„Ich wurde stets darauf hingewiesen, das es 'doppel es“ heißt und nicht 'es es'. Also, ich weiß ja nicht an was meine Lehrerin dachte. Denken kann ich es mir. Ich dachte an die Rechtschreibung. Auch Orthographie genannt. Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe manchmal das Gefühl, als wären die Linken die wahren Rechten. Beispiel zwei wäre das Hakenkreuz. In allen erdenklichen Formen ist es heute verboten. Dabei gibt es das Zeichen schon seit zirka sechstausend Jahren. Japan. China. Tibet. Indien. Antikes Griechenland. Selbst in Kirchen und Familienwappen wurden Hakenkreuze verwendet. Ich persönlich denke, wenn ich dieses Zeichen sehe, nicht an Hitler und sein Gefolge. Buddha trägt das Zeichen immer noch. Fahrt nach Japan und schaut es euch an. Man kann sagen, das es dieses Zeichen Weltweit gibt. In ziemlich jeder Kultur. Die Nazis haben es nur geklaut, wie so vieles auch. Und nur wegen diesen Hampelmännern wird man verurteilt, wenn man ein Hakenkreuz zeichnet, oder besitzt. Und nur wegen dieser Zeit darf man nicht stolz auf sein Land sein. Wie viele Jahrzehnte ist es nun schon her, das Hitler uns regierte. Denkt mal an die USA. Alleine nach dem zweiten Weltkrieg. Wie lange hatte es gedauert, bis sie wieder in den Krieg zogen? Die müssen ihr Land lieben, ansonsten werden sie bespitzelt, oder gleich ins Gefängnis gesteckt. Als Deutscher darfst du dein Land nicht lieben, sonst bist du rechts. Dabei haben wir so viele Vorfahren auf die wir stolz sein können. Den Vorläufer unserer heutigen Computer erfand ein Deutscher. Konrad Zuse. Backpulver. Fleischextrakt. Zahnpasta. Kaffeefiltertüten. Buchdruck. Straßenbahn. Motoren. Jeans. Telefon. Glühbirne. Ich könnte noch viel mehr aufzählen. Deutschland ist ein Tüftlerland. Liebig. Zuse. Röntgen. Reis. Siemens. Benz. Daimler. Soll ich noch mehr nennen? Alles deutsche Bürger. Jedenfalls damals, als sie noch lebten. Das sind Personen, an die mir in den Sinn kommen, wenn ich an Deutschland denke. Das dritte Reich gab es gerade mal zwölf Jahre. Deutschland selbst schon viele Jahrhunderte. Ich frage mich ernsthaft, warum immer nur auf die zwölf dunklen Jahre zurückgegriffen wird. Schon vor Hitler gab es Krieg. Den ersten Weltkrieg. Den hundertjährigen Krieg. Die Kreuzzüge. Angeblich wurden diese Kriege im Namen Jesus geführt. Nur weil ein Volk einen anderen Glauben hatte und ihn nicht wechseln wollte, musste mit Waffengewalt gegen sie gekämpft werden. Wer sagt mir, das das Christentum der wahre Glauben ist? Übrigens ist jener Gott, an den die Christen glauben, der selbe Gott, von den Juden und Moslems. Wir alle haben den selben Gott. Nur unterschiedliche Propheten. Moses. Jesus. Mohammed. Buddha.
Ihr wollt mich verurteilen, weil ich meinen Schülern beibringe, was die ursprünglich Bedeutung vom Hakenkreuz ist. Weil ich ihnen zeige, das sie stolz auf ihr Land sein können. Auf ihr Land und seine Menschen. Die Gebrüder Grimm haben Märchen aufgeschrieben. Die sind weltweit bekannt. Hänsel und Gretel haben die Asiaten als Horrorfilm gedreht. Obwohl sie es gar nicht brauchten. Zuerst werden die Kinder ausgesetzt und am Ende eine alte, gebrechliche Frau umgebracht. Die Frau hatte die Kinder bei sich aufgenommen. Zu Essen gegeben. Betten zum schlafen bereitgestellt. Und was war der Dank? So was wird unseren Kindern vorgelesen, beziehungsweise, im Fernsehen gezeigt. Da sagt keiner was. Aber wenn ich meinen Schülern beibringe, das es keine Schande ist deutsch zu sein...
