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Die nächsten Stunden widmete Malcom ganz seiner unbändigen Wut, die er vergeblich in einem Meer von Rum zu ertränken versuch- te. Wütend machte ihn nicht nur die Tat- sache, dass sein alter Widersacher es gewagt hatte, sich an seinem Eigentum zu vergreifen, sondern es wurmte ihn auch, hier festzusitzen und zu warten. Ja verdammt, es dauerte eben seine Zeit, bis ein Schiff klar war, das wusste er nur zu gut und dennoch machte ihm diese aufgezwungene hilflose Untätigkeit zu schaffen.
Wenn dieses Schwein ihr auch nur ein Haar krümmte….Malcom verbot es sich, weiter zu denken, sonst würde er irgend etwas kaputt- schlagen müssen. Schwankend, die Flasche
Rum an den Mund setzend, ging er zum Bett hinüber und warf sich auf die Matratze, wobei seine Beine wie Fremdkörper über den Bettrahmen hingen. Er grunzte zufrieden. Sein Bett hatte er sich jedenfalls erobert.
Die Flasche, wie ein Baby im Arm haltend, schlief er kurze Zeit darauf laut schnarchend ein.
Die Sonne ging gerade als riesiger Feuerball hinter den Horizont auf und es versprach ein sehr heißer Tag zu werden. Malcom bewegte sich, gefolgt von einem gequälten Stöhnen. Er glaubte, sein Kopf müsste jeden Moment explodieren. Der Druck hinter seiner Stirn war unerträglich. Durch das geöffnete Fenster fiel das Sonnenlicht, verirrte sich in
die Tiefen des Raums und schmerzte in den seinen Augen. Zu dem berstigen Hämmern in seinem Schädel gesellte sich zu allem Überfluss noch ein stechender Schmerz.
Er litt! Und wie er litt - und das Alles nur wegen einer Frau. Wieder kroch Wut in ihm hoch, aber dieses Mal richtete sich das GefĂĽhl gegen sich selbst. Er verfluchte sich dafĂĽr, dass er sich nicht von ihr fern gehalten hatte.
Ein lautes Pochen an der Tür, gepaart mit dem Hämmern in seinem Kopf, brachte ihm an den Rand seiner Beherrschung.
„ Verdammt noch mal! Hört auf, solchen Krach zu machen“, brüllte er vom Bett aus in Richtung Tür.
„ Aye, Kapitän….ich wollte nur…“, stotterte Ian von der anderen Seite.
„ Kommt rein Mann und das möglichst leise…verstanden!“
Die Tür wurde so leise es ging geöffnet. Sehr vorsichtig steckte Ian seinen Kopf in den Raum, sah seinen Kapitän noch im Bett liegen und wusste, dass es mit dessen Laune nicht gut bestellt war. Noch nie hatte er ihn solche Mengen saufen sehen. Er kannte diesen Mann schon viele Jahre, aber so viel, wie der gestern getrunken hatte, war schon fast unmenschlich. Als er seinen Kapitän gestern verlassen hatte, hatte er nicht den Eindruck gehabt, dass dieser sein privates Saufgelage bald beenden wollte.
„ Also, was wolltest du nur...? Spuck aus, was du zu sagen hast und dann lass mich in Ruhe,“ knurrte er.
„ Aye. Also das Schiff ist klar zum Auslaufen in etwas zwei Stunden. Wir haben Proviant aufgenommen und die Mannschaft ist vollzählig“, meldete Ian.
„ Na dann ist ja alles klar. Ich komme auch bald an Bord, muss nur noch ein paar Sachen zusammen packen“.
Malcom schloss die Augen und verschränkte seine Arme hinter den Kopf.
„ Ähm…Kapitän….“
„ Was ist denn noch, verdammt?“„ Ähm, die Mannschaft will mit euch reden, Kapitän.“
Malcom schaute seinem Bootsmann direkt ins
Gesicht.
„ Warum?“ fragte er eisig.
„ Nun,…wegen…. der Frau. Sie fragen sich…..ja, also sie fragen sich, was das soll.“
„ Was WAS soll? Wir holen sie zurück, weil sie eine fette Priese verspricht“, sagte er gereizt. Ian nickte.
„ Hast du ihnen das nicht gesagt, Mann?“
„ Doch…ich habe es versucht,….aber sie wollen es von euch hören!“
„ Sag der Mannschaft, ich werde ihnen Rede und Antwort stehen, bevor wir dann in See stechen.“
Er wendete seinen Blick ab und starrte an die Decke. Das Zeichen für Ian zu gehen, denn sein Kapitän hatte ihm nichts mehr zu sagen.
Als Malcom die *Revenge* betrat, war seine Mannschaft noch mit den letzten Arbeiten an Bord beschäftigt. Er ging in seine Kajüte, verstaute den Inhalt seines Seesackes in einer Truhe und steckte die zusammenge-rollten Seekarten in einen Korb, der an der Kajütenwand befestigt war. Sein Schädel brummte immer noch wie verrückt, aber er freute sich darauf, oben auf Deck zu stehen und den Kopf freipusten zu lassen.
Ian kam, um ihm letzte Informationen zu geben.
„ Klar Schiff, Kapitän! Es kann losgehen. Wenn ihr jetzt nach oben kommt, können die Männer das loswerden, was ihnen im Fell zwickt“, meldete er pflichtgemäß.„ Einen Moment noch, Ian. Habt ihr eine Ahnung,
warum Barracuda die Frau entführt hat? Wusste er von dem Lösegeld?“
„ Ich habe einen Verdacht, Kapitän. Aber ganz genau weiß ich es nicht.“
„ Raus mit der Sprache, Mann! Welchen Verdacht? Oder habt ihr erwas gehört?“
„ Der Unterhändler Pierre der Rote, hatte die Nacht vor seiner Abreise bei der drallen Schankmagd verbracht und vielleicht…“ , den Rest der Geschichte ließ er offen.
