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Reinblut & Halbblut (5) - Kapitel 19 - 22

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"Reinblut & Halbblut (5) - Kapitel 19 - 22"
Veröffentlicht am 24. Februar 2012, 114 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und ...
Reinblut & Halbblut (5) - Kapitel 19 - 22

Reinblut & Halbblut (5) - Kapitel 19 - 22

Beschreibung

Chris und Jake versuchen seine Mutter aus der Gefangenschaft von William zu befreien, doch zunächst weigert sich die Frau aus Angst vor den Folgen. Erst als Julien mal wieder ungefragt auftaucht, lässt sie sich schließlich von Jake überreden. Nur leider gelingt die Flucht nicht ganz, Jake wird gefangen genommen und wird von den Schwarzen Magiern als Opfer genutzt, um den höchsten Dämon Reigas zu rufen, Lucifer höchst persönlich. Chris will dies natürlich mit aller Macht verhindern, doch bevor sie loszieht, enthüllt Dalton ihr sein düsteres Geheimnis... Auch ihr Plan Jake zu retten steht arg auf der Kippe, denn sie steht gegen eine halbe Armee von Schwarzen Magiern und auch Julien wird schwer erwischt. Als Chris dann einen Moment nicht aufpasst, verliert sie sogar ihr Leben... Enthält: Kapitel 19: Gefangennahme Kapitel 20: Daltons Geheimnis Kapitel 21: Lucifer Kapitel 22: Reinblut und Halbblut

Kapitel 19: Gefangennahme

Noch am selben Nachmittag wanderte ich durch die Straßen von Birmingham zu einem bestimmten Laden, den ich vor einer Weile entdeckt hatte. Von außen wirkte er wie ein ganz normales Antiquitätengeschäft, doch dahinter verbarg sich ein kleiner Shop für Zauberstäbe. Der Inhaber war ein Freund von Tantchen Rosebad – der früher gelegentlich zu uns gekommen war – und ein guter Bekannter von mir.

Ich erzählte ihm von Zafira und dem Problem, dass der Zauberstab womöglich zerbrechen könnte, wenn ich das nächste Mal meine volle Kraft in einem Kampf verwenden sollte. Da der alte Mann auch wusste, dass ich aus der Reinblutfamilie der MacAlister stammte, brauchte ich ihm nichts weiter erklären. Die meisten Zauberstäbe, selbst die aus der Meisterklasse, waren nicht für eine solche Macht ausgelegt, da es heutzutage kaum noch Leute gab, die so ein großes Potenzial besaßen.

Da er aber auch, wie ich jetzt erfuhr, gelegentlich für das Ministerium arbeitete und sich daher mit den modifizierten Stäben auskannte, versprach er sich um Zafira zu kümmern. Er würde den Stab so präparieren, dass er selbst das Doppelte meiner Kraft aushalten konnte, wie der nette Jacob sich ausdrückte. Und wenn er so optimistisch klang und derart von einem Auftrag begeistert war, konnte nichts schief laufen. Das wusste ich.

 

Allerdings war ich ein wenig überrascht, als Jake und ich bereits am nächsten Morgen nach Edinburgh unterwegs waren, wo die Residenz der Dantes war, und sogar den Unterricht schwänzten. Die Sorge um seine Mutter musste wirklich schwer auf ihm lasten. Sein bedrückter Gesichtsausdruck stand in starkem Kontrast zu dem Sorglosen, den er sonst immer hatte. Es machte mir den Ernst der Lage erst wieder richtig bewusst. Seine Mutter musste eine schier unmenschliche Behandlung erdulden, nur weil dieser Willam nicht darüber hinwegkam, dass sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Auch Jake hatte unter der Tyrannei seines Stiefvaters leiden müssen und hatte wahrscheinlich deshalb diese zwei verschiedenen Seiten, die man schon fast als geteilte Persönlichkeit bezeichnen konnte.

Das Reinkommen in die riesige Villa war um einiges einfacher, als ich gedacht hatte. Da wir vom Teleportieren lieber absahen, immerhin konnte man nie voraussagen, ob sich an der besagten Stelle nicht gerade Leute befanden, mussten wir wohl unter Übel irgendwie durch einen der Eingänge oder durch ein Fenster. Ich hatte gedacht, dass wir erst noch eine ganze Weile suchen würden müssen, doch Jake hatte anscheinend noch einen letzten Freund im Haus seines Stiefvaters, wo er ansonsten selbst von seiner eigenen Familie verachtet wurde. Bei dem Gesicht, das er bei der Erzählung seiner genaueren Umstände gezogen hatte, hätte ich ihn um ein Haar in den Arm genommen. Da das jedoch ganz schön zweideutig aussehen würde, hatte ich davon abgesehen.

Einer der Diener, der wohl mit der Aufgabe betraut worden war Jake zu versorgen, als er noch jünger gewesen war und kein anderer diese Aufgabe hatte übernehmen wollen, ließ uns ungesehen durch eine Hintertür herein. Da der inzwischen Vierzigjährige den Jungen jedoch ins Herz geschlossen hatte, war er bereit gewesen seinen Job und laut Jake sogar sein Leben zu riskieren uns in die Villa zu lassen. Wir mussten ihm danken und beten, dass niemand das herausfand.

„Wie weit ist es noch?“, fragte ich leise und sah mich um. Das Herrenhaus mit der teuren Einrichtung schien zurzeit recht leer zu sein, es war still und nur gelegentlich die Stimmen der Diener zu hören. Wobei ich wirklich nicht schlecht darüber staunte, dass die Familie Diener besaß. Obwohl Rosebad und ich auch in einem großen Haus gelebt hatten, hatten wir alles selbst gemacht, was dank der magischen Kräfte aber zum Glück kein großes Problem gewesen war.

„Nicht mehr weit“, raunte Jake zurück, „Ich hoffe nur, sie haben sie nicht mittlerweile in ein anderes Zimmer gebracht.“

Plötzlich stolperte der Junge über keine Ahnung was und fiel mit dem Kopf voran auf eine Kommode zu, auf der sich eine große und verdammt teuer aussehende Vase befand. Wenn die zerbrach, würde es einen höllischen Radau geben und in null Komma nichts würden wir auffliegen. Es glänzte mehr an ein Wunder, dass ich ihn gerade noch am Kragen zu fassen bekam und immerhin so zur Seite ziehen konnte, dass er an dem Möbelstück vorbei fiel. Bei dem Schwung, den er drauf hatte, bekam ich allerdings ebenfalls einen Drall nach vorne und purzelte gleich hinterher.

Komischerweise war meine Landung nur nicht annähernd so hart, wie ich das bei dem Dielenboden erwartet hätte. Moment mal, es fühlte sich mehr so an, als wäre ich auf jemandem gelandet. Als ich aufsah, traf mein Blick den von Jake, welcher mich leicht überrascht ansah und sich gerade auf seinen Ellenbogen abstützte, während ich auf seiner Brust lag. Keinem von uns fiel in dem Moment etwas ein, was er sagen konnte.

Es war noch nicht mal die erwachsenere Version von ihm. Jedoch machte mein Herz trotzdem einen Satz und schlug ein ganzes Stück schneller. Er war so verflucht nahe, dass ich seinen angenehmen Duft nach frischem Holz wahrnehmen konnte. Zudem konnte ich durch sein Hemd hindurch seine gut trainierten Bauchmuskeln spüren. Allgemein berührten wir uns gerade an ganz schön vielen Stellen. Bei den ganzen unüblichen Feststellungen auf einmal lief ich knallrot an und unterdrückte den Drang einen mädchenhaften Schrei auszustoßen – wobei ich auch dem vorlauten Teil meines Hirnes die Schnauze stopfte, der diese Begebenheit ein wenig genauer erkunden und ausnutzen wollte. War ich denn noch zu retten?!

Mir fiel bei meinem Kampf gegen die Röte allerdings auf, dass Jake ebenfalls rot im Gesicht war. Wo seine reifere Version mich gestern noch ganz natürlich an sich gezogen hatte, lief die tollpatschige Nummer bei meiner Nähe anscheinend rot an. Irgendwie schräg.

Wir hätten uns wahrscheinlich noch eine ganze Weile lang verdattert angestarrt – weil keiner von uns wusste, was er machen sollte – wenn nicht just in dem Moment eine Tür zu hören gewesen wäre. Jake und ich versteckten uns beide schnell im Türrahmen hinter der Kommode, die Jake zuvor beinahe gerammt hätte, und beteten.

„Verdammter Idiot, wegen dir wären wir beinahe aufgeflogen!“, zischte ich aufgebracht, als die zwei Männer an uns vorbei gegangen waren, ohne uns zu bemerken.

„Hey, ich kann doch auch nichts dafür“, erwiderte er klagend, „Du hast mich ganz schön überrascht.“

„Ich bin diejenige, die überrascht ist“, konterte ich vorwurfsvoll. Das hatte mich echt erschreckt. Warum wurde ich jetzt auch noch nervös, wenn ich seiner tollpatschigen Version zu nahe kam? Das ergab keinen Sinn. Was hatte dieses kribbelnde Gefühl in meinem ganzen Körper zu bedeuten, das ich in seinen Armen bekam?

„Na ja, die Luft scheint rein zu sein“, bemerkte Jake. Er fasste sich allerdings mit einer Hand ins Gesicht und schien irgendwie mit sich selbst zu ringen. Als versuchte er gerade einige unerwünschte Gedanken aus seinem Kopf zu verscheuchen, wie ich des Öfteren. Ein ganz leichter Hauch von Rot schien immer noch auf seinen Wangen auszuharren, als wir vorsichtig hinter unserem Versteck hervor kamen und um die letzten Ecken bogen, bevor Jake vor einer Tür stehen blieb. Nun hatte sein Gesicht wieder diesen ernsten Ausdruck und er schien mit den Gedanken bereits im Raum zu sein.

Als er zögerte, griff ich nach der Klinke und sah ihn mit einem optimistischen Lächeln an. Es würde schon alles gutgehen. Er nickte daraufhin und ich drückte die Klinge vorsichtig herunter.

Wir betraten den großen Raum, der ähnlich nobel wie der Rest der ganzen Villa eingerichtet war. Es standen noch ein hölzerner Schreibtisch samt Stuhl, ein Schrank und eine Kommode in dem Raum. Durch die großen Fenster konnte man den bedeckten Himmel sehen. Regiert wurde das Zimmer aber durch das riesige Himmelbett, auf dem eine schöne Frau mit langen, hellblonden Locken lag. Es sah fast so aus als würde sie schlafen, auch wenn sie mit einem Arm ihre Augen verdeckte.

„Mutter…“, hauchte Jake und wagte einen Schritt in Richtung Bett.

Die noch ganz schön jung aussehende Frau setzte sich daraufhin plötzlich kerzengerade auf und starrte den Jungen erschrocken an. „Jake.. Was tust du hier?“, fragte sie völlig entgeistert, „Wenn Willam hört, dass du hier warst, wird er wieder wütend werden. Verschwinde schnell, Max soll heute hier sein und er…“

„Was ist das nur für eine kaputte Familie.“ Ich musste diesen Kommentar einfach loswerden. Die Frau war ja wie ein gezähmtes Tier, ihre erste Sorge bestand darin ihren Ehemann nichts wissen zu lassen. Was zum Teufel hatte Willam Dante dieser bestimmt mal heilen Familie angetan?

Jakes Mutter sah mich ziemlich verwirrt an, scheinbar hatte sie mich erst jetzt bemerkt.

„Mutter.“ Jake sah sie ernst an. „Wir sind gekommen, um dich hier rauszuholen.“

Für einen kurzen Moment weiteten sich die Augen der Frau und bekamen einen eigenartigen Ausdruck – als würde eine alte Erinnerung durch ihren Kopf geistern. Dann sah sie ihren Sohn jedoch entsetzt an. „Bist du von Sinnen?!“, fragte sie schockiert, „Du weißt ganz genau, dass das Irrsinn ist!“

„Es ist mein Ernst“, erwiderte Jake aber, wobei ich das emotionale Zittern in seinen Augen sehen konnte, „Ich kann nicht länger mitansehen, wie dieser Mann dein Leben zerstört. Wir können zu Not auch ins Ausland fliehen, aber wir müssen hier weg, sonst wird Willam uns beide zu Grunde richten. Bitte, komm mit mir!“

„Nein!“

Dieser Ausruf schien Jake wie ein Peitschenschlag zu treffen. Fast als hörte er ihn nicht zum ersten Mal. Wie eine schmerzhafte Erinnerung.

„Dieser Mann wird uns finden, egal wohin wir gehen“, schluchzte Elena und rutschte auf dem Bett weiter nach hinten, „Und wenn er uns erstmal wieder fängt, wird er uns wieder wehtun. Um nichts in der Welt verlasse ich diesen Raum.. Er ist auch sein Letzter…“

Ich hätte die Frau am liebsten angeschrien. Sie ließ sich viel zu sehr von diesem Tyrann einschüchtern. Gut, nach all den Jahren konnte man ihr diese verängstigte Denkweise nicht übelnehmen, aber dennoch. Sie konnte doch nicht ernsthaft vorhaben den Rest ihres Lebens in diesem Zimmer zu verbringen.

In dem Moment sah die Frau plötzlich auf. Ihr völlig ungläubiger Blick ging an mir vorbei und als ich mich umdrehte, stand Julien unmittelbar hinter mir. Ausnahmsweise mal fand ich mich nicht gleich in seinen Armen wieder, was für ein Wunder. Allerdings sah er mich mit diesem überlegenen Lächeln an und strich mir mit einer Hand meine dunkelbraunen Haare hinter das Ohr. Andere Position hin oder her, der Dämon hatte immer noch genau die gleichen Gedanken. Elender Frauenheld.

„Jako…“

Juliens Kopf drehte sich ruckartig und er sah Jakes Mutter für einen kurzen Augenblick schon fast entsetzt an.

„Bist du das.. Jako?“, fragte Elena und rutschte vom Bett, um aufzustehen und auf den Tenebrae zuzugehen. Ihre Schritte waren unsicher und sie schien den Blick nicht von ihm abwenden zu können.

Jake und ich sahen sie nur völlig verwirrt an. Was war denn jetzt los? Wer war Jako?

Der Dämon schien sich inzwischen wieder gefangen zu haben. Sein Gesichtsausdruck ähnelte jedoch dem von Jake vorhin, purer ernst lag in seinen Augen. „Ich bin nicht Jako“, erwiderte er, „Ich bin sein erster Sohn, Julien.“

Die Frau verharrte stockend und starrte ihn immer noch fassungslos an, während Jake und ich langsam begriffen, dass Julien wohl seinem Vater ähnlich sah. Dem Tenebrae, den sie geliebt hatte und der von Willams Männern umgebracht worden war.

Einen unendlich langen Augenblick blieb es still im Zimmer.

Dann hatte ich genug. „Hören Sie endlich auf in der Vergangenheit zu leben“, sagte ich und sah Elena in die verwirrten Augen, „Jako ist tot und niemand kann ihn zurückbringen. Das hier und jetzt ist wichtig. Ihr SOHN ist wichtig! Sie können sich doch nicht so von Willam behandeln lassen. Hören Sie auf ihr Leben von diesem Tyrann bestimmen zu lassen und vertrauen sie ihrem Sohn. Wir werden einen Weg finden, Sie vor Willam zu beschützen, aber dafür müssen Sie selbst erstmal einen Schlussstrich ziehen wollen. Ich bin mir sicher, dass es möglich ist einen Ort zu finden, an dem er Sie niemals suchen wird. Aber Sie selbst müssen aufstehen und ein neues Leben wollen.“

Sie sank wieder auf das Bett zurück. Ihr Blick ruhte jedoch auf mir. „Du erinnerst mich an eine alte Freundin“, bemerkte sie leise, „Roseka.. du bist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Und deine Art zu reden ist auch genau wie ihre.“

„Gut möglich“, räumte ich ein, „Immerhin bin ich ihre Tochter, Christarose MacAlister.“

Das führte dazu, dass sie mich völlig verblüfft anstarrte.

