Wer war Jesus? Woher kam er laut Rudolf Steiners anthroposophischer Karma- und Reinkarnationslehre? Wer war Christus? Wie steht es um Jesus mit Christus und umgekehrt? Und Wieso beschreibt Lukas, der Evangelist, eine ganz andere Biographie über Jesus Leben bis zu seinem 30. Lebensjahr als der Evangelist Matthäus?
Kindheit und Jugend Jesu
Von Emil Bock
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Zusammengestellt von Rüdiger Siegfried Kugler
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Von Carmen Graeser in liebender Freundschaft zum Druck und Binden gebracht, September 2006
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Lieber Leser! Liebe Leserin!
(Und Ihr: Michael, Plattendealer85 und Kenz0)
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Mag der Einstieg bis zur „Geburtsgeschichte des Matthäusevangeliums“ ab dem 1. Bilde „Madonna mit drei Knäblein“ (Madonna del Duca di Terranuova) nicht immer leicht sein, manchmal unverständlich wegen der unvertrauten Terminologie und dem bisher Fremden vom Inhalt her der Dir vorliegenden Schrift; mag Dir manches manchmal für irrsinnig erscheinen, sei gewiss: Der Einstieg bis zur „Geburtsgeschichte des Matthäusevangeliums“ lohnt sich allemal, um dann eventuell tiefgreifend zu spüren, wie Deine Seele selbstständig in Dir bestätigt, dass Du einer Wahrheit begegnest, die Deinen unbewussten Geist-Regionen vertraut sind. Und mit gut Glück, spürst Du Dein Herz berührt, und erfährst die Segnung innerster Dankbarkeit, dass Du Anteil nimmst an etwas Großem und Erhabenem, nämlich der Entdeckung Deines eigenen Menschseins, Deiner wahren Herkunft vom Urbeginne bis ins Jetzt Deines ureignen ICH.
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Mein Vorwort
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Aus historischen Ereignissen werden Ãœberlieferungen
Aus Ãœberlieferungen werden Traditionen
Aus Traditionen bilden sich Legenden
Hübsch umkränzt und zauberhaft ausgeschmückt
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Es ist erstaunlich, wie heute gescheite oder einfache Leute meinen, dass damals verfasste Schriften von Schriftstellern geschrieben werden konnten, die nicht gründlich und ehrlich zu Werke gingen. Immerhin wurden ihre Arbeiten von jenen gebildeten Menschen gelesen, die (*Ein Beispiel von vielen: der Rabbi Hillel, der zur Lebenszeit Jesu ein alter Mann bereits war, und dessen theologische Größe darin bestand, was er Bahnbrechendes für die Auslegung der Heiligen Schrift geleistet hatte; oder sein Sohn, der berühmte Gelehrte Rabbi Simeon, der zwar nicht an das Patriarchentum seines Vaters heranreichte, sich aber doch durch die innere Ähnlichkeit mit ihm aus der zeitgenössischen Theologenschaft heraushob; desgleichen Gamaliel, der Enkel des Hillel und Sohn des Simeon, der später der Lehrer des Paulus wurde und begütigend einzuwirken versuchte in dem Prozess gegen die Apostel ((Apostelgeschichte 5, 34ff.)), der in Jesus Jugend selbst im jugendlichen Alter war*) ebenso die Vergangenheit kannten, wie man heute die letzten Jahrhunderte gründlich nachprüfen kann, ob ehrlich mit historischen Berichten und Daten umgegangen wird oder nicht. Damals sogar, so vermute ich, waren die Menschen noch viel vertrauter in ihrem Vergangenheitswissen, denn die Zeit konnte nicht vertrödelt werden mit Radio, Fernsehen, PC, Computerspiele etc. Und wenn da eine Schrift über den Jesus heraus gebracht wurde, einer Gestalt, die gerade gelebt hatte und gekreuzigt wurde und bis dahin in aller Munde war mehr oder weniger, dann denkt heutzutage wirklich derjenige ungeheuerliches, der da meint, dass in ihren Schriften Matthäus oder Lukas sich nicht an hieb- und stichfesten Ereignissen gehalten hätten. Mit Sicherheit und Gewissheit wären bloße Machwerke erkannt worden. Zumal solche Schriften (diese Welt der heiligen Schriften, wie sie in den Synagogen durch Vorlesung und Auslegung gepflegt wurden, lange vor dem Urchristentum) niemals in der Zusammenstellung der Bibel Aufnahme gefunden hätten. Von daher kann Logik und ein gesunder Menschenverstand auf nichts anderes kommen, als dass das, was bei Lukas und Matthäus nachzulesen ist, der Wahrheit entspricht. Was sie schwarz auf weiß brachten, ist uns glücklicherweise erhalten geblieben in der Bibel. Und gar die Idee, jene, die die Heilige Schrift zusammenstellten mit den einzelnen Büchern, die von Generation zu Generation vererbt wurden, hätten wiederum das, was die Gebildeten der Welt ihrer Zeit kannten und studierten, fälschen oder manipulieren können, der braucht nur einmal die Geschichte der jüngsten Vergangenheit zu verfolgen, und er wird sehen, wohin es die bringen, die den Holocaust versuchen zu leugnen.
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Mit der Gegenwart jedenfalls ist die Zeit gekommen, dass Menschen da waren wie ein Emil Bock, der das wieder ans Licht des Tages beförderte -und zwar mit Zuhilfenahme Rudolf Steiners Bahnbrechenden Mitteilungen-, was einst um die Zeitenwende jene Menschen, die mit der Thematik vertraut waren, bereits wussten; und wir nun auch die Möglichkeit bekommen haben, Mitwissende zu werden. Das offenbare Geheimnis nämlich um die 2 Jesusknaben, die eins wurden.
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(*Aus II Kindheit und Jugend Jesu: 7. Der Weg zur Jordantaufe: Christopherus „Erfahrungen am Judentum*)
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Erste Annäherungs-Möglichkeit der Kindheit und Jugend Jesu
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Aus Emil Bocks nicht genug zu schätzende Aufgabe, die er sich gestellt und hervorragend gemeistert hat. Und zwar seine Arbeit: „Beiträge zur Geistesgeschichte der Menschheit“
1. Reihe: Das Alte Testament und die Geistesgeschichte der Menschheit
I Urgeschichte
II Moses und sein Zeitalter
III Könige und Propheten
2. Reihe : Urchristentum
I Cäsaren und Apostel
II Kindheit und Jugend Jesu
III Die drei Jahre
IV Paulus
Zum tieferen Einblick werde ich entscheidend wichtige Stücke einfügen aus Emil Bocks „Das Evangelium“: Betrachtungen zum Neuen Testament
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(1) Was heute für die Kunstbetrachtung weithin selbstverständlich und geläufig ist, muss auch für das Lesen im Evangelium erst errungen werden. Die Evangelien sind Kunstwerke; aber sie sind zugleich unendlich viel mehr; sie sind Kunstwerke Gottes. Wer ihre höhere Figur erkennt, schaut in ein Symbolum hinein, das in seiner Ordnung und Komposition die heiligen Ordnungen und Gesetze einer höheren, göttlichen Welt offenbart, die wesenhaft in und über die Sinneswelt den großen Leib Gottes bildet.
