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Unfallstelle - zerbrochener Spiegel

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"Unfallstelle - zerbrochener Spiegel"
Veröffentlicht am 06. März 2012, 8 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Über den Autor:

Je älter ich werde, umso weniger gibt es über mich zu sagen :-)
Unfallstelle - zerbrochener Spiegel

Unfallstelle - zerbrochener Spiegel

Beschreibung

Wenn man einem Menschen begegnet, der die Gabe hat durch seine Anwesenheit und einfache klare Worte Bewusstheit zu schenken, ist dies ein Geschenk des Lebens. Danke W. F.

Die Unfallstelle

 

Sie wollte unbedingt hin, an die Stelle, wo ihre Freundin in den frühen Morgenstunden durch einen Verkehrsunfall ums Leben kam. Da sie sehr aufgewühlt war und traurig, bat sie mich sie zu begleiten. So fuhren wir zu dem nur wenige Minuten entfernten Ort. Wir parkten auf einem Feldweg, um die Hauptverkehrsstraße frei zu halten und liefen über eine Wiese zu dem Maisfeld, in dem nur wenige Stunden vorher noch das Auto, das nun Totalschaden ist, lag. Daneben das tote junge Mädchen. Das wussten wir nur, durch Berichte anderer. Die abgeknickten und niedergedrückten Maispflanzen zeigten ganz offensichtlich, wo das Auto lag. Weinend schaute sie sich um, suchte nach dem Leben ihrer Freundin. Sie bückte sich und hob einen Außenspiegel auf, der noch im Mais lag. Das Spiegelglas war zersprungen. Wenn man hineinschaute sah man das Gesicht über und über mit Linien durchzogen. Ein Spiegel war zersprungen und gab ein verzerrtes Bild wieder. Sie entschied sich diesen Spiegel mit nach hause zu nehmen. Stumm schauten wir auf die Unfallstelle als warteten wir darauf, dass sie anfinge zu berichten, was sich zugetragen habe. Eine andächtige Stimmung lag über dem Geschehen. Ein Gefühl als würde die Welt kurz den Atem anhalten machte sich breit. Der Spiegel wird eine Bedeutung für sie haben, einen symbolischen Wert. Er wird ihr etwas mitteilen. Sie wird daran wachsen und sich weiterentwickeln. Es war ihre Entscheidung, ihre innere Stimme hatte es ihr empfohlen. Dann tauchte die Frage nach dem „warum“ auf. Die Fragen nach dem warum sind Triebfedern für das Unverständnis in ihr. Es ist wichtig, dass sie in der Jetztzeit bleibt.

Sterben ist nur bedeutend für die Hinterbliebenen. Sie lernen auf die gleiche Weise, wie die, die gehen mussten. Dort wo die Freundin ist geht es ihr gut. Und damit es den Lebenden gut geht, sollten sie sich Zeit für die Trauer nehmen um dann wieder für sich leben zu können. Ich werde sie öfter in den Arm nehmen. Einfach so. Das wird ihr gut tun. Reden werden wir, viel und so lange sie reden möchte. Das nimmt den Schmerz der endgültigen Trennung. Es ist ein Prozess, der seine Zeit fordert. Und wir werden schweigen. Oft ist Schweigen und da sein mehr als jedes weitere Handeln.

