Vom kleinen Hopsi
Auf einer wunderschönen Frühlingswiese, saftig grün, überall mit bunten Blümchen und Kräutern bewachsen, lebte der kleine Hopsi. Das stimmte aber nicht ganz, denn nicht auf, sondern unter der Wiese war seine Wohnung. Seine Eltern hatten sich nämlich eine Höhle ins Erdreich gegraben, um besser geschützt zu sein. Der Eingang war ein Loch, das zwischen all dem Gras und den Kräutern keiner so leicht finden konnte. Dazu musste einer erst ganz in die Nähe des Hasenlochs kommen und genau Ausschau danach halten.
Somit lebte Hopsi also unter der Wiese. Aber das war auch gut, so wurde verhindert, dass nicht gleich jeder einfach unbemerkt hereinspazierte. Natürlich lebte Hopsi nicht alleine dort. Seine ganze große Familie bewohnte mit ihm diese Hasenwohnung, die eigentlich schon fast zu eng geworden war. Denn außer seinen lieben Eltern und sieben Geschwistern hatte sich etwas abseits, auch eine Mäusefamilie ihr Nest gebaut. Doch gemütlich war es im Hasenloch allemal.
In diesem warmen kuschligen Hasenzuhause hatte Hopsis Mutter einen Schlafplatz mit zarten weichen Haaren ausgepolstert, worauf das Hasenjunge mit seinen Geschwistern des Nachts die allerschönsten Hasenträume träumte. Meistens schlief der kleine Schlingel aber nur, bis ihn die Morgendämmerung weckte, denn sobald er nur einen Schimmer wahrnahm, hielt ihn nichts mehr zurück. Hopsi zog es dann mit Macht auf die Wiese hinaus, wo er sich die besten Leckerbissen abknabbern konnte, während er den Frühgesängen der Vögel lauschte. Danach spielte und tollte der Kleine nach Herzenslust, sprang so hoch er nur konnte und versuchte im ersten Sonnenschein frühe Schmetterlinge zu erjagen. Genau deswegen hatte die Hasenmama ihr jüngstes Kind auch Hopsi genannt. Sie dachte:
„Dieser Name passt zu meinem kleinen Hopser, wie kein anderer.“
Da in der Nachbarschaft noch andere Hasenfamilien und sonstiges Wiesengetier mit ihren Kindern wohnten, war auf der Wiese immer etwas los. Ein schöneres Hasenleben konnte es nicht geben.
Eines Tages nun hörte Hopsi, wie ein paar ältere Hasenkinder erzählten, dass sie als größere Hasen wichtigen Aufgaben übernehmen mussten. Sie hatten es sehr wichtig, gaben damit an und taten sich dem Kleinen gegenüber groß. Das machte Hopsi neugierig. Schnell hoppelte er nach Hause, befragte seine Mutter danach und ließ sich erklären, worum es überhaupt ging. Natürlich ließ sich die Hasenmama nicht lange bitten, setzte sich mit ihrem Kleinsten nieder und erzählte ihm von den Osterpflichten der Hasen, den Ostereiern und von dem großen Osterhasen. Zunächst verstand Hopsi gar nichts. Doch seine Mutter hatte Geduld und erklärte nochmal und nochmal, um was es dabei ging.
„Du weißt doch, wie sehr wir uns alle über das neue Leben, das Geschenk des Frühlings freuen. Um diese neue Zeit zu begrüßen, feiern wir beim Frühlingserwachen in jedem Jahr ein wunderschönes Fest. Doch nicht nur wir Hasen, auch die Menschenkinder sind darüber froh. Selbst die ganze Natur blüht auf, um den neuen Frühling festlich zu empfangen.“ Hopsi nickte etwas gelangweilt, denn was die Häsin erzählte, war ja nichts Neues für ihn, das hatten ihm seine Brüder ja schon erzählt. Aber was er dann von der Mutter zu hören bekam, ließ ihn staunen.