Überall ist nur noch Gewalt zu sehen. Den Tennagern macht es Spaß anderen weh zu tun. Zu mobben. Zu treten. Mit Waffen auf einen Schwächeren einzuschlagen, bis jener sich nicht mehr bewegt. Die wissen ganz genau was sie tun. Werden sie bestraft? Nein. Sind ja noch so jung und wissen nicht was sie tun. Die Eltern dürfen dann dafür büßen, obwohl sie nichts dafür können. Sollen ihren Kindern Freiheit schenken. Die sehen nicht, wenn ihre Kinder in falsche Kreise geraten. Und sie können auch nichts dafür, wenn ihr Nachwuchs scheiße baut. Aber herhalten müssen sie. Bestraft die wahren Übeltäter. Die filmen sich doch bei der Tat und schicken es weiter. Es dürfte doch wohl kein Problem sein sie zu schnappen und einzusperren.
Was rege ich mich auf. Verurteilt mich, weil ich Hakenkreuze male und stolz auf mein Land bin. Es ist doch viel wichtiger, einen wie mich einzubuchten, als irgendwelche Dealer, Zuhälter, Pädophile und all das Ungeziefer. Lieber ein paar Tote, als Umerzogene. Ich sage meinen Schülern immer wieder, das Gewalt keine Lösung ist. Sie haben einen Mund und den sollen sie nutzen. Reden und zuhören. Damit löst man die meisten zwischenmenschlichen Probleme.
Ich haben fertig.“
Ich war Aushilfslehrer. Eine Bekannte hatte mir den Job besorgt. Anfangs hatte ich mich gefreut, weil ich den jungen Menschen zeigen wollte, das Lehrer auch anders sein können. Ich wollte sie aufheitern und motivieren. Zeigen, das Schule nicht öde sein muss. Und ich wollte ihnen alles Praxisnah lehren. Das heißt, ihnen zeigen wofür man dieses und jenes in der Praxis anwendet. Aber dann kam alles anders.
Teenager. Ein beschissenes Alter. Ich weiß, wovon ich rede. War ich doch selbst in dem alter gewesen. Damals glaubte ich, das wäre meine Midlifecrisis und rechnete mir aus, wann ich sterben müsste. Denn Midlifecrisis heißt frei übersetzt, Krise in der Mitte des Lebens. Wenn ich mich nicht verrechnet hatte, müsste ich jetzt tot sein. Meine Frau schläft mit einem toten Mann. Das darf ich ihr gar nicht erzählen.
Es war, für mich, nicht leicht, vor einer Masse von Teenagern zu stehen und zu reden. Im Allgemeinen war es für mich nicht leicht, offen zu reden, wenn mich so viele Augenpaare anstarrten. Augen, wohin ich sah und alle starrten mich an. Bis auf ein paar Ausnahmen. Einer handvoll Schüler war es egal, das ich vorne stand und unterrichten wollte. Sie schliefen oder beschäftigten sich anderswie. Ich ließ sie in Ruhe. Heutzutage wusste man nie, ob sie Waffen bei sich trugen. Wobei ich mich frage, woher sie ihre Totschläger, Schlagringe und das ganze Waffenarsenal bekamen.
Ich überspielte meine Aufgeregtheit, indem ich spaßig wurde. Locker ließ ich ein paar Sprüche los. Wer ich bin, woher ich kam und was der Sinn meines Daseins in dieser Schule sei. Es kam an. Selbst diejenigen, die kein Interesse an Schule hatten, hörten mir zu. Das war ein guter Start. Doch hätte ich das lieber sein lassen sollen. Sie waren Teenager. Anfangsphase. Und nicht alle waren Jungs. Dabei sind meine optischen Reize gar nicht so ausgeprägt, finde ich. Frauen in meiner Altersgruppe haben wenig bis keinerlei Interesse an meiner Person. Oder himmeln sie mich nur heimlich an?