Mit dem Hinblicken auf das Geheimnis der Komposition ist ein Schlüssel gegeben, der es vermag, ungeahnte Tiefen der Evangelien aufzuschließen. Jedoch schließt dieser Schlüssel nicht, wenn er mechanisch von einem sich „wissenschaftlich“ nennenden Intellekt gehandhabt wird. Schon die wirklich künstlerische Betrachtung eines Kunstwerkes unterscheidet sich von einer mehr mechanischen Untersuchung der bloßen Einzelheiten durch die Gesinnung: durch mehr Ehrfurcht. Den Blick aber auf die Komposition der Evangelien zu richten, ist ein Unterfangen, das hoch und weit über eine künstlerische Gesinnung hinausweist. Hier muss Wissenschaft und Kunst zur Religion emporgehoben sein. In einer neuen Evangelien-Theologie sind Wissenschaft, Kunst und Religion vermählt. Hier wird der Versuch gewagt, Bausteine beizutragen zum Aufbau einer solchen neuen Theologie. (Seite 45 und 46)
(2) Zunächst dieses: Ein jedes biblische Buch führt die Menschenseele einen Weg, der durch Stufen aufwärts leitet. Die Evangelien sind nicht Bücher zum bloßen Lesen; sie sind nicht historische Berichte, die stets auf dem gleichen Niveau verlaufen. Sie sind Bücher, die die Menschenseele anleiten wollen zur stufenweise Wandelung. Jeder Abschnitt der Evangelien und auch der anderen Bücher des Neuen Testaments will, dass der Mensch, der sich ihm nähert, zuvor die Stufen erklimmt, die bereits bis dahin zurückgelegt sind. Man kann nicht in der gleichen Stimmung zwei Abschnitte eines Evangeliums lesen. Der spätere Abschnitt setzt mehr Ehrfurcht und Seelenläuterung voraus als der frühere. In diesem Punkt ist unendlich viel gesündigt worden an den Evangelien. Wenn es recht verstanden wird, so kann man sagen, dass die Evangelien Einweihungsbücher sind in dem Sinne, dass die Seele darin die Stufen von Weihewegen empor geleitet wird. (Seite 52)
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(1) Aus „Das Evangelium“: Betrachtungen zum Neuen Testament: Inspiration und Komposition
(2) Die drei Stufen des geistigen Wahrnehmens in der Offenbarung des Johannes
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II Kindheit und Jugend Jesu
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(1) Kann die Schilderung einer Kindheit und Jugend Anspruch darauf erheben, ein wesentlicher „Beitrag zur Geistesgeschichte der Menschheit“ zu sein? Gehört sie nicht eher in das Reich des fabulierenden Märchens als in die Darstellung des strengen, großen Zuges der Weltgeschichte?
In den nie rastenden Strom der Zeit gestellt, neigen wir dazu, die Geschichte für ein unendliches Drama mit immer neuen Akten zu halten, ohne Anfang und Ende. ABER wir dürfen doch die Frage nicht zu stellen versäumen, wo der E r t r a g der großen historischen Epochen bleibt…
Mancher Leser wird diesem Buch mit der Frage gegenüberstehen: wie kann man überhaupt angesichts der spärlichen Angaben in den Evangelien und bei dem zweifelhaften Werte der Legendentradition eine ausführliche Darstellung der Kindheit und Jugend Jesu wagen und noch dazu mit so weittragenden Zielsetzungen?
Obwohl sehr vieles Einzelne darin nur beanspruchen kann, eine Darstellung davon zu sein, „wie es etwa gewesen sein könnte“, glaube ich, dieses Buch wagen zu müssen. Die altgewohnten Vorstellungen des traditionellen Christentums bröckeln mit erschreckender Schnelligkeit ab. Umso mehr muss man sich verpflichtet fühlen, die Ergebnisse eines neuen Evangelienverständnisses auch da auszusprechen, wo sie den Lesern und Hörern viel Ungewohntes und vielleicht Fremdartiges zumuten. Es gilt eben doch heute, inmitten großer und erschütternder Völkerschicksale, auf jede Art Zeugnis abzulegen für die durch die Christenheit selbst nur allzu oft verkleinerte und ins Altmodische verzerrte wahre Größe und Zukunftsfähigkeit des Christentums. (Seite 5 und 6)
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(1) II Kindheit und Jugend Jesu: Vorwort
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II Kindheit und Jugend Jesu
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(1) Mag unsere Erde auch, wie das Zeitalter der Naturwissenschaft entdeckt zu haben glaubt, nichts als ein kleiner Stern unter Sternen sein, im weiten Weltall verloren; einmal ist sie dennoch zum wahren Mittelpunkt der Welt geworden: als sie der Schauplatz des Lebens Jesu war, als Christus, das hohe Gotteswesen, auf ihr Mensch wurde und der Kelch des Menschenschicksals bis zur Neige leerte…
Schon für eine ganz äußerliche Betrachtung ist Palästina aus allen übrigen Ländern und Landschaften der Erde herausgehoben: durch den tief in das Erdinnere hinunterführende Jordangraben, den tiefen Riss und „die größte und auffälligste Schramme im Antlitz der Erde“ (E. Kayser, Geologie S. 276). Führt doch der Jordan, nachdem er auf seinem nord-südlichen Wege den bereits 200 Meter unter dem Meeresspiegel liegenden See Genezareth durchflossen hat, in geradezu unterirdische Regionen hinab, bis er, 400 Meter unter dem nahen Spiegel des Mittelmeeres, am tiefsten Punkt der Erdoberfläche, in die Salzlauge des Toten Meeres mündet. Den Sondercharakter dieser Tiefenlage kann man an Ort und Stelle nicht wirklich empfinden, ohne sich vor die Werde-Rätsel der Erd-Entstehung und der Erden-Urgeschichte gestellt zu sehen und ohne schließlich zu ahnen, dass man sich an einem Brennpunkt des planetarischen Ur-Werde-Dramas befindet. (Seite 7 und 8).
(2) Wir ahnen unendliche tellurische Umgestaltungen als Folge der Sonnenabtrennung. So etwas wie eine Ur-Eiszeit muss eingetreten sein und eine Abwanderung des Wärme-Elementes von den Polen in die Äquatorregionen bewirkt haben (Ãœber die Weiterentwicklung des Wärmehaushaltes auf dem entstehenden Erdenplaneten gibt Günther Wachsmuth in „Kosmogonie und Erdgeschichte II“ Auskunft). Wäre die Erde damals schon von fester Struktur gewesen, so würde man von einem riesenhaften Nord-Süd-Riss sprechen können, der durch die Herauslösung der Sonne aus dem Erdenleibe entstanden wäre. Alle nord-südlichen Polaritäten, die unsere Erde aufzuweisen hat, finden jetzt ihren Ursprung, und so verlagert sich auch, als die hyperboräische Zeit ganz zu Ende geht, der Schauplatz des Menschenfortschrittes von der nördlichen zur südlichen Hemisphäre, von Hyperborea nach Lemurien. Gondwana-Land nennt die geologische Wissenschaft den Erdteil, der in Urzeiten einmal den Süden Asiens und die Meere zwischen Australien und Afrikas bedeckte. Hat nun das Paradies des alten Sonnenzustandes keinerlei Raum mehr auf der Erde? Hier sind wir bei dem „Garten in Eden“, der von der Wüste umgebenden Lebensinsel, angelangt, von der die Genesis spricht. Das Paradies findet in der lemurischen Zeit seinen nächst kleineren Wirklichkeitskreis. Es bildet sich, was wir nach den beiden kosmischen Paradiesen das große irdische Paradies nennen könnten… Göttergnade baut dem Menschen eine Sonnenbrücke aus dem lichthaften Himmel alten Sonnendaseins in die Welt finsterer, mondhafter Erstarrung. Der Mensch darf noch eine Zeitlang in der Nähe der göttlichen Wesen bleiben, die eigentlich bereits mit der Sonne Abschied von der Erde genommen haben. Rings um die Insel der Gottesnähe waltet Wüstheit, zunächst wüstes Leben, vulkanisches Brodeln, das dann in späteren Epochen, eben infolge des vulkanischen Kochens, immer mehr in wüste Erstarrung übergeht und die großen Wüsten hervor bringt, die es heute auf der Erde gibt.
