Gebrandmarkt
Er war ein Draufgänger, nahm sich, was er glaubte, bekommen zu dürfen. Kannte keinen Skrupel und Respekt. Vielleicht war er an sonst ganz unauffällig und keiner erahnte seine tiefe Gier. Nach Nähe und Tiefe in ihr. Er holte und erfüllte sich, was in ihm brannte und nach Befriedigung in ihm loderte.
Sie ließ es widerwärtig geschehen, fühlte sich jahrelang schuldig. Trug die Last des Wissens schwer in ihrem eigenen Gewissen.
Es waren Schuldgefühle, die sie lähmten und Gedanken, für die sie sich schämte. Wenn sie einen Wunsch frei hätte, würde sie ihn entlarven. Doch sie hatte jahrelang nie den Mut und die Kraft.
Sie lebte ihr Leben, stets mit Fußfesseln, die ihr die Freiheit nahmen. Sie versuchte zu gehen um im Leben zu bestehen. Sie schützte sich, so gut sie konnte. All ihre Kraft steckte sie hier hinein. Sie wollte verhüllen die gefühlte Pein. Und irgendwie ging sie damit und dabei selbst ein.
Der Tage wurde auch dunkler, die Kette immer schwerer. Sie kam keinen Schritt mehr voran. Als sie zu begreifen begann. Jedoch ihr Körper rebellierte wie wild und schenkte ihr Tag täglich ein anderes Bild. Sie sah ihn schön hängen am Galgen des Gerichtes. Doch in ihr wiederspricht es. Da gibt es noch Menschen, die sie verehrt und ihnen möchte sie es ersparen zu fühlen, wie sie selbst fühlt.
So schenkt sie all ihre Liebe, die in ihr sesshaft war jenen, die sie sehr verehrte. Sie verweilten oft in ihrer Nähe. Ihr Blutdruck und Gefühl am überschwappen, wenn sie aufeinandertrafen, besonders wenn er zugegen, der es ihr angetan. Von Gott und der Welt unbekümmert sprachen. In Ihr widersprach es zugleich, doch sie bezwang sich sogleich.
So wurde ihr stiller Schrei niemals entdeckt, nur sie selbst immer wieder aufgeschreckt. So stach sie selbst immer wieder ungewollt tief in ihr Herz hinein. So wollte und konnte sie sich davon nie wirklich befreien. In ihr loderte ein Feuer so glühend heiß, oftmals floss auch aus ihr der Angstschweiß. Sie kannte sich selbst nicht mehr, alles auszugleichen wurde auch ihr auf einmal zu schwer.
Das Leben schenkt jeden Tag neu, einem die Chance die Wahrheit zu gestehen. So konnte auch sie diesem Tag entgegengehen. Viele Gespräche hat sie seitdem geführt, war von einigen Begegnungen sehr gerührt. Andere konnte sie nicht verstehen, sie konnte ja nicht so wie sie das Leben sehen.
Er wurde mit seiner Tat konfrontiert, doch von Reue oder Verständnis ihr gegenüber hat sie nie gespürt. Er sollte sich stellen, auch denen die es noch nicht wussten, jedoch mit ihm zusammen lebten. Seine Standhaftigkeit brach zusammen wie ein Kartenhaus. Er versuchte sich das Leben zu nehmen, um nicht all das zu durchstehen, was sie jahrelang durchstehen musste. Sie wünschte sich, er hätte das geschafft, jedoch hätte es ihr keineswegs je etwas gebracht.
Er hätte sich einfach aus dem Staube gemacht, sich um seine eigene Verantwortung gebracht. Er hat in seinem Leben etwas nicht begriffen. Fühlt sich jetzt vielleicht gebrandmarkt, bekommt die Quittung für all sein Handeln. Nun darf er ernten, was er ausgesät hat. Gut, dass er in diesen Spiegel seiner Selbst weiterhin noch schauen muss. Sich selbst auch ertragen, beantworten eigene sich aufstellende Fragen.
Vielleicht verliert sie die Kraft der Fesseln, die sie jahrelang als Begleitung in ihrem Leben fühlte.
Jedoch Narben wird sie eintätowiert in sich sehen. Vielleicht wird ihr ein Wunder geschehen, damit sie kann wieder freier gehen. Einige Schritte kommt sie wieder voran, von jenem Tag als die Entlarvung begann. Noch ist alles so wund und brennend in ihr. Sie wünscht sich nur Ruhe und Entspannung tief in ihr.
Die Zeit heilt alle Wunden, wird immer wieder gesagt. Doch manche Wunden können nie heilen, sie verblassen nur mit der Zeit.
Sie wird sicher nach Lösungen für sich suchen und ein Platz auf dem Lebensschiff der Hoffnung, Zuversicht und Treue zu sich selbst buchen. So kommt sie langsam wieder voran, was einst so schleppend begann.
© 19.03.2012 Petra-Josephine