Meine lockere Art, mein Verständnis und die Art, wie ich ihnen mein Wissen mitteilte, schien ihnen zu gefallen. Mitzureißen. Keiner schlief. Alle machten mit. Ich erlaubte mir daher, schon nach zwei Tagen, einen unangekündigten Test schreiben zu lassen. Nur einen Kleinen, mit drei kurzen Fragen. Ich wollte wissen, ob alle verstanden hatten, was ich ihnen lehrte. Da ich nicht vorhatte Noten zu vergeben, sondern nur den Wissensstand zu überprüfen, gab es kaum Aufregung.
Ich hatte doch benotet, da sie alle gut bis sehr gut waren. Warum so gute Zensuren einfach in den Müll schmeißen? Die Schüler brauchten sie, um ihren Durchschnitt zu verbessern. Manchem Girl hätte ich gern ein paar Zeilen geschrieben. Die ganzen Herzchen machten mich wahnsinnig. Eine war ganz schlimm. Diejenige hatte sich erlaubt, mir ein paar liebe Worte zu schreiben. Schön in Reimform. Mir gefällt zwar so was. Aber bitte von Frauen, die etwa in meinem Alter sind.
Ich war froh, als die Zeit vorüber war. Es hatte schon Spaß gemacht. Aber die Mädchen rückten mir zu sehr auf die Pelle. Leider waren sie, für ihr alter, sehr fraulich gebaut. Dies machte mich ganz verrückt. Immer wieder musste ich mir wieder vor Augen halten, das sie erst Teenager waren. Auch wenn sie nicht wirklich so aussahen.
Sie machten es mir nicht leicht. Tränen bei den Mädchen und laute Missstimmung bei den Buben. Ich hatte ihnen zugehört und war für sie da. So einen Lehrer, wie mich, würden sie nie wieder bekommen. Ich wollte ihnen sagen, das ich eigentlich kein Lehrer war. Meine Bekannte hatte nur dafür gesorgt, das ich Beschäftigung bekam. Aber das hätte vielleicht einen Schock ausgelöst und sie hätten mir nicht mehr vertraut. Daher sagte ich ihnen, das ich noch an anderen Schulen gebraucht werde, sie aber niemals vergessen werde. Und obwohl ich froh war zu gehen, war auch ich den Tränen nah. Ich, der keine Ahnung von Lehrersein hat, motivierte gelangweilte Schüler dazu zu lernen. Ein wenig war ich stolz auf mich.
Ich zeichne mich nicht durch stärke aus. Auch bin ich nicht so Intelligent. Das heißt, ich bin Durchschnitt. Durchschnittliche Figur, Intelligenz und Stärke. Was mich aber zum Anführer machte, war meine große Klappe. Ich sagte stets offen heraus, was ich dachte. Mir waren die Konsequenzen egal. Dachte gar nicht daran. Mein Mund war schneller, als meine Gedanken und dies brachte mich oft in brenzlige Situationen. So oft, wie ich zum Direktor musste, weil ich aussprach, was mir nicht passte, kann ich gar nicht mehr zählen. Wäre ich damals älter gewesen, er hätte mir bestimmt das Du angeboten.
Mit der Zeit gewöhnte ich mich daran, zum Direktor zu gehen. Ich erklärte ihm den Vorfall, er nickte und gab seinen Kommentar dazu und fertig. So weit ich erfahren habe, kam es vor, das meine Lehrer ebenso bei ihm vorsprechen mussten und manchmal eins auf den Deckel bekamen, weil sie im Unrecht waren.