Das was durch den Verlust eines Menschen in Hinterbliebenen ausgelöst wird, kommt alles von den Lebenden. Es ist das gezwungene sich mit etwas Natürlichem beschäftigen müssen. Geburt, aufwachsen und sterben, das gehört alles zum Leben. Durch den Tod erfährt der Mensch etwas endgültiges, es ist nie leicht sich zu trennen. Trennen soll der Mensch lernen, der bleibt, bleiben darf auf dieser Erde. Was er lernt ist seine Zeit bewusster zu leben. Ein Leben kann schnell erlöschen. Das ist die Erfahrung und was jeder daraus macht. Wir werden miteinander reden und uns genau zuhören, auch wahrnehmen, was dabei in uns vorgeht. Tag für Tag sehe und begegne ich Menschen, die etwas verlieren und damit ihr ganzes Leben bestimmen. Der Tod ist endgültig und somit immer befreiend. Alles andere erhalten wir uns künstlich um zu leiden. Es ist gesteuert. Alle Rituale, die hier geschehen sind für die Lebenden. Sie verhindern, dass sie zur Lebensfreude gelangen. Alles geschieht um zu wachsen, um zu widerstehen, um zu lernen was wichtig ist im Leben. Das Gelernte geht nicht mit dem Tod verloren. Es bleibt, es wird hinterlassen, als Erbe, als Geschenk. Ein Dank für jeden Tag, der erlebt werden durfte. Er nimmt Unmut und Selbstzweifel. Alles was ein Mensch sich erarbeitet im Laufe seines Lebens wird weitergegeben. So wie eine Staubwolke in der Vollendung sich zeigt, so wird das Bewusstsein sich zeigen.

Ich werde sie genau beobachten, von ihr lernen und es nutzen. Nicht mit den Augen schauen, Organe...die Wahrnehmung dazu nutzen. Ich werde mich in ihr Alter versetzen und mir alle Sprüche noch einmal vor Augen führen. Kann das Gesagte von ihr so aufgenommen werden? So, dass es ihr hilft zu verstehen? Bringt das wirklich Trost? Zeigt es das nötige Verständnis?

Jeder, der einen Menschen verloren hat, ob Vater, Mutter, Tochter oder Freundin oder andere, alle haben etwas in sich zu klären und jeder hat etwas anderes mit und in sich zu klären. Eines haben sie alle gemein, sie spüren Furcht und Druck in sich. Es vermischt sich so vieles in einem, dass es schon ein Kreisen im Kopf auslöst. Es ist alles zu sehr komplex, als dass es zerlegt werden kann und sollte. Ein Menschenleben gleicht einer Hautzelle. Eine Seele allein kann in einem Körper nicht existieren. Die Qualität der Seele bestimmt mit, wie wir leben. Jede Seele ist formbar. Jeder gehört zu einem Kreislauf. Ist ein Baum tot, nur weil er im Herbst seine Blätter verliert? Und was geschieht mit den abgefallenen Blättern, die zu Boden fallen?

Die Wurzeln des Baumes beziehen aus der Tiefe des Erdreiches seine lebenserhaltenden Stoffe. Nicht von dem was da hernieder fällt. Der Baum hat Reservespeicher. Er bezieht im Sommer seine Flüssigkeit mit über seine Blätter und alles andere holt er sich über die Luft und Luftfeuchtigkeit, sowie aus dem Erdreich, was er benötigt. Ein Mischwald erhält sich selbst. Dazu benötigt er keine Menschenhand. Jeder Baum lässt sich Freiraum ohne Entwicklungsstörungen für andere Bäume.

Wenn Mensch lernt in sich selbst zu lesen, findet er dort mehr als in Büchern.

 

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Je älter ich werde, umso weniger gibt es über mich zu sagen :-)

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Mitmensch Re: Liebe Johanna, -
Zitat: (Original von SaenaPJ am 07.03.2012 - 11:12 Uhr) immer wieder tauche ich gern in deine Gedankenwelt, Sie zeichnet Bilder, die mir selbst sehr vertraut sind. In ihnen sehe ich keinen zerbrochenen Spiegel sondern einen klares Bild.
Um Abschied nehmen zu können, bedarf es Zeit und das eigene loslassen wollens. Denn Alles hat seine Zeit, so auch wir die unsere.
Gut wer sie für sich wertvoll nutzt.

