Kurzgeschichte
Bis zum Horizont

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"Bis zum Horizont"
Veröffentlicht am 29. März 2012, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

 

In Gedanken versunken sah sie hinaus aufs Meer. Der kalte Fahrtwind des Schiffes, das sich seinen Weg durch die Nacht bahnte, zerzauste ihr rot gelocktes Haar. Um sie herum war es still, nur das Dröhnen der Schiffsmotoren hallte über die aufbrausenden Wellen. Am Rande des Meeres, hinter dem Horizont war ein heller Streifen zu erkennen, die Sonne würde bald aufgehen...

 

Mit den Worten "Hier, bittesehr" stellte der Kellner ihren Kirschcocktail vor sie auf den Tisch. 
Sie schenkte ihm ein Lächeln und entblöste dabei zwei Reihen strahlendweißer Zähne zwischen vollen, roten Lippen. "Vielen Dank", gab sie zurück und wandte sich sogleich ihrem Getränk zu. 

Wie lange war es her, dass sie alleine an einem Tisch gesessen und einen Cocktail getrunken hatte? Ewigkeiten. Viel zu lange. 
Es war die richtige Entscheidung gewesen ihren Freund zu verlassen, um ein neues Leben zu beginnen.
Und die Kreuzfahrt, die ihr ihre besten Freundinnen geschenkt hatten, half ihr dabei.
In ihrem Cocktail rührend lauschte sie den Musikern, die angefangen hatten einen langsamen Walzer zu spielen.
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus.

 

Auch wenn es die richtige Entscheidung gewesen war, sie hatte doch so viel verändert.
Nichts würde mehr sein, wie es vorher war..
Wahrscheinlich würde sie eine Weile brauchen sich daran zu gewöhnen, aber es war besser so, das wusste sie.
"Verzeihung, ist hier noch frei?"

Aus ihren Gedanken gerissen blickte sie auf.
Direkt in die schönsten kastanienbraunen Augen, die sie in ihrem Leben gesehen hatte.
Bevor sie antwortete, betrachtete sie ihr Gegenüber genauer. Er schien etwas älter zu sein als sie, hatte markante Gesichtszüge und seine Haare erinnerten an flüssiges Gold. 
Ohne Zweifel, er sah sehr gut aus.
Trotzdem zögerte sie.
Er lächelte nur. "Wie unhöflich von mir, ich heiße Lucas. Und Sie?"
Noch immer zögerte sie. "Malina. Ich bin Malina."

 

"Malina! Was für ein schöner Name!", sagte er, während er sich zu ihr setzte. 
Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln. "Danke", erwiederte sie.
Er musterte sie. Wenn er in ihre Augen sah, war es als blicke er ins Meer. Auch ihre Haare waren wie das Meer, voller Wellen, nur die Farbe ähnelte der von gutem Rotwein.
Sie war ihm schon von weitem aufgefallen und er hatte sie einfach ansprechen müssen.
"Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Sie sehr schöne Augen haben? Sie gleichen dem Meer an einem strahlenden Sonnentag"
Sie lachte. "Das ein oder andere Mal, ja. Aber vielen Dank."
Schweigend sahen sie sich nun in die Augen.
Nach einigen Sekunden senkte sie lächelnd den Blick.
Er tat es ihr nach und sein Blick fiel auf ihr mittlerweile fast leeres Glas.

 

"Kann ich Ihnen noch etwas zu Trinken spendieren?", nahm er das bisher recht einseitige Gespräch wieder auf. Ein wenig unsicher sah sie nun wieder auf. "Nein.. Nein, danke, aber ich möchte nichts mehr. Und ich sollte nun gehen, ich bin sehr müde."
Er nickte, "Verstehe. Darf ich Sie zu ihrem Zimmer begleiten?"
Jetzt zögerte sie nicht mehr. Sie war sich sicher, dass es besser wäre ihre Zeit hier auf dem Schiff alleine verbringen wollte. Alleine. Frei.
"Nein. Entschuldigen Sie, aber ich kenne den Weg, ich gehe lieber alleine."
Er seufzte und senkte nickend seinen Blick zum Boden.
"Es war schön Sie kennenzulernen, Lucas. 
Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen noch", sagte sie, drehte sich gleich darauf um und verließ das Restaurant. Seine Worte "Es hat mich ebenfalls sehr gefreut. Danke, das wünsche ich 