Wollen wir uns nun von diesem irdischen Paradies wenigstens von ferne tastend eine räumlich-geographische Vorstellung bilden, so liegt es nahe, an die Angaben anzuknüpfen, die das Alte Testament bietet. Es ist dort von den vier Strömen Pison, Gihon, Hiddekel und Prath die Rede, die, von einem gemeinsamen Quellstrom aus sich verzweigend, den großen Garten beleben und seine Ausstrahlung in die Welt tragen. Die beiden letzten Ströme sind deutlich als Tigris und Euphrat zu erkennen, und der Gihon ist von der Ãœberlieferung immer mit dem Nil gleichgesetzt worden. Der Pison ist schwerlich… scheint jedoch mit dem Goldlande Hevila, das er umfließt, auf Arabien und das vordere Indien gedeutet zu sein. Wie kann man nun aber von einer gemeinsamen Quelle bei Strömungen sprechen, die in so entgegen gesetzter Richtung fließen?... Für die damalige Weltbeschaffenheit müssen wir hinter dem Bilde des Quellstromes im Paradies ein Quellkräfte-Zentrum erkennen, das aus unmittelbarer ätherischer Triebkraft heraus imstande war, weitreichende Ströme überallhin zu senden. Der Berg, auf dem das Paradies lag, war ein dynamischer Höhepunkt kosmisch-ätherischer Kräfte. Wenn wir nun mit dem Blick auf heutige Landkarten die genannten Flüsse in Andeutungen für das Paradiesgebiet im alten Lemurien hinnehmen, so sehen wir seine Lage von Südwesten her durch den Gihon-Nil, von Nordosten her durch Euphrat und Tigris und von der Mitte her durch Arabien, das der Pison umströmt, bestimmt. Es bildet sich die Vorstellung eines größeren Gebietes, aber innerhalb derselben werden wir von allen Seiten her als auf eine Mitte und einen Strahlenausgangspunkt am Westrande des ganzen dahin gewiesen, wo sich später Palästina bildete. Das stimmt mit den alten Ãœberlieferungen überein, für die es feststeht, dass das Paradies von Osten her bis in das Gelobte Land hinein ragte… (Seite 31 bis 33)
(3) „Paradies“ und „Sündenfall“ scheinen sich kosmisch-landschaftlich vor uns zu versinnbildlichen, als hielte dort unser Planet reale Erinnerungen fest an Sonnen- und Mondstadium, das er in Urzeiten hat durchlaufen müssen, ehe er im eigentlichen Sinn „Erde“ werden konnte… Wie man im Unterschiede zu der irdischen Stadt von einem „himmlischen Jerusalem“ spricht, auf ein real im Geistgebiet vorhandenes Urbild deutend, das sowohl den geistigen Ursprung als auch das göttliche Vollendungsziel des irdischen umfasst, so kann man auch von einem „himmlischen Palästina“ sprechen. Dieses aber ist ein zusammengefasstes Urbild der Erde überhaupt in ihrem kosmischen Werden. Das ist es, was der irdischen Landschaft von Palästina die offenbarende Durchsichtigkeit gibt: in den einzelnen Bildern, aus denen sie sich zusammensetzt, spiegelt sich das „himmlische“ und deshalb allgegenwärtige Palästina…
So können wir am Jordan, als an dem urbildlichsten aller irdischen Ströme, das Geheimnis des menschlichen Lebens ablesen. Aus dem See Genezareth, dem himmelsnahen See des Lebens, nimmt der Fluss seinen Lauf abwärts, immer tiefer in das Gebiet der Erdenleiblichkeit hinuntersteigend, bis er in den See des Todes, das Tote Meer, einmündet: so wie der Strom des menschlichen Lebens durch das Tor der Geburt in das irdisch-leibliche Dasein eintritt, bis er durch das Tor des Todes die Erde wieder verlässt. Das macht den Zauber des Sees Genezareth aus, dass er inmitten des Lebenswelt des Todes, das Tote Meer, einmündet: so wie der Strom des menschlichen Lebens durch das Tor der Geburt in das irdisch-leibliche Dasein eintritt, bis er durch das Tor des Todes die Erde wieder verlässt. Das macht den Zauber des Sees Genezareth aus, dass er inmitten der Lebenswelt von Galiläa die Sphäre der Vorgeburtlichkeit widerspiegelt, in der die Seelen weilen, bevor sie auf Erden geboren werden. Er ist in seiner kosmischen Lieblichkeit eine Sichtbarwerdung des Jungbrunnens, aus dem heraus der Mensch „jung wird“ bei seiner irdischen Geburt. Das höhere Heimatsgefühl, die lebendige Ahnung vom Himmelsursprung des eigenen Wesens, die der See in uns auslöst, bringt uns auf den Gedanken, dass das kindliche Märchenbild von dem Teich, aus dem der Storch die kleinen Kinder bringt, doch irgendeiner Wirklichkeit entsprechen müsse. Und ebenso muss uns das Tote Meer in seiner grandiosen Lebens- und Menschenferne inmitten der judäischen Wüste wie eine irdische Spiegelung der nachtodlichen Sphäre erscheinen… (4) Die offenbarende Urbildlichkeit, die der landschaftlichen Gestalt Palästinas innewohnt, kann jedoch immer nur unvollständig erkannt werden, solange der Blick von dem in der Tat kosmischen Gegensatz gebannt bleibt, der die Zweiheit von Galiläa und Judäa, die Doppelheit des Sees Genezareth und des Toten Meeres beherrscht. Das Ganze des „Heiligen Landes“ steht nicht im Zeichen eines Dualismus: in der Dreiheit seiner Provinzen offenbart es ein trinitarisches Weltgeheimnis. Es ist, gerade wenn es um die Himmelsfigur zu tun ist, die dort dem Irdischen einverwoben ist, nicht ohne Belang, dass zwischen Galiläa, der Sphäre des Lebens, und Judäa, der Wüste des Todes, Samaria, das Land der Mitte, liegt… (Seite 8 - 10)
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(1) II Kindheit und Jugend Jesu: 1. Zur Physiologie des Heiligen Landes: Am Mittelpunkt der Erde
(2) I Urgeschichte: Urzeit und Uroffenbarung: 1. Adam – Paradies – Sündenfall: Lemurische Menschheit
(3) II Kindheit und Jugend Jesu: Am Mittelpunkt der Erde
(4) II Kindheit und Jugend Jesu: Dreifaltige Landschaft
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II Kindheit und Jugend Jesu
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(1) Schon wenn wir unseren Blick sinnend auf der Gesamtfigur Palästinas verweilen lassen, auf der Dramatik der landschaftlichen Gestaltung und Gliederung, auf der in immer neue Daseinsschichten hineinleuchtenden Urbildlichkeit, fangen wir an, ahnend zu begreifen, warum gerade hier die Menschwerdung Gottes geschehen musste. Wir gewinnen ein Gefühlsverständnis für den Mittelpunktscharakter dieses Stückes Erde, der lange unter dem Schleier des Mysteriums verborgen war, bis er durch die Ereignisse des Christuslebens ins helle Licht gehoben wurde….