Irgendwann hörte es auf. Die Lehrer passten auf, was sie sagten und machten. Ich hatte nichts mehr zu meckern und brauchte deswegen nicht zum Direktor. Irgendwie fehlte mir das. Es war zwar schön gewesen, das sich einiges, wegen mir, gebessert hatte. Aber die Gespräche, während des Unterrichts, fehlten mir. Es war eine kurze Pause, in der ich nicht aufzupassen brauchte. Zuhören, was der Lehrer von sich gab. Manchmal konnte es ganz schön öde sein.
Auf dem Schulhof stand meine gesamte Klasse hinter mir. Sie folgten mir, wohin ich auch ging. Sie blickten zu mir auf. Anfangs war es mir unangenehm. Aber dann freute ich mich darüber. Ich fühlte mich sicher, zwischen ihnen. Wenn ich mein großes Maul aufriss und älteren, größeren und stärkeren Mitschüler die Meinung geigte, brauchte ich keine Angst zu haben. Meine Kameraden stellten sich schützend um mich.
Ich war bekannt, wie ein bunter Hund. Von den Schülern geliebt und von den Lehrern gehasst. Jedenfalls so ähnlich. Durch mich gab es einige kleine Veränderungen, an der Schule. Die Lehrer hatten keine Lieblingsschüler mehr. Jeder und jede wurde gleich behandelt. Noten wurden streng nach Notenspiegel vergeben. Nichts mehr mit Augen zudrücken. Dadurch waren einige Schüler, die nicht des Lehrers Liebling gewesen waren., benachteiligt gewesen. Zufällig hatte ich es einmal mitbekommen gehabt, wie ein Lehrer bei dem einen Schüler die bessere Note gab und dem anderen die Schlechtere. Nur weil er den Einen mochte und den Anderen nicht.
Es war an einem trüben Tag gewesen. Ich stand mitten auf dem Schulhof und sah mich um. Nichts. Rein gar nicht war da, womit man sich austoben konnte. Es fehlte an Spielgeräten und Bänken. Auch waren mir zu wenig Bäume da. Die zwei, die auf unserem Schulhof standen, waren kurz vorm zerbröseln. Das musste ich ändern. Also ging ich, mit meinen Freunden, zum Direktor. Kurz erklärte ich ihm mein Begehren und er mir, das kein Geld dafür da sei. Die Heizung musste repariert werden und noch einiges andere auch. Daher fragte ich ihn, ob er was dagegen hätte, wenn ich die Sache in die Hand nehme. Nein. Mit einem Handschlag, und unter Zeugen, besiegelten wir einen mündlichen Vertrag. Ich hatte freie Hand zur Schulhofgestaltung, sofern es der Schule nichts kostete.
In der nächsten Pause hielt ich eine kurze, prägnante Rede. Ein paar Tage später, schneller als ich dachte, kam das erste Werkzeug, so wie Baumaterial und eine handvoll Arbeiter. Viel geschah nicht. Sie schauten sich nur alles an, gaben uns ein paar Tipps und waren wieder weg. Das verstand ich überhaupt nicht. Aber dann wurde mir gesagt, das sie nach Feierabend wiederkommen würden. Wir Schüler sollten fleißig Hand anlegen, denn schließlich war es unser Schulhof. Die Arbeiter würden uns nur unterstützen.
Es ging ganz gut voran. Auch wenn es ziemlich kalt war. Für mich war es eine Freude zu sehen, wie alle mit anpackten. Die Kriegsbeile waren begraben. Jeder hatte eine Aufgabe zugeteilt bekommen und wurde von den Fachkräften angelernt. Als ich mir das so ansah, stand plötzlich mein Direktor neben mir. Legte seine Hand auf meine Schulte und lächelte mich an.
„Gute Arbeit...Ich werde mir eine Schaufel schnappen und den Sandkasten ausheben. Schließlich wollen unsere Grundschüler auch spielen.“
Das war ein Wort. Auch wenn er es nicht hauptsächlich wegen der Kinder tat, sondern deswegen, weil er den ganzen Tag in seinem Bürostuhl saß und er Bewegung an frischer Luft brauchte.
