arschlöcher, die einfach zu hochnäsig sind und behaupten sie wären perfekt. Bei uns in der Gegend gibt es zwar nicht viele von diesen Arschlöchern, aber ich kenne viele Orte an denen es nur so von ihnen wimmelt. Das geht doch niemand freiwillig hin!
Während ich über viele Dinge nachdachte, merkte ich erst spät, dass um mich herum wieder die Sonne schien. Ich blickte auf. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte es tatsächlich aus diesem Wald geschafft. Ich war so überglücklich, und das konnte man mir auch ansehen. Mein Gesicht strahlte die pure Erleichterung aus. Vor Freude drehte ich mich ein paar mal herum und lies mich dann ins Gras fallen. Ich habe es geschafft. Vielleicht habe ich doch das Zeug zu einem echten Ninja.
Ich weiß nicht wie lange ich auf der Wiese gelegen habe. Es hatte echt gut getan. Wie auch immer, ich stand nun endlich wieder auf. Das wichtigste war eigentlich meine Orientierung wieder zu finden. Ich glaube aber nicht so ganz das diese wiederkommen will. Egal in welche Richtung ich auch schaute, überall Gras und ein blauer Himmel ohne eine einzige Wolke, und hinter mir befand sich dieser beschissener Wald. Die einzige Wahl die ich hatte, war am Waldrand entlang zu gehen und zu sehen wo ich ankomme.
So wie ich es mir eingebildet hatte, ging ich dann auch.
Minuten verstrichen ohne irgendwelche Zwischenfälle. Langsam kam es mir vor als wäre das dass Ende der Welt.
Ich weiß nicht mehr wie lange ich schon unterwegs war, jedenfalls ging die Sonne schon langsam unter, und das bedeutet, wenn ich Tudorokis Hütte nicht bald erreiche, kann ich hier draußen schlafen. Ein Schauer durchlief mich bei dem Gedanke.
„Was ist das?“, aus der Ferne sieht es aus wie ein kleiner brauner Fleck. Da war irgendwas, und ich wollte wissen was. Also lief ich. Ich wurde immer schneller. Auf den letzten paar Metern konnte ich es erkennen. Die kleine Holzhütte von Tudoroki. Ich habe es endlich geschafft. Ich konnte es kaum glauben, dass ich endlich an meinem Ziel angekommen bin. Jetzt war ich mir endlich sicher, egal was die anderen sagen werden, ich werde mal ein Ninja, und was für einer.
Höflich klopfte ich an der Tür. „Herein.“, ertönte eine Stimme von drinnen.
„Tudoroki? Sind sie hier?“ „Wie kann ich dir helfen Mizune?“ „Hallo, ich habe hier ein paar Schriftrollen von meiner Mutter für sie. Hier bitte.“ Er nahm die Schriftrollen und ich spürte wie unwohl ihm zumute wurde. Schnell drehte er sich um und legte sie auf den kleinen Tisch in der hinteren Ecke der Hütte. „Stimmt etwas nicht?“, fragte ich vorsichtig. „Nichts das du verstehst. Wenn du auch nur ein bisschen Würde besitzt, gehst du jetzt.“ Ohne ein Wort zu sagen und mit gesengtem Blick ging ich aus der Hütte. Ich schaute in den Himmel. Die Sonne ist untergegangen und es ist kälter geworden. Ich ging ein paar Schritte von der Hütte weg, plötzlich hörte ich hinter mir einen lauten Knall. Ich erschrak bei dem Geräusch. So schnell ich konnte rannte ich zurück und öffnete die Tür.
Ein Schock lies meinen Körper erstarren. Ich wagte es kaum zu atmen. „Wieso nur? WIESO?!“, schrie ich, soweit es meine Stimme es zuließ, voller Wut. Ich war nicht wütend auf das was geschehen war, sondern wütend auf mich, weil ich es geschehen hab lassen. Mir liefen Tränen an den Wangen hinunter. Ich fiel auf die Knie und hielt mir beide Hände vors Gesicht. Ich heulte ununterbrochen. Irgendwann riss ich mich endlich zusammen und erhob meinen Kopf. Ich begann zu zittern als ich den Leichnam von Tudoroki vor mir liegen sah. Sein Kopf wurde vom Rumpf getrennt und sein Herz wurde ihm herausgerissen. Er lag in einer blutroten Pfütze voller Trauer und Verzweiflung. Er sah nicht mehr wie ein alter Mann aus, eher wie ein verstümmelter Geist, der die besten Jahre hinter sich hatte. Aus seiner Kehle drang noch immer eine komische Flüssigkeit die mich würgen lies. Ein paar Minuten lang sah ich mir seinen Schädel an, bis ich wieder einigermaßen klar denken konnte. „Wie konnte das passieren? Außer ihm war hier doch niemand? Wie?“
Ich stand auf und stützte mich dabei auf dem kleinen Regal an der Wand ab. Meine Beine zitterten immer noch, dennoch zwang ich sie dazu nach draußen zu gehen und nach einigen Versuchen gehorchten sie. Ich schlug die Tür auf und stürzte nach draußen.
Endlich frische Luft, wie das gut tat.