Gleich der allererste Anfang des Jesuslebens stellt uns vor eine eigenartige Frage. Wie kommt es, dass Jesus in Bethlehem geboren wurde? Bethlehem liegt doch inmitten der Todeswelt von Judäa. Dass auf der Schädelstätte Golgatha, die in Judäa so etwas wie eine Quintessenz von Judäa ist, das Kreuz des Todes stand, kann uns unmittelbar einleuchten. Die Landschaft stimmt zu dem Geschehen; sie spricht die gleiche Sprache wie der Schicksalsaugenblick, der sich in ihr erfüllt. Aber Bethlehem? Die Krippe der Geburt in Judäa? Würde sie nicht viel besser nach Galiläa, an den See Genezareth, in die Landschaft von Nazareth passen, die dann ja auch in der Tat zum Schauplatz der Kindheit Jesu geworden ist?... (Seite 12 und 13) (2) Die Bedeutsamkeit des Zeitpunktes, der innerhalb der israelitischen Geschichte erreicht ist, findet in der Einzigartigkeit der Stätte, an die uns das Buch Ruth führt, die wunderbarste geographisch-räumliche Verbildlichung: die Wanderung Israels langt in Bethlehem an. Durch viele prophetische Stationen war der Weg bereits gegangen; jetzt führte er zum ersten Mal zu der messianischen Stätte hin, wo einst die Wesenheit des Messias-Christus auf ihrer Wanderung durch die Sphären des Kosmos die Erde erreichen sollte… (Seite 200 und 201) (3)…, so tritt man bereits in Bethlehem in eine Welt ein, die gänzlich von dem strengen judäischen Ernst frei geblieben zu sein scheint und eher etwas von der ätherisch gesegneten Helligkeit und der kosmischen Jugendlichkeit Galiläas an sich trägt…. Rings im Kreise sieht man die starre Mondenwelt der Wüste, die Landschaft des Sündenfalls, herandringen. Vielleicht hängt auch der Name Bethlehem, das Haus des Brotes, damit zusammen, dass das Städtchen auf einer Insel der Fruchtbarkeit inmitten der Wüste liegt… erweckt die Ahnung, dass dort eine uralt heilige Stätte der Göttin Natura, ein besonderer Spendeort der Mutter Erde gewesen sein mag. (Seite143) (4) …, in der Abraham-Zeit wurde das Antlitz des südlichen Palästinas vollständig verändert durch die unterirdischen Feuer- und Rauchgewalten, die als Nachflackern des lemurischen Weltenbrandes der Gegend von Sodom und Gomorrha den Untergang bereiteten. Das Tote Meer entstand im Zentrum dieser Urweltkatastrophen… Nur eine Insel des Lebens wurde inmitten der steinernen Erstarrung verschont: das ist das südlich von Jerusalem liegende Gebiet, dessen Brennpunkte Bethlehem und Hebron sind… Halten wir uns zunächst an die Nachrichten aus der Zeit des Urchristentums. Hieronymus, der selbst Bethlehem zu seinem Wohnsitz erkor und dort vierzig Jahre lang in unmittelbarer Nähe der Geburtsstätte seinen theologischen Arbeiten nachging, bezeugt, dass zwischen Hadrian und Konstantin in Bethlehem ein Thammuz-Adonis-Kult ausgeübt worden ist in der derselben Felsengotte, wo die Krippe des Jesuskindes gestanden hatte: „Bethlehem, das jetzt unser ist, die erhabenste Stätte des Erdkreises… wurde beschattet von einem heiligen Haine des Thammuz, der mit dem Adonis identisch ist; und in der Höhle, wo einst das Christuskindlein wimmerte, erschollen die Klagegesänge über den Geliebten der Venus.“ (Epistula I, VIII ad Paulinum, Migne 22, Sp.581). …Geraume Zeit vor Hieronymus hat Origenes ganz Ähnliches ausgesprochen: „Man begeht dort Jahr für Jahr Weihefeste, wo zuerst der Gott als erstorben beklagt, dann als von den Toten auferstanden bejubelt wird… Sie sagen, Adonis sei ein Symbol der Feldesfrüchte, die im Zustande der Klage sind, wenn sie gesät werden, die aber, wenn sie sprießen und wachsen, auferstehen und den Menschen mit Jubel erfüllen (Origenes, Selecta in Ezeschielem).
Solche den Eleusinien ganz ähnliche Kulte müssen wir uns als das verborgene Geheimnis von Bethlehem bereits in der Zeit denken, als Josua das Volk in das Land hineinführte. Wahrscheinlich ist die Mysterienstätte von Bethlehem eine von denen gewesen, die sich gegen die phönizische Dekadenz zu schützen gewusst hatten und an die deshalb die Führer Israels anzuknüpfen vermochten. Nur mag sie mehr in bescheidener Stille gepflegt worden und nicht einmal in dem Maße in den Vordergrund getreten sein wie die von Gibeon. Auch den bethlehemitischen Kultus müssen wir uns eingehüllt denken in die keusch-jungfräuliche, paradiesische Demeter-Atmosphäre des Ortes. Später hat es dann das Schicksal so gefügt, dass man die jetzt verlassene unterirdische Grotte, in der in der Vergangenheit der Adonis-Kultus gefeiert worden war, als Stall benützte. So wurde sie dann zur Geburtsstätte des Jesus-Knaben. (201 - 205)
Einmal hatte die israelitische Geschichte bereits an die Stätte von Bethlehem gerührt. Es war, als Jakob mit den Seinen aus Mesopotamien heimkehrte. Elf Söhne waren ihm in Babylonien geboren worden, wenn auch nur einer von Rahel, der seine ganze Liebe gehörte. Nun, an der Schwelle des wieder-erreichten Vaterhauses, sollte Rahel zum zweiten Male Mutter werden. Aber jähe Traurigkeit mischte sich in das Freudenfest: Die Geburt ihres Sohnes besiegelte Rahel mit dem Opfer ihres eigenen Lebens. Das geschah zu Bethlehem… Von nun an stand auch ihr Tod zu Bethlehem wie ein Symbol und Zeichen in der Geschichte. Als Rahel auf der Heiligen Höhe von Bethlehem ihren Schmerzensschrei ausstieß, da war nicht der Schmerz des Gebärens der Grund, sondern eine unheilschwangere Vorschau auf die Menschheitszukunft. Der Prophet Jeremias sagt: „Auf der Höhe ertönt ein Schmerzensschrei, Weinen und großes Wehklagen: Rahel beweint ihre Kinder und verschmäht allen Trost, weil sie dem Tod verfallen sind“ (Jerem. 31, 15; Matth. 2, 18) …Eine der schönsten Vorahnungen der zukünftigen Erlösung lässt die Bibel aus der Geschichte des Volkes hervorleuchten, indem sie uns zum zweiten Male nach Bethlehem führt: im Buch Ruth. Das ewig-männliche Volk wird von den leisen Morgenrötestrahlen des neu sich offenbarenden Jungfrau-Mutter-Geheimnisses berührt. Die Moabiterin Ruth trägt den Hauch des Ewig-Weiblichen in die Seele des Volkes hinein. Was in Rahel starb, es scheint von neuem aufzuleben… Ruth ist es, deren reine Empfindung zum Wahrnehmungsorgan wird für die israelitische Aufgabe und Zukunft und für den Geist, der das Volk überschwebt. Sie erlebt in dem Augenblick, da sie vor der Entscheidung gestellt ist, eine Realität, gegen die die Zugehörigkeit zu ihrem eigenen Volk völlig verblasst. Sie spricht: „Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“ Wie in Jericho die Rahab nimmt sie mit dem Spürsinn ihrer Seele wahr, dass das Gotteswesen, dem Israel dient, unterwegs ist zur Erde… So zieht sie mit Naemi nach Bethlehem… Ruth ist die Mariengestalt des Alten Testament. In ihr wird Demeter-Ceres zur Maria. Was später Maria dem Engel antwortet: „Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast“, das zog bereits durch ihre Seele. Und so wurde sie „auf der Tenne des Boas“, im Bannkreis des Heiligtums, zum Weibe des Boas und zur Mutter des davidisch-messianischen Geschlechts. Unsichtbar, in Seelenform, flocht sich um ihr Haupt die Krone der Mater gloriosa, der offenbarungsreichen Mutter. Als tausend Jahre später an der gleichen Stätte Maria in der Adonis-Grotte zur Mutter des Jesusknaben wurde, vereinigen sich in ihrem Wesen das Geheimnis der Rahel und der Ruth. Sie wurde zugleich die Mater dolorosa und die Mater gloriosa. Das Stirb und Werde des Ewig-Weiblichen, der jungfräulichen Weltenmütterlichkeit, nahm in ihr Menschengestalt an und wurde so zu einem Keim für die Seelenzukunft der Menschheit. (Seite 206 - 209)
