Beschreibung
Eine kleine Geschichte ĂŒber das GlĂŒcklich-Sein
Auf der Stufe vor dem Brunnen sass ein Akkordeonspieler. Er spielte jeden Tag bis die Kirchenuhr 8 Uhr abends zeigte. Dann ging der Mann mit seinem Akkordeon zurĂŒck zur Baustelle, auf der schon seit Jahren nicht mehr gebaut wurde, um dort zu schlafen. Und wenn er am nĂ€chsten Morgen zurĂŒck zum Brunnen ging, fing er wieder an die gleichen Lieder wie am vorherigen Tag zu spielen.
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»Er dankt immer nur kurz mit einem LĂ€cheln und einem kleinen Nicken, wenn man ihm eine MĂŒnze in den Hut legt. FrĂŒher, als ich hier neu eingezogen bin, habe ich ihm jeden Tag einen Euro gegeben, weil er mir so leid tat. Aber mittlerweile habe ich aufgehört damit. Ich meine, jeden Tag ein Euro sind im Jahr 365!«, hĂ€tte Irene Heusler, eine 55-jĂ€hrige ReligionspĂ€dagogin, die gegenĂŒber von dem Brunnen in einer Attikawohnung wohnt, gesagt, wenn man sie ĂŒber den Mann ausgefragt hĂ€tte.
Franz Jost hĂ€tte »Der Typ mit dem Akkordeon? Ich weiss nicht, der ist mir irgenwie unsympatisch. Und er riecht nach Betonstaub.« gesagt und dann hĂ€tte sich Franz eine Zigarette angezĂŒndet, die Zeitung aufgeschlagen und angefangen ĂŒber einige Politiker zu schimpfen.
Dr. Meinrad Auer hĂ€tte sich aufgeregt:«Ach, diese Obdachlosen verseuchen die ganze Stadt. Ich, als ehrlicher Steuerzahler, frage mich, warum die Stadt nichts unternimmt!« Danach wĂ€re er einen guten Wein und GlĂ€ser holen gegangen und hĂ€tte, ohne zu fragen, eingeschenkt. Nachher aber, hĂ€tte er darĂŒber geredet, wie teuer dieser Wein war.
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Am Morgen eines FrĂŒhlingstages war jedoch alles so ungewohnt still. Die Akkordeonmusik, die fehlte.Zu hören war nur das PlĂ€tschern des Brunnens.Â
Dr. Meinrad Auer wollte gerade zur Arbeit und als er sich um 07:30 Uhr in seinen schwarzen Mercedes setzte und den Motor anlassen wollte, bemerkte er er die ungewohnte Stille.
Frau Heusler hatte, weil sie nur ein 80% Pensum hat, an diesem Tag frei. Deshalb ging sie erst um 10:00 Uhr nach draussen um beim nĂ€chsten Lebensmittelladen Brot und Milch einzukaufen. Sie merkte erst bei der RĂŒckkehr, dass der Akkordeonspieler nicht da war.
Franz erwachte erst um 10:40 Uhr und ging auf den Balkon um seine morgendlich Zigarette zu rauchen. Da merkte er, dass niemand mehr bei dem Brunnen sass
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Obwohl die Sonne schien, war es ein trister Tag, so still, ungewohnt still.
Am nÀchsten Tag war der Akkordeonspieler wieder beim Brunnen und spielte seine Lieder. Er hatte ein anderes Akkordeon in den HÀnden.
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»Sie waren gestern weg.« sagte ihm Franz und wartete auf eine BegrĂŒndung.
«Ich musste mir ein neues Akkordeon besorgen, weil mein altes verschwunden ist.«, antwortete er.
Da stiessen Herr Auer und Frau Heusler dazu und Herr Auer fragte:
«Aber wie konnten sie sich ein neues leisten?«
Da sagte der Akkordeonspieler: »Im Gegensatz zu euch, bin ich eben ein reicher Mann.«