 

Ihnen auch", folgten ihr bis sie die Tür erreichte.
Mit geschlossenen Augen trat sie nach draußen und atmete tief die frische Luft ein.
Und in diesem Augenblick durchströmte sie eine Welle des Gefühls der Freiheit und sie beschloss noch nicht schlafen zu gehen und erst noch einen Spaziergang über das Deck zu machen.
Mit einer Hand auf der Reling ging sie nun langsam voran, sich den Fahrtwind ins Gesicht und die Gedanken aus dem Kopf wehen lassend.
Als sie am Bug des Schiffes angekommen war schloss sie erneut die Augen und atmete die salzige Luft ein.
Noch nie hatte sie sich so frei gefühlt.
Sie ließ ihren Blick über das Dunkel des Meeres schweifen und ihre gedanken kreisen. Die Nacht war fast vorüber, am Horizont war bereits die aufgehende Sonne zu erkennen.

 

Wie es wohl wäre immer weiter zu fahren, weiter und weiter, bis zum Horizont, bis zur Sonne.
Es wäre unglaublich.
Aber es war unmöglich.
Als ihr das bewusst wurde durchdrang sie tiefe Trauer. Die schönsten Dinge im Leben waren unmöglich.
Niemals in ihrem Leben würde sie es bis zum Horizont schaffen.
Sie riss ihren Blick von dem immer größer werdenden Streifen am Horizont los und blickte stattdessen hinab ins Wasser.
Weiße Schaumkronen bildeten sich auf den dunklen Wellen. Es wirkte so bedrohlich und dennoch wunderschön, frei und unendlich.
Und auf einmal hatte sie Lust sich auf den Wellen tragen zu lassen. Durch das seidige Wasser zu gleiten und wirklich frei zu sein.
Aber konnte sie das wirklich tun?

 

Ja.
Ja, das konnte sie.
Sie konnte alles tun, wenn sie es nur wollte.
Sie war die Einzige, die ihr im Weg stand, die Einzige, die ihre Entscheidungen traf und die Einzige, die sie besiegen musste, wenn sie sie selbst sein wollte.
Aufregung und ein wenig Unsicherhet verdrängten die Trauer.
Mit einem leisen, befreienden Lachen strich sie sich die Schuhe von den Füßen und ein Lächeln umspielte immer noch ihren Mund, als ihre nackten Füße den kalten Boden des Decks berührten.
Leicht fand sie Halt, als sie sich über die Reling schwang und einen Augenblick sitzend daruaf verharrte.
Sie war sich sicher, dass sie es wollte, noch nie war sie sich so sicher gewesen, dass sie etwas wirklich wollte.

 

Eine Weile blieb sie sitzen, ließ den Wind an ihr zerren und spürte die Kühle auf ihrer Haut.
Dann atmete sie ein letztes Mal ein und schloss die Augen.
Mit einem Lächeln ließ sie los. Ließ sich fallen.
Sie flog.
Sie war frei.
Dann tauchte sie ein ins dunkle, eisige Wasser, wurde eingehüllt, umschlossen, umarmt.
Sie spürte nichts, die Kälte des Wassers dämpfte alles um sie herum und ihr blieb nur ihr Glücksgefühl. Das Gefühl der Freiheit.
Das Gefühl der Freiheit und dem Lächeln.
Ihrem Lächeln.
Als sie langsam hinabsank.
Und sie schwebte.
Schwebte fort.
Bis zum Horizont...

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Alaiyna

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Alaiyna Dankeschön :)
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MarieLue Hat mir gut gefallen ... - ... der Schluss hat mich überrascht! Ich musste auch sofort an den Film "Titanic" denken. Die Idee hat mir gefallen!

Herzliche Grüße
Marie Lue



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