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(1) II Kindheit und Jugend Jesu: 1. Zur Physiologie des Heiligen Landes : Bethlehem-Geheimnisse
(2) II Moses und sein Zeitalter: Bethlehem – Ruth
(3) I Urgeschichte: Urväterzeit: 3. Lot-Abraham-Isaak (Zwischen Erbschaft und Verheißung)
(4) II Moses und sein Zeitalter: Bethlehem – Ruth
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II Kindheit und Jugend Jesu
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(1) Bethlehem, die irdische Stätte des historischen Weihnachtsereignisses, lässt auf räumlich-landschaftliche Weise den gleichen Kontrast offenbar werden, den im Jahreslauf das Weihnachtsfest durch ein Zusammenfallen mit der Wintersonnenwende in sich birgt. Obwohl es in Judäa liegt, ist das Weihnachtsstädtchen von einer wunderbaren, paradiesischen Lieblichkeit, die jedoch in ihrer Urbildlichkeit nur von dem erkannt wird, der zugleich die grandios bergige Todeshalde der Wüste Juda unmittelbar an die Hirtenfelder angrenzen sieht. Bethlehem ist eine Ur-Oase, eine paradiesische Insel des Lebens inmitten der toten Bergwüste, die das Schlackenfeld des Urweltbrandes von Sodom und Gomorrha ist. Nach der einen Seite hin senken sich von dem Städtchen aus, von lieblich ergrünendem Leben überglänzt, die Hänge abwärts bis zu dem „Felde der Hirten“. Auf der anderen Seite wird der Ort ohne jeden Ãœbergang von den ersten Hügelzügen der völlig erstorbenen Wüste überragt… Es hat seinen eigenen Reiz, Bethlehem und Nazareth inmitten ihrer landschaftlichen Umgebung zu vergleichen. Beide Städtchen werden von einer charakteristischen Bergkuppe überragt. Nazareth, eingebettet in die wunderbare Lebenswelt von Galiläa, hat den Tabor, den sonnenhaften Berg der Verklärung, zum Nachbarn. Dieser wie eine Himmelssphäre gestaltete Berg des Lebens, zeichenhaft in seiner kosmischen Rundung aus den grünen Ebenen emporsteigend, betont das Wunder von Galiläa als die Umwelt von Nazareth. Der Rätselberg, der durch seine Vulkan-Gestalt sozusagen als Sprecher der ganzen Todeswelt von Judäa auf die Hirtenfelder von Bethlehem hernieder schaut, macht den Kontrast in aller Krassheit offenbar, in welchem das liebliche Weihnachtsstädtchen zu seiner Umwelt steht…Von Bethlehem springt die Figur des Lebens Jesu über nach Nazareth in Galiläa, in die der Wüste entgegen gesetzte Provinz, die voll ist von kosmischer Lebenskraft. Und erst, wenn der Kampfesernst allem die Prägung gibt, gestaltet sich das Leben Jesu zu dem großen „Hinaufzug nach Jerusalem“, dem Gange nach Judäa, und zuletzt zu der Kreuztragung hinauf zur Schädelstätte Golgatha. Und immer sind die Szenen und Szenarien dieses einmaligen göttlich-menschlichen Lebenslaufes Bildwerdungen der Urbilder und Gesetze, nach denen in jedem Menschenleben die Kurve der Entwicklung auf der wundersamen geheimen Landkarte des Menschenleibes fortschreitet. Das Leben Jesu enthüllt zugleich die Urbildlichkeit Palästinas und des menschlichen Lebenslaufes. Jedes Menschenleben, das, umhüllt vom schützenden Mutterschoße, in dem innermenschlichen Bethlehem begonnen hat, geht in der Kindheit in das innermenschliche Nazareth und Galiläa über und mündet schließlich ein in einen Hinaufzug nach Jerusalem, zur Schädelstätte hin. Wie in einem innerlich-physiologischen Sinne jedes Menschenleben, so beginnt und endet das Leben Jesu im äußerlich geographischen Sinne in Judäa. Bethlehem und Golgatha liegen beide in Judäa. Golgatha gehört zu der toten Umwelt des Lebenswunders von Bethlehem. Und wenn das Weihnachtsgeheimnis heute nicht nur in dem immer schon bestehenden Kontrast zur winterlichen Jahreszeit, sondern auch in dem immer aussichtsloser erscheinenden Gegensatz zu dem unweihnachtlichen Charakter der neueren Menschheit steht, so ahnen wir, dass auch die Menschheit im Ganzen dem Urbildlichkeitsgesetze folgt. Sie ist auf einem „Hinaufzuge nach Jerusalem und zur Schädelstätte“ begriffen, nähert sich aber vielleicht auch einem neuen höheren Bethlehem. Die einzelne Menschenseele überschreitet die Golgatha-Schranke kraft ihrer Unsterblichkeit. Der Christus hat sie durchbrochen durch seine Auferstehung. Die Menschheit kann sie durchbrechen, indem die durch die Auferstehungskraft des Christus aus einem Zeitalter der bloßen Kopfmäßigkeit in das Zeitalter eines neuen Geist-Erlebens vordringt, mit einem menschheitlichen Ostern zugleich ein menschhheitliches Weihnachts- und Bethlehem-Mysterium findend… (2) …Das „Leben Jesu“ ohne ein reales Christusverständnis zu betrachten, ist das gleiche, als wenn man im Abendmahl auf Brot und Wein hinschaut, ohne den Gedanken der Wandlung mit verbinden zu können. Gerade auch in den menschlichsten Zügen ist das „Leben Jesu“ ein im zeitlichen Geschehen sich verwirklichender Leib des Herrn. Es gibt nicht nur das Christus-Mysterium, sondern auch das Jesus-Mysterium. Das wahre Jesusverstehen tut sich erst im Christuslichte auf. Nach dem Schritt, der von Jesus zu Christus führt, kann und muss noch der nicht minder wichtige Schritt von Christus zu Jesus getan werden. Dann aber blicken wir staunend in immer tiefere Rätsel und Mysterien des menschlichen Jesuswesens hinein... (3) Das neue Testament weist mit schweigender, aber bedeutungsvoller Gebärde auf ein höheres Jesus-Mysterium hin: durch die Reihenfolge der Evangelien, die nicht eine zufällige, sondern eine aus übersinnlicher Weisheit gefügte ist. Zwei Evangelien, Matthäus und Lukas, beginnen mit der Jesus-Geburt und der Jesus-Kindheit. Die beiden anderen, Markus und Johannes, setzen sogleich bei der Jordantaufe ein, bei der Christus-Geburt, der Geburt des Christus-Wesens in dem Menschen Jesus. Matthäus und Lukas sind Jesus-Evangelien; Markus und Johannes