Ich half ihm, beim schaufeln. So konnte ich mich mit ihm unterhalten. Wenn man ihn erst näher kennenlernte, war er gar kein so übler Typ. Ein angenehmer Zeitgenosse. Ich würde beinahe behaupten, das wir gute Freunde waren. Natürlich konnte er es während der Schule nicht zeigen. Aber wenn wir uns zufällig auf der Straße sahen, hob er grüßend seine Hand. So, als würde er alten Freunden begegnen. Dabei lächelte er immer. Manchmal unterhielten wir uns auch kurz. Meist über mich. Dann kam oft der Spruch: „Wenn deine große Klappe nicht wäre...“ Zugegeben, er ha recht. Aber dadurch hatte ich einiges erreicht.
Die Umgestaltung des Schulhofes schritt voran. Was uns ab und zu aufhielt, war das Wetter. Es goss des Öfteren. Daher entschlossen wir uns, das wir erst im Frühjahr weiter machten. Es hatte keinen Sinn im Schlamm zu wühlen. Außerdem stand der Winter vor der Tür. Der Boden würde gefrieren.
In meinem Kopf war schon alles fertig. Ich sah die Schüler spielen. Im Sandkasten. Auf dem Klettergerüst. Ich dachte an den Sommer. Die Früchte reiften in der Sonne und jeder konnte sich bedienen. Noch waren die Bäume nicht dagewesen. Aber ich wollte unbedingt Obstbäume haben. Das Laub für die Luft und das Obst für den Genuss. An unserer Schule gab es viele Kinder, deren Eltern es sich nicht leisten konnten frisches Obst und Gemüse zu kaufen. Und da fiel mir plötzlich ein, man könnte doch einen Schulgarten herrichten. Irgendwo würde sich bestimmt ein Plätzchen dafür finden lassen. Um unserer Schule gab es viel ungenutzten Platz. Eingezäunt, aber ungenutzt. Daher beschloss ich, mit unserem Direktor ins Rathaus zu fahren. Ich sprach und er nickte dazu. Die Dame bekam ihren Mund nicht mehr zu, als sie mich so reden sah und hörte. Sie war sichtlich angetan von mir und versprach uns, sich persönlich um unsere Angelegenheit zu kümmern.
Der Frühling war da. Eher, als im Kalender. Voller Tatendrang machten wir uns an die Arbeit. Es wurde geschaufelt, genagelt, geschraubt und gehämmert. Des Direktors guter Anzug litt sehr darunter. Doch dem Manne schien es nicht zu stören. „Meine Schuld. Ich hätte mir ja auch einen Blaumann anziehen können.“
Cool, der Typ. Und wie er anpacken konnte. Für nichts war er sich zu schade. Er half, wo Hilfe gebraucht wurde. Man brauchte ihn nicht darauf hinzuweisen. Er sah es selbst.
Kurz vor den Sommerferien, erhielten wir den ersehnten Anruf. Die Besitzer der Grundstücke, waren nicht aufzufinden. Die Stadt würde sie uns zur Verfügung stellen, bis die oder der Besitzer sich melden würde. Das war eine gute Nachricht. Nun hatten wir etwa acht Wochen Zeit, um die verwilderten Grundstücke so herzustellen, das man sie als Schulgarten benutzen konnte. Und ich wusste auch schon, wer mir dabei helfen würde. Meine Großeltern. Seit dem sie Rentner waren, konnte man nichts mit ihnen anfangen. Ihnen fehlte die Arbeit. Ich hatte welche für sie.
Zwei ältere Personen hatte ich erwartet. Stattdessen kam ein ganzer Trupp. Die gesamte Belegschaft von damals. Jahrelang hatten sie miteinander gearbeitet. Nun wollten sie es fortsetzen. Ich zeigte ihnen die Grundstücke. Erklärte ihnen mein Vorhaben und schon waren sie mitten in die Arbeit gestürzt. Eifrig, wie ein paar Teenager. Ihnen zuzuschauen, machte richtig Spaß. Hand in Hand. Man sah, das sie ein eingespieltes Team waren. Um die brauchte ich mich nicht zu kümmern. Sie wussten, was sie tun mussten. Schließlich hatten sie alle einen Garten und reichlich Erfahrung.
