Chris, eine begabte junge Magierin mit teilweise etwas bissigem Humor, befindet sich schon seit etwas über einem Jahr auf der Dalton Academy und langweilt sich dabei aber trotz ihrer drei zum Teil ziemlich aufgeweckten Freundinnen ziemlich. Mehr durch Zufall treibt sie auf dem Schulgelände bei einem Mitschüler einen Dämon aus und stößt daraufhin auf den ganz schön schrägen Schulleiter Mr Dalton. Der nicht sehr vertrauenerweckende und scheinbar an Geschmacksstörungen leidende Mann steckt Chris einfach ohne deren Zustimmung in den Blumenkurs - welcher sich allerdings als heimliche Klasse zum Unterricht in Magie entpuppt. Zwar ist sie alles andere als begeistert, doch da der komische Kauz von einem Schulleiter anscheinend mehr über sie und ihre Beweggründe weiß, lässt sie sich schließlich doch überreden den Nachmittagskurs zu wechseln. Allerdings schafft sie es schon am ersten Tag sich ausgerechnet mit dem alles andere als freundlichen Mr Davidson anzulegen und allgemein kommt sie sich in der Klasse nicht sehr willkommen vor. Außerdem ist da auch noch dieser absolute Tollpatsch Jake, mit dem sie noch mehr zu tun haben wird, als ihr anfangs lieb ist... Enthält: Kapitel 1: Du beherrscht Magie? Kapitel 2: Ein schräger Vogel Kapitel 3: Der Blumenkurs Kapitel 4: Chris vs. Davidson
Gähnend rekelte ich mich in meinem Bett und drehte mich schließlich auf die andere Seite. Allerdings wurde mir der Schlaf auch nachdem ich gestern bis spät in die Nacht wach gewesen war eindeutig nicht gegönnt. Noel zwitscherte und so wie sich das anhörte, kreiste mein kleiner Vogel mit dem leuchtendbraunem Gefieder mal wieder direkt über meinem Kopf.
„Du bist wirklich besser als jeder Wecker“, brummte ich ins Kissen und gähnte erneut. Der Vogel ging so genau wie eine Eieruhr und komischerweise konnte ich ihm die krummsten Uhrzeiten nennen, er weckte mich zur exakten Sekunde. Das war zwar äußerst praktisch, aber teilweise auch echt nervig.
„Ist ja gut, ich bin wach“, stöhnte ich schließlich und setzte mich auf. Mein Spiegelbild auf der anderen Seite des Zimmers sah mich ziemlich verschlafen an, seine Haare standen ab wie die Stacheln eines Igels. Die verschlafenen hellgrünen Augen und der wenig begeisterte Gesichtsausdruck waren auch nicht sehr ermutigend, eher das typische Gesicht eines Langschläfers am frühen Morgen.
Dann bemerkte ich allerdings, dass ich vor lauter Müdigkeit gestern wohl vergessen hatte das Fenster zu schließen. Ich mochte es den sommerlichen Orkanen zu lauschen, besonders wenn ich gerade mit allzu langweiligen Hausaufgaben beschäftigt war, doch nun hatte ich das Resultat vor Augen. Die Bücher auf der niedrigen Kommode vor dem Fenster waren entweder vollkommen vom Wasser durchgeweicht oder hatten sich gleich komplett vom Wind zu Boden wehen lassen. Auch die Blumenvase hatte sich auf den hellgrauen Teppich gestürzt und dabei die schönen Sonnenblumen fast zwei Meter weit geschleudert und einen schönen Scherbenhaufen hinterlassen. Das waren zumindest die Vergehen des Sturms.
Dass die Bilder statt an den Wänden zu hängen auf dem Boden lagen, mein Schreibtisch ein einziges Chaos war und der Inhalt meines Mülleimers fast im gesamten Zimmer verstreut war, rechnete ich da einigen Leuten zu, die einen gewissen Groll gegen mich hegten. Denn ich war bei einigen zwar relativ beliebt, aber es gab auch genauso viele Leute, die mich auf den Tod nicht ausstehen konnten. Na ja, wie es halt so war.
„Oje.“ Ich hatte gerade einen Blick auf meinen Wecker geworfen und dabei gemerkt, dass ich den lieben Noel wohl eine Zeit lang sogar komplett überhört hatte. Es war bereits fast halb acht und eine Viertelstunde brauchte ich schon für den Weg, obwohl ich mich im Grunde bereits auf dem Schulgelände befand. Wenn sie nur nicht so furchtbar groß wäre, die Dalton Academy.
„Aber die Unordnung sollte ich wohl besser beseitigen“, fiel mir auf und ich kam auf meine Füße. Während Noel sich auf die Fensterbank setzte und sein Gefieder ordnete, holte ich aus dem Schrank die Uniform der Akademie und zog mich um. Im Bad gleich nebenan wusch ich mich noch schnell, putzte meine Zähne und brachte ein wenig Ordnung in meine langen Haare, bevor ich sie zu einem Zopf flechtete. Bis auf meinen etwas längeren, schräg geschnittenen Pony.
„Schon besser“, lobte ich mein Spiegelbild, das mir nun ein siebzehnjähriges Mädchen präsentierte, das nicht aussah als hätte es gerade in die Steckdose gefasst. Die beige Bluse und der kastanienbraune Rock bis kurz über die Knie passten ganz gut zu meinen dunkelbraunen Haaren. Anschließend ging ich wieder in mein Zimmer, in dem ein Bett, eine Kommode, Schreibtisch samt Stuhl, Schrank und Bilder untergebracht waren.
„Das erinnert mich daran.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich würde denen ja zu gerne Mal die Leviten lesen, wenn es denn nur was bringen würde.“
Noel gab ein zustimmendes Zwitschern von sich, was mich gleichzeitig an die Uhrzeit erinnerte.
„Lautae.“
So, jetzt kam der Teil, bei dem jedem normalen Menschen wohl der Mund offen stehen geblieben wäre oder wo sich zumindest seine Augen verabschiedet hätten. Die verstreuten und unterschiedlich großen Bilder von verschiedenen Landschaften hängten sich wieder an die Wände, der Müll hopste zurück in seinen Eimer, mein Schreibtisch ordnete sich von selbst, die Bücher flogen an ihre Plätze zurück und trockneten und auch die sich wie im Zeitraffer wieder zusammensetzende Vase samt Blumen wanderte wieder an ihren ursprünglichen Platz. Dabei machte sich auch gleich mein Bett mit ordentlich und das Putzen konnte ich mir ebenfalls sparen.
„Das wär´s dann“, stellte ich mit einem zufriedenen Nicken fest, schnappte mir meine Tasche und verließ das Zimmer. Draußen stieß auch Noel wieder zu mir und flatterte nicht weit weg durch die Luft. Wie immer begleitete mich mein treuer Freund überall, wo ich hinging.
„Chris!“
Ich blickte über meine Schulter und entdeckte July, eine meiner Freundinnen. „Guten Morgen“, grüßte ich sie lächelnd.
„Morgen“, erwiderte sie fröhlich den Gruß und blieb neben mir, „Hat der Orkan gestern bei dir auch so am Fenster gerüttelt? Ich konnte kaum schlafen.“
„Mir gings ähnlich, auch wenn ich sowieso noch ziemlich lange mit den Hausaufgaben beschäftigt war.“
„Ach, warst du gestern nach dem Badminton also noch in der Stadt?“, fragte July neugierig. Sie war ein nettes Mädchen, das seine Nase allerdings gerne in die Angelegenheiten anderer Personen steckte und so häufiger auch Ärger am Hals hatte. Alles in allem aber war sie eine gute Freundin.
„Ja“, antwortete ich schlicht. Wobei man im Prinzip nicht sagen konnte, dass ich „in der Stadt“ gewesen war. Immerhin befand sich das riesige Gelände der Dalton Academy bereits mitten im Herzen von Birmingham, daher sollte man besser sagen, dass ich einfach nur das für meinen Geschmack viel zu große Schulgelände verlassen hatte.