Christus-Evangelien… Die Jesus-Zeit im Leben des Christus-Jesus ist die Zeit bis zum 30. Jahre. Darauf folgen von der Johannestaufe bis zum Kreuzestode die drei Christusjahre. Von diesem letzten kurzen Zeitraum handelt weitaus der größte Teil des Evangeliums; das stille, aber doch alles umfassende Mittelpunktsmysterium der ganzen Menschheitsgeschichte, die Menschwerdung Christi, sein Tod und seine Auferstehung hat sich da zugetragen. Ãœber die Jesuszeit dagegen erfahren wir durch das Evangelium zunächst außerordentlich wenig. Die Kindheitsgeschichte bei Matthäus und Lukas werfen nur ein kurzes, schnelles Licht auf den allerersten Anfang des Jesus-Lebens. Dann bleibt schon wieder alles in das Dunkel des Schweigens gehüllt. Und nachdem Lukas seltsamerweise noch die einzige kurze Szene vom zwölfjährigen Jesus im Tempel hat aufleuchten lassen, lüften die Evangelien nicht einmal mehr mit einem einzigen Wort den Schleier, der die lange, entscheidende Entwicklung der 18 Jahre bis zur Jordantaufe verhüllt… Man meint: hätten die Evangelisten mehr gewusst, so hätten sie mehr geschrieben. Aber das Evangelium sagt alles, was es sagen will. Nur muss man auch die Sprache seines Schweigens verstehen. Wo es wenig sagt, sagt es oft ganz besonders viel.
Das ist im allerhöchsten Maße der Fall bei den wenigen Sätzen über die Geburt und die Kindheit Jesu. Die ganze Inhaltsfülle des schweigenden Sprechens kommt uns hier entgegen aus dem Nebeneinander der beiden Geburts- und Kindheitsgeschichten sowie der beiden Geschlechtertafeln, die in den Evangelien des Matthäus und des Lukas enthalten sind. Hier spricht nicht nur das einzelne Evangelium durch die Schilderung, die es gibt. Hier spricht darüber hinaus das Gesamtevangelium, nicht zuletzt durch die Unterschiede und die „Widersprüche“, die scheinbar die beiden Darstellungen bis zur Unverkennbarkeit voneinander trennen. Gerade durch diese schweigende Sprache spricht DAS EVANGELIUM, das hinter und über den einzelnen Evangelien steht, das Jesus-Mysterium aus. (Seite 13 - 22)
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(1) II Kindheit und Jugend Jesu: 1. Zur Physiologie des Heiligen Landes: Bethlehem-Geheimnisse
(2) II Kindheit und Jugend Jesu: 2. Christus-Mysterium und Jesus-Mysterium: Von Jesus zu Christus
(3) II Kindheit und Jugend Jesu: 2. Christus-Mysterium und Jesus-Mysterium: Das Jesus-Geheimnis
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Der Evangelist Matthäus
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(1) Die Geburt Jesu ist, wie in anderer Art das Ganze der 33 Lebensjahre, gleichsam ein Brennpunkt, in welchem sich viele Strahlen der Vorsehung treffen... Gehen wir einmal davon aus, die Gestalt des Jüngers und Evangelisten Matthäus vor uns hinzustellen… Das Matthäus-Evangelium ist das einzige, das bei der Berufungsszene den Namen Matthäus nennt: „Und da Jesus von dannen ging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus, und sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. Und es begab sich, da er zu Tisch saß im Haus, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern“ (9, 9-10). Das Markus Evangelium nennt den Zöllner bei einem anderen Namen: „Und da Jesus vorüberging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zoll sitzen und sprach: Folge mir nach!“ (2, 14). Das Lukas-Evangelium nennt den gleichen Namen wie Markus, nur ohne den Alphäus-Namen hinzuzufügen; dafür wird der Name Levi mit um so größerem Nachdruck ausgesprochen und wiederholt: „Darnach ging er aus und sah einen Zöllner mit Namen Levi am Zoll sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! Und er verließ alles, stand auf und folgte ihm nach. Und Levi richtete ihm ein großes Mahl in seinem Hause…“ (5, 27 – 29)… „Widersprüche“ zwischen den Evangelien sind geradezu Ausdrucksmittel, mit denen die Bibel Unausgesprochenes dennoch ausspricht… Man beachtet zu wenig in der neutestamentlichen Zeitgeschichte die gewaltige Macht und Auswirkung des römischen Cäsaren-Kultus. Indem sich der römische Cäsar durch gewaltsame Aneignung der Einweihung in den damals dekadent gewordenen Einweihungsstätten zum Gefäß übersinnlicher Mächte machte und dann als Gott kultisch verehren ließ –es waren aber nicht gute Geister, sondern Dämonen, deren Werkzeuge die Cäsaren wurden-, wurde das ganze Weltreich der Römer mit einem dichten Netz kultischer Institutionen überzogen. Alle politischen, militärischen, juristischen Einrichtungen bekamen einen kultischen Einschlag. Das ganze Leben sollte im Sinne der damaligen Römer ein Gottesdienst sein, indem es im Dienste des Gottes Cäsar verrichtet wurde. Man wollte im Zeichen des römischen Cäsaren-Gottes ein Gottesreich, einen Gottesstaat auf Erden errichten, indem man alles Profane, Weltliche für kultisch-religiös erklärte… Der Cäsar machte sich als der Pontifex maximus zum obersten Priester auch derjenigen Götterdienste, die in dem eroberten Volke lebendig gewesen waren. Das Gebiet des jüdischen Volkes hatten die Römer nicht eigentlich als Eroberer in Besitz genommen. Sie waren gekommen, als Judas Makkabäus sie als Helfer und Bundesgenossen ins Land rief gegen die seleukidischen Bedrücker aus dem nördlich angrenzenden Diadochen-Reich. Dadurch war dem jüdischen Volke das Recht erhalten geblieben, seine eigene Religion und seinen Kultus weiter zu pflegen. Der Tempel in Jerusalem blieb unangetastet, wenn auch die Führer des Volkes in der steten Angst lebten, die Römer möchten eines Tages einen Anlass finden, den Tempel dennoch an sich zu reißen und dem Volke das Vorrecht freier Religionsübung zu nehmen… Der Zoll, die Steuer, die sie von ihren „Bundesgenossen“, den Juden, verlangten, waren in ihren Augen Tempelgaben, kultische Opfergaben, dem Gotte Cäsar dargebracht. Indem die Juden dem Cäsar die Steuer entrichteten, wurden sie Mitglieder des Cäsarenkultus. Und aus Angst ließen sie sich schließlich so weit auf die kultischen Ansprüche Roms ein, dass sie die Tische der Wechsler und Steuerbeamten -im Sinne Roms waren es Altäre des Cäsars- im Tempel zu Jerusalem aufstellen ließen…Die Zollbeamten, die in römischen Diensten standen, teils Römer, teils in römische Dienste eingetretene Juden, waren für die Empfindung der Römer tatsächlich eine Art niederer Klerus, eine Art untere Priesterschaft. Denn es waren ja Tempelsteuern, Opfergaben, die sie einzusammeln hatten… So war der eigentliche Grund für die Verachtung der Zöllner der, dass diese den Kultus des fremden, des dämonischen Gottes bedienten. War derjenige, der Jahve in rechter Art, dem Gesetz folgend, diente, ein „Gerechter“, so