„Mutter“, meldete sich Jake auf einmal wieder zu Wort, „Ich kann dir noch nichts versprechen, aber ich werde dich mit all meiner Kraft beschützen. Ich bitte dich, komm mit uns. Komm endlich weg von hier, du hast lange genug gelitten.“

„Aber…“ Die Frau wirkte hin und her gerissen. „Wenn ich gehe.. wird er.. ganz alleine zurückbleiben…“ Das Letzte hatte sie nur geflüstert und ich vermutete stark, dass sie nicht von Willam, sondern von Jako sprach. Scheinbar war es in diesem Raum passiert.

Auf einmal trat Julien vor sie und beugte sich vor. Er kam ihr mit seinem Gesicht plötzlich so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten, und ich hob die Augenbrauen. Ich wusste nicht, ob ich mich jetzt wundern oder seinen Absichten misstrauen sollte. Immerhin war Jakes Mutter ziemlich attraktiv. Bei seinem durchdringendem Blick schien die Erwachsene rot anzulaufen. Er lächelte jedoch plötzlich und wandte sich ab.

„Wir hatten schon immer verschiedene Geschmäcker“, stellte er fest und zog mich dabei plötzlich an sich, „Ich bevorzuge die Kleine hier, auch wenn es ihr klar an weiblichen Charme fehlt. Vielleicht könnten Sie ihr da mal ein bisschen Nachhilfe geben.“

Elena wirkte ein wenig irritiert, während Jake leise knurrte und gar nicht erfreut wirkte. Wie ich im Übrigen auch.

„Was? Kleiner Bruder?“ Julien sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Ich hab dir gesagt, dass sie mir gehört.“

„Das werden wir noch sehen“, konterte Jake und sah ihn grimmig an.

„Werdet ihr zwei wohl mal aufhören“, mischte ich mich dazwischen und schaffte es mich aus Juliens Arm zu winden, „Was auch immer da betreibt, haltet mich da raus.“

Die beiden schienen darauf etwas erwidern zu wollen, doch uns allen fiel auf einmal auf, dass Elena ein leichtes Lächeln auf den Lippen hatte. Das kam jetzt unerwartet.

„Ich danke euch“, sagte sie und strich ihren weißen Rock glatt, bevor sie aufstand und ihre Locken aufschüttelte, „Ich kann nicht ewig hier bleiben. Jake, bring mich bitte weg von hier und beschütz mich vor Willam, meinem Exmann.“

Kurz waren Jake und ich beide ausgesprochen verdutzt, doch dann nickten wir.

„Wie du wünscht.“ Jakes Lächeln strahlte seine Erleichterung aus. Es schien als hatten diese Worte eine schwere Last von seinen Schultern genommen.

„Auch wenn das mit dem Zaubern besser ich übernehme“, bemerkte ich schmunzelnd, „Nicht dass wir noch versehentlich sonst wo landen.“

Jake nickte und seine Mutter lächelte ebenfalls.

„Achtung“, sagte Julien jedoch plötzlich wieder ernst.

Bevor wir nach Erklärungen fragen konnten, wurde die Tür plötzlich aufgestoßen und mehrere Männer in Anzügen stürmten ins Zimmer um unweit von uns zu verharren. In den Händen hielten sie alle Zauberstäbe, anscheinend Angestellte von Willam. Einer von ihnen, welcher eine sportliche Brille trug und seine dunklen Haare geglättet hatte, trat hervor und sah uns alle ernst an.

„Was soll das werden, Robert?“, fragte er drohend, „Dass du ohne Vaters Erlaubnis diese Villa betrittst, ist bereits eine grobe Unverschämtheit. Aber dass du auch noch mit irgendwelchen Fremden in das Zimmer unserer werten Mutter eindringst, ist unverzeihlich!“

Auf dem Weg hatte Jake erwähnt, dass er zwei weitere Halbbrüder hatte, die richtigen Söhne von Willam. Scheinbar war er einer von ihnen, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit der Jüngere, Maximilian Dante.

Jake verzog sichtlich das Gesicht. „Dass ihr sie immer in diesem Raum gefangen haltet, ist noch viel unverzeihlicher“, entgegnete er, „Habt ihr etwa geglaubt, dass ich mich immer nur als Fußabtreter benutzen lassen würde?“

„Heh, der dreckige, kleine Bastard nimmt seinen Mund ganz schön voll.“ Maximilian warf ihm einen hochmütigen Blick zu. „Glaub ja nicht, dass deine Freunde eine Chance gegen unsere Magier haben.“

Ich packte in dem Moment Elena am Arm und zog auch Jake zu mir heran. „Ich würde euch allen ja nur zu gerne eure hochnäsigen Hintern versohlen, aber ich habe keine Lust mir die Hände schmutzig zu machen“, sagte ich nur unverfroren, „Die, die man hier als dreckige Bastarde bezeichnen kann, sind Sie und ihre Männer selbst.“

„Du Kleine“, grollte der Bruder wütend, „Haltet sie fest! Vor allem Robert!“

Erst in dem Augenblick bemerkte ich dieses ungute Gefühl. Als die Männer nun plötzlich die Formeln für verbotene Zauber runterratterten, wurde mir plötzlich etwas klar. Das gesamte Haus der Dante war von schwarzer Magie durchtränkt, daher dieses unbehagliche Gefühl. Die ganze Familie samt ihren Angestellten schien zu den Schwarzen Magiern zu gehören! Verdammt! Sie waren hinter Jake her!

Whiz!“, rief ich schnell

Anscheinend hatten die Männer etwas geahnt. Plötzlich waren sie alle neben uns gewesen und hatten nach uns gegriffen. Ich schaffte es in den zwei Sekunden, bis der Prozess einsetzte, Elena zu verteidigen und Julien hielt mir währenddessen den Rücken frei. Als ich jedoch gerade dachte, dass wir es geschafft hatten, wurde Jake plötzlich mit einem Ruck nach vorne gezogen. Er stolperte aus dem Umkreis, in dem die Teleportation stattfand, und blickte über seine Schulter. Sein erschrockener aber gleichzeitig ernster Blick war auf den Dämon gerichtet und ich streckte noch meine Hand aus, doch plötzlich wurde ich von Julien daran gehindert ihm zu folgen. Für einen Sekundenbruchteil sah ich noch Jakes beklommenes Gesicht, dem ich ablesen konnte, dass er sich bereits geschlagen gab, dann teleportierten wir. Obwohl einer fehlte.

„Wir müssen zurück!“, rief ich verzweifelt, als wir uns mitten in einem der hinteren, unbenutzten Teile der Akademie befanden, „Jake ist noch da!“

Ich wollte wieder teleportieren, doch Julien packte mich an den Oberarmen und hielt mich fest. „Du kannst nicht zurück“, erwiderte er, „Darauf warten sie nur. Du würdest ihnen glatt in die Falle laufen…“

„Das ist mir egal!“, rief ich und versuchte mit aller Kraft mich von ihm loszureißen, „Wir können ihn nicht dort lassen! Die Schwarzen Magier waren schon die ganze Zeit hinter ihm her! Wer weiß, was sie mit ihm machen?!“

„Hör endlich auf!“ Julien schien seine Mühe zu haben meine Befreiungsversuche in Schach zu halten. „Der Junge befindet sich nun in ihren Händen und in deinem Zustand kannst du gar nichts ausrichten, also denk noch nicht mal daran wieder zurückgehen zu wollen!“

Das tat weh. Ich sank nach einem letzten Versuch runter auf meine Knie und biss die Zähne zusammen. Verdammt. Wieso war ich nicht schneller gewesen? Es war meine Schuld, dass Jake sich jetzt in den Händen der Schwarzen Magier und dazu auch noch seiner feindlich gesinnten Familie befand. Verflucht. Konnte ich denn wirklich nichts machen? War ich so hilflos? Das konnte doch alles nicht wahr sein!

Julien ging in die Hocke und schien etwas hinzufügen zu wollen, doch er verharrte. Er schien gemerkt zu haben, dass mir vor lauter Verzweiflung Tränen über die Wangen rannen. Für fast zwei Sekunden sah er mich ungläubig an, als wäre ihm auf einmal irgendetwas klargeworden.

„Ich kann nicht glauben, dass ich gegen diesen Bengel verloren habe“, seufzte er dann, bevor er mir mit einer Hand unter das Kinn fasste und mein Gesicht anhob, „Christarose MacAlister, wenn du etwas ändern willst, dann musst du aufhören zu weinen.“

Ich sah den Dämon leicht verwirrt an.

„Werd wieder du selbst“, sagte Julien und strich mir plötzlich mit seiner anderen Hand sanft über das Haar, „Werd wieder die Chris, die sich nichts gefallen lässt und sich ihren Weg bahnt, egal was ihr im Weg steht. Hör auf dich zu verstecken und trag offen den Titel Reinblutprinzessin MacAlister. Ich werde dich beschützen, also hör auf zu zögern und rette diesen nichtsnutzigen Bengel.“ Seinen kleinen Halbbruder, der ihm mit nur einem Blick befohlen hatte mich nicht auch in die Hände der Dantes fallen zu lassen, wie ich erst viel später erfuhr.

Irgendwie passte er nicht zu Julien, dieser ganz leicht bittere Ausdruck in seinen Augen. Doch dank ihm und seiner Worte versiegten meine Tränen und ich nickte ernst. Ich würde meinen Freund zurückholen, koste es, was es wolle. Mit Julien als mein Partner würde ich selbst gegen eine Armee von Schwarzen Magiern nicht verlieren. Mein Hirn begann augenblicklich damit einen Plan zu entwickeln, der zumindest bis zu dem Zeitpunkt reichte, an dem ich Jake fand. Ab dort würde ich wie üblich improvisieren. Alles, was noch zu tun war, waren ein paar kleine Vorbereitungen.

Kapitel 20: Daltons Geheimnis

Ich brachte Jakes Mutter vorerst in mein Zimmer, während Julien nach Reiga zurückkehrte. Auch wenn er mir vorher noch das Versprechen abgerungen hatte, dass ich weder alleine noch vorschnell handeln sollte. Dabei hatte ich nur die Augen verdreht. Ich hatte mich wieder im Griff, auch wenn ich selbst etwas verblüfft von meinem Ausbruch war. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte ich komplett schwarzgesehen und war vollkommen verzweifelt gewesen. Selbst jetzt brodelte der Kessel in mir noch gefährlich und wurde von verschiedensten Gefühlen aufgerührt. Nur gehörten dazu nicht mehr nur Verzweiflung und Trauer, sondern auch ein gewisser Stolz und vor allem Wut hatten sich noch dazugetan, von einigen Undefinierbaren gar nicht zu sprechen.

„Es tut mir wirklich leid“, sagte Elena betrübt, als sie auf meinem Bett saß, während ich in den Schubladen meines Schreibtisches nach etwas suchte, „Weil ihr wegen mir gekommen seid, ist Jake.. ist mein liebster Sohn jetzt…“ Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen.

„Noch ist nichts vorbei“, erwiderte ich und zog ein kleines Notizheft aus den Tiefen der untersten Schublade hervor. Endlich hatte ich das gefunden, was ich suchte. Ein ziemlich alter Beschwörungszauber, von dem ich nicht erwartet hatte, dass ich ihn jemals mal brauchen würde. „Ich rede gleich kurz mit unserem Direktor und mach mich dann auf den Weg. Ich werde definitiv nicht zulassen, dass ihm etwas passiert.“

„Es tut mir auch wegen dir leid“, flüsterte die Frau, „Für dich ist das doch auch eine schreckliche Tortur.“

„Ich hab mittlerweile schon einiges erlebt“, stellte ich fest und stopfte das Notizbuch zurück in die Schublade, „Der Tod meiner Eltern, als ich gerademal knapp sechs Jahre alt war. Das Leben mit meiner Tante weit draußen auf dem Land, wo wir vielleicht drei Mal im Jahr Besuch bekamen. Sie hat ihr eigenes Leben aufgegeben, damit sie mich um jeden Preis vor den Schwarzen Magiern verstecken konnte, die meine Eltern getötet haben. Nur hat ihr das letztlich auch den Tod gebracht.“

Jakes Mutter sah mich betroffen an.

„Aber trotz allem muss ich weiterleben und mitansehen, wie immer mehr Leute in meiner Umgebung verletzt werden.“ Ich blickte aus dem geöffneten Fenster. „Das ist wohl das Schicksal, das uns Reinblüter verfolgt. Wir haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir zerbrechen an den ganzen Erlebnissen oder wir benutzen sie, um stärker zu werden. Und ich werde mich bestimmt nicht von irgendwelchen Leuten unterkriegen lassen, die die Gesellschaft umwälzen wollen und denen ich daher ein Dorn in den Augen bin. Ganz sicher nicht.“

In dem Moment flog plötzlich ein Vogel ins Zimmer und drehte erstmal eine Runde, ehe er federleicht auf meiner Schulter landete.

„Noel!“, stieß ich überrascht hervor. Ich hatte mittlerweile geglaubt, dass ich den kleinen Seidenschwanz bei dem ganzen Chaos irgendwo verloren hatte und er nun wieder frei in der Natur bleiben würde. Scheinbar hatte der Vogel aber nur etwas gebraucht, um mich wiederzufinden. Was sollte man dazu sagen? Ein echt treuer, kleiner Freund.

Nur zwei Sekunden später wurde auf einmal die Tür zu meinem Zimmer aufgestoßen und zu meiner großen Verwunderung stand dort Mr Davidson. Sein zuvor zorniges Gesicht wirkte nun für einen Augenblick etwas verdattert, als er die Frau in meinem Zimmer erblickte.

„Zum Teufel“, knurrte er dann jedoch sauer, „Dieser Dalton sollte endlich mal aufpassen, wen er in die Schule lässt.“ Er knallte die Tür wieder zu und stapfte mit lauten Schritten davon.

„Oh oh.“ Mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit plante er den Direktor davon zu unterrichten, dass sich da unerlaubt eine Frau in meinem Zimmer befand, die nicht zur Akademie gehörte. „Ich glaube, ich sollte besser zusehen, dass ich vor ihm im Büro bin.“

„Ein sehr freundlicher Lehrer“, stellte Elena mit einem schiefen Lächeln fest.

„Jap, und er kann mich sowieso nicht leiden“, bemerkte ich, „Bleiben Sie am besten hier drinnen, mehr Besuch sollte es eigentlich nicht geben. Whiz!“

Damit teleportierte ich mich kurzerhand in Daltons Büro. Gut, dass Davidson sich anscheinend dafür entschieden hatte zu Fuß zu gehen, das brachte mir ein wenig Zeit die Sache vorher zu klären.

„Ah, da ist ja die Unterrichtsschwänzerin“, stellte der Clown belustigt fest, „Ich habe gerade Davidson geschickt, um nach dir sehen zu lassen.“ Er saß wie immer auf seinem Schreibtischstuhl und hatte die Füße auf dem überfüllten Schreibtisch verschränkt. Der Tasse Kaffee in seiner Hand nach zu urteilen, machte er gerade eine Pause. Wie immer, wenn ich ihm begegnete. Arbeitete das Spatzenhirn eigentlich auch mal?