Auf dem weiteren Weg kamen auch noch Susan und Clare zu uns, die beide in anderen Wohnhäusern untergebracht waren als wir. Gemeinsam überquerten wir dann die Wege zwischen dem saftig grünen Rasen und betraten schließlich das Schulgebäude, das meinem Geschmack nach mehr an einen Palast erinnerte. Es sah von außen alles so prunkvoll aus, dass ich mir auch heute noch fehl am Platz vorkam, obwohl ich mittlerweile seit über einem Jahr auf diese Akademie ging. Innen war das große Hauptgebäude ebenfalls so eingerichtet, dass es mehr an das Haus eines äußerst reichen Mannes erinnerte. Allerdings war der Bau sehr verwinkelt, sodass sich Neuankömmlinge in der Regel erstmal verliefen, bis sie es schafften sich die Wege richtig zu merken. Oder es schafften sich wie ich den Grundriss des Hauses einzuprägen, aber selbst damit hatte ich anfangs Schwierigkeiten gehabt. Dabei war diese Akademie noch nicht mal reichen oder besonders begabten Menschen vorbehalten. Im Gegenteil, hier trafen so ziemlich alle Grade der Gesellschaft aufeinander, die man finden konnte.
Da war nur dieses komische Eingangsexamen, das man bestehen musste, um hier her gehen zu dürfen. Ich hatte es ebenfalls absolvieren müssen und dabei fast kapituliert. Meine Noten gehörten zwar zu den besten, aber das Eingangsexamen hatte mich mehr an einen Persönlichkeitstest erinnert, in dem nur wenige wirklich schulische Fragen aufgetaucht waren. Das war etwas, aus dem ich heute noch nicht schlau geworden war.
„Hast du die Hausaufgaben, Chris?“, fragte Susan, als wir unsere Klasse betraten.
Eigentlich wollte ich antworten, doch der sich mir bietende Anblick war ein wenig irritierend. Obwohl, wenn ich darüber nachdachte, war er eigentlich normal. Unsere gelegentlich etwas rebellischen, männlichen Mitschüler machten sich mal wieder einen Spaß daraus auf dem Tollpatsch unserer Klasse rumzuhacken. Manchmal konnte dieser Jake einem schon fast leidtun.
„Hehe, na du Idiot? Wie schmeckt dir der Orangensaft?“, fragte Phillip gehässig. Nur zur Info, er war die selbsternannte Nummer eins der Klasse und der Angeber schlechthin. Und fürs Protokoll, er oder einer seiner beiden Kumpels hatten Jake gerade den Orangensaft aus ihrem Getränkepäckchen ins Gesicht gespritzt.
„Äh, ich mag Kirsche lieber“, erwiderte Jake ein wenig beklommen. Er saß wie immer auf seinem Platz und ließ das ganze über sich ergehen. Na ja, bei seinem Hang zur Tollpatschigkeit würde er wahrscheinlich sowieso auf der Nase landen, sobald er aufgestanden war. Armer Kerl, auch wenn ich ihn gelegentlich ebenfalls aufzog, tat er mir irgendwo leid.
„Seht seht, jetzt wird das Spatzenhirn auch noch aufsässig“, grinste Phillip, „Wie konntest du nur das Aufnahmeexamen bestehen? Du fühlst dich bestimmt ganz toll, weil du hier auf dieser hoch angesehenen Schule aufgenommen wurdest, nicht? Aber warte es nur ab, die werden dich noch ganz schnell wieder loswerden wollen!“
„Wie wäre es, wenn wir ihm eine Glatze verpassen?“, fragte Victor, einer der Gangmitglieder von Phillip, der auch bereits eine Schere in der Hand hatte.
„Hmm, klingt gut, oder was meint ihr?“ Der Anführer sah seine anderen zwei Kumpanen mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck an, während Jake mit seinem Stuhl immer weiter zur Seite rutschte. Da er jedoch den Platz am Fenster hatte, war da nicht viel Spielraum zum Entkommen. Dank der vor und hinter ihm stehenden Tische hatten sie ihn bereits eingekreist und der Rest der anwesenden Klasse ignorierte das Schauspiel, schließlich war es nicht das erste Mal, dass etwas der Art mit Jake passierte. Da merkte man, dass ihn keiner so Recht leiden konnte. Alle hielten ihn für einen Dummkopf, der es sogar schaffte spätestens alle zwei Minuten über seine eigenen Füße zu stolpern und dadurch auf der Nase zu landen.
Phillips Bandenmitglieder nickten erfreut und bekamen diese hässlich erfreuten Mienen. Schon streckten sie ihre Hände nach dem entsetzten Jake aus, um ihn festzuhalten und seine Haare komplett zu stutzen.
„Willst du nicht nach deiner Mama rufen?“, fragte Victor grinsend, „Sie...“
„Hey, das reicht jetzt.“ Ich war eigentlich nicht der Typ, der sich in solche Sachen einmischte, aber so langsam konnte ich das nicht mehr mitansehen.
„Was willst du denn?“, fragte Phillip sofort angriffslustig. Anscheinend wollte er wieder einen auf Obermacker machen, aber das funktionierte bei mir nicht.
„Lasst den Schwachsinn, das geht jetzt wirklich zu weit“, sagte ich und marschierte an den Einzeltischen vorbei auf die versammelte Gruppe zu. Dass mich dabei noch einige Augenpaare mehr beobachteten, ignorierte ich erstmal.
„Wieso sollten wir?“ fragte Victor, „Du bist noch nicht mal Klassensprecherin, also spiel dich hier nicht so auf. Sonst bist du die Nächste...“
Gut, dass ich mir mein Trinken immer aus dem Wohnhaus mitnahm. Die Flasche mit dem Wasser war schnell geöffnet und ich schwenkte sie so, dass der liebe Phillip und seine Gang eine schöne Dusche bekamen. Geschah ihnen nur recht.
„Jungs“, sagte ich mit einem drohenden Lächeln, „Ihr scheint nicht zu kapieren, wen ihr vor euch habt. Aber ich glaube nicht, dass ihr vergessen habt, was ich mit Martin gemacht habe, als er etwas Ähnliches wie ihr gerade versucht hat, oder?“
Es war durchaus unterhaltsam zu sehen, wie sie einer nach dem anderen schluckten und langsam aber sicher zurückwichen. Dabei hatte ich Martin damals nur mit einer kleinen Schere gedroht ihn zu kastrieren, wenn er nicht aufhörte meine Freundinnen und mich zu belästigen. Dass ich zu dem Zeitpunkt bereits die süße Heckenschere in der Hand gehabt, ihn gut geplant in eine Sackgasse gelockt und so k.o. geschlagen hatte, dass er sich nicht hatte wehren können, war vielleicht ein kleines Trauma für ihn gewesen, aber doch nicht so verheerend, oder? Obwohl, seitdem war mir der Typ nicht mehr unter die Augen gekommen und die meisten Jungen vermieden es sich mit mir anzulegen. Vielleicht hätte ich es doch nicht ganz so dramatisch machen sollen.
„Also“, brauchte ich nur noch zu sagen, „Seht zu, dass ihr verschwindet!“
Die vier fielen beinahe über sich selber, als sie schleunigst die Flucht ergriffen und fast die übrigen Schüler hier in der Klasse über den Haufen rannten. Ich sah ihnen nur mit einer hochgezogenen Augenbraue hinterher und blickte dann zu den anderen, die mich wie immer mit großen Augen anstarrten. Lag wahrscheinlich daran, dass ich Klassen- und Jahrgangsbeste war. Dieser Umstand und dann noch meine Umgangsweise mit solchen Kerlen schienen in den Augen der meisten nicht ganz zusammenzupassen.
„Ehh.. danke...“, brachte Jake nach einigem Zögern hervor und blickte ein wenig ängstlich zu mir.
Ich sah den fast achtzehnjährigen Jungen einen Moment lang an. Sein Aussehen war gar nicht mal so schlecht. Hellblonde bis flachsfarbene Haare wie aus dem Bilderbuch und wunderschöne, himmelblaue Augen mit einigen dunklen Sprenkeln. Das beige Hemd und die kastanienbraune Hose der Schuluniform unserer männlichen Mitschüler standen ihm auch perfekt. Wäre da nicht dieser unübertroffene Hang zur Tollpatschigkeit, der ihn zum Gespött der gesamten Akademie machte.
Bei dem Dank war es ihm auch unabsichtlich gelungen mit einer kleinen Bewegung seine Federtasche vom Tisch zu stoßen. Nur hatte er scheinbar nicht den Mut sich zu bewegen und seine Sachen einzusammeln, solange ich noch neben ihm stand. Manchmal staunte ich darüber, wie ein derart schöner Junge, der auch noch so ein ungewöhnliches Charisma um sich hatte, so dämlich sein konnte. Es war mir unbegreiflich.
