Fantasy & Horror
Jahrmarkt der lachenden Leichen - Ankunft und Aufbau

Ankunft und Aufbau

Schneidendes Scheinwerferlicht durchbrach die nächtliche Dunkelheit, begleitet vom Dröhnen alter, schwerer Dieselmotoren, als sich eine Kolonne aus Lastwagen dem kleinen Städtchen namens „Gavins Tree“ näherte, dessen Bewohner zu dieser nächtlichen Stunde tief und fest schliefen, unwissend und arglos. Ein brachliegendes Feld im Norden der kleinen Stadt war das Ziel der Schlange aus Transportfahrzeugen, die so zielsicher wie von einem unsichtbaren Leuchtfeuer geführt ihren Weg durch die kühle Frühlingsnacht fanden. Fahrer und Beifahrer der Fahrzeuge waren nur schemenhafte Umrisse im trüben Licht der Armaturenbrettbeleuchtungen, beinahe wirkten die Führerhäuser wie die Köpfe gewaltiger Tiere, ein Eindruck, der noch durch das Zischen der Bremsen unterstützt wurde, als die Fahrzeuge in einer kreisförmigen Formation zum Halten kamen.

Für einen kurzen Moment war das leise Dröhnen der im Leerlauf arbeitenden Motoren, das einzige Geräusch auf dem ungepflegten Feld, bevor vollkommen gleichzeitig erst alle Motoren und dann ebenso gleichzeitig die Scheinwerfer ausgeschaltet wurden.

Gerade als die Stille auf dem Feld wieder greifbar zu werden schien, erklangen die Geräusche von sich öffnenden und schließenden Fahrzeugtüren. Dunkle Schatten begannen sich zwischen den gewaltigen Umrissen der Lastwagen hin und her zu bewegen, das metallische Klappern von Riegeln, die Geräusche von aufgeschlagenen Planen und das Rasseln von Ketten schwebte über dem Ort des Geschehens, die akustische Untermalung emsiger Arbeit. Doch obwohl die Tätigkeiten von mehr als zwanzig Personen, um was sonst sollte es sich bei den schattenhaften, menschengroßen Gestalten handeln, nahtlos ineinander gingen, fehlte doch

doch das normalste Element gemeinschaftlicher Arbeiten. Keine einzige Stimme war zu hören, nur das gedämpfte Hämmern und Klopfen unterschiedlicher Werkzeugen, das Surren batteriebetriebener Schraubgeräte, während die Umrisse kleinerer und größerer Hütten, sowie Schaubuden und das Skelett eines großen Zeltes Gestalt anzunehmen begannen. Doch so seltsam diese lautlose Kommunikation zwischen Arbeitern auch sein mochte, so wurde diese Merkwürdigkeit noch von der geradezu übernatürlichen Schnelligkeit der Aufbauarbeiten überschattet. Die Arbeiten, die sonst wenigstens einen Tag in Anspruch genommen hätten, waren innerhalb weniger Stunden beendet und dem kundigen Auge enthüllte sich im dämmrigen Licht des Morgens die Silhouette eines Jahrmarktes, dessen Umzäunung als letztes Element vollendete wurde.

Die ersten Sonnenstrahlen begannen das Feld mit ihrem warmen Licht zu küssen, als die Motoren der Lastwagen aufheulten und die Kolonne ihren Standort wechselte, so dass sich der Jahrmarkt nun in all seiner Pracht den neugierigen Blicken zukünftiger Besucher präsentieren konnte. Das scharlachrote Schild über dem Eingang des Jahrmarktes hieß mit altertümlichen, schwarzen Lettern die Besucher willkommen, der Schriftzug wurde auf der linken Seite von einem lachenden Clown und auf der rechten Seite von einem engelsgleichen, weiblichen Gesicht flankiert.

„Seid willkommen und tretet ein. Mögen Eure Wünsche die Schritte leiten.“

Ebenso wie die altertümlich wirkenden Buchstaben wirkte auch die Wortwahl anachronistisch und irgendwie deplatziert, aber gerade diese Besonderheit versprühte einen

ganz eigenen Charme, der einen willigen Besucher sicher in seinen Bann schlagen konnte. Gerade schob sich die helle Sonnenscheibe über den Horizont und badete den Jahrmarkt in ihrem hellen Licht, wobei das Licht von hinten durch den Eingang fiel und diesen für einen Moment in einen feurigen Schlund verwandelte, doch ebenso schnell wie dieser Eindruck entstand, verschwand er auch wieder.

Das Feld war bereitet, als sich einige Motorräder aus der Formation der Lastwagen lösten und zur Stadt fuhren, große, lederne Beutel waren an den Lenkern der alten Maschinen befestigt und als die Fahrer beschleunigten, fing sich der Wind im Verschluss eines Beutels und befreite ein kleinen Zettel aus seinem Gefängnis. Kurz taumelte das Flugblatt flatternd im Wind,

bevor es sich hinter den knatternden Motorrädern im Straßengraben niederließ.

Großer Eröffnungsabend.

Einlass ab 1900.

Kinder freier Eintritt.

Verpassen Sie nicht die große Gala. Sie werden es bereuen.

All dies war auf dem Flugblatt zu lesen, ebenso wie beim Eingangsschild des Jahrmarktes waren die Buchstaben in einer alten Schrift verfasst worden, welche auf unbewusster Ebene Neugier weckte. Doch erst am Abend würde man sehen, wer dem Werben des Jahrmarktes nachgab.