„Ja, und er wird bestimmt auch gleich hier auflaufen“, sagte ich mit einem schiefen Lächeln, bevor ich ernst wurde, „Jakes Mutter befindet sich in meinem Zimmer.“

Der Schulleiter hob die Augenbrauen. „Also war sie es, die mit dir und dem Tenebrae zusammen hierher teleportiert ist.“

Wow, scheinbar scannten die Barrieren um die Schule sogar, wer ein- und austeleportierte. Und er wusste wirklich über Julien bescheid. „Ja.“

„Du hast mir doch bestimmt noch mehr zu sagen“, seufzte Dalton und stellte die Tasse weg, „Und so wie du aussiehst keine sehr erfreulichen Dinge.“

„Wissen Sie, was Willam Dante mit seiner Frau gemacht hat?“, fragte ich, „Jahrelang in ein Zimmer eingesperrt, verletzt, misshandelt und wahrscheinlich noch mehr. Jake wollte seine Mutter endlich befreien und hat mich deshalb um Hilfe gebeten.“

„Und ihr seid einfach in Dantes Villa spaziert und habt sie tatsächlich daraus geholt.“ Er schien sich eigentlich über unsere Dummheit lustig machen zu wollen, doch anscheinend ahnte er etwas. „Wo ist Jake?“

Es war das erste Mal, dass der Clown nicht schon über unser Handeln bescheid wusste, wenn ich bei ihm auflief, und es war irgendwie ein wenig ungewohnt. „Jakes Bruder Maximilian ist plötzlich mit seinen Leuten aufgetaucht. Wir hatten praktisch schon teleportiert, als sie Jake noch zu fassen bekommen haben. Ich konnte ihn nicht mehr festhalten und wir sind ohne ihn hier her zurückgekommen.“

Daltons Gesicht verriet mir, dass er sich im Klaren darüber war, warum das so schlimm war. Wenn mich nicht alles täuschte, wusste er bereits, dass die Familie Dante zwar reinblutige Ursprünge hatte, aber mittlerweile eine Versammlung von Schwarzen Magiern war. Und er schien ebenfalls zu wissen, dass sie schon seit langem hinter Jake her waren.

„Ihr habt es wirklich getan“, stöhnte er und legte den Kopf in den Nacken, während er seine Füße vom Schreibtisch nahm, „Hast du eigentlich irgendeine Ahnung, was sie mit dem Jungen vorhaben?“

Komischerweise kam mir dies nicht wie eine Frage sondern fast wie eine Anschuldigung vor. Als ob er die Antwort bereits kannte.

Jedoch kam in dem Augenblick Davidson ins Büro gestürmt, ehe er stehen blieb und mich zornig ansah.

„Ich weiß bereits bescheid“, sagte Dalton jedoch ernst, was so direkt und ohne jede Albernheit völlig ungewohnt von ihm war, „Geh zurück zu deiner Klasse.“

Der griesgrämige Theorielehrer schien auch sichtlich verwirrt von der plötzlichen Änderung Daltons zu sein. Um ehrlich zu sein bereitete auch mir das Sorgen. So ernst kannte ich den Clown gar nicht.

Als der Lehrer das Büro verlassen hatte, stöhnte der Schulleiter und schien nachzudenken.

„Ich werde ihn zurückbringen.“

Er sah mich vielsagend an. „Du hast nicht die geringste Ahnung, was dich dort erwartet“, bemerkte er spöttisch und in einer Manier, die ich noch weniger von ihm kannte, „Selbst als Reinblut hast du keine Chance gegen sie. Die Vorbereitungen für die Zeremonie sind nun abgeschlossen und fast sämtliche Schwarze Magier versammeln sich. Denkst du ernsthaft, dass du gegen hunderte von ihnen und mehr als doppelt so viele Dämonen ankommen kannst?“

„Ja, das denke ich.“ Dabei sah ich dem Direktor entschlossen in die Augen und teilte ihm unverkennbar mit, dass ich meine Entscheidung bereits getroffen hatte. Auch wenn es mich ein wenig irritierte, dass er dermaßen gut über die Pläne der anderen Seite informiert war. Wenn noch nicht mal Riley das so genau wusste – da er im Stützpunkt praktisch direkt an der Quelle der neuesten Informationen saß, müsste es doch eigentlich besser wissen, oder täuschte ich mich? – wie konnte Dalton es dann wissen?

„Du…“

„Ich weiß, dass es gefährlich ist“, unterbrach ich ihn, „Aber ich werde trotzdem gehen. Sie können mich nicht aufhalten. Ich werde meinen Freund nicht im Stich lassen.“

Der Direktor sah mich entgeistert an. Seine Reaktion war aber viel zu heftig um, nur von meinen Worten herzurühren. An was dachte der Clown gerade?

Er schüttelte den Kopf und seufzte. „Genau das Gleiche hat deine Mutter auch gesagt, als ich sie gewarnt habe“, sagte er leise und mit niedergeschlagener Stimme, „Sie und Alan sind danach beide getötet worden.“

Ich sah ihn verwirrt an.

„Vielleicht ist es besser, wenn ich dir die Wahrheit über mich sage, bevor du gehst“, stellte er tonlos fest und sah mir direkt in die Augen, „Ich bin ein Schwarzer Magier und dafür verantwortlich, dass deine Eltern umgebracht wurden.“

Mir entgleisten die Gesichtszüge und ich sah ihn beinahe fassungslos an. Das war doch nicht sein Ernst, oder?

„Unsere Anführer haben eine Falle vorbereitet, um die höchste Reinblutfamilie komplett auszulöschen“, erzählte Dalton, „Sie standen den Plänen im Weg, also mussten sie vernichtet werden. Ein normaler Aufruhr von ein paar Dämonen war der Köder. Roseka und Alan waren sofort bereit den Auftrag anzunehmen, ohne zu wissen, was wirklich dahinter steckte. Sie waren alte Freunde und ich wollte sie noch aufhalten, aber sie haben nicht auf mich gehört.“

Das war das erste Mal, dass ich die Geschichte wirklich hörte. Tante hatte mir nie davon erzählt, was genau meinen Eltern zugestoßen war. Nur, dass sie von Schwarzen Magier umgebracht worden waren.

„Die beiden haben es jedoch geschafft zu entkommen, wenn auch schwer verletzt“, fuhr der Schulleiter plötzlich fort und verzog bitter das Gesicht, „Da unsere Anführer nicht gewusst hatten, wo sie sich versteckten, war mir als altem Freund von ihnen aufgetragen worden ihren Aufenthaltsort zu finden und den letzten Angriff zu planen. Mir blieb keine Wahl als zu gehorchen. Die beiden wurden durch meinen Plan in ihrem eigenen Haus getötet und nur die zurzeit ebenfalls dort wohnende Tante konnte ganz knapp mit der Tochter der beiden verschwinden.“

Ich starrte ihn entsetzt an. Was sollte das? Ich hatte die ganze Zeit über nach dem Schwarzen Magier gesucht, der für den Tod meiner Eltern verantwortlich war, um ihn für seine Taten büßen zu lassen. Doch jetzt stellte sich heraus, dass es Mr Dalton war, den ich gesucht hatte. Und selbst wenn ich es wollte, konnte ich nicht übersehen, wie sehr der Mann selber litt. Er hatte zwar eine emotionslose Maske aufgesetzt, doch ich konnte dahinter blicken und sehen, was für eine Qual ihm seine Tat bereitete. In seinen dunkelgrauen Augen lag eine so tiefe Trauer, dass es einem selber wehtat ihn so zu sehen.

„Das ist unfair.“ Verzweifelt versuchte ich den Tränen Einhalt zu gebieten. Die ganzen Jahre über hatte ich darauf hingearbeitet, eines Tages meine Eltern zu rächen. Und jetzt, wo es so weit war und der Mann vor mir stand, musste ich feststellen, dass er sich bereits selber strafte. Er schien sich nicht zu vergeben und selbst mit meinem Zutun könnte er wohl kaum noch mehr leiden. Warum ausgerechnet dieser Clown? Dieser verdammte schräge Vogel brachte meine gesamten Pläne durcheinander. Dabei fiel mir plötzlich wieder etwas ein, das kurz bevor der Direktor mich in den Blumenkurs gesteckt hatte passiert war.

„Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit einen Traum an meine Vergangenheit“, sagte ich leise und mit einem traurigen Lächeln, „Da war bei uns Zuhause mal so ein Mann mit schwarzen Haaren und komischen Klamotten. Ich hatte vor den meisten Leuten immer erstmal Angst gehabt, aber mit diesen seltsamen Klamotten kam er mir nicht mal annähernd so furchteinflößend vor. Er war richtig nett gewesen und hat im Garten mit mir gespielt. Am schönsten fand ich es auf seinen Schultern zu sitzen und mit seinem großen Zylinder zu spielen. Mum und Dad haben lächelnd zugesehen und mit Kaffee und Kuchen auf uns gewartet.. langsam verstehe ich, warum die Person mir so bekannt vorkommt.“ Ich sah ihn an. „Ich bin mir mittlerweile sicher, dass Sie das waren, Mr Dalton.“

Der Direktor sah mich einige Sekunden lang verblüfft an. Dann lächelte er auf einmal matt. „Du bist wirklich entwaffnend, Chris. Wegen mir sind deine Eltern gestorben und trotzdem kommst du mir nicht mit Hass entgegen.“

„Ich würde Sie gerne hassen“, bemerkte ich beklommen, „Aber egal wie sehr ich es will, ich kann nicht. Sie waren der beste Freund meiner Eltern und haben auch mir bereits so viel geholfen. Außerdem sehe ich doch, wie sehr Sie darunter leiden. Und selbst wenn ich Sie töten würde, meine Eltern würde es nicht zurückbringen. Vielleicht könnte schwarze Magie es, aber solange ich bei Sinnen bin, werde ich sie mit Sicherheit nicht einsetzen.“

„Das ist eine sehr weise Entscheidung“, stellte Dalton fest, „Ich selbst habe auch so gedacht, bevor ich einen geliebten Menschen verloren habe und hoffte, ihn mit der dunklen Seite der Magie wiederzubeleben. Von dem schrecklichen Erlebnis, als mir mein Vorhaben gelungen war, werde ich dir nichts erzählen. Auch wenn du bereits siebzehn bist, so etwas dürfte selbst für dich zu viel sein.“

„Wieso haben Sie dann nicht wieder aufgehört?“

„Einmal einen Zauber der schwarzen Magie angewendet ist man für alle Zeit ein Schwarzer Magier. Man landet in deren Verzeichnis und wenn man nicht freiwillig gehorcht, wird man erpresst. Obwohl es auch ziemlich viele gibt, die freiwillig und mehr der Macht willen zu Schwarzen Magiern werden und die schmutzigen Aufgaben übernehmen. Auch bei den Schwarzen Magiern gibt es so etwas wie eine Gesellschaft, die jedoch verdeckt unter unserer lebt. Allerdings geht es dort wesentlich weniger freundlich zu und wer zu nichts taugt oder gar Verrat begeht, wird gnadenlos vernichtet.“

„Darum sind Sie Spion geworden.“ Woher kam die Idee schon wieder?

„Du solltest mich besser als mehrfachen Verräter bezeichnen“, bemerkte der Clown.

„Auf welcher Seite stehen Sie jetzt eigentlich?“ Das war überhaupt mal eine wichtige Frage. „Erst haben sie die das Ministerium verraten, indem Sie schwarze Magie benutzt haben und einer von denen wurden.. Dann haben Sie für beide gleichzeitig gearbeitet, waren aber auf der Seite der Schwarzen Magier.. und jetzt helfen Sie mir schon seit einer ganzen Weile, obwohl sie ja gegen meine Familie sind.. Wo stehen Sie nun?“

„Eigentlich auf der dunklen Seite“, bemerkte Dalton schmunzelnd, „Aber dank einem gewissen Jemand beginne ich langsam wieder mehr für unser wertes Ministerium für magische Künste zu arbeiten und den Schwarzen Magiern immer mehr zu verschweigen.“

Ich sah ihn resigniert an. „Und das heißt jetzt im Klartext?“ Von wem sprach er da überhaupt? Dank wem arbeitete er jetzt wieder mehr für unsere Seite?

„Wenn du Jake retten willst, werde ich dich nicht aufhalten.“

Ich brauchte einen kurzen Augenblick, um zu verstehen, was er damit meinte. Dann lächelte ich jedoch und wandte mich zur Tür. „Keine Sorge“, sagte ich über die Schulter, „Ich werde wieder zurückkommen, mit Jake, verlassen Sie sich drauf.“ Damit verließ ich den Raum.

Dalton schüttelte daraufhin nur den Kopf und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Eure Tochter ist wirklich etwas Besonderes, wisst ihr das?“, fragte er lächelnd, „Ich wünschte, ihr könntet sie reifen sehen.“

Als ich wieder in meinem Zimmer ankam, erwartete Elena mich bereits. In der Hand hielt sie ein kleines Päckchen.

„Das ist eben per Teleport auf deinem Schreibtisch aufgetaucht“, sagte sie und reichte mir die Schachtel.

Im ersten Moment war ich ein wenig verwundert, doch dann begriff ich, was da drinnen war. „Jacob hat sich wirklich selbst übertroffen, was die Schnelligkeit angeht“, stellte ich fest und holte die Kette mit dem roten Rosenanhänger aus der Schatulle.

„Wer hat dir die Kette geschickt?“, fragte Jakes Mutter ein wenig verwundert.

„Ein alter Bekannter“, antwortete ich lediglich.

„Ach ja, kurz bevor du eben reingekommen bist, ist noch ein Zettel auf deinem Kissen gelandet“, fiel der Frau ein, „Ich bin noch nicht dazu gekommen…“

„Dieser Dalton.“ Ich hatte bereits gelesen, was auf dem kleinen Notizzettel stand, „Sie können erstmal hier auf der Akademie bleiben, Elena. Zwei Türen weiter ist ein Zimmer frei, das Sie beziehen können. Dalton wird die Barrieren um die Akademie noch verstärken, sodass Willam Sie hier nicht finden kann. Sie sollen sich keine Sorgen machen.. nur werden Sie für den freien Aufenthalt hier auch arbeiten müssen. Was genau Sie tun werden, wird er später noch mit Ihnen besprechen.“

Sie sah mich verdutzt an.

„Mr Dalton ist zwar ein schräger Vogel, aber er ist in Ordnung“, bemerkte ich lächelnd, „Sie können ihm vertrauen, ich tu es auch.“

„In Ordnung.“ Elena sah mich lächelnd an. „Ich verdanke dir so viel, junge MacAlister. Ich weiß gar nicht, wie ich das alles wieder gutmachen kann.“

„Danken Sie mir erst, wenn ich mit Jake zurück bin“, warf ich ein und ging zur Tür, „Aber was das Wiedergutmachen angeht.. leben Sie von jetzt einfach so, wie es sich für eine Frau wie Sie schickt, und seien Sie Jake eine gute Mutter.“

Damit verließ ich das Zimmer und überlegte, wo ich schnell etwas herbekam, was sich für einen Vertrag eignete. Es musste etwas wertvoll Aussehendes sein, sonst würde ich wahrscheinlich Stunden mit dem Verhandeln verbringen und es zählte jede Sekunde. Auf der Notiz für Elena hatte nämlich noch eine zweite Nachricht gestanden, die mich äußerst beunruhigte. Die Schwarzen Magier, deren Anführer niemand geringeres als Mr Willam Dante höchst persönlich, wollten Jake als erstes und einziges Halbblut opfern, um den Herrscher Reigas, Lucifer, zu beschwören und einen Vertrag mit ihm abzuschließen, damit sie auf seine Dämonen Zugriff hatten.

