Raimund begegnet in einer Diskothek der Freundin seiner großen Liebe, Bea, mit der die Verständigung nicht mehr möglich ist, weil Raimund zu viele Fehler gemacht hat.
  Den ganzen Tag lag er im Bett und las philosophische und literarische Werke und rauchte. Er war einsam. Nach zwei Wochen hatte er sein Mathematik- und Physikstudium aufgegeben, war zu Hause geblieben, weil er in diesen beiden Wissenschaften keinen tieferen Sinn sehen konnte wie in der Philosophie, der Bemühung um Weisheit.
    Der Ich-und-du-ismus war, was er sich ersehnte, ein Leben, in dem nur er und seine Freundin zählten. „Wenn nur Bea da wäre“, seufzte er in sich hinein, „er mit ihr hier im Bett läge und sie einander fühlten und sich sonst um nichts kümmerten, weil alles andere nichts war, im Vergleich zum Gefühl, das sie füreinander hatten.“
  Dieser Ich-und-du-ismus sollte auch über die Ferne gefühlt werden können, wurde wohl über die Ferne gefühlt, doch verhinderte Raimund immer wieder die volle Kraft dieses Gefühls durch selbstische Entladung. Das Potential, das Wirklichkeit werden musste, war zu groß, machte ihn zu sehr leiden. So war er bis jetzt nichts anderes als ein selbstelnder Träumer, denn immer wieder fiel er ab von der reziprok-korrelativen Liebeswirklichkeit mit Bea.
  Er war einsam, sehnte sich nach einem weiblichen Wesen, war sich immer wieder unsicher der wechselseitigen Wahrheit der Liebe zu Bea, darum machte er sich allabendlich auf zur studentischen Olympiadiskothek. Mit seinem Studentenausweis hatte er Zugang.
  Schon auf dem Weg in die Diskothek, hoffte er, vielleicht Bea zu begegnen oder eine andere weibliche Bekanntschaft zu machen. Darum setzte er sich in der nachts verhältnismäßig leeren Untergrundbahn an einen Platz, wo er Übersicht hatte. Er war bemüht, durch Augenkontakt möglicherweise ein weibliches Wesen für sich einzunehmen, so dass sich ein schönes Gespräch entspänne. Doch dieses bemühte Ansinnen, blieb immer unerfüllt. Kein Mädchen setzte sich zu ihm oder nur in seine Nähe, denn eine jede verglich er mit Bea, finster und traurig, wie er war.
  Wenn er dann am Türsteher vorbei im schummrigen Tanzraum war, platzierte er sich so, dass er einen Überblick hatte über die potenziellen Objekte des Begehrens. Eine jede maß er an Bea; an der Bea, wie er sie von damals in Erinnerung hatte. Sein schlechtes Gefühl, ob der Schuld, von Bea, dieser seiner femme fatale abgeirrt zu sein, dämpfte er mit Zigaretten. Zum Wachhalten trank er Spezi. Eigentlich hoffte er, hier vielleicht dem reziproken Korrelat all seines Gefühls zu begegnen; war sich manchmal im Zweifel, ob diese oder jene nicht vielleicht Bea wäre. Dann tanzte er für sich einen vorsichtigen Tanz, um bald zu merken, dass die angezielte doch anders war als das Mädchen seines Gefühls. Dann ließ er ab von seinem Zappeltanz und rauchte wieder ein paar Zigaretten der Vergeblichkeit.
  So ging es allabendlich, dass er zu diesem Studententanzschuppen hinfuhr und, ohne ein Wort mit irgendjemandem gewechselt zu haben, wieder zurückfuhr. Was ihn immer wieder reizte, war die schummrige Illusion von Erotik, die ihn aber doch wieder frustrierte, weil sie ohne Bea war.
  Ein Hinweis auf Bea tauchte auf. Er begegnete eines Abends Beas dunkelhaariger Freundin Ute. Ihr Erscheinungsbild war noch genauso wie früher. Das legte die Hoffnung nahe, dass auch Bea sich treu geblieben war und weiterhin ihr Haar lang und offen Haare trug, denn dass Bea abgefallen sein mochte von ihrer Selbsttreue und damit von der wahren Treue zu ihm, dieser Gedanke quälte ihn.
  Es war Ute, die ihn zuerst sah und ihn ansprach. Hübsch war sie, und da sie mit Bea eine gemeinsame Weltanschauung teilte, so hatte sie geheimnisvollen Reiz. Raimund fragte gleich nach, ob sie noch mit Bea in Verbindung stünde. Das verneinte sie. Sie wisse nicht, was Bea derzeit mache. Die Verbindung sei abgerissen. Wenn dem so war, so wollte Raimund wenigstens in ihren damaligen Gedankenaustausch mit Bea eingeweiht werden. Darum fragte er nach, worüber die beiden damals gesprochen hätten und brachte wohl ein wenig gröblich an, ob sie sich über die verschieden Arten des Küssens ausgetauscht hätten, denn von Winfried hatte er gehört, dass dieses Thema ihr Gesprächsinhalt gewesen sei. Ute ging nicht darauf ein. Ob Bea sich wohl verändert habe, fragte er. Sie meinte, Bea habe damals zuerst mit Kleidern angefangen.
  Raimund erinnerte sich an einen Augenblick, als er in der Straßenbahn gefahren war und er Bea in Fürstenried an der Haltestelle in einem indischen Kleid gesehen hatte, wie sie damals allmählich in Mode kamen und jetzt gerade im Jahr 1980 für junge Leute Mode waren. Raimund schmerzte diese Veränderung, weil Bea nicht mehr ausschließlich eine blaue Jeans anhatte, also ihrem Vorhaben, immer dasselbe anzuziehen untreu geworden war.
  Selbsttreue war das bange Thema, um das Raimunds tastende Rede immer ging, wenn er jemandem von früher begegnete. So auch jetzt. Ute war sich treu geblieben. Bea hatte ihm im letzten Telefongespräch geraten: „Such dir eine andere.“ So kam er auf den Einfall, möglicherweise bei Ute landen zu können. So hätte er einen gewissen Anteil an Beas Geist und Wesen, kam es ihm vor. Darum sagte er zu Ute: „Ich suche eine Freundin.“ Ute verstand sogleich, worauf das Ansinnen hinauslief und antwortete: „Zurzeit habe ich gleich zwei. Das ist das Problem. Mir ist das zu viel. Da kommt keine weitere Beziehung in Frage. Du musst dich anderweitig umsehen.“ Damit gingen sie auseinander und Raimund fuhr heim, denn für heute hatte er genug erlebt.