„Pass gefälligst auf dich selber auf, Idiot“, erwiderte ich nur kalt und kehrte zu July, Susan und Clare zurück, die sich bereits auf ihre Plätze in der Mitte gesetzt hatten. Meiner war direkt neben ihren und ich legte meine Tasche auf den Tisch.
„Du weißt wirklich, wie man die aufmüpfigen Leute unter uns im Zaum hält“, stellte July fest, deren Gesichtsausdruck mir ohne Zweifel zeigte, dass sie wie immer begeistert war. Wann immer ich damit anfing unsere Rebellen zur Ordnung zu rufen, hatte sie diese schon beinahe funkelnden Augen und war fast wie aus dem Häuschen.
„Aber dank dir ist es ein wenig ruhiger geworden“, fügte Susan noch hinzu, „Vor über einem Jahr hätte Jake jetzt wahrscheinlich schon einen unansehnlichen, neuen Haarschnitt bekommen.“
„Weil sich sonst keiner traut den Mund aufzumachen“, kommentierte ich unbeeindruckt.
„Na ja, das sind meistens ja die reicheren Jungen mit einflussreichen Eltern“, bemerkte Clare, „Hier lassen sie ihren ganzen Dampf ab und wenn wir uns wehren, bekommen unsere Familien große Probleme. Da können wir nicht viel machen.“
„Bei mir scheinen sie sich das ja nicht zu trauen.“ Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und bereitete mich schon mal auf einige langweilige Unterrichtsstunden vor.
„Das wäre ja auch lebensmüde.“ July saß zufrieden grinsend auf ihrem Stuhl und sah mich wieder mit leuchtenden Augen an. „Außerdem bist du viel männlicher als die meisten Jungen hier. Würdest du eine Hose tragen und deine Haare hochmachen, wärst du der perfekte Junge und keiner würde den Unterschied merken. Ich wünschte wirklich, du wärst einer. Dann wärst du mit Sicherheit der Schwarm aller Mädchen hier.“ Sie sagte das mit solch einem Elan und niederschmetternder Ehrlichkeit, dass ich ihr nicht böse sein konnte.
Dabei war ich eigentlich nicht allzu begeistert davon als Junge bezeichnet zu werden. Auch wenn es wohl einige Vorteile mit sich bringen würde. „Danke…“
„Sie hat aber recht“, stimmte jetzt auch noch Clare mit ein, „Von dir könnten sich diese ungehobelten Schwachköpfe mal eine Hälfte abschneiden. Du bist von uns allen die Erwachsenste.“
„Nicht?!“ July war fröhlich wie ein Kleinkind an Weihnachten. Manchmal erschien es mir auch mehr als wäre sie erst zwölf und nicht sechzehn. Besonders mit ihrer wunderbar gelockten, weizenfarbenen Haarpracht, die sie immer zu zwei süßen Zöpfen hochband. Ich konnte nicht anders als sie wie eine kleine Schwester ansehen. So stellte ich mir jedenfalls ein liebes, kleines Schwesterchen vor.
Susan schmunzelte genau wie ich. Sie war siebzehn und schon sehr reif. Dank July und Clare, unseren jüngeren Freundinnen, wurde es jedoch nie langweilig und eine ernste Stimmung herrschte so gut wie nie.
„Wah!“
Wir blickten leicht überrascht auf.
„Aua...“ Jake rieb sich den Kopf. So wie er da zwischen Stuhl und Tisch saß, war er beim Einsammeln seiner Federtasche anscheinend mal wieder abgestützt. Mir war schleierhaft, wie er das angestellt hatte, doch wie es aussah, hatte er sich dabei auch den Kopf gestoßen. Ein Tollpatsch durch und durch. Was er an einer Schule wie der hier suchte, konnte ich noch nicht mal erraten.
Dann kam allerdings der ziemlich strenge Mr Smith herein und ein Blick aus den nichts Gutes verheißenden Augen hinter seiner sportlichen Brille reichte aus, um die Klasse zum raschen Setzen zu bewegen. Auch Jake wollte sich beeilen, rutschte dabei jedoch prompt aus und schlug der Länge nach auf dem Boden auf. Alle starrten ihn wie vom Donner gerührt an und Smiths linkes Auge begann prompt zu zucken. Mir war schon vor einiger Zeit aufgefallen, dass er ein Perfektionist war und alles und jeden nicht leiden konnte, was nicht vollkommen war. Da hatte es ihm Jake natürlich besonders angetan, er stand ganz oben auf der Abschussliste des Lehrers. Ich schüttelte nur den Kopf, der Junge musste es schließlich gewöhnt sein.
Nachdem der Arme es endlich geschafft hatte sich auf seinen Platz zu setzen, stellte sich der Lehrer direkt hinter das Pult und musterte uns alle wie immer erstmal akribisch, bevor er grüßte. Anschließend verkündete er die Ergebnisse der letzten Mathearbeit und war wie immer enttäuscht darüber, dass nur die Hälfte der Klasse knapp über dem Durchschnitt war und es nur eine Einzige Person mit voller Punktzahl gab. Dass ich diese Schülerin war, überraschte mich nicht sehr. Es war das, was ich erwartet hatte. Mein Gehirn war einfach ziemlich rasch im Auffassen und das meiste beherrschte ich schon nur aus dem Unterricht heraus, es kam nicht allzu häufig vor, dass ich noch extra büffeln musste. Es war nur nervig für mich, wenn die Hausaufgaben zwar wie immer alles andere als anspruchsvoll, nur super zeitaufwendig waren. Ansonsten war die Schule für mich mehr wie ein sommerlicher Spaziergang. Es gab wesentlich spannendere Sachen, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen.
„Wenn das mal nicht die Angeberin aus Klasse elf b ist“, schallte plötzlich eine Stimme über die Wiese, die ich nur ungern hörte. Was wollte die alte Ziege denn dieses Mal? „Du sollst vor dem Unterricht ja mal wieder einige meiner Jungs ganz schön gedemütigt haben, stimmt das?“
Oh Mann, jetzt ging das wieder los. Rina Riken, die Oberzicke aus Jahrgang dreizehn, die es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht hatte mich herauszufordern und wann immer es ging am besten vor großen Menschenmassen zu demütigen. Oder im Stillen einen gemeinen Plan aushecken, wie zum Beispiel nachts mein Zimmer zu verwüsten, da allgemein bekannt war, dass mich selbst eine neben mir abgefeuerte Kanonenkugel nicht wecken würde, wenn ich erstmal schlief. Ja, die Gute ließ sich zusammen mit ihrem Zickenhaufen so einiges einfallen, um mir das Leben schwer zu machen.
„Und wenn schon“, erwiderte ich gelassen, „Außerdem danke für die Aufmerksamkeit heute Morgen, es war ein richtig aufmunternder Anblick.“
„Du hast doch selber Schuld, wenn du bei einem Sturm das Fenster offen lässt“, konterte Rina schadenfroh. Blöde Kuh, hatte sie gar nicht gemerkt, dass sie sich mit der Aussage selbst verraten hatte? Immerhin konnte sie schlecht wissen, dass ich das Fenster offen gelassen hatte, wenn sie nicht in meinem Zimmer gewesen war. „Aber jetzt zu der Sache, weswegen ich überhaupt zu dieser verpesteten Gesellschaft gekommen bin.“
Clare und Susan warfen mir warnende Blicke zu, während July das Geschehen wie immer voller Spannung beobachtete. Für sie war das wahrscheinlich fast wie ein guter Film.
„Du wirst dich gefälligst für dein Benehmen entschuldigen!“, forderte Rina nun und zeigte mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf mich, „Zudem verlange ich Entschädigung, weil du meine Freunde auch noch mit Wasser übergossen hast! Und das wird dich nicht billig kommen, also solltest du besser schon mal deine Ersparnisse von deinem Konto holen!“
Ich hob eine Augenbraue und stemmte eine Hand in die Hüfte. „Wenn die Schwachköpfe etwas wollen, sollen sie selber zu mir kommen und nicht ihre Freundin zu mir schicken“, sagte ich schließlich, „Außerdem, sollte so etwas nicht normalerweise andersherum sein? Beschützt nicht eigentlich der Junge das Mädchen? Solltest du dich mit dem ganzen Make-up im Gesicht nicht wenigstens etwas mehr wie eine Dame benehmen?“
„Das sagt gerade die Richtige!“ Jetzt schien Rina erst richtig bissig zu werden. „Du bist doch die ohne jeden weiblichen Charme! Sieh nur mal deine Brüste an, das ist doch nicht mehr als A und du bist siebzehn! Dass du dich dafür nicht schämst!“
Okay, meine Figur war wirklich nicht unbedingt weiblich, das musste ich zugeben. Aber es konnte ja auch nicht jeder Gleich C oder noch größer haben. Außerdem konnte ich doch nichts für meine Figur, was das anging kam ich halt zu fast neunzig Prozent nach meinem Vater.
