Beschreibung
Gedanken über Glauben und Wissen
Das was ich weiß ist sehr wenig. Darum schreibe ich lieber über das was ich nicht weiß. So besteht die Chance, dass dieses weiße Blatt in seiner Gänze genutzt wird.
Ich weiß nichts von meiner Geburt. Sie erzählten mir, an welchem Tag, zu welcher Tageszeit, unter welchen Umständen ich geboren wurde. Ich kann es glauben, oder nicht. Ich weiß sehr wenig von meiner Kindheit. Sie erzählten mir dies und jenes. Ich kann es nur glauben, Gewissheit, ob es richtig ist, was sie mir erzählen, gibt es keine. Ich kann noch nicht mal wissen, ob die wenigen Erinnerungen der Realität entsprechen. Sie könnten genauso gut Kreationen meiner Phantasie aufgrund der Erzählungen anderer sein. Die Lebenserfahrungen, die ich als Jugendliche oder Erwachsene erlebt habe, wenn ich diese heute beschreibe, klingt dies ganz anders, als vor einigen Jahren. Meine heutige Beschreibung ist gefärbt von einem Verständnis, das durch viele andere Erfahrungen erworben wurde, doch gehe ich davon aus, dass sie nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Man sagt, dass jeder Mensch sterben wird. Ich erlebe, dass viele Menschen sterben. Junge, alte, Kinder, Menschen in den besten Jahren, das habe ich erlebt. Doch weiß ich, ob alle Menschen sterben? Mit Gewissheit kann ich dies nicht bejahen. Ich weiß es nicht wirklich. In meinem Kopf sind so viele Glaubenssätze und so wenig wirkliches Wissen.
Bei meinem Vater steht im Pass ein falsches Geburtsdatum. Sein Vater hat bei den Angaben beim Standesamt damals versehentlich das falsche Datum angegeben. Alle Welt gratulierte ihm an einem falschen Tag zum Geburtstag. Ob das wirklich wahr ist, weiß ich auch nicht.
Es sind die einfachen Dinge, die ich glaube zu Wissen.
Auch hier spreche ich von Glauben. Es wird Tag, es wird Nacht. Es gibt Jahreszeiten, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Es soll allerdings auf dieser Erde auch Länder geben, wo ewiger Frühling herrscht, oder ewiger eisiger Winter, oder es niemals regnet oder schneit. Wissen tue ich nur im das was ich erfahren habe. Ganz sicher bin ich, dass ich einem Mädchen und einem Jungen das Leben geschenkt habe, doch vielleicht war ich das ja gar nicht, vielleicht bildet sich ICH das nur ein. Vielleicht haben die beiden sich selbst das Leben geschenkt. Das Leben,das sich selbst erhält und gar nichts mit mir zu tun hat, außer, dass ich auch Leben bin ohne ICH.
Ich lege mich nachher schlafen und glaube, dass ich morgen wieder aufwachen werde. Ich kenne Menschen, die am nächsten Morgen nicht mehr atmeten. Auch dafür gibt es keine Gewissheit.
Ich weiß nicht, ob ich wieder aufwachen werde, wenn ich heute Nacht einschlafe. Vielleicht schlafe ich deshalb manchmal nicht ein, weil ich den nächsten Tag mit Gewissheit erleben möchte? Vielleicht ist deshalb ein Schlummer auf der Couch bei Tageslicht so anders?
Es steht fest, dass ich mehr glaube als weiß.
Doch eines weiß ich.
Ich weiß, dass ich bin und diesen seltsamen Text auf ein nicht existentes weißes Papier getippt habe.
Das ist doch ganz schön viel, oder?