war der, der dem Cäsar diente, ein „Sünder“… Die Zöllnerverachtung deckte das schlechte Gewissen der Sadduzäer und der Juden überhaupt zu. Wie groß muss die Verachtung gewesen sein, die einen solchen Menschen traf, welcher der jüdisch-levitischen Priesterströmung zugerechnet wurde und der nun unter die Cäsarendiener, unter die Tempeldiener des Geldes, des Mammon, gegangen war. Hier stehen wir vor dem Rätsel der Matthäus-Gestalt. Was veranlasste ihn, als Angehöriger der priesterlich-jüdischen Strömung, sich als Zöllner in die Strömung des cäsarischen Römertums hineinzustellen und sich dadurch den Hass seiner Volksgruppe zuzuziehen? –Wir können auf eine befriedigende Beantwortung dieser Frage kaum hoffen, ohne eine dritte Strömung ins Auge zu fassen, als deren Angehörigen wir den Zöllner Levi durch den Namen „Matthäus“ erkennen. Allerdings werden sich uns dabei noch einmal neue Fragen in den Weg stellen, die uns nun erst recht eine Lösung des Rätsels als schier unmöglich erscheinen lassen.
(2) Der Name Matthäus zeigt, dass der Zöllner Levi in enger Verbindung mit der Strömung des Essäer-Ordens gestanden hat. Matthäus heißt so viel wie „Schüler des Matthai“. Matthai war eine von fünf Lehrerpersönlichkeiten, die ein knappes Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung als Schüler eines Größeren, des Jeschu ben Pandira, den Essäer-Orden in fünf Hauptabteilungen gegliedert und einer geistigen Erneuerung unterzogen hatten: Matthai, Nakai, Nezer, Boni, Toda. Diese Namen sind uns in den talmudischen Schriften des Spätjudentums überliefert (Babylonischer Sanhedrin 43a)… Jeschu ben Pandira (hatte) zusammen mit seinen fünf Schülern in entscheidender Weise das Christus-Wirken vorbereitet, indem er das Leben des Essäer-Ordens ganz und gar auf das bevorstehende Kommen des Messias hinorientierte… So sind denn auch die Nachrichten, die wir insbesondere dem hellenistisch-jüdischen Philosophen Philo aus Alexandrien und dem jüdischen Geschichtsschreiber Josephus über die Essäer und Therapeuten verdanken, nichts anderes als ein Beweis dafür, dass in den ersten Jahrzehnten des 1. christlichen Jahrhunderts eine Exoterisierung des bis dahin streng esoterisch gehüteten Geheimnisses stattgefunden hat (Eine ausführliche Darstellung des Essäertums und des Schicksals von Jeschu ben Pandira ist in dem Buche „Cäsaren und Apostel“ enthalten. Als Anhang sind in diesem Buche die Schriften des Philo von Alexandrien über die „Therapeuten“ in Ãœbersetzung abgedruckt. –Außerdem finden sich dort im Anhang II Berichte aus den Jahren 1952 – 1957 über die Handschriften-Funde am Toten Meer, die in überraschender Weise die Darstellungen in „Cäsaren und Apostel“ aus dem Jahre 1937 bestätigen und konkretisieren)… Die Erklärung dafür, dass es nach der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts keinerlei dokumentarische Spuren vom Essäerorden mehr gibt, liegt nun aber darin, dass der Essäerorden in einem sehr viel breiteren Maße, als das bisher bekannt geworden ist, aufgeschlossen war für die Christus-Ereignisse. In keinem anderen Kreise war bei aller Stille mit so konkreten Erwartungen und Empfindungen der Ehrfurcht dem Kommen des längst ersehnten Messias entgegengesehen worden. Wenn man im Blick auf den Beginn der christlichen Zeitrechnung von den überall der Messias-Erwartung hingegebenen „Stillen im Lande“ spricht, so sind damit in erster Linie Menschen gemeint, die innerhalb oder im Umkreis des Essäer- und Therapeutenordens lebten. Tatsächlich war durch die in den Evangelien dargestellten Ereignisse die Hoffnung und damit auch die Mission des Essäertums erfüllt. Bis auf geringe Reste, die einen doktrinären sektiererischen Charakter annahmen, löste sich zur Zeit der Apostel die Essäergemeinschaft auf. In vielen Städten und Gegenden, in welche die Apostel und ihre Schüler die Botschaft des Evangeliums trugen, entstanden die christlichen Gemeinden in Anknüpfung an solche Gruppen, die vorher in einer engeren oder loseren Verbindung mit der Essäerströmung gestanden hatten. Vielfach waren es Gesetze des essäischen Zusammenlebens, die dann zu Lebensregeln der christlichen Gemeinden wurden. Und schließlich war das christliche Mönchstum nichts anderes als eine Erneuerung des esoterischen Teiles der Essäerströmung, nunmehr auf christlicher Grundlage. So ist sowohl das Auftauchen wie das Erlöschen der historischen Zeugnisse über die Essäerströmung in dem Sinne zu deuten, dass eine aus alten Zeiten herrührende messianische Mysteriengemeinschaft eben dadurch an ihr Ende kam, dass die in ihr gepflegten Zukunftserwartungen historisch in Erfüllung gingen… Die Angehörigen der aus mönchsähnlichen Gemeinschaften bestehenden Strömung, die zur Zeitenwende im Essäer- und Therapeutenorden repräsentiert war, waren an die Aufgabe hingegeben, die Fackel des reinen Urlichtes niemals ganz erlöschen zu lassen, so dass sie, wenn die Zeit erfüllt sein würde, Leuchtkraft besäße, um den, der in menschlicher Unscheinbarkeit erscheinen sollte, zu beleuchten. So sollte der Gefahr vorgebeugt werden, dass der Messias unerkannt auf Erden wandeln müsste…, je betriebsamer und äußerlicher das Leben in den Städten der Alten Welt wurde, um so mehr waren die Essäer genötigt, in abgelegenen stillen Gegenden in klosterartigen Gruppen ihren strengen Geboten zu folgten. Um jedoch nicht ohne ausstrahlenden Einfluss auf die Menschheit im ganzen zu bleiben, richteten sie neben der strengen Observanz des innersten Kreises, der nur abseits vom Getriebe der Welt seinen Weg finden konnte, Kolonien mit weniger strengen Regeln ein, die oftmals mitten in den großen Städten ihre Ordenshäuser hatten… In den Worten, mit denen Christus seine Jünger paarweise aussendet, klingt manches an von dem, was auch für die paarweise wandernden Essäerbrüder eine strenge Regel war, so z.B. wenn den Jüngern geboten wird, kein Geld im Beutel mit sich zu führen Die Essäer rechneten, wohin sie auch kamen, mit der selbstverständlichen Gastfreundschaft derer, die ihnen gesinnungsverwandt waren. Die Jünger Jesu sollten sich in entsprechender Weise auf das Echo ihres Wirkens in den Seelen der Menschen verlassen. An diesem Punkt stoßen wir auf die ungeheuerlichste Frage im Leben des Matthäus, bevor er dem Kreis der zwölf Jünger eingegliedert wird: Dass ein Mitglied des Essäerordens nicht nur die allgemeine Verpönung des Geldes beiseite ließ, sondern darüber hinaus in den kultisch potenzierten Geldverbrauch eintrat, zu dem Zöllner als Handlanger des Cäsarenkultus genötigt waren, stellt allerdings ein überaus erstaunliches Rätsel dar.