„Ich habe nie behauptet, dass ich so etwas wie weibliche Reize besitze.“ So langsam ging mir das auf die Nerven. „Und jetzt entschuldige mich, wir wollen gerne noch was essen, bevor die Clubaktivitäten beginnen.“
„Hier geblieben!“, schrie Rina wütend, „Bleib stehen, Christarose!“
Das hätte sie jetzt nicht sagen sollen. Mit einem Ruck drehte ich mich um und sah sie mit vor Wut funkelnden Augen an. „Jetzt hast du es geschafft“, zischte ich, „Insanis velit!“
Da stand so ein lieber Gärtner mit einem wunderhübschen Gartenschlauch ganz in der Nähe und war mit dem Gießen einiger Stiefmütterchen beschäftigt. Wie zufällig jedoch geriet ihm doch glatt der Schlauch außer Kontrolle und spitzte das Wasser wahllos durch die Gegend. Wie durch ein Wunder jedoch wurden die anderen Schüler verschont, nur das süße Mädchen mit den langen schwarzen Haaren, die in einem langweiligen Dutt steckten, bekam die volle Breitseite an Wasser ab und stand anschließend triefend wie ein begossener Pudel da, unfähig etwas zu sagen.
„Wag es nicht mich so zu nennen“, fauchte ich und wandte mich gleichzeitig von ihr ab. Da niemand glauben würde, dass ich etwas mit dem verrücktspielenden Gartenschlauch zu tun haben könnte – schließlich hatte ich den die magischen Worte nur geflüstert – konnte ich mir getrost jede Erklärung sparen. Es würde einfach ein ziemlich dummer Zufall sein, sollte mich jemand danach fragen.
Aber ich konnte es auf den Tod nicht leiden, wenn man mich mit meinem vollen Namen ansprach. Den verdankte ich nämlich einer absolut bescheuerten Familientradition, laut der in den Namen eines Mädchens immer ein „Rose“ gehörte. So war ich nicht Christina, den Namen fand ich schon nicht besonders toll, aber noch akzeptabel, sondern Christarose. Am liebsten hätte ich meine Mutter für diesen Namen verflucht, doch das wäre schwarze Magie und die war verboten. Dumm gelaufen.
Als wir schließlich mit dem Essen in der riesigen Kantine, die einen mehr an ein fünf Sterne Restaurant erinnerte, fertig waren, schlenderten wir gemütlich zu den Sportplätzen ein ganzes Stück hinter dem Hauptgebäude. Man konnte die ganzen Plätze aber durch die vielen Bäume außen herum gar nicht sehen. Überhaupt schien das ganze Gelände der Akademie von einem Wald eingeschlossen zu sein und überall standen immer wieder einzelne oder Gruppen von Bäumen. Mit den vielen Büschen und den Blumenbeeten zwischen den Gebäuden sah das alles natürlich idyllisch und wunderschön aus, ich mochte es richtig. Auch wenn es mich trotzdem wunderte, dass ein Areal von über drei Quadratkilometern allein der Dalton Academy gehörte.
„Heute werde ich den Aufschlag definitiv besser hinbekommen“, versprach July und sie schien sich schon jetzt auf unsere Doppelmatches zu freuen, „Die heutige Runde Badminton gewinnen Chris und ich!“
„Na das werden wir ja noch sehen!“, fiel Clare sofort in ihre Begeisterung mit ein, „Susan und ich werden nicht verlieren!“
Diese und ich sahen uns nur schmunzelnd an und stimmten dann unseren jeweiligen Teampartnern brav zu. Da man Badminton sowohl als Einzel, mit auf jeder Seite einem Spieler, und als Doppel, mit auf jeder Spielfeldseite zwei Leuten, spielen konnte, verbrachten wir die meiste Zeit immer als Teams und schlugen uns die Federbälle um die Ohren, wie es sich für ordentliche Matches gehörte.
„Hey ihr vier Lausemädchen!“, rief plötzlich Mr Wrick vom Spielfeld aus, wo er gerade mit einigen Jüngeren am Trainieren war, „Ihr seid fast fünf Minuten zu spät!“
„Tut uns leid!“, rief Susan.
„Aber da war so eine Zimtzicke, die uns aufgehalten hat!“, beendete ich die kurze Entschuldigung und verschwand mit den anderen drei im Umkleidehäuschen, das mitten zwischen den Spielfeldern stand.
Von denen hatten wir auch ziemlich viele: drei für Tennis, zwei ziemlich große für Fußball, ein Lacrossefeld, zwei für Volleyball, drei Badmintonfelder, eines für Basketball und sogar ein Hockeyfeld. Dazu kam noch die große Turnhalle, die man durch stabile Vorhänge in drei Teile unterteilen konnte, die der normalen Größe einer Turnhalle entsprachen. Ja, meiner Meinung nach besaß da jemand zu viel Geld und Langeweile. Wer bittschön würde eine Schule für fast arme, mittelmäßige und nur teilweise reiche Leute so groß aufziehen? Der Schulleiter besaß eindeutig zu viel Kohle und Freizeit, zumindest hatte ich gehört, dass er die Planung und Finanzierung der Akademie allein vorgenommen hatte. Der Mann war mir suspekt, obwohl ich ihn noch nicht mal kannte.
Nachdem wir uns umgezogen hatten, wurden July, Clare, Susan und ich mal wieder als Vorzeigebeispiel für die Anfänger benutzt und sollten ein richtiges Match simulieren. Da wir zu spät gekommen waren, durften wir uns noch nicht mal mehr ordentlich aufwärmen, das war unsere Strafe. Und wir mussten nachher auch alles aufräumen. Wrick konnte manchmal ganz schön hart sein, aber er war ein guter Mann. Wir alle mochten ihn, die Neuen hatten den heiteren Mann sofort liebgewonnen und auch wir Älteren schätzten ihn sehr. Seine fröhliche aber durchaus strenge Persönlichkeit und die Art wie er uns zu motivieren pflegte – ein meiner Meinung nach ziemlich peinliches Ritual – brachten uns immer in eine gute Stimmung. Der Kurs machte uns allen einfach nur Spaß.
So kloppten auch meine drei Freundinnen und ich uns wieder wie die Verrückten und der Federball sauste nur so durch die Luft. Von einer Seite zur anderen ging es, von vorne nach hinten und gelegentlich auch richtig an die Front. Clare flog der Ball heute sogar voll gegen die Stirn, weshalb das gelegentlich etwas launische Mädchen gute zehn Minuten lang schmollend auf einer Bank neben dem Spielfeld saß. Bis ich einmal, als der Ball von oben kam gekonnt daneben schlug, und mir der Federball anschließend direkt auf den Kopf fiel. Da lag sie dann gackernd am Boden und leistete July Gesellschaft, die sich lachend über den Platz rollte und aus ihrem Lachkrampf gar nicht mehr rauskam. Allerdings kicherte auch Susan lauthals, nachdem sie vergeblich versucht hatte ihre Belustigung zu unterdrücken, und letztlich konnte auch ich mich nur köstlich über mich selber amüsieren. Manchmal gelangen halt auch mir solche eleganten Patzer. Wenigstens hatten wir so was zu Lachen.
Schlussendlich aber war es achtzehn Uhr und der Kurs war für heute vorüber. Geduldig warteten wir, bis auch die größten Quatschköpfe endlich ihre Federbälle weggepackt hatten und in der Umkleide verschwunden waren, ehe wir damit anfingen die Plätze zu fegen und die vergessenen Sachen einzusammeln. Ich durfte auch noch mal hinter die Umzäunung latschen, da es mir gelungen war einen der Bälle so zu verschlagen, dass er glatt über die Begrenzung geflogen und irgendwo zwischen den Bäumen ringsum gelandet war.