Die Zeit ging ins Land. Anstatt in die Ferien zu fahren, blieben die meisten hier und halfen weiter beim Projekt Schulhof. Selbst mancher Elternteil, der eigentlich Urlaub hatte, stand schon am frühen Morgen vor dem Tore, um mitzuhelfen. Einige Mütter sorgten für unser leibliches Wohl.
Schon komisch. Wenn ich mich so zurückerinnere, kommt es mir so vor, als wären jeden Tag mehr Menschen auf dem Schulhof gekommen, um uns zu helfen. Nicht nur Schüler und ihre Eltern. Es schien mir, als wären auch Fremde dabei gewesen. Unsere Lehrer brachten teilweise ihre Verwandtschaft mit. Die blieben meist aber nicht lang.
Bei so vielen helfenden Händen, war der Schulhof schnell fertig. Sogar eine neue Sportanlage hatten wir. Die war nicht von mir geplant gewesen. Sechzig und hundert Meter Bahn. Weitsprung. Kugelstoßen. Sport war nicht gerade mein Fall gewesen. Daher wäre ich auch nie auf den Gedanken gekommen, so was hinbauen zu lassen. Aber nun stand es da. Hübsch war es ja. Und nötig.
Am meisten freute ich mich über die Obstbäume. In ein paar Wochen würden sogar die ersten Früchte reif sein. Aber auch das Klettergerüst, das Baumhaus und all das andere, war uns gut gelungen. Es war ein herrlicher Anblick und ein Grund zum Feiern. Und das taten wir auch. Gleich am folgenden Wochenende. Wir dekorierten den ganzen Schulhof. Besorgten einen großen Grill. Würste, Steaks und Getränke. Und alles Alkoholfrei. Schließlich befanden wir uns in einer Schule und nicht in einer Trinkerhalle.
An jenem Sonnabendnachmittag, wurde der neue Schulhof feierlich eingeweiht und zum ersten mal die Spielgeräte benutzt. Eine Woche vor Schulbeginn. Alle waren begeistert. E wurde ausgelassen gefeiert und offiziell bestätigt, das dieser Schulhof auch nach der Schule benutzt werden durfte.
Während die anderen feierten und spielten, dachte ich darüber nach, was man noch, an unserer Schule, verbessern konnte.
Da bin ich mal wieder. Was habe ich diesmal angestellt? Ich habe aus dem Nähkästchen geplaudert, anstatt den Stoff durchzunehmen, der im Plan stand. Tut mir aufrichtig Leid. Aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, das wir sehr weit voran gekommen sind. Eigentlich kann ich sagen, wir sind schneller, als der vorgegebene Lehrplan. Meine Schüler machen auch sehr gut mit. Bereiten sich vor. Bringen Wissen mit. Deshalb kann ich es mir auch leisten, mal vom Unterricht abzuschweifen. Außerdem kam es nicht von mir. Es war ja so.
Ich kam in die Klasse. So wie jeden morgen. Setzte mich auf meinen Stuhl und schaute mir noch einmal an, welches Thema gerade angesagt war. Da läutete die Glocke. Meine Schüler setzten sich an ihre Plätze und ich wollte mit dem Unterricht beginnen. Da meldete sich jemand. Und so fing das ganze an. Der Schüler wollte etwas von mir wissen, was nichts mit der Schule zu tun hatte. Nicht einmal mit sich selbst. Es war ihm aber eine große Last und die wollte er los werden.
Nun bin ich Lehrer mit Herz und Blut. Wenn ein Schüler ein Problem hat, so bin ich für ihn da. Dabei ist es mir egal, ob es sich um etwas schulisches oder privates handelt. Denn private Dinge können einem so sehr belasten, das es sich auf die schulischen Leistungen auswirkt.
