Exakt um 12 Uhr mittags veranlasste ein seltsames Gefühl die gesamten Bewohner von Los Angeles dazu in den sich plötzlich aufhellenden Himmel zu sehen. Im selben Moment hatte jeder wie gebannt seinen Blick auf eine kleine weiße Wolke gerichtet, aus der eine menschenähnliche Kreatur mit weißen Flügeln erschien.
„Meine lieben Freunde“, verkündete der aufleuchtende Engel mit den lockigen schwarzen Haaren, der lächelnd in die erstaunten Augen der Menschen sah und dabei seine Arme ausstreckte, „mein Name ist John. Es ist mir und meinen Leuten eine große Ehre endlich vor euren Augen erscheinen zu dürfen. Die Aufregung unsererseits ist kaum in Worte zu fassen. Ich möchte euch verkünden, dass eine neue Ära der Menschheit angebrochen ist. Eine Ära, die für euch sicherlich kaum vorstellbar ist. Schon sehr bald wird der Mensch den nächsten Schritt seines Seelendaseins erreichen und somit einen der wichtigsten Plätze im gesamten Universum einnehmen.“
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Laura Clark konnte wie all die anderen Menschen diese Erscheinung kaum in Worte fassen. Mehrmals zwickte sie sich am ganzen Körper, um die Gewissheit zu haben, dass sie nicht in einem unbedeutenden Tagtraum versunken war. Jedoch entsprang das Geschehen vor ihren beiden ungläubigen Augen der puren Realität! Als sie sich endlich dieser unbeschreiblichen Sache hundertprozentig klar war, fasste sie sich an ihren Kreuz-Anhänger um den Hals und lächelte. Sie sah hinunter zu ihrer kleinen Tochter Sarah und nahm sanft ihre Hand.
„Mami“, fragte das achtjährige Mädchen, „ist das da oben ein Engel?“
Laura nickte ihrer Tochter zu. „Ja, mein Schatz. Es ist ein Wunder geschehen. Ab jetzt wird alles besser werden ...“
„Und ist dir schon aufgefallen, dass er wie der Engel aus meinem Buch aussieht?“
„Ja, das stimmt, mein Schatz“, stimmte Laura ihrer Tochter überrascht zu. „Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend ...“
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„In den nächsten Stunden werden mehr und mehr von meiner Art erscheinen“, fuhr John fort, „um euch in die nächste Ära des Friedens und der Glückseligkeit willkommen zu heißen. Bitte habt keine Angst. Gott persönlich hat uns ausgesandt, um euch diese Botschaft zu übermitteln.“
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Sarah sah hinauf zu ihrer Mutter und fragte: „Meinst du, dass John etwas über Oma im Himmel weiß?“
Lauras Lächeln war bereits seit einigen Sekunden wieder verschwunden. Irgendetwas schien ihr nicht geheuer. Das urplötzlich auftretende Gefühl von völliger Hilflosigkeit war für sie kaum erklärbar. „Darauf kann ich dir leider keine richtige Antwort liefern ...“
„Aber er ist doch ein Engel, Mami? Er müsste doch über solche Dinge informiert sein …?“
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„Die Erleuchtung ist nahe, meine lieben Freunde“, beendete John seine Worte mit einem leichten Lächeln, „und die Antwort über den Sinn des Lebens ebenso. Ich freue mich, dass wir, Engel, endlich auf euch, Menschen, aufeinanderstoßen dürfen und voneinander sehr viele nützliche Sachen lernen können.“
Nach diesen Worten flog Engel John wieder in die kleine weiße Wolke, aus die er einst gekommen war, und verschwand.
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Sarah sah wieder zu ihrer mittlerweile immer steifer gewordenen Mutter Laura und fragte: „John kommt doch wieder, oder?“
„Aber natürlich, mein Schatz. Da bin ich mir sicher. Er wird sich bestimmt nur eine kleine Auszeit nehmen ...“
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Währenddessen fand sich John in einer stockdunklen Umgebung wieder, die einem schier endlos langen Sumpf ähnelte. Verlorene Seelen streiften ziellos durch den dicken Nebel, der sich an jeden Fleck dieser Dimension festgesetzt hatte.
„Und schon ist man mal wieder daheim ...“, seufzte John in sich hinein, während er in die trostlose Ferne sah. „Wird Zeit, dass etwas passiert …“
„Und wie lief die Ansprache?“, fragte eine Stimme.
John drehte sich etwas erschrocken um und erblickte seinen getreuen Diener Astianu.