„Wo bist du blödes Ding?“ Jetzt suchte ich schon seit fast zwei Minuten, obwohl ich mir noch extra die Stelle gemerkt hatte, an der der Federball etwa sein sollte. Doch von dem weißen Teil war nichts zu sehen und in den Zweigen der Bäume schien er auch nicht zu hängen. Stirnrunzelnd stellte ich mich wieder hin und sah mich um. Das weiße T-shirt war leicht verschwitzt, wovon die kastanienbraune Shorts weitestgehend verschont geblieben war, sodass ich bei kühleren Temperaturen wahrscheinlich zu frösteln angefangen hätte.
Als ich gerade schulterzuckend aufgeben wollte, beschlich mich auf einmal ein ungutes Gefühl. Ich drehte mich langsam um mich selbst und hielt nun mit allen Sinnen nach der Unstimmigkeit Ausschau, die dieses Gefühl verursachen musste.
Im nächsten Augenblick fiel mir nicht weit entfernt ein Schüler auf, der jedoch irgendwie ungelenk über das Gras strackste und auf das Hauptgebäude zuzugehen schien. Etwas stimmte nicht mit ihm, das spürte ich sofort. Zu sehen war es auch, denn seine Haut war ungewöhnlich blass und seine Augen starrten vollkommen ins Leere, von der komischen Art sich zu bewegen ganz zu schweigen. Und mein Gefühl sagte mir, dass dafür etwas verantwortlich war, was die normalen Menschen nicht wissen mussten.
Kurzentschlossen schritt ich über das Gras und stellte mich keine fünf Meter entfernt von dem Jungen auf, ich schätzte, dass er in die zwölfte Klasse ging. Sobald er mich richtig wahrnahm, streckte er die Hände auch schon nach mir aus und torkelte nun wesentlich eiliger in meine Richtung.
„Secretum vestras date et vera forma“, murmelte ich, während ich dem ersten Versuch mich zu packen geschickt auswich. Ich merkte kaum, wie die Magie auf meine Augen übergriff und ich nun imstande war zu sehen, was sich in dem Körper des Jungen verbarg. Was ich sah, überraschte mich mehr als nur ein wenig. Es war kein harmloser Lacerta oder Talpa, die manche Magier einem Menschen als eine etwas derbe Art Streich einsetzten und die nach einer gewissen Zeit aber von selbst wieder verschwanden. Es war ein Meles, ein Maderdämon, der einen Menschen das Leben kosten konnte, wenn er zu lange in seinem Körper hauste und dessen Energie fraß. Der Junge war verflucht!
„Schwarze Magie“, hauchte ich und musste nun einen größeren Satz zur Seite machen, da es dem von der Gestalt her maderähnlichen Dämon, dessen Silhouette ich über dem Körper des Jungen sehen konnte, anscheinend zunehmend besser gelang den Körper seines Opfers zu kontrollieren.
Zwar schafften es diese Biester nicht selten auch ohne Nachhilfe einen Menschen zu besetzen, doch bei diesem hier konnte ich den von ihm ausgehenden schwarzen Rauch sehen, der ein eindeutiges Zeichen für die Kontrolle eines Schwarzen Magiers war. Jemand hatte den Dämon erst beschworen und dann durch einen Fluch dem Jungen eingesetzt. Nun verstand ich auch, warum der Arme so ausgemergelt aussah. Der Dämon musste bereits eine ganze Menge seiner Lebensenergie verschlungen haben.
Plötzlich schoss Noel direkt vor dem Jungen längs und verhinderte damit, dass er sich mit einem Hechtsprung auf mich stürzte, sondern sein Interesse kurzzeitig dem Vogel gebührte. Mein süßer Noel war mir schon den ganzen Tag über immer in einiger Entfernung gefolgt, daher wunderte es mich nicht, dass er jetzt aufgetaucht war. Immerhin war er das schlaueste Tier, das mir bisher begegnet war.
„So, Zeit für eine Austreibung“, sagte ich ernst und stellte mich sicher hin. Jetzt musste ich mich konzentrieren, denn der eigentlich noch recht einfache Zauber konnte falsch gesprochen auch nach hinten losgehen und mich verletzen. „Daemonium, ego coniuro te.“
Wie es aussah, war der Marderdämon gar nicht mal so dumm. Er schien zu merken, was ich vorhatte, wurde prompt aggressiv und schenkte mir seine volle Aufmerksamkeit.
„Daemonium, ego imperium vestrum.“
Mit einem wütenden Knurren stürzte der Junge auf meine Wenigkeit zu und versuchte mich an meinen Haaren zu packen, doch ich konnte ihn dank meiner Kampfkünste gerade noch mit einem Schlag abwehren. Auch wenn ich die Konsequenz zu spüren bekam, mein linker Arm war danach so gut wie komplett taub. Die Schwarze Magie hatte sofort auf mich übergegriffen und lähmte prompt meinen Körper. Würde ich nicht so viel magische Kraft besitzen, hätte nur diese eine Berührung ausgereicht mich komplett zu lähmen und damit in Lebensgefahr zu bringen.
„Daemonium, ego deme te.“
Ein letzter verzweifelter Versuch des Widerstandes gegen den Übernahmezauber – mit dem ich meinerseits praktisch den Dämon beschwor, ihn damit von der Kontrolle des Schwarzen Magiers befreite, und anschließend verbannte – brachte mir noch eine dicke Schramme am rechten Unterarm und zusätzliche Taubheit in diesem Körperteil, doch das half auch nichts mehr.
„Relinque corporis!“
Der Junge samt Dämon erstarrte und ein entsetzlicher Schrei entrang sich seiner Kehle. Einen Moment lang versuchte sich der Dämon noch gegen meinen Zauber zu wehren, doch schließlich wurde er von meiner Macht fortgerissen und der Junge verstummte. Danach fiel er ohnmächtig zu Boden und blieb liegen. Sein Atem war flach und ein wenig unregelmäßig, doch er würde es überstehen.
Ich atmete ein wenig schwer, da ich an diesem Tag schon recht häufig Gebrauch von meinen magischen Kräften gemacht und noch Badminton gespielt hatte. Davon abgesehen ging mir die Taubheit meiner Arme ziemlich auf die Nerven. „Perit surditas“, flüsterte ich, woraufhin das Gefühl langsam wieder in meine Arme zurückkehrte und ich die Schramme mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte. Sah nicht so aus, als würde sie irgendwelche Nachwirkungen mit sich ziehen. Einzig beim Duschen würde sie wahrscheinlich brennen, worüber ich sehr begeistert war.
Noel landete nun fröhlich zwitschernd auf meiner Schulter und ich streichelte dem Vogel lächelnd das kleine Köpfchen, was er ziemlich genoss.
Plötzlich jedoch hörte ich in unmittelbarer Nähe ein Klatschen und als ich mich ruckartig umdrehte, stand ein Mann mittleren Alters vor mir.
„Du beherrscht Magie?“ Diese Frage klang keineswegs verwundert, wie man es an dieser Stelle wohl annehmen sollte. Es hörte sich viel eher wie eine Feststellung an, die nach einer Bestätigung verlangte und sie auch erwartete.
Ich sah den Mann einen Moment lang nur völlig irritiert an. Wie war es ihm gelungen sich mir so weit zu nähern, ohne dass ich es auch nur ansatzweise mitbekommen hatte? Außerdem war seine Haltung bereits so von Autorität und Würde erfüllt, dass ich ihn keineswegs für einen normalen Menschen hielt. Er war eine Person, die es gewohnt war Befehle zu erteilen und das Ruder in der Hand zu haben. Schon diese drei kurzen Worte hatten ausgereicht, mir das klarzumachen.
„Ja“, antwortete ich nach einigem Zögern misstrauisch.
„Hmmmm...“ Auf einmal beugte der Kerl sich vor und schien mich von oben bis unten beinahe akribisch zu mustern. „Du solltest besser duschen, bevor wir in meinem Büro mal ein bisschen plaudern“, sagte er dann grinsend. Aus irgendeinem Grund schien diese Witzfigur hoch erfreut zu sein.