Schließlich stand ich auf einem Felsvorsprung im Snowdonia-Nationalpark. Genauer gesagt sogar in der Gegend, in der ich mit dem Blumenkurs gewesen war. Hier war ich weit draußen und mein Vorhaben würde nicht allzu viel Aufsehen erregen. Höchstens das vom Ministerium, sollten sie hier irgendwo immer noch ihre magischen Kameras platziert haben. Allerdings war mir das im Augenblick auch so ziemlich egal. Ich hatte nur eines im Kopf und das war Jakes Befreiung.

Auf dem Boden befand sich ein mit Kreide gezeichneter Kreis mit vielen Symbolen, in dessen Mitte sich eine lange, goldene Kette mit großen Gliedern und vielen bunten Edelsteinen als Anhänger befand. Sie würde hoffentlich als Preis für den vorrübergehenden Vertrag ausreichen. Ich hatte den Hauptteil der mehrere Seiten langen Beschwörungsformel bereits hinter mir und befand mich im letzten Stück.

O sacrum caelo draco, quinto portae custodem, protectoris venti. Precor, servitio vestro et descende praebueris“, murmelte ich und blickte hinauf in den Himmel, wo dichte Wolken aufgezogen waren.

Der Kreis mit seinen verschiedenen Symbolen begann weiß zu leuchten und die Kette schwebte bereits mehrere Zentimeter über dem Boden. Ein starker Wind rauschte durch die Berglandschaft und ließ die Blätter rascheln. Im Tal vor mir bildete sich eine riesige Windhose und ihr Sog wurde immer mächtiger. Ich hatte einfach meine Schuluniform anbehalten und der Rock schlug nun wilde Falten, was dank der Hose darunter kein Problem war. Meine Haare wehten mir ums Gesicht, doch ich sah nur ernst zu dem Wirbelsturm, der auch meine magischen Kräfte absorbierte.

Dann rauschte all die Luft plötzlich explosionsartig wieder nach allen Seiten davon und ich wurde beinahe von den Füßen gerissen. Im nächsten Augenblick war es bereits vorbei und als ich wieder nach vorne blickte, war ich erstaunt, dass die alte Formel tatsächlich funktioniert hatte.

„Es ist schon mehrere Jahrhunderte her, seit es dem letzten Magier gelungen ist mich zu beschwören“, sagte der mächtige Himmelsdrache mit der tiefen Stimme – auch wenn ich meines Erachtens nur seine Gedanken wiederhallen hörte. Das erhabene Wesen war riesig mit weiten Schwingen und leuchtend blauen Schuppen. Seine katzenhaften, gelblichen Augen hatten mich auf der Spitze des Hangs sofort erspäht und schienen noch zu überlegen, ob ich seiner würdig war. „Was willst du?“

„Einen vorrübergehenden Vertrag“, antwortete ich ernst, „Ich will lediglich, dass du mich an einen bestimmten Ort bringst und dort mit viel Theater reinplatzt, danach kannst du tun, was du willst.“

„Und du glaubst, dass das kleine Stück da ausreicht um einen Vertrag mit einem Drachen aus der Geisterwelt zu schließen?“, fragte das Wesen drohend.

Ich verzog das Gesicht. Wie erwartet waren Drachen nicht nur äußerst schwer zu beschwören, nein, einen Vertrag mit ihnen zu schließen war nochmal doppelt so nervenaufreißend. Und mir lief die Zeit davon. „Von mir aus gebe ich dir was auch immer du willst, aber ich habe keine Zeit für lange Verhandlungen, also nenn mir, was du willst, und du bekommst es hinterher. Nimm das Teil da als kleine Vorausbezahlung.“

„Du bist ziemlich unhöflich“, konterte der Drache und seine Augen wurden schmal, „Solltest du dich nicht erstmal vorstellen, wenn du einen Vertrag willst.“

Ich war sonst eine sehr geduldige Person, aber jetzt platzte mir der Kragen. „Mein Name ist Christarose MacAlister und ich verlange, dass du mich auf der Stelle ins Versteck der Schwarzen Magier bringst, damit ich verhindern kann, dass diese Bastarde meinen Freund als Opfer benutzen können!!!“, herrschte ich den Drachen an und knurrte wütend.

Er schien von meiner heftigen Reaktion ein wenig überrascht zu sein. Dann blickte das Tier jedoch plötzlich ein kleines Stück nach links.

„W-Wa.. Was…?“

Ich wandte ebenfalls den Kopf und entdeckte keine zehn Meter entfernt den völlig verdatterten Felton. „Was machst du denn hier?“, fragte ich wenig begeistert. Natürlich musste sich genau dann jemand hier rumtreiben, wenn ich es nicht gebrauchen konnte. Und es musste auch noch ausgerechnet dieser Kerl sein.

„Du bist.. Du stammst von der höchsten Reinblutfamilie ab?“, fragte der er ungläubig.

„Das ist richtig“, erwiderte ich nüchtern, „Wie du siehst, habe ich zu tun. Und ich habe es wirklich sehr eilig, also könntest du brav verschwinden?“

„Was erlaubst…“ Ihm schien noch im Satz klar zu werden, dass es mir durchaus zustand so mit ihm zu reden.

Es gefiel mir zwar nicht, dass er anwesend war, aber mir lief echt Zeit davon. „Was ist nun?“, fragte ich den Drachen.

Es sah fast so aus, als würde er plötzlich grinsen. „Na schön, kleine Reinblutprinzessin“, sagte er und ein gewisser Ehrgeiz schien in seiner Stimme zu liegen, „Ich akzeptiere deinen Vertrag.“ Damit verschwand die Kette aus dem Kreis und ich spürte meinen Handrücken kribbeln, wo sich daraufhin kaum sichtbar eine weiße Rosenblüte abzeichnete. Ich hatte es geschafft.

Zwar fragte ich mich, warum mich neuerdings alle als Reinblutprinzessin bezeichneten, aber andererseits tat es nichts zur Sache. Das war meine zweite richtige Beschwörung. Nach der Sache mit Julien hatte Tantchen Rosebad mir nämlich verboten weitere Beschwörungen durchzuführen. Wahrscheinlich war sie besorgt gewesen, dass ich noch ein zweites Mal so blöd sein und einen Vertrag mit einem Dämon schließen würde. Dabei war sie letztendlich gar nicht so unerfreut gewesen, als sie gemerkt hatte, dass Julien sich tatsächlich an den Vertrag hielt und mich beschützte. Jetzt konnte ich sie aber beruhigen, ich war auch in der Lage Wesen aus der Geisterwelt zu beschwören.

„Ich sollte wohl wirklich auf ihn hören“, stellte ich fest. Lange genug hatte ich mich versteckt. Ich war die Erbin der MacAlister und es war an der Zeit, das auch zu zeigen. Dazu gehörte auch das, was ich bisher erreicht hatte. Mit einem kurzen Murmeln hob ich den Zauber über meinem Halsansatz auf, sodass die schwarze Rosenblüte nun auch bei Tageslicht zu sehen war. Vielleicht war es riskant, aber der Vertrag mit Julien gehörte auch zu mir. Auch er war etwas, auf das ich stolz sein konnte. Immerhin gelang es nicht jedem einen Vertrag mit einem Tenebrae zu schließen.

„Julien.“

„Hn, deine Pläne scheinen ja wie immer ziemlich abenteuerlich auszusehen“, stellte der Dämon fest, als er direkt hinter mir stand und einen Arm um meine Schultern gelegt hatte, welchen ich allerdings gleich wieder wegschob, wobei mir auffiel, dass er statt seinem weißen Oberhemd heute ein Blutrotes trug.

„Hast du denn etwas anderes erwartet?“

Er lächelte daraufhin.

„Ein Tenebrae!“, rief Felton entgeistert und wenn ich richtig hörte, stolperte er zwei Schritte zurück.

Ich drehte mich daraufhin wieder zu ihm um. Zwar spürte ich, dass der Drache auch nicht allzu begeistert war, doch da er dem Vertrag zugestimmt hatte, konnte er sich zum Glück nicht weiter beklagen. „Könntest du Riley und den Leuten vom Stützpunkt etwas ausrichten?“, fragte ich, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass besagte Leute gerade gespannt hinter ihren Bildschirmen saßen und die Szene beobachteten, „Ich würde nach dieser Sache gerne weiterhin ganz normal für das Ministerium arbeiten, wenn sie akzeptieren können, dass ich als Erbin der MacAlister einen dauerhaften Vertrag mit einem Tenebrae habe.“

Der junge Mann sah mich lediglich fassungslos an.

„Gut, Abflug.“ Damit sprang ich mit einem großen Satz nach vorne und landete auf dem Rücken des Drachen, vorne an seinem Halsansatz direkt neben seinem Rückenkamm. Julien war mir augenblicklich gefolgt und stand nun direkt neben mir. Ich berührte das Vertragsmahl auf meinem Handrücken und dachte fest an Jake. Laut meiner Kenntnisse sollte das ausreichen, um dem Dachen mitzuteilen, wohin genau ich wollte. Denn zwar wusste ich selbst nicht, wo der Junge sich aufhielt, doch die direkt unter den Herrschern der Geisterwelt stehenden Wesen sollten angeblich in der Lage sein alles zu finden.

„Ihr solltet euch besser festhalten“, bemerkte der Drache und ich spürte, wie sich das mächtige Tier vom Boden abstieß und mit starken Flügelschlägen innerhalb von Sekunden mit hohem Tempo durch die Luft segelte. Es war ein atemberaubendes Gefühl, das ich wahrscheinlich nach Herzenslust genossen hätte, wenn ich nicht die ganze Zeit an Jake denken müsste. Hoffentlich schaffte ich es noch rechtzeitig.

 

Kapitel 21: Lucifer

Die Höhle war riesig und der Fels rau. Es wäre hier unten stockfinster gewesen, wenn sich nicht alle paar Meter magische Fackeln an den Wänden befinden würden, die ein flackerndes Licht verströmten. Es war recht kühl und die raunenden Stimmen der über hundert Schwarzen Magier um ihn herum hallten gespenstisch wieder. Als Jake kurz die Augen geöffnet hatte, hatte er um sich herum einen großen Beschwörungszirkel samt seiner Symbole und mit mehreren Achsen und Nebenkreisen auf den Boden gezeichnet gesehen. Er wusste zwar nicht genau wofür, doch es sah so aus als sollte er als lebendes Opfer für einen Vertrag dienen. Gerne hätte er sich auch befreit, doch seine Hände waren mit Ketten an den Boden gefesselt, die man zuvor wohl mit einem Zauber belegt hatte, welcher seine magischen Kräfte vollständig blockierte.

„Wie weit sind die Vorbereitungen?“ Das war die harsche Stimme seines Stiefvaters. Jake hätte sie überall wiedererkannt.

„So gut wie abgeschlossen“, antwortete Maximilian ergeben, „In ein wenigen Minuten können wir mit der Zeremonie beginnen.“

„Sehr gut.“

Also steckte sein eigener Stiefvater hinter all dem. Zusammen mit dem Rest seiner „Familie“. Wenn sein Kopf wegen dem Schlag vorhin nicht so wehtun würde, hätte er bei der Ironie wahrscheinlich sogar gelächelt. Es war so logisch aber doch undenkbar, dass es wirklich dämlich war. Am Ende würde er also doch von Willam getötet werden, wie er es im Prinzip schon die ganzen Jahre über erwartet hatte. Wenigstens war seine Mutter endlich in Sicherheit.

„Lord Dante, es ist so weit“, erklang eine ihm unbekannte Stimme, „Wir können sofort beginnen.“

Das war also sein Ende. Er konnte selbst durch seine geschlossenen Augenlider hindurch sehen, wie die weißen Kreidestriche anfingen violett zu glühen, sobald Willam begann eine Beschwörungsformel zu murmeln. Jake spürte bereits, wie die dunklen Mächte ihre Klauen nach ihm ausstreckten und ihn in die Tiefen Reigas ziehen wollten. Jedoch konnte er sich nicht dagegen wehren. Er war zu schwach, um sich von den Ketten zu befreien.

Dann gab es plötzlich ein ohrenbetäubendes Krachen und ein Teil der Decke schien herunterzukommen. Die Schwarzen Magier verstummten, viele versuchten sich vor den herumfliegenden Gesteinsteilen zu schützen. Als Jake die Augen öffnete und sich leise stöhnend aufsetzte, erblickte er unter einem ausgewachsenen Loch in der Decke eine ganz schön große Staubwolke, die sich erst langsam zur Seite zog.

 

„Wie lautet eigentlich dein Plan?“, fragte Julien beiläufig, als wir im Tiefflug und mit verdammt hoher Geschwindigkeit über eine flache Landschaft flogen. Laut dem Drachen war es nicht mehr sehr weit.

„Mit viel Theater rein“, antwortete ich, „Als erstes dann Jake zu fassen kriegen, danach nochmal alles schön aufmischen und am besten ein paar mehr von ihnen besiegen. Wenn es zu brenzlig wird abhauen.“

„Ein sehr genauer Plan“, bemerkte der Tenebrae sarkastisch.

„Was denn?“ Ich sah ihn vielsagend an. „Improvisieren kann ich besser. Oder was hast du sonst erwartet?“

Julien schmunzelte nur und beugte sich über mich, als der Drache wie bei einer Achterbahn plötzlich steil nach oben schoss. Im ersten Moment hielt ich das für eine von Juliens üblichen Taktiken, bis ich bemerkte, dass er mich so scheinbar schützen wollte.

„Mit viel Theater rein war dein Wunsch“, wiederholte der Drache und verharrte kurz, „Sie sind nur etwas mehr als zwanzig Meter weiter unten, wobei sie sich in einer Höhle befinden. Es wäre einfach durch den Boden zu brechen.“

„Gut, dann machen wir es.“ So langsam wurde ich ein wenig aufgeregt. Meine Sorge um Jake war in den letzten Minuten immer weiter angestiegen. Bitte lasst uns noch rechtzeitig kommen. Lasst es noch nicht zu spät sein!

„Er lebt noch“, flüsterte Julien auf einmal in mein Ohr, „Ich spüre sein Blut irgendwo dort unten.“

Ich war ein wenig überrascht, dass er meine Gedanken so genau erraten hatte. Bevor ich mich aber darüber wundern konnte, sauste der Himmelsdrache bereits wieder herab in Richtung Erdboden. Kurz kamen mir wirklich Zweifel, ob er ein Zusammentreffen mit dem Boden bei dem Tempo heil überstehen würde, doch Drachen waren allem Anschein nach härter als Stahl. Es schien mehr so als wäre die Erde ein brüchiger Keks, durch den das gewaltige Tier mühelos hindurchbrach. Julien beugte sich währenddessen komplett über mich, was mich wohl vor einigen Kollisionen mit mehr oder weniger großen Gesteinsbrocken schützte. Erst machte ich mir Sorgen, doch ein kurzer Blick nach oben verriet mir, dass der Schützenjäger anscheinend sogar seinen Spaß daran hatte.

Dann landeten wir abrupt auf dem härteren Untergrund. Durch das von uns hinterlassene Loch kam Licht in die ganz schön große Höhle und als der Staub sich langsam verzog, konnte ich unzählige verdutzte Schwarze Magier in ihren üblichen Roben sehen. Zwischen ihnen erspähte ich in einem großen Beschwörungszirkel jedoch Jake, der uns ebenfalls ausgesprochen verblüfft ansah.