„Wie soll sie schon gelaufen sein? Ich habe das gesagt, was die Menschen hören wollten. Wie erwartet halten sie mich für einen heiligen Abgesandten Gottes und würden mir jetzt schon alle aus der Hand fressen. Du darfst niemals vergessen, Astianu: Die Menschen sind eins der erbärmlichsten und vor allen Dingen naivsten Werke des Schöpfers – und das werden wir versuchen zu unserem Vorteil zu nutzen! Wir werden sie Schritt für Schritt aussaugen, ohne dass sie irgendetwas davon bemerken!“
„Du scheinst dir bei diesem Vorhaben sehr sicher zu sein, mein König“, bemerkte Engel Astianu.
„Natürlich bin ich mir sicher! Jetzt, da wir schon mal einen Weg gefunden haben die Mauer der Dimensionen zwischen uns und den Menschen zu durchbrechen, müssen wir diese Gelegenheit auch ergreifen! Solch eine perfekte Chance bekommen wir niemals wieder …!“
„Da stimmte ich dir zu. Die Soldaten haben wirklich gute Arbeit geleistet. Ihnen gebührt das größte Lob.“
„Ja, ich bin sehr zufrieden mit ihnen! Jetzt ist es an der Zeit die Herrschaft der Menschen auf der Erde langsam zu beenden und dafür uns mehr in den Mittelpunkt zu stellen! Wir arbeiten uns schön gelassen von außen nach innen vor – wie besprochen!“
„Meinst du, dass er versuchen wird gegen uns vorzugehen?“
Johns Augen formten sich zu einem völlig verhassten Blick. „Ich würde das unserem Schöpfer nicht raten! Einen weiteren Fehlversuch soll er sich bei mir ja nicht leisten!“
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In der Zwischenzeit erschienen mehr und mehr Engel im Zentrum von Los Angeles und klingelten an jeder Tür, um ihre Ankunft und die interessante Zukunft von Mensch und übersinnlichen Wesen zu verkünden. Laura schien die ganze Angelegenheit jetzt schon als sehr unangenehm zu empfinden. Sie konnte sich ihr unsicheres Gefühl bis jetzt noch nicht erklären. Zusammen mit ihrem Freund Jerold saß sie vor dem Fernseher und ließ die schon seit 2 Stunden ununterbrochenen Live-Aufnahmen der Engel auf den Nachrichtenkanälen über sich ergehen.
„Ich kann es einfach noch nicht in Worte fassen ...“, murmelte sie nachdenklich. Jerold lächelte und fasste an ihre zitternde Hand.
„Sei glücklich, dass du das miterleben darfst. Es ist ein Wunder.“
„Ein Wunder? Soll ich ehrlich zu dir sein? Ich bin sehr beunruhigt!“
Jerold seufzte. „Du hast doch wirklich an alles etwas auszusetzen, nicht wahr?“
„Ich kann meinem Gefühl jedoch jederzeit vertrauen, Jerold! Diese Wesen sind niemals die Engel, die wir uns vorstellen! Und sie sind schon gar nicht Gottes Engel!“
„Und nur allein wegen einem unsicheren Bauchgefühl glaubst du das?“
„Ja!“, antwortete Laura. „Irgendetwas ist faul … und niemand wird mich von dieser Meinung abbringen können!“
„Das weiß ich schon. Du hältst an jeder deiner Meinungen fest – egal wie dumm sie auch sind!“ Im selben Moment erhob sich Jerold wütend vom Sofa und lief Richtung Tür.
„Bald werden sie auch bei uns klingeln. Und lass mich raten … Du würdest sie bestimmt nicht reinbitten, oder?“
Laura sah zu ihm herüber. „Die Tür bleibt heute verschlossen, Jerold! Ich möchte nicht, dass mir diese Wesen unserer Tochter zu nahe kommen!“
„Sie würden ihr niemals auch nur ein Haar krümmen! Was hast du bitte für Filme gesehen? Glaubst du etwa, dass das Satans Helfer höchst persönlich sind?“
„Das würde ich nicht ausschließen“, meinte Laura selbstbewusst. „Ihr viel zu süßes Aussehen sollte einen schon misstrauisch machen!“
„Das ist doch lächerlich!“, kreischte Jerold aus heiterem Himmel. „Endlich passiert einmal etwas Großartiges auf dieser Welt und du kannst dich dieser Sache nur mal wieder komplett verschließen!“
„Für mich ist diese Diskussion beendet, Jerold! Du weißt haargenau, dass sie sowieso zu nichts führen wird! Diese Wesen kommen nicht hier rein und das sind meine letzten Wörter zu diesem Thema!“
„Nein! Ich muss nicht immer auf dich hören! Ich habe auch ein Recht darüber zu entscheiden! Wenn es später klingeln sollte, werde ich die Tür öffnen! Du kannst ja während ihrer Anwesenheit solange verschwinden! Verkriech dich am besten gleich unter das Bett!“
Im selben Moment ertönte die Klingel. Ohne jegliches Zögern begab sich Jerold zur Tür und öffnete sie. Vor seinen Augen erblickte er zwei hell aufleuchtende Engel.