Liebevolle Grüße petra-josie


Liebe Petra-Josie,
gerne habe ich Deinen Kommentar gelesen.
Ja, alles hat seine Zeit und auch jeder Mensch hat seine Zeit.
Auch Dir einen Herzensgruß
Johanna
Vor langer Zeit - Antworten
SaenaPJ Liebe Johanna, - immer wieder tauche ich gern in deine Gedankenwelt, Sie zeichnet Bilder, die mir selbst sehr vertraut sind. In ihnen sehe ich keinen zerbrochenen Spiegel sondern einen klares Bild.
Um Abschied nehmen zu können, bedarf es Zeit und das eigene loslassen wollens. Denn Alles hat seine Zeit, so auch wir die unsere.
Gut wer sie für sich wertvoll nutzt.

Liebevolle Grüße petra-josie
Vor langer Zeit - Antworten
Mitmensch Re: Liebe Johanna, -
Zitat: (Original von baesta am 07.03.2012 - 00:07 Uhr) (übrigens, so hieß auch meine Mutter) Du hast sehr einfühlsame, nachdenkenswerte Worte gefunden für einen Prozeß im Leben eines Menschen, der unumkehrbar ist und für uns, die weiter auf dieser Erde wandeln dürfen Schmerz und Qual bedeutet. Es stimmt schon, jedes Leben endet mit dem Tod, aber es ist beonders schlimm, wenn junge Menschen gehen müssen, die doch eigentlich noch gar nicht richtig gelebt haben und nicht die Weisheit des Alters erreichen durften.

Ganz liebe Grüße
Bärbel


Guten Morgen liebe Bärbel!
Bei jungen Menschen "rechnet" Mensch nicht mit ihrem Ableben. Es erscheint selbstverständlich, dass sie leben, dass sie alt werden. Das Leben zeigt uns immer wieder, dass dem nicht so ist. Das Leben eines Menschen ist nicht selbstverständlich. Es ist ein Geschenk.
Eine Freundin schrieb einmal in einem Text:
"Das Leben ist ein Riesengeschenk. Du hast es Dir gewünscht. Nun beklage Dich nicht dass es so lange dauert dieses Geschenk auszupacken."
Nur der "alltägliche" Prozess des Sterbens unabhängig von Alter, gesellschaftlichem Stand, Reichtum oder Armut, Schönheit, was auch immer macht Mensch dies bewusst. Dem, der bereit ist hinzuschauen wird es zwangsläufig bewusst.
Einatmen -Ausatmen. Das Einatmen ist der Anfang. Der letzte Ausatem das Ende eines Kreises. Nur Gedanken machen daraus Geschichten, weil Mensch es so gewohnt ist, so gelernt hat.
Ich wünsche Dir einen wundervollen Lebenstag
und bedanke mich für Deinen Kommentar
Johanna
Vor langer Zeit - Antworten
Mitmensch Re: Hallo, Johanna ... -
Zitat: (Original von Rattenfaenger am 06.03.2012 - 23:11 Uhr) ... ein sehr gründlich abwägender und nachdenkender Mensch hat diese Zeilen geschrieben ... Wenn auch jeder seine eigenen Erfahrungen mit dem Tod als Hinterbliebener durchlebt, so habe ich Dein Erleben sehr gerne an meines angefügt*****
LG Rattenfänger


Guten Morgen!
*Danke*
Ich wünsche Dir einen guten Tag
Lieben Gruß
Johanna
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Liebe Johanna, - (übrigens, so hieß auch meine Mutter) Du hast sehr einfühlsame, nachdenkenswerte Worte gefunden für einen Prozeß im Leben eines Menschen, der unumkehrbar ist und für uns, die weiter auf dieser Erde wandeln dürfen Schmerz und Qual bedeutet. Es stimmt schon, jedes Leben endet mit dem Tod, aber es ist beonders schlimm, wenn junge Menschen gehen müssen, die doch eigentlich noch gar nicht richtig gelebt haben und nicht die Weisheit des Alters erreichen durften.

Ganz liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Rattenfaenger Hallo, Johanna ... - ... ein sehr gründlich abwägender und nachdenkender Mensch hat diese Zeilen geschrieben ... Wenn auch jeder seine eigenen Erfahrungen mit dem Tod als Hinterbliebener durchlebt, so habe ich Dein Erleben sehr gerne an meines angefügt*****
LG Rattenfänger
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