 „Ein Tenebrae? Ein Himmelsdrache?!“ Ah, der Chef hatte ein Auge auf uns geworfen. Willam Dante, der einige Meter neben dem Zirkel stand, wirkte außerordentlich erschrocken und zugleich wütend. „Wer zum Teufel bist du?!“

Ich sah ihn von oben herab düster an. „Christarose MacAlister“, antwortete ich dann, „Tochter von Roseka und Alan MacAlister und damit Erbin der stärksten noch existierenden Reinblutlinie.“

Die gesamte Versammlung starrte mich völlig fassungslos an.

„Ganz recht“, kommentierte ich ihren Gedankengang, „Ich habe den Anschlag vor elf Jahren überlebt und verlange nun meine Position an der Spitze zurück.. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, dass ich sie einfach einnehme, da sie mir rechtlich zusteht.“

„Du kleine Göre…“ Er stockte plötzlich, als er erneut zu dem Dämon neben mir geblickt hatte. „Das ist unmöglich.. Jako…“

Der Nächste, der Julien mit seinem Vater verwechselte.

„Du bist tot!“, rief Willam dann aufgebracht, „Du kannst nicht mehr am Leben sein! Ich habe dich selbst getötet!“

„Hoooo…“ Oje, mir fiel auf, dass Juliens Stimme gerade einen ganz schön bedrohlichen Klang angenommen hatte. „Sie sind also der, der meinen Vater umgebracht hat…“

Kurz überlegte ich, ob ich ihn aufhalten sollte, doch ich entschied mich dagegen. Das war die beste Ablenkung, die ich kriegen konnte, und wenn jemand auf sich aufpassen konnte, dann war es Julien. Ich rutschte in der Zeit auf der anderen Seite von dem Drachen und huschte schnell weiter. Julien sprang ebenfalls herunter, aber so, dass alle ihn gut sehen konnten. Daraufhin wurde der Himmelsdrache durchsichtig und verschwand, der Vertrag war erfüllt.

„Du bist sein SOHN?!“ Jakes lieber Stiefpapa schien das Wort kaum aussprechen zu können.

„Ganz recht“, erwiderte der Tenebrae mit seinem Unglück versprechenden Lächeln, „Ich bin Julien Van Black, ein vollblutiger Tenebrae und Halbbruder von dem Bengel, den Sie da als Opfer benutzen wollen.“

„Tse.“ Der Anführer der Schwarzen Magier verzog kurz das Gesicht, ehe sich auch auf seinen Lippen ein heimtückisches Lächeln abzeichnete. „Gut, dass ich auch für einen solchen Fall Vorbereitungen getroffen habe. Marc! Jun! Das sechste Tor der Sonne!“

Das war natürlich nicht die richtige Bezeichnung des Zaubers, es war nur ein Trivalname, der verschleiern sollte, was er wirklich war. Nämlich so ziemlich die beste Waffe gegen einen hochrangigen Dämon, den man mit normalen Angriffen nicht stoppen konnte. Ihre einzige, wirkliche Schwäche war nämlich die Sonne – bedingt daher, dass in Reiga der Mond regierte. Normalerweise machte ihnen die Sonne zwar nicht viel aus, schließlich war sie ganz schön weit entfernt, doch es gab eine Möglichkeit sie in die unmittelbare Nähe dieser Dämonen zu bringen. Die Sonnensteine. Durch einen speziellen Zauber war es möglich einen kleinen Teil der Sonnenmasse in eine goldgelbe Gesteinsform zu pressen und damit die Sonne selbst auf die Erde zu holen. Wenn man so einen Stein in die Nähe von Dämonen brachte, wurde ihnen zwar kein äußerer Schaden zugefügt, doch man konnte ihnen starke Schmerzen bereiten und damit erreichen, dass sie sich gegen normale Angriffe nicht mehr verteidigen konnten.

Julien schien die Falle zwar noch zu bemerken, doch die beiden Schwarzen Magier waren ihm um eine Millisekunde voraus. Auf einen rasch gemurmelten Spruch hin wurden plötzlich mehrere weiße Linien auf dem Boden sichtbar, die sich blitzschnell um den Tenebrae anordneten, sodass sie einen aus zwei Dreiecken bestehenden Stern bildeten. An jeder seiner Spitzen befand sich so ein gelber Sonnenstein und mit gleich sechs von ihnen hätten die dunklen Magier eine ganze Armee von Dämonen vernichten können. Was sie mit dem Tenebrae anrichten konnten, war schlimmer als Folterung.

Ich hatte es gerade endlich geschafft diese lästigen Ketten um Jakes Handgelenke zu entfernen, als wir beide seinen Schrei hörten.

„Julien!“, rief ich erschrocken und drehte mich um.

Mit zwei weiteren kurzen Zaubern hatten die beiden Schwarzen Magier den Tenebrae wie Jesus an ein Kreuz genagelt, das inmitten des sechszackigen Sterns mit den Sonnensteinen erschienen war. Zwar unterdrückte Julien jegliche Laute, doch sein Gesicht zeigte die Qual, der er gerade ausgesetzt war und der er gerade anscheinend mit aller Kraft versuchte zu widerstehen. Jedoch hatten zwei weitere Schwarze Magier angefangen ihm mit normalen magischen Angriffen noch weitere, äußere Verletzungen zuzufügen. Wenn das so weiterging, würde selbst er das nicht mehr lange durchhalten!

„Lächerlich“, grinste Willam Dante nur und drehte sich zu mir und Jake um, „Und nun zu dir, du dumme Göre…“

„Operation-Mode!“, rief ich und hob den Zauberstab, „Lanzentanz!“

„Yes, my Master“, erwiderte Zafira und begann an der Spitze rötlich zu leuchten. Um uns herum tauchten duzende Lanzen aus purer Elektrizität auf. Kurz sah es so aus als würde ich damit auf den leicht erschrockenen Herrn Dante zielen, doch die Geschosse änderten plötzlich ihre Richtung und sausten direkt auf den Tenebrae zu. Sechs der Lanzen trafen die Sonnensteine und zersplitterten sie in tausende Partikel, die nicht mehr gefährlich waren,  und der Rest traf die Vitalpunkte des Verankerungszaubers, der Julien an das Kreuz bannte.

Marc und Jun, die beiden, die am nächsten dran standen, sprangen schnell wieder einige Meter zurück, als der Dämon ein Stück nach vorne stolperte, ehe er leicht gekrümmt stehen blieb. Er hatte den Kopf so weit geneigt, dass seine Haare sein Gesicht verdeckten. Ich konnte dennoch sehen, wie schwer sein Atem ging und was für Schäden die Steine wohl bereits angerichtet hatten. Er konnte unmöglich noch weiter kämpfen.

„Was tut ihr da!“, herrschte der Anführer seine Untergebenen an, „Haltet sie auf! Besonders die Göre und Robert!“

Ich war gerade dabei den scheinbar ebenfalls angeschlagenen Jake wieder auf die Füße zu bringen, doch wir waren im nächsten Augenblick schon von unzähligen Schwarzen Magiern umzingelt. Das sah verdammt übel aus und ich verzog das Gesicht. Es konnte ja auch nichts glatt laufen, wie immer, wenn es drauf ankam.

„Verschwinde“, sagte Jake plötzlich mit matter Stimme, „Sie wollen nur mich. Du und Julien solltet in der Lage sein von hier wegzukommen.“

„Bist du bescheuert?“, fragte ich und sah den Jungen ungläubig an, „Glaubst du, ich hab mir erst die ganze Mühe gemacht, um jetzt ohne dich zu verschwinden? Kommt nicht in die Tüte.“

Uns schlugen von fast allen Seiten immer wieder Angriffe entgegen, die ich mit Mühe abblocken und zurückwerfen konnte. Ich hatte mir einen Arm von Jake über die Schulter legen müssen, um ihn zu stützen, da er eindeutig fast keine magischen Kräfte mehr übrig hatte und kaum noch stehen konnte. Scheinbar hatte man ihn vorher noch dazu gebracht sich vollkommen zu verausgaben. So musste ich irgendwie uns beide verteidigen und versuchte dabei zu Julien zu gelangen. Ich musste uns hier schnellstens rausbringen. Schließlich war es meine Schuld, dass das alles passiert war.

Mit halbem Ohr hatte ich den Zauber wohl noch wahrgenommen, aber ich reagierte zu spät. Plötzlich durchbohrte mich etwas von hinten. Wenn ich es richtig sah, handelte es sich dabei um einen langen und ziemlich dicken, schwarzen Dorn. Er bohrte sich mitten durch meine Brust – nur ein Stück links von meiner Wirbelsäule – und zerfetzte dabei wohl auch meine inneren Organe. Jedenfalls kam der aufwallende Schmerz der Hölle gleich. Wahrscheinlich war er noch tausendmal schlimmer.

Er war allerdings auch nicht von langer Dauer, denn praktisch noch im selben Atemzug schlich sich eine seltsame Taubheit durch sämtliche Glieder und lähmte mich. Auf einmal war ich unendlich müde und wollte nur noch schlafen. Gegen diesen Drang konnte ich auch nicht ankommen. Ich sah noch kurz Jakes völlig entgeistertes Gesicht, bevor mir die Augen zufielen und ich zur Seite kippte. Das Bewusstsein hatte ich augenblicklich verloren.

„Chris!“, schrie Jake entsetzt und fiel neben mir auf die Knie, „CHRIIIIIS!“

Natürlich hatte auch der Dämon die Szene mitbekommen eine unbändige Wut kam in ihm auf. Juliens Pupillen verengten sich auf einen Schlag zu hauchdünnen Schlitzen. Dunkle, negative Energie – der Schwarzen Magie zwar nicht allzu unähnlich, aber doch anders und Hauptkraft der hochrangigen Dämonen – stieg deutlich sichtbar von ihm auf und heilte seine Verletzungen in Sekundenschnelle.

„Ihr zwölf Legionen Reigas, die ihr unter meinem Kommando steht“, murmelte er in finsterem Ton, „Ich rufe euch im Namen des roten Mondes und unseres Königs Lucifer, kommt herauf und vernichtet diese verrottete Brut.“

Hinter ihm öffnete sich plötzlich ein riesiges, schwarzes Portal und unzählige niedere und mittlere Dämonen erschienen. Die Schwarzen Magier blickten dem erschrocken entgegen, doch noch ehe sie überhaupt begriffen, starteten die Dämonen bereits einen Angriff. Es entbrannte ein hektischer Kampf zwischen den Schwarzen Magiern, die wohl noch nie wirklich gegen die Wesen gekämpft hatten, die sie sonst so gerne für ihre Zwecke verwendeten, und den Dämonen. Die Magier schienen sich jedoch recht schnell von dem Schreck zu erholen und begannen sich zu wehren. Immerhin standen ihnen noch duzende andere Zauber, von den Verbotenen gar nicht zu sprechen, zur Verfügung. Für kurze Zeit verloren sie das Interesse an den Eindringlingen und waren anderwärtig beschäftigt.

Jake saß noch immer neben mir und starrte das Blut an, mit dem sich meine Klamotten vollsogen und das sich langsam über das Gestein ausbreitete. Er hätte seine Heilungsmagie eingesetzt, doch seine Kräfte reichten noch nicht mal mehr um einen einfachen Kratzer zu heilen. Es gab keine Möglichkeit mich zu retten. Dem Kampf um uns herum schenkte er keine Beachtung, bis sein Blick auf einmal an einem der Schwarzen Magier hängen blieb.

„Denk noch nicht mal daran“, sagte Julien jedoch, der plötzlich neben ihm stand, „Was glaubst du wird sie sagen, wenn du wegen ihr ein Tabu brichst und selbst zum Schwarzen Magier wirst?“

„Aber wie sollen wir sie sonst retten?!“, fragte Jake panisch und wütend zugleich, „Es ist mir egal, wenn ich…“

„Genau dieser Satz und eure dumme Liebe führt zum Fortbestehen der schwarzen Magie!“, erwiderte Julien barsch, der aber auch nicht so gelassen wie sonst aussah.

Jake schien am liebsten ausrasten zu wollen. Aber alles, was er letztendlich tat, war einen qualvollen Laut von sich zu geben und die Hände zu Fäusten zu ballen.

„Ich kann keinen dieser schwarzen Zauber“, seufzte Julien und ging in die Hocke, „Das Einzige, was mir noch einfällt, ist ein Zeitzauber.“

Jake sah ihn verständnislos an.

„Zwar gehören die eigentlich auch zur Schwarzen Magie“, murmelte Julien, während er eine Hand ausstreckte, „Aber wenn ich meine eigene Lebenszeit benutze, wird es funktionieren.“

„Deine eigene.. du willst dein eigenes Leben verkürzen, um sie zu retten?“, fragte Jake ungläubig.

„Du wolltest sogar ein Schwarzer Magier werden, also vergleich mich nicht mit dir“, erwiderte Julien trocken und berührte mit seinem Finger das Blut. „Und du bist nicht der Einzige, der sie liebt“, flüsterte er noch so leise, dass Jake ihn nicht hörte.

„Du bist trotzdem verrückt.“

„Wir Dämonen leben sowieso viel länger als ihr. Wir können sogar dreitausend Jahre alt werden, da wird mich das Bisschen nicht viel kosten.“ Er leckte über das Blut an seinem Finger und schloss die Augen. Seine Hand begann rötlich zu leuchten und er streckte sie aus, sodass sie direkt über meiner Brust verharrte, wo noch immer der lange Dorn steckte.

Phasellus tempus transierit, et vitam illam puellam sumpsistis tecum stare et redire“, sagte er leise.

Unter Jakes verblüfften Augen wanderte das Blut langsam in meinen Körper zurück, der Dorn löste sich auf und die Wunde heilte.

Tempus, me duce, sexaginta novem anni et posui animam meam.“ Dieser Teil kostete Julien beinahe seine gesamte Konzentration und da er eh bereits ziemlich viel Kraft verwendet hatte, stand ihm ein leichter Schweiß auf der Stirn.

Jake bemerkte noch währenddessen, dass ich wieder angefangen hatte zu atmen.

Vicis, deferral ego, perseveraverit usque ad Tempus elapso inutiliter inserted“, sprach der Tenebrae den letzten Teil der Formel. Anschließend seufzte er herzhaft und fuhr sich mit einer Hand durch sein etwas zerzaustes Haar. Scheinbar war es geschafft.

„Was für ein Zauber war das?“, fragte Jake leise.

„Ich habe ihre Zeit bis vor den tödlichen Angriff zurückgedreht“, erklärte er nüchtern, „Dann habe ich meine eigene Lebenszeit benutzt, um ihr ein Polster von neunundsechzig Jahren zu verschaffen. Wenn sie also sechsundachtzig ist, wird die eingeschobene Zeit verstreichen und dann wird sie an diesem Angriff sterben, wie sie es eigentlich jetzt schon sollte.“

Ihm fiel Jakes Blick auf, der noch immer voller Sorge auf mich gerichtet war. „Reiß dich zusammen“, sagte der Dämon, „Sie wird ein ganz normales Leben führen und glücklich sein können.“

Jake nickte dankbar, doch sein Gesicht zeigte noch ganz andere Gefühle. „Wenn ich nur stärker wäre“, murmelte er wütend und ballte die Hände wieder zu Fäusten, „Dann könnte ich sie beschützen…“

„Du?“ Julien sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Nur ein Tenebrae, in Schönheit, Kraft und Intelligenz unübertroffen, verdient dieses Mädchen.“

Jake sah ihn irritiert an.