„Dass der Frühling neues Leben und Wärme bedeutet, weißt du ja nun, aber das ist längst nicht alles. Denn die Eier die Leben bedeuten, werden von uns Hasen bunt bemalt, damit der große Osterhase sie verschenken kann. Vor allem bekommen die Kinder welche.“ Das hatte Hopsi verstanden.
„Ah, ich verstehe, der Osterhase muss sie verteilen, weil er so schnell rennen kann.“
Hopsi malte sich aus, welche Arbeit das war, denn es sollte ja kein einziges Kind vergessen werden. „Alle Hasen helfen dem Osterhasen dabei“, erklärte die Mutter, „es ist sozusagen -Ehrensache. Die Helfer dürfen die Eier bunt färben und bemalen. Jedoch nur die größeren Hasen müssen helfen. Die kleinen Babyhäschen dürfen noch spielen, soviel sie möchten. Also freu dich, du darfst noch spielen.“
Das wollte unser Hasenkind aber nicht.
Hopsi wollte lieber helfen. In seinem kleinen Hasenherzchen wuchs der Wunsch heran, doch auch mithelfen zu dürfen.
Er fragte die größeren Hasenkinder danach, aber der Größte meinte nur,
„ach du kleiner Hopsi, da musst du erst noch ein Stück größer werden, denn es ist gar nicht leicht, solch eine wichtige Arbeit zu machen.“
„Außerdem stellt der Osterhase sehr hohe Ansprüche“, machte sich ein anderer wichtig.
„Für dich kommt zunächst erstmal die Hasenschule dran. Aber auch dazu bist du noch viel zu klein,“ lachte einer der kaum größer als Hopsi war.
„Um ein Osterhasenhelfer zu sein, musst du zuerst das langweilige Haseneinmaleins und das lästige Schreiben lernen.“
Das fand Hopsi äußerst langweilig, das wollte er nicht, lieber würde er bei den Ostereiern helfen.
Der kleine Hase spürte in sich eine solche Kraft, die tief in ihm drinnen riesengroß war. Er träumte von den wunderbarsten Eiermalereien. Aber das konnte ja keiner wissen, denn er sagte es keinem und von außen, war es ihm nicht anzusehen.
Jeden Tag fragte er seine Mama ob er denn jetzt gewachsen und groß genug sei, um dem Osterhasen zu helfen und jedes Mal hörte er ein:
„Noch nicht genug, mein Kleiner, dazu musst du noch ein Bisschen wachsen.“
Das machte Hopsi so traurig, dass er überhaupt nicht mehr spielen wollte. Auch das Essen schmeckte ihm nicht mehr und nachts in seinem Nestchen konnte Hopsi seitdem auch nicht mehr so richtig gut schlafen. Er überlegte und überlegte. Wenn er dann endlich eingeschlafen war, träumte er von Eiern, die er herrlich bunt anmalen würde.
Beim Aufwachen war dann die Enttäuschung riesengroß, weil er merkte, dass alles wieder einmal nur ein Traum war.
So gingen die Tage dahin und die Hasen liefen immer geschäftiger hin und her. Alle waren an der Arbeit und malten Ostereier an, nur der kleine Hopsi nicht.
Auch mit dem Wachsen ging es einfach nicht voran. Hopsi war und blieb der Kleinste. Nur sein Wunsch mitzuhelfen wuchs und zwar jeden Tag ein bisschen mehr. So groß war sein Wunsch zu wachsen inzwischen geworden, dass alle anderen Gedanken keinen Platz mehr in ihm hatten. Die Zeit lief Hopsi einfach davon. Inzwischen war es beinahe schon Ostern, und fast alle Eier angemalt. Da dachte Hopsi bei sich, „jetzt muss etwas geschehen. Jetzt oder nie.“
Als alle vor Müdigkeit eingeschlafen waren, nahm er all seinen Mut zusammen, stand mitten in der Nacht einfach auf und schlich sich vorsichtig in die Malerwerkstatt.
