Humor & Satire
Der Fortschritt - Mein Freund Fritz. Petrus führt das Email ein ...

Der Fortschritt

Heute haben wir meinen lieben Freund Fritz auf dem Alten Friedhof meines Heimatortes zur letzten Ruhestätte begleitet. Das ging wirklich fix mit der Beisetzung. Samstagnacht verstorben, Montag groß in der Zeitung und heute, am Dienstag … Der Pastor hat eine sehr schöne Ansprache in der mit über 100 Leuten überfüllten Kapelle gehalten. Nicht so das übliche Kirchengesülze, sondern aus dem täglichen Leben. Vor allem aus dem täglichen Leben unseres Fritz, der sein ganzes Leben in unserem Heimatort verbracht hat und ein liebenswürdiger und hilfsbereiter Mann war. Wahrlich, wahrlich, wahrlich. Seine Edelgard, also seine Witwe, die ich schon von der Schulzeit her kenne, wirkte auch als Witwe sehr attraktiv auf mich. Ich war mit ihr einige Monate befreundet, bevor sie sich für Fritz entschied. Mir passte das damals „ganz gut in den Kram“, weil ich in meiner Sturm- und Drangzeit allzu lange Bindungen scheute und schon auf Susanne einen Blick geworfen hatte. Vielleicht werde ich nach angemessener Zeit zu Edelgard auf ein Tässchen … Doch das gehört jetzt nicht hierher, weil Edelgard genau so ein edler Mensch ist, wie Fritz einer war. Wir hatten Fritz in die geweihte Erde versenkt und waren nun auf dem Weg aus dem Friedhof heraus, da gab mir Edelgard ein Stückchen Papier. So mit leicht verheulter, piepsiger Stimme meinte sie: „Vielleicht kannst Du das für eine Deiner Geschichten verwenden. Melde Dich mal, wenn Du Zeit hast!“ Zu Hause angekommen habe ich mir den Text auf dem Stück Papier durchgelesen und bin sofort zu der Entscheidung gelangt, dass ich ihn unverändert auf meinem Forum veröffentlichen werde. Und hier Fritzens Aufzeichnung:

Pling. Ich schaue mir gerade online auf meinem Notebook zum Abend die Nachrichten der Boulevard-Presse an. Da höre ich den mir so bekannten Ton. Pling. Sehe auch unten rechts am Bildschirm, dass ich eine Mail von … nun, ich war doch nicht schnell genug, die Vorinformation zum Erkennen des Absenders ausreichend zu lesen. Also, neugierig, wie ich nun einmal bin, wechsle ich, schön, dass ich dabei im gemütlichen Wohnzimmer auf meinem roten Ledersofa sitzen bleiben darf, von der Zeitung in mein Postfach. Hmmh. Wichtige Mitteilung. Bitte sofort öffnen. Nicht sehr professionell, denke ich so bei mir. Da dieses Mail jedoch durch meinen sehr, sehr strengen Spam-Filter hindurch gerutscht ist, verlasse ich mich auf die von meinem EDV-Fachmann installierte Software und öffne die Post.

Lieber Fritz,

Deine Zeit ist um. Wir holen dich um 23.56h in Deinem Wohnzimmer vom roten Ledersofa ab.

Bis dann

Dein Dich liebender Petrus

Vorsitzender des Himmelsrates

Reichlich kurz gehalten, finde ich. Dafür präzise. Ich schaue auf meine Armbanduhr, die soll später mein Freund und Nachbar, der Udo, tragen. Es ist auf die Sekunde genau 20.56h. Ja auf diese Vollautomatische ist Verlass. Der Udo wird sich freuen. Nun ja, noch drei Stunden.

Lieber Petrus,

danke für die knappe und präzise Nachricht. Könntet Ihr vielleicht eine Idee später kommen? Mir ist es mit 23.56h etwas zu knapp mit der Zeit bemessen. Ich möchte gerne den Wladimir Klitschko bis zum Ende des Boxkampfes mir ansehen dürfen.

Vielen Dank im Voraus für Dein Verständnis

Fritz

Lieber Fritz,

wir wissen selbstverständlich um Deine Leidenschaft, Dir Boxkämpfe anzusehen. Und dann auch noch die Klitschkos. Die schauen wir uns, so wir uns ein wenig Zeit verschaffen können, auch sehr gerne an. Wir haben auf der Vorbesprechung des Himmelsrates den Klitschko-Kampf zur Planung für Deine Himmelfahrt in voller Länge berücksichtigt. Sei also völlig unbesorgt.

Bis dann

gez. Petrus, Vorsitzender des Himmelsrates

PS: Wir freuen uns, dass unser 1. Versuch einer Vorankündigung per Email bei Dir auf so viel Verständnis gestoßen ist. Für weitere Verfeinerungen zum angestrebten Emailverfahren werden wir Dich gerne in unser Entwicklerteam eingliedern.

Nun ja. Der Job für später wäre schon mal gesichert. Und? Der Wladimir Klitschko hat erwartungsgemäß gewonnen. Sogar schon in der vierten Runde durch K.O. Für die Werbeeinnahmen müssen „normalerweise“ sieben Runden her. Doch vier Runden mit dem französischem Opfer zum 50. K.O. haben mich schon auf meine Kosten gebracht. Kein Wunder, dass die Klitschkos keine Gegner finden. Ich habe selten Kämpfer gesehen, die so gut auf den Punkt vorbereitet in den Ring steigen und den eisernen Willen zum Sieg in den Fäusten tragen. Apropos in den Fäusten tragen. K.O. Jetzt bin ich dran, K.O. zu gehen. Ich komme aber direkt und auf Dauer …

Copyright by Rattenfänger im Namen der Witwe meines lieben Freundes Fritz

06. März 2012