Mein erster Eindruck schwand von Sekunde zu Sekunde, als mir seine eigentliche, wenig ernsthafte Persönlichkeit auffiel. Auch fand ich seinen Aufzug irgendwie ein wenig schräg. Der weiße Blazer sah ja noch normal aus und auch die ebenfalls weiße Shorts, die aber so wie die Hose eines Smokings geschnitten und mit feinen Nadelstreifen besetzt war, konnte man noch als annähernd normal erachten. Aber die viel engere, dünne Hose mit breiten, abwechselnd rosanen und dunkelblauen Streifen darunter wollte irgendwie nicht ganz ins Bild passen. Dazu trug dieser komische Kauz auch noch eine rosane Krawatte mit dunkelblauen Punkten und auf seinem kurzen, schwarzen Haar thronte noch ein hoher weißer Zylinder. Ich konnte mir einfach nicht helfen, nach meiner Einschätzung litt dieser Typ entweder unter extremen Geschmacksverirrungen oder hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank.
„Nur nicht so schüchtern, ich beiße schon nicht“, grinste er noch, als er sich zum Gehen wandte und mit dem eleganten, schwarzen Spazierstock mit Silberknauf in seiner Hand spielte, „Ich erwarte dich in Raum 777.“
Damit war der Mann auch schon wieder zwischen den Bäumen verschwunden und ich sah ihm nur mit etwas entgleisten Gesichtszügen hinterher. Was war das denn jetzt gewesen? So ein komischer Vogel war mir ja noch nie begegnet und ich hatte absolut keine Ahnung, was ich davon halten sollte. Jedoch hatte er gerade anscheinend eine Raumnummer im Hauptgebäude genannt, also musste er zur Akademie gehören. Nur wenn ich mich recht entsinnte, gehörte die Raumnummer einer Person, die dieser Kauz wohl kaum sein konnte. Wahrscheinlich sollte ich mir den Grundriss und die Räume mal wieder neu einprägen.
„Hey! Chris! Wo bist du?“, erklang der Ruf von July, die sich durch meine lange Abwesenheit anscheinend Sorgen machte. Wobei sie sich wahrscheinlich weniger Sorgen um mein Wohlbefinden, sondern mehr Sorgen darüber machte, dass sie etwas verpassen könnte.
„Hier!“, rief ich nur und kam ihr bereits entgegen.
„Hast du den Schrei eben auch gehört?“, fragte July sofort aufgeregt.
„Ja, aber scheint weiter weg zu sein, ich hab hier jedenfalls niemanden gesehen“, antwortete ich. Es war eine Lüge, aber Tante Rosebad hatte mir eingeschärft, niemandem etwas über meine magischen Kräfte oder etwas, was damit zu tun hat, zu verraten. Das zählte leider auch für meine drei Freundinnen.
„Schade, das hatte sich nach was Spannendem angehört.“ Sie klang richtig enttäuscht.
„Ich denke mal, dass da nur jemand einen anderen ziemlich erschreckt hat“, versuchte ich sie zu trösten, auch wenn ich sie eigentlich nicht gerne anlog.
Damit schien die Gute leben zu können und wir kehrten zu Clare und Susan zurück. Die beiden erwarteten uns natürlich schon und gemeinsam kehrten wir zu unseren Wohnhäusern zurück, wobei wir uns auf dem Weg wie üblich aufteilten, da Susan und Clare in Haus Nummer 3 und July und ich in Nummer 5 wohnten. Dort angekommen ging ich erstmal duschen, auch wenn die Schramme an meinem rechten Unterarm, die ich gekonnt vor den drein versteckt hatte, wirklich höllisch brannte. Anschließend fühlte ich mich gleich wieder etwas munterer und nachdem ich unter Noels wachsamen Augen ein großes Pflaster auf die Stelle klebte, kehrten meine Gedanken zu dem komischen Kauz zurück.
„Was meinst du?“, fragte ich meinen Vogel, „Soll ich diesem Kerl einen Besuch abstatten oder besser nicht?“
Der Seidenschwanz legte nur sein Köpfchen schief. Noel war etwa sechzehn Zentimeter groß und wie für diese Art typisch, sah er von weitem eher graubraun aus, doch aus der Nähe konnte man die schöne, hellbraune Grundfärbung seines Federkleides bewundern. Seine Schwanzfedern endeten erst schwarz und an der Spitze dottergelb und die Federn seiner Flügel waren schwarz mit gelber Umrandung, wobei einige auch rötlich endeten oder weiße Kleckse aufwiesen. Zudem hatte mein süßer Noel natürlich auch das unverkennbare Kennzeichen der Seidenschwänze: die spitz nach hinten verlaufende und sich teilweise aufrichtende Federhaube. Von seinem kräftigen, schwarzen Schnabel aus zog sich über seine Augen bis zum Nacken noch ein tief schwarzer Streifen mit einer feinen, weißen Umrandung. Meiner Meinung nach war er der schönste Vogel, den es gab. Allerdings hatte ich gerade anderes im Kopf und konnte mich nicht in seiner Bewunderung verlieren.
Tantchen hatte mir eingeschärft, niemals merkwürdigen Leuten zu vertrauen, die mir nicht geheuer waren. Denn Schwarze Magier hatten viele Tricks, um ihre Macht zu verbergen, sodass ich mich nicht unbedingt auf mein Gespür verlassen konnte. Aber so suspekt mir der Mann von vorhin auch war, ich hatte nicht das Gefühl, dass er zur dunklen Seite der Magie gehörte. Und schließlich hatte Rosebad mir auch gesagt, dass ich zwar vorsichtig sein, aber im Zweifelsfall immer auf meine Intuition vertrauen sollte.
„Na dann.“ Ich stand auf, knöpfte meine beige Bluse zuende zu und steckte sie in den Rock. Anschließend verließ ich mein Zimmer und überquerte wiedermal den für mich üblichen Teil des großen Schulgeländes, bis ich beim Palast ankam, wie ich das große Hauptgebäude zu nennen pflegte. Da ich das Gebäude mit seinen vier Stockwerken, wobei das Erdgeschoss in den ersten Stock hineinragte und es damit nur drei Etagen plus Dachboden gab, nach wie vor fast auswendig kannte, hatte ich keine großen Probleme Raum Nummer 777 zu finden. Jedoch ließ mich das goldene Schild an der Eichenholztür stutzen. In geschwungener, schwarzer Schrift stand dort Direktor M. Dalton. Das würde allerdings heißen, dass ich mich doch nicht vertan hatte, was wiederum bedeutete, dass sich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten.
„Komm doch herein.“
Ich staunte noch nicht mal darüber, dass er mich schon bevor ich klopfen konnte bemerkt hatte. Nun öffnete ich die Tür und fand mich tatsächlich im Büro des Schuldirektors wieder. An beiden Seiten des rechteckigen Raumes standen hohe Schränke, teilweise mit Glastüten, sodass man die Ordner dahinter sehen konnte. Die Wände waren schlicht weiß und auf dem Boden war ein tief dunkelroter Teppich verlegt worden. Am hinteren Ende stand mittig ein großes Pult mit einem bequemen, ledernem Schreibtischstuhl dahinter und zwei normalen Stühlen davor. In die von der Tür aus gegenüberliegenden Wand, vor der auch der komische Kauz in seinem Stuhl hinter dem Pult saß, waren vom Boden bis zur Decke reichende Fenster eingelassen, sodass er hier im zweiten Stock eine wunderbare Aussicht über das Gelände genießen konnte, wenn er nicht gerade die schweren Vorhänge an beiden Seiten zuzog. Irgendwie kam mir dieser Raum zu normal vor, wenn man den Aufzug des Direktors beachtete. Einzig auf dem großen Schreibtisch herrschte noch ein wenig Unordnung, aber das war kaum der Rede wert.
„Also“, sagte ich schließlich, als eine Weile lang Schweigen geherrscht hatte, „Was wollen Sie von mir?“ Da er eindeutig über Magie bescheid wusste, nahm ich nicht an, dass er mich ausfragen würde, was ich da vorhin mit dem Jungen gemacht hatte. Diesen hatte der Rektor ja auch mitgenommen. Nur was wollte er dann von mir? Und wie viel wusste er eigentlich?
„Aber, was bist du denn so ernst?“, fragte Rektorchen Dalton fröhlich und hielt in der einen Hand eine Kanne Tee und in der anderen eine Tasse samt Untersetzer. Die zweite Tasse balancierte er irgendwie ohne jegliche Schwierigkeiten auf der Kante seines Zylinders. Langsam wurde ich mir wirklich sicher, dass er einen Knall hatte. „Ich sagte doch, dass wir uns nur mal nett unterhalten sollten.“
„Ich glaube kaum, dass mich der Direktor in sein Büro bestellen würde, wenn er nur mal eine Runde plaudern will“, stellte ich immer noch ernst fest. Die Bezeichnung „Direktor“ hatte ich dabei besonders betont, um ihn mal davon in Kenntnis zu setzen, was ich von ihm hielt.