Keiner durfte ihn hören oder sehen. Und tatsächlich gelang es ihm, unbemerkt in die Eiermalerwerkstatt zu gelangen. Natürlich musste sich Hopsi zuerst einmal umsehen, und schauen, wo die Eier und das Malgerät waren. Doch er fand zunächst nur bemalte Eier, schön ordentlich aufgeschichtet, und wirklich, was er sah, war richtig gut gelungen. Die Eier leuchteten in den prächtigsten Farben und seltensten Mustern. Sie waren eine Augenweide. Das gefiel Hopsi, aber er bekam jetzt auch Zweifel. Sogar so sehr, dass Hopsi beinahe seinen Mut verlor. Aber irgend etwas in ihm drinnen ließ ihm keine Ruhe. Es prickelte in seinem Bauch juckte in seiner Pfote. Hopsi suchte einfach weiter, und das so lange, bis er in einer Ecke doch noch mehrere Pinsel und einige Töpfe mit Farben fand. Wie von selbst nahm seine Pfote einen Pinsel, tauchte ihn in Farbe und begann an einem der wenigen unbemalten Eier, etwas Farbe aufzutragen.
Zunächst hatte Hopsi zwar einen zu großen Pinsel erwischt, aber er suchte so lange, bis er den richtigen fand, mit dem er malen konnte. Und kaum, dass er ihn in der Pfote hatte, fing sie sogleich zu malen an.
Immer besser und besser konnte er mit dem Gerät umgehen. Hopsi vertiefte sich so in seine Arbeit, dass er alles um sich herum vergaß. Auch das Kribbeln in seinem Bauch hatte sich in ein wohliges Gefühl verwandelt. Er malte und malte in den allerschönsten Farben. Es wurden noch niemals gesehene Muster daraus, ganz zierlich und kunstvoll. Als Hopsi dann das Ei ganz und gar bemalt hatte und den Pinsel weglegte, war er zufrieden mit seiner Arbeit und ging müde nach Hause..
Am Himmel leuchtete schon das erste Rosa der Morgenröte, als Hopsi still und verstohlen zurückkam. Keiner hatte den heimlichen Ausflug bemerkt.
Ganz leise schlüpfte er in sein Nestchen und schlief glücklich und erschöpft ein.
Wach wurde er erst, als seine Eltern und Geschwister laut miteinander sprachen. Von einem Ei war die Rede und das Gerede hörte sich verwundert an.
Schnell schlüpfte Hopsi aus seinem Schlafnestchen, um genau zu erfahren, wovon die Rede war. Ist doch klar, dass er das wissen wollte.
Ganz ruhig und brav saß er dann zwischen den Großen und hörte sich alles an.
Es wurde über ein bemaltes Ei geredet, von dem keiner wusste, wer es gemacht hatte. Alle fragten alle, aber niemand wollte es gewesen sein.
Ganz vorsichtig erkundigte sich Hopsi, weshalb denn ein bemaltes Ei solches Aufsehen erregte. Da hörte er, dass der Osterhase schon in aller Frühe gekommen war und sich so über ein besonderes Ei gefreut hätte. Auch dass er dem Künstler persönlich dafür danken wollte.
Da fasste sich Hopsi ein Herz und erzählte von seiner nächtlichen Arbeit in der Ostereiermalwerkstatt.Er fürchtete, dass er ausgeschimpft würde.
Doch obwohl alle zunächst an seinen Worten zweifelten, beglückwünschten sie ihn zu seinem Ostereierkunstwerk, als es keinen Zweifel mehr gab, und nahmen ihn von nun an in den Kreis der Ostereiermaler auf.
Mit seinen heimlichen Malkünsten, hatte er die Malprüfung bestens bestanden.
Ach ja, an Ostern wurde ihm zu Ehren ein großes Osterhasenfest gefeiert und wie versprochen, kam auch der große Osterhase, bedankte sich bei Hopsi und ernannte ihn zum „ Jüngsten Ostereiermaler der Welt.“
Da war unser Hopsi aber stolz und glücklich und glaubt es nur, in diesem Augenblick war er ein ganzes Stück gewachsen.