Kurzgeschichte
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Veröffentlicht am 29. März 2012, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Beschreibung

Eine Geschichte über das Leben.

Sein Leben begann seiner Meinung nach mit seiner Geburt. Er kam auf die Welt, so hatte man es ihm jedenfalls erzählt. Andere Menschen hätten ihm versichert, dass sein Leben keineswegs mit seiner Geburt begonnen habe, aber seiner Meinung nach hatte es da begonnen. Und mit diesem Beginn hatte alles angefangen.

Er schlidderte in das Leben hinein und bevor er wusste was Sache war, war er drin. Das Leben war eine Einbahnstraße und das Ende waren ungemütlich aussehende Klippen, von denen aus es endlos in die Tiefe ging. Er lebte vor sich hin und begann Fragen zu stellen anfangs waren die Antworten leicht später schwieriger dann bekam er gar keine mehr.

Er konnte in diesem Leben nichts sehen. Es gab keinen Grund dafür und keinen dagegen. Es hing im Raum. Er lebte es, weil er gerade nichts anderes zu tun hatte. Es war ihm klar, dass nach jedem Tag ein neuer kommen würde, bis er irgendwann fiel. Warum dem so war, war ihm nicht klar, aber er interessierte sich nicht dafür. Die Einbahnstraßenperspektive versuchte er so gut es ging zu verdrängen. Das hier und jetzt war interessant. Im jetzt und hier merkte er, wie die Menschen um ihn herum verfaulten, verwesten und schließlich fortgingen. Sie gingen fort, entschliefen und wurden nicht besonders vermisst. Es waren schließlich noch genügend andere Menschen da. Sie wurden in etwa so vermisst, wie ein zwei Euro Stück, das in einen Gully gefallen ist. Man versucht zunächst den Deckel anzuheben um an das Geld heranzukommen, man ist traurig, doch schließlich wird man sich bewusst, dass es keine Lösung gibt und man reiht sich in den Strom der Vorbeiziehenden ein, schließlich gibt es Wichtigeres. Was passieren musste, passierte nun einmal.

Er merkte es. Für ihn war das keineswegs so. Menschen fanden sich teilweise mit den nichtigsten Dingen ihr Leben lang nicht ab und das Weggehen war für sie so unwichtig. Zumindest das von anderen Leuten.

Er entschloss sich dazu gleich wegzugehen. Er ging weg und niemand merkte es. Er entschlief aber nicht, er ging lediglich weg. Er dachte eine Menge nach. Er lief in Gedanken und merkte nicht, wie er vom Weg abkam. Er verließ das Leben, aber er tat das nicht wie jeder andere dadurch, dass er am Ende der Straße ankam, sondern er ging seitlich weg. Dadurch, dass er das nicht mehr als wichtig erachtete und sich von der Vorstellung löste es gäbe nur Leben und tot; dadurch verließ er das Leben ohne zu sterben. Er warf sozusagen den Tunnelblick ab. Er schaute links und rechts und irgendwann war er weg. Niemand merkte es und niemand wollte es merken, denn der Rest der Menschen war so zwanghaft damit beschäftigt zu leben. Sie waren wie eine Fliege an der Fensterscheibe, die so konzentriert damit beschäftigt ist, durch die Scheibe zu kommen, dass sie das offene Fenster daneben übersieht.

 

Er war alleine.

Niemand war bei ihm. Er lief, immer noch in Gedanken. Um ihn herum waren schroffe Felswände und er dachte nach. Seine Gedanken waren bei den vielen Leuten, die er hatte gehen sehen. Hatte ihr Leben einen Sinn gehabt?

Sinn bedeutet soviel wie Wert oder Funktion. Eine Funktion des Lebens war nicht absehbar. Die meisten Menschen hatten die Funktion, ihre Nachkommen zu produzieren. Doch was war der Wert daran Nachkommen zu produzieren die keine Funktion hatten? Irgendwann musste diese Kette ein Ende haben, mit einem Nachkommen, der von sich aus eine Funktion hatte. Doch welche Funktion konnte das schon sein? Welche Funktion konnte ein menschliches Leben haben.

