Beschreibung
Da das olle Ding meinen halben Text gefressen hatte, hier noch einmal
Der kleine Junge hatte sich unter dem Bett versteckt. Das tat er immer, wenn er Angst hatte. Und er hatte oft Angst. Jeden Abend, wenn es dunkel wurde, kroch er unter das Bett und hoffte das Sie ihn heute Nacht nicht finden würden. Doch jede Nacht hoffte er vergeblich. Er hatte niemanden zu dem Er flüchten konnte, hatte niemanden der ihm half oder ihm auch nur über die Stirn strich, um ihm zu sagen, dass alles gut wird. Wie oft wünschte er sich behütet zu sein wie andere Kinder. Doch darüber machte er sich keine Gedanken, die Angst, die er verspürte war zu groß. Die letzten kleinen Lichtflecken, die durch das schmutzige Fenster ins Innere des Zimmers tanzten, wurden von der aufkommenden Dunkelheit gefressen.
Der Junge kniff die Augen zusammen, als er Schritte hörte, und drückte sich enger an seinen Teddy heran. Draußen vor seiner Zimmertür wurden Stimmen laut. „Muss ich mich wieder bücken, um an ihn ranzukommen?“ „Er ist ein dummer kleiner Junge, was erwartest du? Rück schon das Geld raus“ antwortete die Mutter des Jungen. Eine wirkliche Mutter war sie eigentlich niemals gewesen. Sie hatte ihn schon immer verraten und ihn noch nie in den Arm genommen. Wenn er krank wurde, interessierte es sie nicht. Auch die Schnitte auf den Armen waren ihr egal, auch wenn sie regelmäßig darüber schimpfte, denn es 'minderte den Preis' wie sie sagte. Es raschelte vor der Tür und man hörte Schritte von Hochhackigen Schuhen auf dem Parkett verschwinden, dann öffnete sich die Zimmertür.
Es lief wie jeden Abend ab. Er wurde barsch gepackt und unter seinem Bett herausgezogen. Hart schrappten seine Ellbogen dabei über den schmutzigen Teppich. Er wusste es hatte keinen Sinn sich zu wehren. Und es war nicht so, das er es nicht versucht hatte. Das hatte er so oft und es hatte ihm nur noch mehr schmerzen eingebracht. Der Junge schloss die Augen, zitterte leicht und versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Es half nicht. Es half nie. Heißer Atem wehte ihm ins Gesicht, der typische Geruch nach Bier und Schnaps füllte den Raum, als sich der Mann an ihm zuschaffen machte. Der Junge lies die Augen die ganze Zeit über geschlossen. Nicht drüber nachdenken, nicht drüber nachdenken, nicht drüber nachdenken. Wie ein Mantra flirrte es durch seine Gedanken und setzte sich dort fest, bis es vorbei war und er sich alleine auf dem dreckigen Bett wiederfand. Mit Tränen in den Augen suchte er seine Sachen zusammen. Die Unterhose, er besaß nur eine, die Hose die schon fast an allen Nähten Löcher hatte, das Shirt das nach Bier roch wie der Mann, der eben bei ihm war und ihm hinterher noch fast sanft über den Kopf gestrichen hatte.
Die einzige Zuflucht des Jungen war sein kleines Versteck unter der Matratze, mit einem alten Fetzen unten ans Lattenrost gebunden. Das Messer mit dem schwarzen Griff. Ein Lächeln schlich sich auf seine Gesichtszüge, als die Klinge liebevoll über seinen Arm streifte und die roten, erlösenden Tränen freigab.
Er musste eingeschlafen sein. Irgendwann, tief in der Nacht und doch fühlte er sich so, als hätte er eine schlaflose Nacht durchlebt. Eine von vielen. Er erinnerte sich nicht an seine Träume, roch draußen auf dem Flur aber den Kaffee. Kaffee war gut, Kaffee war Sicherheit. Wenn seine Mutter Kaffee kochte, dann waren die Männer weg und sie meist gut gelaunt. So auch heute. Jetzt konnte er es wagen sich aus seinem Zimmer zu schleichen. Er wusste genau, würde er ein Geräusch verursachen, bevor sie ihren Kaffee getrunken hatte, war die strafe schlimm. Im Badezimmer gab es wie überall keinen Schlüssel. Seit er mal auf den Gedanken gekommen war sich einzuschließen aus lauter Angst, wurden sie abgenommen. Er wusch sich die Arme, das getrocknete Blut wurde mit dem Fingernagel leicht abgekratzt, dann die Hände, das Gesicht. In den Spiegel blickend erkannte er, dass seine blauen Augen auch noch den letzten Lebensfunken verloren hatten. Verschämt schloss er sie und wendete sich ab.
„Morgen“, nuschelte er, als er die Küche betrat und seine Mutter in ihrem Bademantel und mit überschlagenen Beinen auf einem Stuhl saß. „Du gehst heute nicht zur Schule, ein Freund von mir kommt vorbei“ sagte sie statt ihm zu antworten. „Nicht zur Schule?“ Seine Mutter schien genervt. „Bist du schwerhörig oder so was?“, wollte sie wissen und schubste ihn an die Seite, als sie aufstand. „Mach dir was zu essen und geh in dein Zimmer, ich muss noch mal weg, er hat den Schlüssel“ damit verlies sie den Raum und der Junge öffnete die Kühlschranktür. Leer.
Ein guter Freund? Er wusste genau, was das bedeutet. Und da nichts zu essen da war, ging er wirklich auf sein Zimmer und schaute sich das bisschen, an was er besaß. Einatmen, ausatmen, immer und immer wieder. Er war keine 15 und schon so Müde. Gab es für ihn einen Platz auf der Welt? Sollte es je einen geben? Er wünschte sich frei zu sein, frei, wie ein Vogel der die Flügel ausbreitete und in ferne Länder flog. Ohne es zu merken, hatte er sich erhoben und war zum Fenster gegangen, hatte es geöffnet. Warum eigentlich nicht? Fliegen wie ein Vogel, loslassen und zum Himmel steigen. Das Lächeln des Jungen verstärkte sich, als er aufs Fensterbrett kletterte und die Arme ausbreitete. Und es klappte. Er flog, wie ein Vogel... bis in den Himmel.