„Wenn du sie wirklich willst“, fügte der Julien hinzu und seine Augen schienen dunkler zu werden, „Dann musst du den Mensch in dir hinter dir lassen und endlich das Tenebraeblut akzeptieren, das durch deine Adern fließt.“

Jake sah ihn einen Augenblick lang verwirrt an. Er schien jedoch zu begreifen, was der Dämon von ihm verlangte. Sein Blick wanderte wieder zu mir, während Julien sich kurz umsah und sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen schien.

In dem Moment kam ich allerdings endlich wieder zu Bewusstsein, wobei ich von dem davor natürlich nichts mitbekommen hatte. „Hab ich mir den Kopf gestoßen?“, fragte ich leise stöhnend und setzte mich wieder auf. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das Bewusstsein verloren hatte.

„Du bist ja ganz schön schnell wieder da“, stellte Julien leicht erstaunt fest. Er lächelte jedoch leicht, wobei man ihm seine Erschöpfung ansah.

„Hm? Ist was passiert?“, fragte ich stirnrunzelnd. Als ich allerdings zu Jake blickte, hatte dieser den Kopf gesenkt und schüttelte ihn leicht. Ich konnte nicht richtig sagen, ob er jetzt erleichtert oder amüsiert aussah. Oder ganz anders. Der Junge war gerade irgendwie undurchschaubar und mir fiel da ein mittlerweile recht bekanntes Gefühl auf, das sich langsam ausbreitete.

„Oh Gott.. mach das ja nicht noch einmal“, seufzte Jake und beugte sich plötzlich nach vorne. Er legte einen Arm um meine Taille, den anderen um meine Schultern und zog mich an sich. Meine Augen weiteten sich, als ich im nächsten Augenblick seinen warmen Atem auf meinen Lippen spürte und er mich küsste.

Julien, der sich gerade wieder hatte umsehen wollen, starrte uns nur ziemlich verdutzt an. Das erste Mal, dass er seine Gesichtszüge nicht mehr vollständig unter Kontrolle hatte.

Ich wollte mich eigentlich dagegen wehren, nur leider musste ich feststellen, dass mein Körper mit diesem Vorhaben ganz und gar nicht einverstanden war. Mein Herz schien neuerdings in einen Sportkurs eingetreten zu sein und machte einen Salto nach dem Nächsten und das angenehme Kribbeln in meinem ganzen Körper machte es mir endgültig unmöglich mich zu wehren. War ich betrunken oder was? Das konnte doch nicht wahr sein! Jedoch hatte all das irgendwie einen entspannenden Effekt und mir fielen die Augen zu. Ich konnte nicht leugnen, dass ich mich in Jakes Armen ungeheuer wohlfühlte. Wie er mich an seine starke Brust zog und ein wenig ungestüm küsste, gab mir ein Gefühl, das ich in dieser Form noch gar nicht kannte. Und auch wenn ich es nicht glauben konnte, wiesen alle Symptome daraufhin, dass ich voll verknallt war – wie man es in einem Buch ausgedrückt hatte, dass ich vor einiger Zeit mal gelesen hatte.

„Hey, wie lange wollt ihr euch eigentlich noch die Zungen in den Hälse stecken?“, fragte Julien genervt und zog uns an den Ohren auseinander. Verflucht, den Dämon hatte ich komplett vergessen!

Während ich knallrot anlief – Heiliger war das peinlich! – verzog Jake nur ein wenig enttäuscht das Gesicht.

„Du hast mir doch geraten, dass ich besser meiner dämonischen Seite die Oberhand lassen soll“, bemerkte der Junge trocken.

„An welcher Stelle habe ich bitteschön gesagt, dass du sie auffressen sollst?“, fragte Julien resigniert.

„Könntet ihr euer Tenebrae-Gespräch bitte dann führen, wenn ich nicht anwesend bin?“ Ich war immer noch knallrot. „Und Julien! Was hast du ihm denn dieses Mal gezeigt?!“

„Hey hey, das ist ganz allein auf seinem Mist gewachsen“, erwiderte der Dämon.

„Mach das ja nicht nochmal“, befahl ich Jake. Obwohl ich ehrlich gesagt nichts dagegen hätte.

„So oft wie du willst“, erwiderte dieser auch noch schmunzelnd. Als hätte er mich durchschaut. Verflucht, ich stand gegen seine reifere, besser gesagt seine dämonische Seite. Meine Chancen gegen sie standen nicht gerade sehr gut.

Julien stöhnte, ehe ihm etwas auffiel. „Ich unterbreche euch Turteltauben nur ungerne, aber wir haben ein Problem.“

Mir fiel in dem Moment ebenfalls auf, dass die Dämonen – die komischerweise gegen die Schwarzen Magier gekämpft hatten und anscheinend auf unserer Seite waren – fast vollständig in die Schranken gewiesen worden waren. Die Zahl der Schwarzen Magier hingegen schien kaum gesunken zu sein, sie waren zäher als ich gedacht hatte. Jetzt war es nur noch eine Frage von Sekunden, bis auch wir wieder angegriffen werden würden.

„Wer kann noch kämpfen?“, fragte ich.

„Tut mir leid“, entschuldigte sich Julien, „Erst die Sonnensteine und eben du, ich brauche entweder ein Festessen oder einige Stunden Ruhe.“ Er klang nicht begeistert und es war allzu deutlich, dass ihm das selber nicht gefiel. Da ich ihm seine Erschöpfung jedoch sogar ansehen konnte – was noch nie vorgekommen war – zweifelte ich nicht an seinen Worten.

„Es ging mir schon mal besser“, stellte Jake fest, „Aber ich hab mich ein wenig erholt.“

„Und mir geht es auch so lala“, seufzte ich und schüttelte den Kopf. Das ganze Theater heute hatte mich schon viel meiner magischen Kräfte gekostet, das war gar nicht gut. Vielleicht wäre ein Plan doch besser gewesen.

Auf einmal spürten wir alle drei jedoch die Anwesenheit einer großen, magischen Kraft. Im nächsten Moment wurde die Luft keine fünf Meter von uns entfernt undeutlich und die Silhouette eines Mannes zeichnete sich ab. Als der Teleportationsprozess abgeschlossen war, entgleisten Jake und mir die Gesichtszüge.

„Na ihr, scheint als wäre ich ein bisschen spät dran“, stellte Dalton grinsend fest und drehte den weißen Zylinder auf seiner Fingerspitze, „Das ist also dein Vertragspartner, es freut mich, ihn endlich mal persönlich zu treffen.“

Julien hob eine Augenbraue. „Die Reinblutfamilien scheinen ja wirklich Gefallen an der Schwarzen Magie gefunden zu haben“, bemerkte er nüchtern, „Erst die Dantes und jetzt auch noch das Erbe der Walker. Und nebenbei, ihr Geschmack für Kleidung ist ziemlich ausgefallen.“

„Danke, danke.“ Der komische Vogel schien die letzte Bemerkung als Kompliment aufzufassen.

„Reinblutfamilie?“ Ich verzog resigniert das Gesicht. „Sie sind das Oberhaupt der Walker-Familie?“ Der drittstärksten Reinblutfamilie?

„Jetzt wurde ich doch glatt enttarnt.“ Der Kerl war eindeutig wieder ganz der Alte. Hatte das Gespräch heute Mittag überhaupt stattgefunden? Wo war der todernste und von Selbsthass zerfressene Dalton hin? „Mein Geburtsname ist Walker, ich habe nur den Namen meiner verstorbenen Frau angenommen, die Tochter der Daltons war.“

Sein für einen Sekundenbruchteil ernster Blick verriet mir, wegen wem er zum Schwarzen Magier geworden war. Dann hatte er aber schon wieder dieses untrügliche Grinsen im Gesicht und schwang seinen Spazierstock.

„Wird wohl langsam mal Zeit, dass wir hier aufräumen“, sagte der Direktor der Dalton Academy und wandte sich den Schwarzen Magiern zu, die noch damit beschäftigt waren die letzten Dämon zu besiegen und ihn deshalb nicht bemerkt hatten. Er hob seinen schwarzen Spazierstock an und rammte ihn dann auf den Boden, woraufhin ein durchdringendes Geräusch zu hören war, das eine Mischung aus Pauken- und Glockenschlag zu sein schien. Daraufhin lösten sich die letzten Dämonen einfach auf und die Schwarzen Magier sahen sich einen Moment lang irritiert um.

„Hey, das waren meine Untergebenen“, bemerkte Julien resigniert. Auch wenn er ehrlich gesagt nicht so klang, als ob ihm das viel ausmachte.

„Ich hab sie nur nach Reiga zurückgeschickt, keine Sorge.“

„Dalton, was zum Henker tun Sie hier?!“, fragte Willam Dante plötzlich barsch, welcher sich zwischen einigen seiner Männer hindurchschob, die den Leiter der Akademie inzwischen ebenfalls erspäht hatten.

„Och Willi, du musst nicht immer gleich so unfreundlich sein.“

„Ich will meine Frage nicht wiederholen müssen“, sagte Willam drohend.

„Hmmm, du bist langweilig.“ Dalton zuckte mit den Schultern. „Eigentlich wollte ich euch nur jemanden vorstellen.“

„Das kann bis nach der Zeremonie warten!“

„Das bezweifle ich“, entgegnete der komische Vogel grinsend, ehe seine Stimme plötzlich ernst wurde und etwas in seinem rechten Auge zu leuchten begann, „Bei unserem Vertrag unter dem roten Mond Reigas rufe ich dich.“

Neben ihm wurde langsam die Silhouette eines hochgewachsenen Mannes sichtbar und plötzlich schien der Boden unter der gewaltigen Macht zu erzittern. Eine unglaubliche Kraft zwang uns alle fast in die Knie, bevor sie plötzlich wieder nachließ und nicht mehr zu spüren war.

„Huch…“ Lyon, der Vizechef vom Londoner Stützpunkt, blickte leicht überrascht von dem Taschenbuch in seiner Hand auf und sah sich um. „Das ist jedenfalls nicht mein Büro.“

Mir entgleisten sämtliche Gesichtszüge, als ich den Kerl mit den langen hellblonden Haaren sah. Was zum Teufel hatte Dalton denn da für einen Mist gemacht?

„Tjaaa.“ Der komische Vogel grinste immer noch und legte den Kopf schief. „Meine vielen Freunde hier wollen dich gerne mal kennenlernen. Sie wollten sogar den armen Jake als Opfer benutzen.“

„Huh, na so was.“ Auf einmal klang Lyons Stimme ein ganzes Stück tiefer und ernster – genauso wie sein Blick – als er kurz zu uns sah und sein Buch zuklappte. Dabei färbten sich seine Haare vom Haaransatz an plötzlich tief schwarz und über dem weißen Hemd trug er mit einem Mal einen prächtigen, mit goldenen Verzierungen besetzten, dunkelblauen Mantel. „Was wollen sie denn von mir?“

Ich begann das Unfassbare zu ahnen.

„W-Wer sind Sie?!“, fragte Willam ein wenig erschrocken und verwirrt zugleich.

„Hnhn.“ Dalton grinste. „Meine Herren, darf ich vorstellen, der Führer von über hundert Dämonenlegionen, ältester Tenebrae und Herrscher Reigas, Dämonenkönig Lucifer.“

Kapitel 22: Reinblut und Halbblut

Ich starrte die beiden nur völlig verdattert an, genauso wie Jake – auch wenn dieser seine Gesichtszüge noch weit besser unter Kontrolle hatte als ich zurzeit. Den Schwarzen Magiern und vor allem Willam Dante schien es im Moment aber nicht anders zu ergehen, was mich wenigstens ein bisschen beruhigte.

„Oh, was machst du denn hier?“ Der werte Dämonenkönig blickte wieder zu uns und wirkte ein wenig erstaunt. „Du siehst ja ganz schön mitgenommen aus.“

Julien lächelte resigniert. „Ich hatte reichlich zu tun.“

Nun blickte Lucifer wieder zu mir und schmunzelte plötzlich in seiner üblichen Manier. „Also gehört das Vertragsmahl zu Julien, Chris.“

Mir fiel in dem Augenblick wieder ein, dass Lyon mich bei unserem letzten Treffen gefragt hatte, zu wem „das“ gehört. Er hatte also das Vertragsmahl gemeint.

„Wie kommt es eigentlich, dass so ein Arbeitsschwänzer wie Sie Dämonenkönig ist?“, fragte ich in nicht sehr freundlichem Tonfall. Mal davon abgesehen, dass ich mir den König der Dämonen immer ganz anders vorgestellt hatte, wunderte ich mich noch über einiges mehr. Vor allem fragte ich mich aber, ob Tante Rosebad gewusst hatte, dass ihr Bekannter Lyon der höchste Dämon Reigas war. Und überhaupt, hätten die Barrieren um das Haus ihn damals gar nicht erst reinlassen sollen. Mir wurde klar, dass dieser Dämon anscheinend so mächtig war, dass er selbst die besten Zauber und Techniken täuschen konnte.

„Das ist nicht sehr freundlich, Chris“, bemerkte er schmunzelnd, „Wenn du das Erbe deiner Familie antreten willst, solltest du dich besser auch mit mir gutstellen. Schließlich bin ich Vizeleiter vom Londoner Stützpunkt und Dämonenkönig.“

„Und Sie sind der Vertragspartner von Mr Dalton“, bemerkte Jake plötzlich, „Das Karo auf Ihrer Wange ist kein Tattoo sondern ein Vertragsmahl.“

Kurz sah ich ihn verwundert an, bis es auch mir einleuchtete. Und wenn ich vorhin richtig aufgepasst hatte, befand sich das Gegenstück in Daltons Auge, weshalb ich es wohl nie bemerkt hatte.

„Ganz recht, Halbblut“, lächelte Lucifer wieder in ernsterem und etwas tieferen Tonfall, welcher anscheinend sein Richtiger war. Diese alberne Art schien er nur als Lyon an den Tag zu legen.

„Verehrter Dämonenkönig.“ Willam und seine Leute waren niedergekniet. „Wir möchten Sie ehrfürchtig bitten einen Vertrag mit uns einzugehen und uns Ihre Macht zu leihen. Als Opfer bieten wir Ihnen das Halbblut dort, das sich hinter der Göre versteckt.“

Ich spürte, dass Jake am liebsten auffahren wollte. Seine dämonische Seite schien so etwas nicht gerade gut auf sich sitzen lassen zu können – wobei das mit Sicherheit mehr daran lag, dass Willam derjenige war, der das sagte.

„Hnnn…“ Kurz blickte Lucifer wieder zu uns. „Ich lehne ab“, sagte er dann in düsterem Tonfall, „Ein Vertrag mit solch hinterlistigen Bastarden wie Ihnen bringt mir nichts ein.“

Ehrlich gesagt war ich ein wenig geschockt. Wie auch alle anwesenden Schwarzen Magier einschließlich Herrn Dante persönlich.

„Gut gesagt, Lulu“, sagte Dalton grinsend und schwang seinen Spazierstock, „Also würden die Herren freundlicherweise davon absehen meinen Schülern noch einmal zu nahe zu kommen? Sonst sehe ich mich gezwungen Maßnahmen gegen Sie alle zu ergreifen.“

„Was wollen Sie schon tun?!“, fragte Dante mit grollender Stimme, „Außerdem sind Sie einer von uns!“

„Nein, ich kündige“, erwiderte der schräge Vogel unverblümt, „Und Sie sollten nicht vergessen, dass ich immer noch aus der Walker-Familie stamme. Also sollten Sie wissen, wie es um meine Möglichkeiten steht etwas gegen Sie zu unternehmen.“

„Lächerlich!“ Anscheinend reichte es dem Oberhaupt der Dantes und er blickte zu den Schwarzen Magiern. „Vergesst das Ritual! Lasst sie hier nicht mehr lebend rauskommen! Beschwört die Armeen der Untoten!“

Eines der größten Tabus neben der Wiederbelebung eines Toten. Alle Zauber, die in irgendeiner Weise mit Verstorbenen zusammenhingen, waren vor langer Zeit von den Gründern des Ministeriums für magische Künste Verboten worden. Wegen ihrer Gefährlichkeit für die Person selbst und dem, was man mit ihnen machen konnte. Die Lebenden hatten nicht das Recht mit den Toten zu spielen.