 

Gerade so stoppte er vor einer Klippe, die auf seinem Weg lag. Konnte er überhaupt sterben, wenn er sich außerhalb des Lebens befand?

Als er sich das, was vor ihm lag anschaute, verschlug es ihm die Sprache. (Nicht dass er etwas hätte sagen wollen, zu wem auch?) Er schaute herab auf das Leben. Er sah die Menschen in ihrem konsequenten nicht wahrhabenwollen des unvermeidlichen Endes wie an einer Perlenschnur aufgereiht die Einbahnstraße entlanglaufen. Sie blickten nicht nach rechts oder links, sondern zu Boden. Sie waren nur so groß wie ein Stecknadelkopf. In der Ferne sah er die dunkle Schwärze. Das Ende, das Nichts, den Tod, den Abgrund. Er sah, wie die Menschen kurz bevor sie fielen den Abgrund nicht mehr ignorieren konnten. Manche klammerten sich an den Rand; vergebens. Andere sprangen freiwillig. „Jetzt isses auch egal, scheiß drauf.“

Am Rand des Abgrunds wurde eine Brücke gebaut. Es war nicht zu sehen von wem, aber sie schien aus Pillen und Skalpellen zu bestehen. Das Problem war, dass es nur ein Ufer gab. Ein Ende des Abgrunds war nicht zu sehen. Die Brücke wurde auf Geradewohl hin gebaut. Und um die Einbahnstraße des Lebens zu verlängern.

Er blickte in die andere Richtung. Dahin, wo die Menschen immer kleiner wurden. Er konnte den Anfang nicht sehen. Es lag ein dichter Nebel davor, aus dem er orientierungslose Gestalten, kompasslose Gesellen herauskriechen sah. Sie würden ihre Orientierung ihren Kompass noch bekommen. Immer vorwärts geradeaus in den Tod. Jetzt wo er aus ihrer Mitte ausgebrochen war und das Ganze von außen, von oben betrachtete erfüllte es ihn mit Grauen. Er wandte sich ab und blickte auf den grauen Felsen. Kalt starrte der zurück.

Die Menschen hatten schon immer Sachen, die sie nicht ändern konnten als unvermeidlich angesehen. Der Denkfehler hierin lag, dass nur weil SIE eine Sache nicht, oder auch nur zur Zeit nicht, ändern konnten die Sache an sich noch lange nicht unvermeidlich war. Der Mensch sah sich nicht in der Lage von der Einbahnstraße herunterzukommen, weil er auf seine Sinne vertraute und die sagten ihm Einbahnstraße. Der Mensch vor mehreren hundert Jahren war felsenfest davon überzeugt, dass wenn einer deine Haut aufschneidet du unsägliche Schmerzen bekommst, weil das das war, was ihm seine Sinne sagten. Dass das ganze auch schmerzfrei möglich war, glaubte niemand. Weil man sich auf etwas eingeschossen hatte.

Nachdem er eine Zeitlang den Fels angestarrt hatte ging er zurück. Traurig und erschrocken. Der Rückweg war lang und steinig, weil er sich darauf konzentrierte zu speichern, wie er auf die Klippe oberhalb des Lebens gekommen war.

Er entschloss sich dazu die Leute von ihrem Irrglauben, dass sie der Einbahnstraße folgen mussten zu erlösen. Er stellte sich an den Straßenrand und rief nach den Menschen, doch fast keiner nahm ihn war. Die anderen lachten ihn entweder aus oder hielten ihn für eine Illusion und bekämpften ihn.

Er setzte sich an den Straßenrand und sah die Leute vorbeiziehen. Nach drei Tagen stand er auf. Die Leute die an ihm vorbeizogen schienen nicht unglücklich zu sein. Sie lachten während sie den Boden anstarrten. Vielleicht sollte er sich einfach wieder einreihen...

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Hörbuch

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jothaess

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