Ich möchte in dieser runde nicht sagen, um was es sich gehandelt hat. Es geht keinem etwas an. Wir haben es ausführlich in der Stunde diskutiert und jener Schüler fühlte sich hinterher sehr erleichtert. Oder anders ausgedrückt, wie haben ihm sehr geholfen, bei seinem Problem.
An dem Tag war ich sehr ins Plaudern gekommen. Um ehrlich zu sein, hatte ich selbst Probleme gehabt, die mich sehr belasteten. Meinen Schülern zuliebe, habe ich versucht, sie beiseite zu schieben. Nicht daran zu denken. War nicht gerade leicht, für mich. Überhaupt nicht. Ich kann sagen, das ich eigentlich ganz froh war, als der Schüler mich über sein Problem informierte.
Es war ja so, das er mich gefragt hatte und ich suchte nach einer Antwort. Wie kann man am besten antworten? In dem man dem Frager von sich und seinem Erlebnis erzählt. Dabei ist es egal, ob man es damals richtig oder falsch gemacht hatte. Wenn man es falsch gemacht hatte, dann erklärte man, wie man es nicht machen sollte. Ganz einfach.
Jedenfalls kam eins zum anderen. Es kamen mehr Fragen auf und ich erzählte von mir. Wie es bei mir war. Erzählte von meinem Leben, welches bisher nicht so berauschend war. Aber ich muss eines gestehen. Diese Stelle... Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll... wenn ich meine Schüler sehe...Ich bin nicht einfach nur ein Lehrer für sie, der sie unterrichtet, was im Lehrplan steht. Nein. Für meine Schüler bin ich mehr. Eine Vertrauensperson. Sie wissen ganz genau, das sie mich alles fragen können. Über alles mit mir reden können. Auch mal ihre schlechte Laune an mir auslassen dürfen. Ich bin der Lehrer, den ich mir damals gewünscht hatte, als ich zur Schule ging. Jemand, der für seine Schüler da ist. Ganz egal, wie derjenige ist. Ob ein schlechter Schüler, oder ein guter. Ein Streber, oder Raudi. Auch wenn es nicht immer leicht fällt, einen Schüler ins Herz zu schließen, weil er Macken hat, die einem zur Weißglut bringen, oder... Wir dürfen nicht vergessen, das wir nicht nur da sind, um unseren Schülern etwas beizubringen, was im Lehrplan steht. Sie sind einen halben Tag hier. Die Eltern sind arbeiten, oder zu Hause. Nicht alle Eltern sind für ihre Kinder da. Die einen wollen nicht und die anderen können nicht. So lange die Kinder und Jugendlichen sich in diesem Gebäude aufhalten, können wir was für sie tun. Und wenn wir nur zuhören.
Seien wir doch mal ehrlich. Es wird immer schlimmer. Menschen brauchen Menschen. Zum Anlehnen, zuhören, quatschen, helfen und so weiter. Wir Lehrer können einen Teil beitragen, die Schüler zu guten Menschen zu erziehen. Schauen sie sich manche Schulen an, wie es dort zugeht. Die Lehrer schauen weg, weil sie Angst haben, oder gar nicht interessiert sind. Lassen sie uns alle eine vorbildliche Schule sein. Hören sie ihren Schülern zu. Werden sie ihr Freund. In meiner Klasse gibt es keine Prügeleien, oder ähnliches. Lieber schmeiße ich eine Unterrichtsstunde und löse dafür Probleme. Notfalls kann man die verlorene Stunde hinten dran hängen. Machen sie es, wie ich. Sie werden merken, es hilft. Die Schüler werden nett zu ihnen sein.
So, meine Lieben. Wir ihr ja alle wisst, war ich vor Kurzem im Krankenhaus. Bei einer Entbindung. Um eines mal klarzustellen; ich bin nicht de Erzeuger des Kindes. Die Mutter des Kindes bat mich darum, bei ihr zu sein, da ihre Eltern nichts mit dem Baby zu tun haben wollen und der Erzeuger auch nicht. Ich konnte ihr den Wunsch nicht abschlagen. Sie hätten ihre Augen sehen sollen. Nur ein Mensch ohne Gefühle hätte zu ihr NEIN sagen können.