(3) In seinen Lebensbeschreibungen des Moses (Vita Mosis) beschreibt Philo Judäus, der junge Moses habe in Ägypten als Priester zu den „Therapeuten“ gehört, und zwar zu demselben Kreise, in dem auch seine Schwester Mirjam als Priesterin wirkte. Ägypten war bis zur Moses-Zeit hin wirklich Träger einer hochkultivierten Mysterien-Wissenschaft, die auf der einen Seite den Kosmos in der Astrologie, auf der anderen Seite den Menschen in einer Art Anatomie (Mumienkunde) umfasste… Diese Weisheitsströmung als ein Zweig der sich entwickelnden Therapeuten- und Essäerströmung muss durch viele Schicksale hindurchgegangen sein, vor allem in der Zeit des babylonischen Exils, als die jüdischen Weisen mit den Weisen von Griechenland, Babylonien und Chaldäa zusammentrafen –die jüdischen Legenden sind voll davon. Und in der letzten Etappe, der des eigentlichen Essäertums, fand unter den fünf Schülern des Jesus ben Pandira dieser mehr wissenschaftliche Zweig einen Repräsentanten in Matthai, aus dessen Schule später Matthäus hervorging. Den anderen, mehr praktisch-asketischen Zweig des Essäertums können wir deutlicher in der Geschichte Israels verfolgen: Er tritt uns bereits früh in den Nasiräern entgegen. Im 6. Kapitel des Moses-Buches wird geschildert, wie Moses eine Art Mönchsregel für das Nasireat gab, eine Reihe bestimmter asketischer Ãœbungen und Reinigungsvorschriften, die an das Nasiräer-Gelübde gebunden waren… Viele Gestalten der israelitischen Geschichte wie Simson und schließlich Johannes der Täufer sehen wir als Angehörige dieses praktisch-asketischen Zweiges des Essäerordens. Zur Zeit der fünf großen Essäerlehrer war es Nezer, der –wie schon der Name „frischer Spross“ sagt- dieser Strömung wieder neuen Inhalt und neues Leben gab. Rudolf Steiner schildert, dass Nezer eine Essäerkolonie, eine Art religiöse Siedlung begründet habe in den Bergen von Galiläa, die dann den Namen „Stadt des Nezer“, „Nazareth“ empfangen habe. Das ist von der größten Wichtigkeit für die Vorstellung, die man sich von der Jugend Jesu machen kann. Und es führt uns real an den Text des Matthäus-Evangeliums heran. Im 2. Kapitel lautet der letzte Vers: „Joseph kam und wohnte in der Stadt, die da heißt Nazareth, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazarenus (Nasiräer) heißen“… Das Matthäus-Evangelium zeigt mit aller Offenheit seinen essäischen Charakter. Matthäus gibt sich als Schüler des Matthai, d.h. als Essäer zu erkennen… Ehe wir zu der Persönlichkeit des Matthäus zurückkehren, sei noch auf ein zweites Rätselwort des 2. Kapitels kurz hingeblickt. Es ist wieder ein Zitat, diesmal allerdings ein alttestamentliches Prophetenwort aus dem Buche Hosea: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen (2, 15). Die Art, wie der Evangelist dieses Wort wiedergibt, kann uns wiederum ein Hinweis auf seine Beziehung zum Essäertum sein. Das Wort „Er soll Nazarenus heißen“ ist mehr ein Nezer-Wort. Das Wort „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“ ist mehr ein Matthai-Wort… In Ägypten lebte die große Weisheit von der Menschengeburt und vom Menschenleib. Diese Weisheit floss durch das Therapeutentum in das israelitische Volk ein. Indem sie aus den Tempeln Ägyptens in die Schulen des esoterischen Israelitentums einfloss, trat sie gewissermaßen aus dem Vater-Stadium in das Sohnes-Stadium ein. Sie verwandelten sich… Israel hatte ja die Aufgabe, durch eine ganz bestimmt geführte Generationenfolge den Leib hervorzubringen, in dem der Messias Mensch werden konnte.
Ägypten gab die Weisheit von der Inkarnation. Israel sollte selbst die Inkarnation bewirken.
Ägypten hatte als Wissen, was Israel als Schicksalsaufgabe zu erfüllen hatte. Deshalb musste Israel von Ägypten das Bewusstsein und das Wissen über seine eigene Aufgabe holen. Es mag wohl so sein, dass eine klare Erkenntnis der Bestimmung Israels erst in Ägypten mit der Entstehung der Therapeutenströmung zustande kam. Auf Grund dieser Erkenntnis musste der Entschluss zum Auszuge aus Ägypten reifen. Der Auftrag, den Moses vor dem brennenden Dornbusch empfing, stimmte zusammen mit dem, was innerhalb esoterischer Kreise als notwendig erkannt worden sein muss. Aus dem Land der Weisheit über den Sohnesleib, den Messias-Leib, musste Israel geführt werden in das Land der Geburt des Sohnesleibes, des Messias-Leib. Ägypten war das Land der Vaterweisheit. Palästina war das Land der Sohnesgeburt. Aus Ägypten wurde der Sohn gerufen. Aus der Nasiräer- und Therapeutenströmung heraus wurde in den auf Moses und Joshua folgenden Zeiten das israelitische Volk seiner Sohnesbestimmung entgegengeführt… Dies ist ja die Lösung, das über dem Geschlechtsregister des Matthäus-Evangelium mit seinen 3 mal 14 oder 6 mal 7 Stufen liegt. Man kann das Geschlechtsregister als eine Tabelle der Essäer-Seelenschulung betrachten, soweit die Nezer-Strömung des Ordens in Betracht kommt. Blicken wir von da aus hypothetisch auf die Matthai-Strömung hinüber. Diese hat als die Erkenntnis- und Wissenschaftsströmung in gewisser Hinsicht die umgekehrte Blickrichtung. Der