„Oje, du scheinst ja eine ganz schöne Spielverderberin zu sein“, sagte er enttäuscht.
Ich konnte leider nicht ganz verhindern, dass meine Gesichtszüge sich bei dem Kommentar ein wenig entgleisten. „Spielverderberin?“ Auf was für einem Trip war dieser Kerl?
„Dabei habe ich mir solche Mühe mit dem Tee gegeben“, seufzte Dalton schon beinahe anklagend und stellte das Geschirr auf den Tisch, bevor er seinen Zylinder abnahm und mit der Öffnung nach oben vor sich hielt. Er klopfte zweimal mit seinem Spazierstock auf die Krempe des Hutes, drehte diesen dann um und stellte ihn auf das Pult. Als er ihn anschließend wieder anhob, kam darunter ein hübscher Teller mit Gebäck zum Vorschein. „Von den Keksen gar nicht zu sprechen.“
Ich stöhnte zwar, trat aber letztlich vor den Schreibtisch des schrägen Schulleiters und ließ mich auf einen der Stühle sinken. Danach nahm ich mehr der Höflichkeit wegen einen der Kekse und biss vorsichtig hinein, nachdem ich ihn vorher noch skeptisch gemustert hatte. „Lecker“, rutschte mir dann versehentlich heraus, denn ich war ziemlich überrascht davon, dass er tatsächlich gut schmeckte.
„Na also“, lächelte Dalton daraufhin und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, während er die Kanne mit seinem Stock über die beiden Tassen hielt und uns Tee einschenkte, „Bei leckerem Gebäck lässt es sich doch viel besser reden.“
Ich musste wohl nicht extra sagen, dass dies Ansichtssache war. Aber nachdem ich mir sicher war, dass auch der Tee nichts Verdächtiges enthielt, nahm ich einen Schluck und war zum zweiten Mal erstaunt. Außerdem fing ich langsam an mich ein wenig zu entspannen. Das Aroma des Tees war angenehm und nicht zu aufdringlich, wobei mir schwante, dass das auch die Absicht hinter dem Getränk war.
„Nun aber zu dem, was du wahrscheinlich schon erwartet hast“, sagte der Direx und trank selber einen Schluck, bevor er fortfuhr und mich dabei mit seinen tiefen dunkelgrauen Augen ansah, „Deine magischen Kräfte sind beeindruckend. Du warst sogar in der Lage den Besessenen zu spüren und dann auch noch den Dämon auszutreiben. Ich nehme an, du hattest einen Mentor, der dich das gelehrt hat.“
Ich überlegte einen Augenblick, bevor ich antwortete. „Ja, meine Tante hat mir einiges darüber beigebracht.“
„Und du bist Christarose MacAlister, nehme ich mal an“, sagte er und hielt auf einmal einen kleinen Stapel Zettel in der Hand, wo ich auf dem Obersten kurz ein Bild von mir hatte sehen können.
Allerdings zuckte mein linkes Auge, als der Gute meinen vollen Namen ausgesprochen hatte. „Ich rate Ihnen, mich nur Chris zu nennen“, sagte ich mit leicht drohender Stimme, „Ich kann meinen Namen nicht leiden und manchmal handle ich dann schneller als mein Kopf nachdenken kann.“
„So wie mit dem Gartenschlauch heute Mittag?“
Für einen Sekundenbruchteil wurden meine Augen schmal.
„Wie du sicher schon gemerkt hast, habe ich von hier oben eine gute Aussicht“, bemerkte Mr Dalton, „Aber keine Sorge, sofern du die Schüler nicht verletzt und diese Streiche nicht zu häufig vorkommen, sehe ich davon ab dich zu bestrafen.“
„Wie freundlich“, murmelte ich nur abfällig.
„Hnhnhnhn.“ Der Rektor kicherte kurz, scheinbar hatte er mich gehört. „Wunderbar, deine Persönlichkeit ist noch besser als ich gehofft hatte. Es wird mir eine Freude sein deinen Werdegang zu beobachten.“
„Meinen Werdegang?“ Ich begann bereits zu ahnen, worauf das hinauslaufen würde.
„Du wirst ab morgen nach dem normalen Unterricht in den Blumenkurs gehen“, erklärte Dalton mit einem wissenden Lächeln, „Auch wenn du dich wahrscheinlich auch gelegentlich mal mit Blumen befassen wirst, ist die Hauptaufgabe des Kurses die Ausbildung in magischen Künsten.“
„Unterricht in Magie?“ Ich sah den komischen Kauz ungläubig an, als dieser während der Erklärung bereits angefangen hatte einige der Kekse schweben und über den Schreibtisch hopsen zu lassen.
„Jap.“ Er zeigte lächelnd mit seinem Spazierstock auf mich und die Kekse reihten sich auf, während ein Einzelner vor der Reihe stehen blieb. „Du wirst ab Morgen wie die anderen jungen Magier auf dieser Akademie speziellen Unterricht von ausgebildeten Magiern erhalten. Einige von ihnen sind auch als normale Lehrer hier tätig, also wundere dich nicht, aber andere wirst du ganz neu kennenlernen. Am besten du machst dich bei ihnen genauso gut wie hier im normalen Unterricht.“
Wie es aussah, wusste er nur allzu gut über mich, meine Familie und meine Leistungen bescheid. In diesen eineinhalb Stunden, bevor ich hierhergekommen war, schien er umfangreiche Nachforschungen betrieben zu haben.
„Sie wollen also, dass ich einfach so aus heiterem Himmel aus dem Badmintonkurs aussteige und in den Blumenkurs wechsle?“, fragte ich nochmal, nur um sicher zu gehen.
„Ausgestiegen bist du bereits“, erwiderte Dalton freundlich, „Und die Lehrer aus Kurs Nummer 313 wissen auch bereits, dass sie ab morgen eine neue Schülerin bekommen.“
„Wie bitte?“ Das konnte ich jetzt nicht glauben. „Sie haben mich ohne meine Zustimmung in einen anderen Kurs gesteckt?!“
„Ich bin immer noch der Schulleiter und befugt so etwas zu tun, wenn ich es für das Beste halte.“ Im Gegensatz zu mir blieb dieser Mann vollkommen ruhig und ließ sich auch nicht davon beirren, dass ich mittlerweile aufgestanden war.
„Glauben Sie ernsthaft, dass ich bei so etwas einfach mitmache?“, fragte ich sauer, „Es ist immer noch meine Entscheidung, was ich mache. Und wenn Sie schon so viel über mich wissen, sollte Ihnen das auch klar sein!“
„Das ist es durchaus“, sagte er und nippte an seiner Tasse, bevor er mich mit einem durchdringendem Blick ansah, „Aber bist nicht du es, die sich an den Schwarzen Magiern rächen will?“
Ich hielt erschrocken inne. Das war etwas, was nirgendwo stehen sollte, weshalb er auch nichts darüber wissen konnte. Aber dennoch wusste er dies genauso wie wahrscheinlich auch den ganzen Rest über mich und meine Gefühle. Es schien unmöglich zu sein, etwas vor diesem Mann zu verheimlichen.
Einer der Kekse schwebte durch die Luft nach oben direkt in meinen Mund, der mir vor Entsetzen offen stehen geblieben war. Das sorgte dafür, dass ich wieder aus meiner Starre erwachte und den Direktor verwirrt ansah.
„Keine Sorge, ich bin der Einzige, der außer dir noch davon weiß“, sagte Mr Dalton auf einmal mit einem warmen Lächeln, „Und ich kannte deine Familie, deswegen kann ich dein Denken so leicht durchschauen. Aber wenn du eben Gesagtes wirklich vorhast, meinst du nicht auch, dass du dich dann so gut wie möglich wappnen solltest?“
Langsam gewann ich meine Fassung zurück und biss von dem Keks in meinem Mund ab.
„Du würdest von dem Unterricht profitieren“, fügte der Mann noch hinzu und ließ die übrigen Kekse über den Tisch tanzen, „Mach dir die Erfahrungen der Lehrer zu Nutze und lerne von ihnen. Übe mit den anderen Schülern und gewinne mehr Erfahrungen, damit du eines Tages stark genug bist um gegen die dunklen Mächte zu bestehen.“
„Wer sind Sie?“ Irgendwie kam mir die Frage über die Lippen, ohne dass ich es wirklich beabsichtigt hatte.