Ein dumpfes Gemurmel erfüllte augenblicklich die große Höhle, während Jake, Julien und ich wieder auf die Füße kamen und die Versammlung nur ungläubig anstarrten.

„Die wollen wirklich die Toten rufen“, stellte Jake fest.

„Und hier haben sie sich einen ziemlich guten Platz ausgesucht“, bemerkte Dalton, „Wir befinden uns hier in einem jahrhundertealten Massengrab aus früheren Kriegszeiten. Unter uns dürften sich tausende Leichen befinden, die von dem Zauber beeinflusst werden können.“

„Und wieso stehen wir dann hier und halten ein Pläuschchen?“, fragte ich resigniert.

„Weil ich mir gerne mal ansehen will, was die Truppe hier so alles zustande bringt“, antwortete Dalton erfreut, „Ich hatte schon lange keine größere Herausforderung mehr.“

„Sie wissen schon, dass man die Untoten nur schwer wieder in ihren leblosen Zustand zurückbekommt, oder?“, fragte ich.

„Ach was, für den Notfall haben wir ja Lulu und Julien hier“, erwiderte der Kauz mit dem hohen Zylinder.

„Sie nennen ihn allen Ernstes Lulu?“, fragte ich ungläubig und deutete auf Lucifer. Also ehrlich, dieser Dalton nannte selbst den Dämonenkönig nur bei einem süßen Spitznamen. Er war auf seine Weise echt unglaublich.

„Ist doch ein passender Name.“

Besagter Dämonenkönig wirkte ein klein wenig resigniert. Anscheinend hatte er schon mal vergeblich versucht Dalton diese Angewohnheit auszutreiben. Armer Kerl. Das musste ja schon an eine richtige Demütigung grenzen.

„Und Chris.“ Der Leiter der Akademie trat plötzlich direkt vor mich. „Mir ist eingefallen, dass ich noch eine Kleinigkeit vergessen habe, also halt brav still.“ Er berührte mich plötzlich mit Zeige- und Mittelfinger an der Stirn und murmelte etwas Unverständliches. Daraufhin sah ich vor meinem inneren Auge einen rötlich schimmernden Siegelring mit mir nur teilweise bekannten Symbolen aufleuchten und im nächsten Augenblick schon verschwinden. Ich hatte das Gefühl, dass ich innerhalb weniger Sekunden meine gesamte Kraft zurückbekam und sogar noch mehr. Als hätte mich ein heftiger Powerschub ereilt.

„Was…?“

„Deine Eltern hatten mich damals gebeten, sollten Sie nicht mehr dazu in der Lage sein, wenn du siebzehn bist das Siegel über dem Großteil deiner Kräfte aufzuheben“, erläuterte das Spatzenhirn, „Ich hatte es vorher nur vergessen, tut mir leid.“

Ich sah den schrägen Vogel nur verwirrt an.

„Sonst wäre es komisch gewesen, wenn die Anführerin der MacAlister weniger Kräfte besitzt als die Walker-Familie“, fügte Dalton noch grinsend hinzu, „Und Julien, da eure Vertragsabrechnung eh noch ausstehen dürfte, kannst du dich ja bei ihr bedienen. Ein entkräfteter Tenebrae ist ein ziemlich seltener und in meinen Augen unpassender Anblick.“

Der Dämon schien mit dem Gedanken zu spielen etwas darauf zu erwidern, doch stattdessen stand er plötzlich hinter mir und küsste das Vertragsmal an meinem Halsansatz. Er war so schnell, dass ich nicht dazu kam mich dagegen zu wehren.

„Jake.“

Der Junge sah zu Lucifer.

„Auch als Halbblut solltest du die üblichen Fähigkeiten der Tenebrae besitzen“, bemerkte der Dämonenkönig und stützte eine Hand in die Hüfte, „Wenn du sie benutzt, brauchst du dir keine Sorgen darum zu machen, dass du deine magischen Kräfte verbraucht hast.“

Einen Moment lang sah er ihn lediglich ein wenig skeptisch an, dann verschränkte Jake die Hände hinter dem Kopf. „Ich bin früher davon ausgegangen, dass die Dämonen unsere Feinde sind, schließlich haben die Schwarzen Magier sie immer benutzt“, bemerkte er, „Aber jetzt bin ich selber zur Hälfte einer. Es ist schon ironisch.“

„Wer hat überhaupt behauptet, dass wir die Bösen sind?“, fragte Lucifer, „Wir stehen lediglich hinter dem, mit dem wir einen Vertrag haben. Dass die weißen Magier vorzugsweise die Bewohner aus der Geisterwelt und die Schwarzen Magier uns Dämonen beschwören, ist ja nicht unser Fehler. Meinst du nicht?“

„Wenn man es so sieht, stimmt es wohl.“

Lucifer schmunzelte. „Scheinbar hat dein dämonischer Bruder dir bereits ein paar Tipps gegeben, dein altes Ich hätte auf mich ganz anders reagiert.“

Kurz erwiderte Jake seinen Blick, dann lächelte er sicher. „Schon möglich.“

Auf einmal war ein unheimliches Stöhnen zu hören, in das rasch mehrere Stimmen mit einfielen. Es wurden immer mehr und die Temperatur schien um einige Grad zu sinken. Mir stellten sich sogar glatt die Nackenhaare auf, als ich spürte, wie die schwarze Magie in der Höhle hier immer dicker wurde. Ich konnte kaum noch atmen, was wahrscheinlich daran lag, dass ich weiße Magie gewöhnt war. Das war an Stellen wie diesen natürlich ganz schön unpraktisch, wobei ich wider meinem Gefühl ganz normal ein und ausatmete. Es war keine leichte Übung, aber zu schaffen.

Im nächsten Augenblick brachen aus unzähligen Stellen im Gestein plötzlich halb verweste Leichen, teilweise noch mit verfaultem Fleisch an den Knochen. Ein gruseliger Anblick – wo ich mich bei Rosebad bedankte, dass sie mich schon als ich klein war mit duzenden Horror- und Actionfilmen an solche Anblicke gewöhnt hatte – und der Geruch war auch alles andere als appetitlich.

Dann schoss plötzlich ein verwester Arm direkt unter mir aus der Erde und ich sprang dem nächsten Kandidaten vor Schreck auf den Arm. Es war fies, dass ich die einzige weibliche Person hier war, die sich auch noch als einziges erschreckte.

„Huppsala.“ Lucifer, auf dessen Arm ich gelandet war, sah mich leicht überrascht an, ehe er belustigt lächelte. „Na meine Süße, bekommst du jetzt doch Angst?“

Ich bemerkte erst jetzt, bei wem ich mich befand. „Iiiii!“ Mit einem Satz stand ich wieder neben ihm. Er war der Letzte, bei dem ich hatte enden wollen.

„Dir sollte man noch ein paar Manieren beibringen, Reinblutprinzessin“, bemerkte Lucifer nüchtern, der sich anscheinend nicht ganz zwischen einem beleidigten und unbeeindruckten Gesichtsausdruck entscheiden konnte.

„Ich brauche keine Manieren, sondern eine bessere Gesellschaft“, konterte ich und verzog das Gesicht, „So riecht also halb verwestes Fleisch…“

Auch Jake wirkte nicht allzu begeistert.

„Na dann viel Spaß“, sagte der Dämonenkönig schlicht und plötzlich streckten sich große, schwarze Fledermausflügel aus seinem Rücken, „Den Kampf mit den Untoten überlass ich euch.“

Damit hob er auch schon ab, während ich bemerkte, dass mittlerweile wirklich eine halbe Armee von Untoten versammelt war und die Schwarzen Magier sich irgendwo an den Rand verzogen hatten, während sie noch weitere dieser Bestien beschwörten. Und ich war noch nie ein Fan von Zombies gewesen! Ich hasste diese Viecher!

„Wir verteilen uns besser“, schlug Dalton vor, „Julien und ich übernehmen die Außenseiten, Chris und Jake, ihr kümmert euch um die Mitte.“

„Hey!“, rief ich empört, „Sie wollten doch unbedingt mit den Untoten spielen! Wieso sollen wir da jetzt mitmachen?!“

„Es sind doch ein paar viele für einen allein, meinst du nicht?“, fragte das Spatzenhirn grinsend und verschwand mit einem Sprung irgendwo weiter hinten zwischen den Leichen.

„Euer Schulleiter ist wirklich eine Nummer für sich“, stellte Julien resigniert fest, „Chris, stell ja nichts Dummes an.“

„Hör auf meinen Vater zu spielen und verschwinde!“

Er schien etwas erwidern zu wollen, entschied sich aber noch um und seufzte lediglich, bevor er mit einem Satz ebenfalls irgendwo zwischen den wandelnden und inzwischen ziemlich munteren Leichen verschwand.

„Was für eine Gesellschaft“, murmelte ich nur kopfschüttelnd.

„Sei vorsichtig“, flüsterte Jake mir plötzlich ins Ohr, bevor er mit einem schelmischen Grinsen ebenfalls verschwand.

Ich lief daraufhin für einige Sekunden rot an, ehe ich es schaffte die Gesichtsfarbe wieder zu vertreiben. „Bin ich hier die Einzige, die das ernst nimmt?“, fragte ich klagend.

Dann kamen mir die Viecher allerdings entschieden zu nahe und ich wanderte schnell ein ganzes Stück weiter nach hinten in die dunkle Höhle, wo keine Fackeln mehr an den Wänden hängen, aber das Licht der anderen weiter vorne noch ankam. Im Prinzip waren die Untoten nur ein paar dumme, wandelnde Körper, die keinen wirklichen Verstand besaßen. Sie arbeiteten lediglich mit ihrem Geruchs- und Hörsinn, um ihre Beute zu erlegen. Lebendiges Fleisch. Eine Delikatesse für Ihresgleichen und darum ziemlich gefährlich für uns. Wenn wir nicht höllisch aufpassten, konnte es gut passieren, dass wir ein wenig angeknabbert wurden und uns schnell mal ein Arm fehlte. Keine sehr schöne Vorstellung. Und das Dumme war, man konnte sie verletzen und in noch so kleine Stücke hacken, sie kamen einem immer wieder hinterher. Nur wenn man sie komplett vernichtete, oder den Beschwörungszauber aufhob, konnte man sie vernichten. Echt ein schöner Schlamassel.

„Was sollen wir eigentlich mit den Schwarzen Magiern machen?“, fragte Dalton so ganz beiläufig, während er mit seinem Spazierstock – aus dem kleine Feuerkugeln schossen – wie mit einem Gewehr ein Zombie nach dem Nächsten abknallte. Dabei fingen die Leichen Feuer und verbrannten wie lebendige Fackeln, was sie zum Glück letztlich vernichtete.

„Willst du meine Meinung als Dämonenkönig oder Vizechef?“, fragte Lucifer, der mit seinen großen Fledermausflügeln einfach außer Reichweite der Leichen in der Luft schwebte und das Ganze mit vor der Brust verschränkten Armen beobachtete. Als wäre er sich zu fein zum Kämpfen. Schon wieder schwänzte er Arbeit! Das hatten er und seine Vizechef Seite gemeinsam, auch wenn es nicht gerade eine gute Eigenschaft war. Hatte er überhaupt gute Eigenschaften?

„Als Vizechef“, erwiderte Dalton mit einem leicht schiefen Lächeln, „Als Dämonenkönig würdest du sie wahrscheinlich einfach deinen niederen Dämonen zum Fraß vorwerfen.“

Lucifer leugnete das nicht. „Den Leuten aus dem Stützpunkt bescheid sagen, dass wir hier eine ganze Bande Schwarzer Magier zum Festnehmen haben.“

„Stimmt, gute Idee“, stellte der komische Vogel fest, „Ich benachrichtige mal den Stützpunkt.“

Währenddessen arbeitete ich auch mit einigen Verbrennungszaubern – einige der wenigen Zauber, die gegen diese wandelnden Leichen wirkten. Allerdings rückten mir die Biester langsam aber sicher immer mehr auf den Pelz, was mir ganz und gar nicht gefiel. Ich wich weiter zurück, bis ich plötzlich eine Kannte an meiner Hacke spürte. Ein rascher Blick über meine Schulter brachte mir die erschreckende Erkenntnis, dass es hier noch einen Abgrund gab. Zudem war es so dunkel, dass ich nicht sagen konnte, ob er nur zwei oder zweihundert Meter tief war. Wirklich sehr rosige Aussichten, die Zombies kamen mir von allen Seiten näher und ich konnte sie gar nicht so schnell vernichten, wie weitere nachrückten. Super, ich war begeistert. Allmählich wurde es wirklich brenzlig.

„Vertrau mir“, hörte ich plötzlich Jakes Stimme und blickte etwas überrascht drein. Dann streckte ich jedoch schmunzelnd die Arme zur Seite und ließ mich gerade nach hinten fallen, direkt in den Abgrund. Einen Augenblick lang genoss ich den freien Fall richtig, ehe ich unvermittelt aufgefangen wurde. Es war Jake, der plötzlich aufgetaucht war und mich wie eine Prinzessin auf dem Arm hielt – was mir übrigens eigentlich gar nicht passte. Jedoch hatte der Junge auf einmal pechschwarze Fledermausflügel, mit denen er wie Lucifer fliegen konnte, und die Pupillen seiner Himmelblauen Augen hatten sich zu Schlitzen verengt.

„Sieht so aus als bräuchte ich meine Magie wirklich nicht“, stellte Jake mit einem selbstgefälligen Lächeln fest, „Meine dämonischen Fähigkeiten reichen vollkommen aus.“

„D-Das…“ Ich war ziemlich verdattert, wie ich leider gestehen musste.

„Du kannst dem Tollpatsch Adieu sagen“, bemerkte Jake, während er mit einigen Flügelschlägen wieder über dem Abgrund schwebte und wir einen guten Überblick hatten, „Du wirst ihn nämlich nie wiedersehen.“

„Du meinst.. ich muss mich jetzt immer mit dieser Seite von dir rumschlagen?“ Mit der Seite, die mich scheinbar komplett um den Finger gewickelt hatte, so wie mein Herz gerade schon wieder pochte? Das war unfair!

Er schien nur allzu genau zu wissen, was gerade in mir vorging. „Ganz genau“, schmunzelte der Halbdämon, „Und ich werde dich nach allen Regeln der Kunst verführen, sobald das hier vorbei ist.“

Direkter ging es nicht, oder? Ich lief knallrot an, was er mit einem amüsierten Grinsen quittierte.

„Ihr zwei flirtet ja schon wieder“, stellte Julien resigniert fest, der auf einmal auch mit schwarzen Fledermausflügeln neben uns auftauchte, „Hebt euch das für später auf, mir reicht es langsam mit dem Totentanz. Machen wir dem ein Ende.“

Als ob ich das freiwillig mitmachen würde – und du hast das Spielchen doch selber oft genug gespielt und versucht mich zu verführen! Allerdings reichte es mir langsam ebenfalls und ich nickte, wie auch Jake. Er schien andere Pläne zu haben, von denen ich mir wohl ziemlich sicher sein konnte, dass ich sie später noch zu spüren bekam. Oh Hilfe.