„ Verdammte Hurerei! Natürlich, er hatte sein Maul wieder nicht im Zaum. Dann ist mir alles klar. Zwischen den Schenkeln der fetten Carmen ist er ins Prahlen gekommen und die Hure hatte nichts Besseres zu tun, als alles brühwarm dem stinkenden Schellfisch zu
erzählen,“ bollerte Malcom.
Ian blickte stoisch auf die Planken des Bodens.
„ Nun gut, das ist nicht zu ändern. Jetzt holen wir uns erst einmal die goldene Gans zurück“, forderte er und schlug Ian freund- schaftlich auf die Schulter, bevor sie gemein- sam den Raum verließen, um an Deck mit der Mannschaft zu reden.
Die fünfzig Männer hatten sich am Achter- deck versammelt und warteten. Es war eine Schar verwegen aussehender rauer Kerle und jeder einzelne von ihnen trug sicher ein dunkles Geheimnis mit sich herum. Hier aber fragte niemand danach und so hatten sie in der Gemeinschaft der Piraten eine neue
Heimat gefunden. Hier waren sie alle gleich. Es gab feste Regeln und Gesetze, die jeder Mann befolgen musste, oder er bezahlte mit seinem Leben.
Malcom postierte sich etwas oberhalb der Mannschaft und schaute ernst in die Runde.
Er stand breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmtund begann mit der Ansprache.
"Jo Männer, ich stehe euch Rede und Antwort, also raus damit. Was wollt ihr wissen?“
Lautes Gemurmel folgte seinen Worten und dann trat ein Mann aus der Gruppe heraus.
Malcom erkannt ihn sofort. Es war Jacob, der Zimmermann. Ein recht ruhiger, besonnener Geselle, dem impulsive Handlungen gänzlich
abgingen.
„ Aye Kapitän, wir wollen wissen, warum wir den Barracuda verfolgen sollen. So viel Aufwand für ein Weib?“
Wieder folgte lautes Gemurmel aus den Reihen und bekräftigende Zwischenrufe.
„ Männer, hört zu - die Sache verhält sich folgender Maßen: Dieses Weib ist die Tochter eines reichen Schiffseigners und Kaufmanns aus Newport und zu diesem Zeitpunkt ist Pierre, der Rote auf dem Weg zu eben diesem, um meine Geldforderung zu überbringen. Sie sollte hier solange als meine Gefangene bleiben, bis er gezahlt hat."
Die ersten zustimmenden Rufe für den Kapitän wurden laut.
"Aber leider scheint unser Freund Barracuda davon Wind bekommen zu haben und hat es vorgezogen, sich diese Priese selbst unter den Nagel zu reißen. Ich bin verdammt wütend, denn er hat uns hintergangen und er hat mir mein Eigentum gestohlen. Denn ich beanspruche diese Frau für mich. Das ist mein verbrieftes Recht als Kapitän!“ betonte er mit Nachdruck.
„ Nun Männer, ihr habt gehört, was der Falke gesagt hat. Genügt euch die Erklärung?“ fragte Jacob in die Runde und sah nur nickende Köpfe.
„ Dann stimmen wir ab. Wer ist dafür, dass wir
Barracuda über das Meer jagen und uns unsere Priese zurückholen?“ brüllte er.
Die Mannschaft grölte ihm Beifall und alle erhoben zustimmend den Arm. Damit war die Versammlung beendet.
Malcom gab die ersten Befehle. Die Männer verteilten sich auf Deck, kletterten hinauf in die Wanden und er, der Kapitän ging auf seinen Posten neben seinen Steuermann.
„ Setzt die Rah-Segel am Fockmast!“ brüllte Malcom.
„ Gaffelsegel setzen am Großmast!“
„ Kurs Süd-Süd-West,“ befahl er seinem Steuermann.
Das Schiff legte sich langsam in den Wind und nahm Fahrt auf.
„ Alle Segel gesetzt, Kapitän,“ meldete Ian.
Malcom schaute hinauf in die Takelage. Die Segel blähten sich gut unter dem Wind und sie würden schnell Fahrt machen. Die Revenge,eine Brigantine, die er vor zwei Jahren gekapert hatte, lag wie alle Schiffe dieser Bauart, nicht sehr tief im Wasser, was sie schnell und wendig machte.
Er spürte den Seewind, schmeckte das Salz auf der Zunge, genoss für einen Moment den Zauber, der ihn jedes Mal wieder packte und ihm diese Gefühl von absoluter Freiheit vermittelte….
Er würde ihn finden und sich zurückholen, was er gestohlen hatte. Er würden ihn verfolgen, bis in den äußersten Winkel dieser Welt und wenn es das Letzte wäre, was er in seinem Leben noch tun würde.
Sie gehörte ihm. Er hatte nie eine Frau wirklich für sich beansprucht. Nie zuvor hatte er dieses Bedürfnis verspürt, aber bei ihr war es anders. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, sie in der Gewalt dieses dreckigen Widerlings zu wissen. Je schneller sie ihn aufbrachten, je eher könnte er ihm die Kehle durchschneiden.
Malcom verzog böse dem Mund, als er daran dachte. Wieviele Male hatte er sich schon überlegt, auf welche Weise er dieses Schwein töten würde. Irgendwie konnte er
sich nicht entscheiden. Klar war nur, dass es sehr, sehr lange dauern wĂĽrde..... Fortsetzung folgt...
Copyright-Hinweis: Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin 23.03.2012