„Wir sind gekommen, um Ihnen und Ihrer Familie die Botschaft der ewigen Glückseligkeit zu überbringen“, sprach einer.
„Es wird auch nicht lange dauern. Unser Wunsch ist es nur, dass jeder Mensch an diesem besonders speziellen Ereignis teilnehmen kann. Ich hoffe, wir stören nicht.“
„Aber selbstverständlich stört ihr nicht … Kommt rein, meine Kleinen“, sagte Jerold neugierig und aufgeregt.
Laura bekam davon nichts mit. Sie hat sich längst in ihr Arbeitszimmer zurückgezogen, um sich am Computer etwas von der Sache abzulenken.
Nach zwanzig Minuten betrat Jerold das Zimmer. Kopf schüttelnd kam er auf seine Frau zu und sprach: „Du hättest sie sehen sollen, Laura! Sie sind einfach fantastisch!“
„Sie sind doch wieder weg, oder?“
„Ja, schon seit 5 Minuten … Keine Angst!“
„Hab ich auch nicht! - Also … was haben sie erzählt?“
„Sie meinten, dass sie sehr viel vorhaben! Sie haben das neue Zeitalter von Mensch und Engel eingeläutet!“
„Wie toll“, meinte Laura sarkastisch.
„Und du hättest Sarah sehen sollen. Sie hat sich auf Anhieb mit ihnen verstanden!“
„Ja, das stimmt“, stimmte das kleine Mädchen ihrem Vater zu, die soeben ebenfalls ins Zimmer kam. „Sie sind sehr nett, Mami. Warum bist du nicht auch mal zu ihnen hin?“
„Ach weißt du, Sarah … Mir ging es einfach nicht so gut und ich wollte unseren neuen Freunden keine Unannehmlichkeiten bereiten, verstehst du?“
„Ja, sicher doch!“, murmelte Jerold genervt mit verdrehten Augen.
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Zur selben Zeit beobachtete Engel John und seine getreue rechte Hand Astianu vom Himmel aus, wie ihre Diener von Gebäude zu Gebäude flogen und die Menschen besuchten.
„Somit hat es also begonnen“, begann John siegessicher. „Die Menschen haben überhaupt keine Ahnung, was ihnen bevorsteht! Bevor sie überhaupt etwas von unseren wahren Absichten ahnen, wird es schon zu spät sein!“
„Ich verstehe aber immer noch nicht, was du mit dieser Vorgehensweise gerade bezwecken willst. Was hat es für einen Sinn, dass unsere Soldaten die Menschen in ihre privaten Gemächer aufsuchen und ihnen irgendeinen dämlichen Schund von Glückseligkeit erzählen?“
„Dies dient einzig und allein nur dazu um das Vertrauen dieser von Emotionen abhängigen Spezies zu gewinnen. Ohne ihr Vertrauen können unsere Kräfte nicht wachsen. Deswegen müssen wir zu allererst so gut wie möglich die braven und unschuldigen Kinder spielen.“
„Und du meinst, dass das wirklich funktionieren könnte, mein König?“
„Zweifelst du etwa an meinen Plan?“
„Natürlich nicht … Ich bitte um Entschuldigung“, sagte Astianu, während er am gesamten Körper aus Angst stotterte.
John war dies nicht entgangen. „Es soll dir vergeben sein“, sprach er mit einem fiesen Lächeln, „aber wage es nicht noch einmal mein perfektes Vorhaben in Frage zu stellen! So etwas macht mich einfach nur rasend vor Wut …!“
„Es wird nicht wieder vorkommen ...“, versprach Astianu. „Du hast mein Wort darauf ...“
„Mein Gott … sei doch jetzt mal ein bisschen lockerer! Freu dich auf die Zukunft, denn schon sehr bald werden wir uns die Menschen untertan machen“, versprach John, „und dann werden wir genug Energie haben, um unseren lieben Schöpfer vom Thron zu stoßen … Und die achte Dimension, aus der wir kommen, wird sich mehr ausdehnen können und somit eine komplett neue Gestalt annehmen, welche uns mehr, als nur würdig ist!“
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Fortsetzung folgt
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