„Hey! Lulu!“, rief Julien daraufhin einfach, „Helf uns mal dabei diese Leichenparade wieder unter die Erde zu bringen!“

Über dem linken Auge des Dämonenkönigs pochte eine Ader. „Wag es nicht noch einmal mich so zu nennen oder ich erkenne dir deinen Status als Großherzog ab.“

„Meinetwegen“, erwiderte der Tenebrae gelassen, „Dann hör auf dich wie ein Zuschauer zu benehmen.“

„Vergiss nicht, dass ich über dir stehe“, bemerkte Lucifer ein wenig genervt.

„Na na, Lulu, er hat ja recht.“ Mr Dalton sprang plötzlich einfach durch die Luft – wohl dank einem Zauber – und kam damit auf unsere Höhe, wo uns die Biester vorerst nicht erreichen konnten. „Ich hab langsam auch genug, wir sollten die Toten wieder in ihre Betten zurückschicken.“

„Meine Meinung“, sagte ich nur, als mir zum Glück eine Idee kam, wie ich mich aus dieser gefährlichen Lage in Jakes Armen befreien konnte, „Audis mei caeli venit, vela expansa trans de terra, per abyssis maris et erit mihi alas.“ Flügel mit schneeweißen Federn streckten sich aus meinem Rücken, sobald ich mich von Jake wegstieß und so selber in der Luft fliegen konnte.

Die anderen sahen mich einen Moment lang etwas verblüfft an, wo ich mich schon fragte, ob ich irgendetwas falsch gemacht hatte, ehe sie leicht lächelten.

„Na schön, allmählich wird das Schauspiel sowieso langweilig“, stellte Lucifer fest.

„Für einen Zauber sollten meine magischen Kräfte auch noch reichen“, bemerkte Jake.

Wir brauchten uns noch nicht mal weiter zu besprechen, sondern flogen nur in verschiedene Richtungen über die Leichenschar, die schwankend versuchte uns mit ausgestreckten Armen zu erreichen. Wenn man es genau beobachtete, kam einem dieser Versuch uns zu vernichten gerade ziemlich kläglich vor.

Schließlich verharrten wir in fünf Ecken immer jeweils an den Rändern der Zombieschar. Was wir brauchten war ein starker Zauber, mit dem wir alle Leichen gleichzeitig vernichten konnten. Mir fiel zurzeit nur einer ein, der dafür bestens geeignet war. Und ich konnte in den Augen der anderen sehen, dass wir alle den gleichen Spruch im Sinn hatten.

„Aron, Fighting-Mode!“, rief Jake.

„Zafira, Excellion-Mode!“, rief ich zeitgleich. Mein Zauberstab begann rötlich zu leuchten und nahm eine neue Form an. Ein etwa eineinhalb Meter langer, goldener Stab mit einem vierzackigen Stern am oberen Ende, in dessen Mitte sich eine rote Kugel befand. Die Zacken waren mit feinen schwarzen Mustern und Eingravierungen versehen, welche ihn richtig edel aussehen ließen. In dieser Form konnte ich so viel Kraft einsetzen wie ich wollte, Zafira würde keinerlei Probleme mehr haben.

Stellarum caeli, terra elementorum, Sanctus lux noctis et dies tenebrarum prohiberi“, sagten wir alle fünf gleichzeitig. Auf dem Boden zeichnete sich plötzlich mit golden schimmernden Linien ein großes Pentagramm, über dessen Spitzen sich je einer von uns befand. Außen rum zog sich noch ein Kreis, der vollständig gezogen augenblicklich zu leuchten begann und die vielen Zombies einschloss. Eine starke Barriere.

Indomita naturae viribus eius dependet quod repugnat legibus. Sit mors mortuis reddidit vitam, id est ordinem rerum!“ Ein feiner, goldener Regen prasselte innerhalb des Pentagramms herab und schien die Leichen regelrecht zu verätzen. Natur richtete Natur, der Tod hatte kein Recht mehr zu leben. Der Regen vernichtete sämtliche Zombies innerhalb von noch nicht mal einer Minute und ließ nichts von ihnen zurück. Der Boden innerhalb des Sterns, der daraufhin verschwand, blieb jedoch unberührt. Schließlich war er so, wie er sein sollte. Mutter Natur hatte keinen Grund ihn zu richten.

Damit war es auch vorbei. Willam und seine Schwarzen Magier hatten einfach keine Chance mehr etwas gegen uns fünf auszurichten. Dennoch spürte ich auf einmal ein letztes Aufwallen von starken, magischen Kräften. Ein gewaltiger Blitzschlag sauste plötzlich auf mich zu. Ich hatte keine Zeit einen Schild zu rufen oder mich irgendwie anderwärtig zu verteidigen. Es war ein Schlag aus dem Nichts.

Jedoch waren plötzlich erst Jake und dann Julien und Dalton direkt vor mir. Sie hatten scheinbar vor den Angriff selber einzustecken. Waren die verrückt oder was?

Im letzten Augenblick aber tauchte plötzlich Lucifer vor uns allen auf. Seine smaragdgrünen Augen leuchteten rötlich auf, woraufhin unmittelbar vor ihm eine Art schwarzes Loch auftauchte, das den Blitz einfach verschlang. Es verschwand direkt danach wieder, erschien nur Sekunden später ein Stück über den Schwarzen Magiern und schleuderte ihnen eben absorbierten Blitz in mehrfacher Ausführung entgegen. Sie hatten keine Chance sich zu schützen. Zwar traf keiner der Blitze direkt einen der Magier, doch alleine schon die umgebende Magie war so hoch konzentriert, dass es überwältigend war. Dem hätte selbst ich nur schwer standhalten können, Lucifer schien noch einiges seiner eigenen Kraft in den Rückangriff gesteckt zu haben. Jedenfalls waren sämtliche Schwarze Magier samt Willam Dante nach dem Angriff bewusstlos und der Kampf vorbei.

 

Nur wenig später tauchten die Leute vom Londoner Stützpunkt in großer Zahl auf, nur um die Nachricht zu bekommen, dass sie lediglich die bewusstlosen Schwarzen Magier abtransportieren durften. Während Dalton und Lucifer – seine Haare hatte er vorher wieder blond gefärbt und seine Persönlichkeit war auch wieder die von Lyon – den Einsatzleitern erklärten, was hier vorgefallen war, konnten Julien, Jake und ich uns eine Pause gönnen und den anderen Magiern beim Aufräumen zusehen.

„Wie es aussieht, bekommen Sie zum ersten Mal Schüler, die bereits Rang A haben“, bemerkte Lyon auf einmal schmunzelnd zu Riley, der ihn daraufhin völlig verdattert anstarrte.

„Er hat recht“, bemerkte Dalton vergnügt, „Jake, Chris und ihr Dämon haben wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Schade nur, dass man Dämonen keinen Rang geben kann.. das sollte man eigentlich mal einführen.“

Während Lyon eine Augenbraue hob, schien Riley Probleme damit zu haben den beiden zu folgen. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er und die anderen aus dem Stützpunkt diese Nachricht verkraften würden. Schließlich hatten sie da einiges zum Verdauen bekommen, besonders durch mein Outing und die erschreckende Feststellung, dass die Daltons alle miteinander Schwarze Magier waren. Das Ministerium für magische Künste hatte einiges zu tun.

„Wow, jetzt ist es tatsächlich vorbei“, stellte ich fast ein wenig enttäuscht fest, „Willam und die anderen werden vom Ministerium in Gewahrsam genommen und werden den Rest ihres Lebens wahrscheinlich hinter Gittern verbringen. Ich hätte deinen Stiefvater ja zu gerne mal in diesem schwarz-weißen Streifenanzug gesehen.“

„In welchem Jahrhundert bist du?“, fragte Jake mit einer hochgezogenen Augenbraue, „Die tragen dort längst nicht mehr solche Kleidung.“

„Was?“ Das meiste meines heutigen Wissens hatte ich mir schließlich aus Filmen und Büchern holen müssen, da Tantchen mit ihren Informationen nur sehr sparsam gewesen war. Und die Filme, die ich bei ihr gefunden hatte, waren wohl doch nur alte Spielfilme gewesen. So ein Mist.

„Oje“, seufzte Jake daraufhin schmunzelnd, „Scheint als hätte ich in der nächsten Zeit viel zu tun, um dich in allerlei Dingen mal auf den neuesten Stand zu bringen.“

„Von so weit hinterm Mond komme ich nun auch nicht“, erwiderte ich ein wenig beleidigt.

Julien seufzte in dem Moment.

„Was ist?“ Ich sah ihn schief an.

Jake wirkte sofort misstrauisch.

„Du musst mich gar nicht so ansehen“, bemerkte der Tenebrae an Jake gerichtet, „Ich gebe mich ja geschlagen.. Aber eines wirst du mir dafür lassen müssen…“

Auf einmal spürte ich seine Hand auf meinem Hinterkopf und sah, wie er sich vorbeugte. Seine goldgelben Augen schimmerten wie die Sterne, als er mir zärtlich einen Kuss auf die Lippen hauchte. Es war das erste Mal, dass mein Herz bei seiner Nähe einen Gang zulegte. Für einen kurzen Moment verharrte der Dämon in dieser Position, ehe er sich wieder aufrichtete und mich mit einem gönnerhaften Grinsen ansah. Ich muss, glaube ich, nicht sagen, wie rot ich war. Das war nämlich auch das erste Mal, dass er mich auf die Lippen geküsst hatte.

Jake blickte ziemlich resigniert drein. „Das sollten wir besser desinfizieren“, stellte er ein wenig bissig fest.

„Stell dich nicht so an, kleiner Bruder“, erwiderte Julien, „Du wirst nur aufpassen müssen, dass sie sich nicht plötzlich doch in mich verliebt.“

„Als ob ich das zulassen würde.“

Plötzlich wurde mein Kopf halb herumgedreht und Jake verwickelte mich in einen kurzen, aber innigen Kuss, dank dem mir glatt die Knie weich wurden. Netterweise aber legte er mir einen Arm um die Taille, der verhinderte, dass ich einfach auf den Boden sank. Dann löste er sich langsam wieder von mir und ich konnte erstmal Luft holen. Für einen Moment war ich sogar richtig sprachlos.

„Sie gehört mir und ich werde sie keinem überlassen“, fügte Jake hinzu, der noch nicht mal keuchte, „Noch nicht mal dir, Brüderchen.“

Anstatt wie sonst etwas zu erwidern, grinste Julien. „Ein bisschen wirst du aber noch an dir arbeiten müssen. Wenn es um unsere süße Chris geht, bist du noch etwas unbeherrscht.“

Jake schien aufzufallen, dass er voll auf Juliens Provokation reingefallen war. Trotzdem zog er mich noch näher an sich und sah den Dämon herausfordernd an.

 „Habt in der Zukunft wenigstens eine süße Tochter“, beantragte Julien, „Wenn sie so schön wird wie du Chris und ihr Charakter nicht allzu daneben ist, bin ich schon zufrieden.“

Jake hob lediglich eine Augenbraue.

„Vergreif dich nicht an unseren Nachkommen!“ Moment mal, seit wann waren Jake und ich überhaupt zusammen?! Hallo! Wurde ich vielleicht auch mal gefragt? Obwohl, im Prinzip hatte ich eigentlich nichts dagegen. Oh verflucht, ich hatte den Überblick verloren.

„Aber bringt ihr bitte ein bisschen mehr in Sachen Beziehungen bei“, fügte der Tenebrae hinzu, „Deine Unwissenheit war teilweise noch nicht mal mehr lustig, Chris.“

„Also…“ Darauf fiel mir nun gar nichts mehr ein. Dieser Tenebrae wurde immer dreister.

Aber andererseits war es schön so mit Julien und Jake an meiner Seite. Ich war froh, wenn ich wie üblich wieder mit Jake auf die Akademie gehen konnte, dort meine drei Freundinnen traf und gelegentlich wohl mal ein Pläuschchen mit Dalton haben würde. Ich hatte da einige Fragen an ihn, vor allem bezüglich meiner Eltern und der Beziehung der drei. Nachmittags würde ich dann wahrscheinlich auch mit Jake zusammen für den Londoner Stützpunkt arbeiten. Mit dem nervigen Felton als unserem Teampartner und Riley als Ausbildungsleiter würde es bestimmt nicht langweilig werden. Und so wie ich Julien kannte, würde dieser mit Sicherheit genau dann auftauchen, wenn wir ihn nicht gebrauchen konnten. Außerdem war ich mir sicher, dass auch Lyon uns noch so manchen unerwünschten Besuch abstatten würde. Der Faulpelz, der nicht nur Vizechef vom Stützpunkt, sondern auch noch Dämonenkönig war. Eine ziemlich bunte und abenteuerliche Gemeinschaft. Aber sie waren meine neue Familie.

Mum, Dad und Tantchen, ihr braucht euch keine Sorgen mehr zu machen. Ich habe ein neues Zuhause und viele Kameraden gefunden. Von jetzt an wird mein Leben bergauf gehen,

so wahr mein Name Christarose MacAlister ist.

 

 

END

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Über den Autor

SilverRose
Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD
Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P
Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und daher auch gut und gerne zwischen zwanzig bis vierzig Kapitel mit unterschiedlichen Längen varieren. Sie sind nichts für Leute, die nur gerne kurze Happen lesen, sondern mehr für die, die auch im normalen Buchladen gerne mal zu einem drei - bis vierhundert-Seiten-Wältzer greifen. Sorry, aber kurz schreiben ist nicht gerade meine Stärke. Wenn ich das versuche, werden sie am Ende nur umso länger xD
(Auch wenn ich ja mittlerweile auch wenigstens ein paar Kurzgeschichten zum Reinschnuppern in meinen Schreibstil habe :P)
Und (der Ordnung halber) die erste Interviewfrage hier oben: Welche Geschichten hast du bisher schon verfasst?
Hm, das sind mittlerweile so einige...meine abgeschlossenen sind der Reihenfolge nach:
Meine abgeschlossenen Manuskripte sind der Reihenfolge nach:
1.1) Das Geheimnis der Federn: Die Wächterinnen der Federn;
1.2) Das Geheimnis der Federn: Der Kampf gegen die Finsternis;
2) Kyra: Die Wahl zwischen Licht und Finsternis;
3) Scarlett und das Geheimnis von Avalon;
4.1) Kampf der Geister: Vertrag;
4.1) Kampf der Geister: Geschwister der Dunkelheit;
5) Das verlorene Buch;
6) Silver Rose: Das Gesetz der Killer;
7) Der Schlüssel zum Tor der Feuergeister;
8) Reinblut & Halbblut;
9) Die Wächterin von Reilong;
10) Die letzte Zauberin;
11.1) Juwelenritter: Das vergessene Jahr des Blutes;
11.2) Juwelenritter: Die sieben Höllenfürsten;

Meine noch laufenden Geschichten (auch wenn ich nicht weiß, ob und wann ich es schaffe sie zu beenden) sind:
11.3) Juwelenritter: Dämonenherz (aktiv)
12) Bund mit dem Tod (neu - auf Standby)

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yukii166 dein buch ist echt super wird es eine fortsetzung geben??
Vor langer Zeit - Antworten
Loo12 Hab noch nicht alles gelesen.. aber richtig gut bisher (:
Vor langer Zeit - Antworten
Jasmin99 Fantasieeeevooool - Ich habzwar noch nicht alles gelesen aber ein Adjektiv passt jetzte schon:
SEHR FANTASIEVOLL!
Zwar nicht ganz mein Geschmack aber mal was anderes!
Find ich gut :*

LG Jasmin
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