Ich weiß, mit wem sie geschlafen hatte. Sie hatte es mir am Krankenbett gebeichtet. In den nächsten tagen werde ich mir die Person vorknöpfen. Zurechtweisen. Auf meine Art. Sprich, liebevoll. Zu Herzen gehend. Schließlich hatte er sie dazu überredet, es ohne Schutz zu machen. Natürlich gehören immer zwei dazu, das brauchen sie mir nicht zu sagen. Aber sie ist jung und war verliebt. Wer hört da schon auf die Vernunft. Ich spreche da aus Erfahrung. Auch wenn es schon lange her ist. Egal. Ich lass mich zumindest nicht als Pädophil betiteln. Wenn sie mir nicht glauben, können sie jederzeit einen Vaterschaftstest von mir machen lassen. Auf ihre Rechnung, versteht sich.
Was soll ich sagen. Es war für mich ein bewegender Moment, als ich den Kleinen in meinem Arm hielt. Ein kurzer Moment nur. Aber er wird mir immer in meiner Erinnerung bleiben. Mir selbst war es bisher vergönnt selber Kinder zu haben. Adoptieren darf ich keine, da ich nicht genügend Einkommen habe. Dabei ist Liebe viel wichtiger.
Knapp dreitausend Gramm. Achtundvierzig Zentimeter. Männlich. Kerngesund. Ein süßer Fratz. Sie müssten ihn sehen.
Ich kann doch auch nichts dafür, das meine Schüler mir so nahe stehen. So viel Vertrauen zu mir haben. Ja, irgendwie lieben sie mich mehr, als ihre eigenen Eltern. Manche habe ich kennengelernt. Ehrlich gesagt, kann ich bei manchen verstehen, warum sie sich von ihren Eltern abwenden. Suff. Drogen. Gewalt. Heutzutage alltäglich.Normalität. Es gibt ja eine Lehrkraft hier, bei der ich es jeden Früh rieche, das sie was getrunken hatte. Ich nenne keine Namen. Aber ich möchte jene Person darauf hinweisen, das dies eine Schule ist und keine Trinkerhalle. Wir unterrichten heranwachsende Schüler. Haben eine Vorbildrolle.
Was wollte ich noch sagen? Vergessen. Naja, macht nichts. War wahrscheinlich nicht wichtig. Ich wollte nur wissen lassen, das ich nichts mit dem Kind zu tun habe, welches eine meiner Schülerinnen vor kurzem zur Welt brachte. Sie kam damals ziemlich spät zu mir, um mir zu beichten, das sie schwanger ist. Zum Abbruch war es zu spät gewesen. Aber ich stand ihr bei. Ging mit ihr alle nötigen Wege, so fern es meine Zeit zuließ. Dachte nicht daran, das es meine Schülerin ist, sondern das es ein Mensch ist, der meine Hilfe benötigt. Jemand, der niemanden hat, dem er vertrauen kann.
Ich weiß nicht, ob sie mich verstehen. Vor ihnen steht jemand, der immer und für jeden da ist. Tut mir leid. Aber ich kann niemanden leiden sehen. Ich kann niemanden im Regen stehen lassen.
In Anbetracht der Zeit, würde ich sagen, machen wir Schluss für heute. Was ich sagen wollte, habe ich gesagt. Ob sie mir glauben, ist mir, ehrlich gesagt, völlig egal. Ich habe gesagt, wie es ist. Nichts verschwiegen und nichts dazu erfunden. Und falls sie wissen wollen, wo die junge Mutter derzeit mit ihrem Kind wohnt. Sie leben für kurze Zeit bei mir. Es wird sich darum gekümmert, das sie baldigst eine eigene Wohnung bekommt.
Guten Tag.