„Nur der Schulleiter der Dalton Academy“, lächelte er und überschlug auf einmal die Beine auf seinem Tisch, wobei er beinahe einen Stapel Akten und Ordner zu Fall brachte und seine Beine auch nur knapp neben der Kanne mit dem Tee ruhten. Die Kekse turnten einfach über ihn hinweg, wie auch über die restliche Unordnung des Pultes.
„Sie sind ein schräger Vogel, wissen Sie das?“, fragte ich ein wenig resigniert.
„Tschiep tschiep.“ Jetzt schlug der Typ auch noch grinsend mit den Armen als wären sie Flügel. „Tschiep tschiep...“
Ich schüttelte nur den Kopf und ließ die Schultern hängen. Also ehrlich mal, wo war die ernste Stimmung hin? Dieser komische Kauz von einem Direktor war mir echt ein Rätsel. Einerseits schien dieser Clown bloß Stroh im Schädel zu haben, aber andererseits schienen da auch ein immenses Wissen und eine beachtliche Intuition zusammen mit einem zumindest halbwegs gesunden Verstand zu sein. Seine magischen Kräfte konnte ich mit Sicherheit noch nicht mal erraten, da er anscheinend sogar ohne irgendwelche Sprüche und nur mit bloßer Willenskraft in der Lage war Magie auszuüben. Das konnten wirklich nur die höchsten Magier und auch wenn er nicht so aussah, schien er ein Meister der magischen Künste zu sein.
„Anas“, flüsterte ich allerdings so leise ich konnte. Meiner Meinung nach sollte das Spatzenhirn mal von seinem eigenen Irrsinn getroffen werden.
Im nächsten Augenblick flatterten plötzlich ganze sechs laut quietschende Quietscheentchen über dem Kopf des Direktors, der daraufhin völlig verdattert mitsamt seinem Stuhl nach hinten purzelte und auf dem Boden aufschlug. Die Reaktion war allerdings heftiger gewesen als ich erwartet hatte, weswegen ich mir ein Kichern nicht verkneifen konnte. Das hatte der Kerl davon, geschah ihm nur recht.
„Hnhn, du kannst ja auch lachen“, stellte Dalton fest und wedelte mit seinem Spazierstock in der Luft. Der Stuhl stellte sich nun mitsamt dem Direx wieder richtig hin und er sah mich schmunzelnd an. „Auch wenn es auf meine Kosten war.“
Auf einmal starteten die Kekse einen groß angelegten Angriff auf mich und ich zog überrascht den Kopf ein. Jedoch waren die Kekse nicht blöd und griffen mich nun von mehreren Seiten und aus verschiedenen Höhen an, sodass ich zu einigen schiefen Verrenkungen gezwungen war.
„Was soll das denn?!“ Ich ruderte mit den Armen, als ich mich versehentlich zu weit nach hinten gelehnt hatte und aus dem Gleichgewicht geriet. Letztlich landete ich aber doch auf meinem Hintern und blickte wenig begeistert aus der Wäsche.
„Wenn du ab morgen zum Unterricht im Blumenkurs gehst, behalte bitte für dich, dass du auch ohne Zauberstab Magie anwenden kannst“, bemerkte Dalton und die Kekse zogen sich wieder auf ihren Teller zurück, „Benutz bitte in Gegenwart der anderen einen Zauberstab.. du hast doch einen, oder?“
Ich sah ihn von unten herauf resigniert an. „Virga magicae mei notis“, sagte ich lediglich und hielt daraufhin einen schlanken, schwarzen Zauberstab in der Hand, der einige hauchfeine silberne Verzierungen aufwies. „Sie meinen so etwas?“
„Reine Sicherheitsmaßnahme.“ Der Direktor schmunzelte wieder. „Es gibt nicht viele Magier, die ohne Zauberstab agieren können, und noch weniger in deinem Alter, also sei so lieb und verrate es keinem. Schließlich wollen wir dich in die Gruppe integrieren und deinen neuen Mitschülern nicht schon gleich im Voraus einen Schreck einjagen, denn sie sind noch auf dem Stand, dass man ohne Zauberstab keine Magie benutzen kann. Nicht dass sie sich bei einem Versuch dies zu tun noch selbst verletzen.“
Das konnte ich ausnahmsweise gut nachvollziehen, wobei ich diesen Umstand ohne Vorwarnung am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte. Nur hatte ich auf diese harte Weise ohne Stab lernen müssen meine magischen Kräfte zu kontrollieren, bevor ich meinen ersten Zauberstab erhalten hatte. Denn aus irgendeinem Grund schienen viele Magier nicht zu wissen, dass Zauberstäbe eigentlich nur dazu dienten die in einem wohnenden magischen Kräfte zu kontrollieren. Ohne war es schwer die ausströmende Magie richtig im Zaum zu halten, weshalb die Sprüche schnell außer Kontrolle gerieten und das besonders bei starken Zaubern gefährlich werden konnte. Komischerweise fiel mir das nicht schwer, nachdem ich das fast einem Jahr lang unter der Anleitung meiner Tante Rosebad geübt hatte. Einmal gemeistert war es kein Problem mehr, jedenfalls für mich nicht.
„Aber wann bitteschön habe ich dem Wechsel zugestimmt?“ Im Grunde war ich mittlerweile bereit zu wechseln, auch wenn ich mir noch eine gute Ausrede für July und die anderen beiden ausdenken musste. Doch ich musste den Direx wenigstens nochmal darauf hinweisen, dass ich meine Zustimmung noch keineswegs ausgesprochen hatte.
„Zu dem Zeitpunkt als du aufgehört hast mir zu widersprechen“, erwiderte Dalton mit einem kecken Grinsen, „Wahrscheinlich wird der Kurs es dir in der ersten Zeit etwas schwer machen, aber ich bin mir sicher, dass du damit klarkommen und dich beweisen wirst.“
„Rosige Aussichten“, stellte ich fest und kam wieder auf die Füße, „Sollte ich sonst noch etwas wissen oder beachten?“
„Hier hätte ich noch ein paar Informationsblätter, falls du Interesse hast.“ Dass nicht er sondern die Zettel selbst winkten, sah schon wieder ein wenig schräg aus. „Auch wenn ich dich dazu auffordern muss sie nach dem Lesen zu verbrennen, nicht dass sie noch jemand anderes liest.“
„Zwar würde der Inhalt mit großer Sicherheit sowieso nur als Schwachsinn abgetan werden, aber von mir aus“, sagte ich und griff nach den Schriftstücken, die meiner Hand jedoch geschickt auswichen. Mein linkes Auge begann wieder zu zucken und ich sah Herrn Dalton vielsagend an. „Sie scheinen ja großen Spaß daran zu haben, mir mit Ihren Spielereien auf den Wecker zu gehen.“
Der Direktor pfiff eine fröhliche Melodie und die Zettel tanzten dazu, brav nebeneinander in Reih und Glied. Was das für ein Bild abgab, muss ich hoffentlich nicht erwähnen, besonders als er auch noch anfing mit seinen Händen einen Dirigenten nachzuahmen.
„Wenn Sie nicht sofort artig sind, jage ich diese hier durch den Reißwolf“, drohte ich daraufhin und griff einfach nach einem Stapel wichtig aussehender Zettel.
„Na na na, das tut man aber nicht.“ Plötzlich stand der Typ hinter mir und nahm den eben gegriffenen Stapel wieder aus meinen Händen. Im Austausch aber reichte er mir die gewünschten Zettel und ich drehte mich mit argwöhnischem Blick um.
„Och, nicht schon wieder dieser Blick“, seufzte Dalton und schnippte mir auf einmal gegen die Stirn, „Wenn du so weitermachst, bekommst du früh Falten, und das wollen wir doch nicht.“
Ich knurrte wütend und bekam Lust diesem abgedrehten Vogel mal eine satte Backpfeife zu verpassen, aber ich ballte lediglich meine freie Hand zu einer Faust. Autoritätspersonen wie ihn sollte man nicht schlagen, und wenn es noch so verlockte.
„Gut“, grinste Dalton und umrundete seinen Schreibtisch, um sich wieder auf seinen Lederstuhl zu setzen, „Dann hoffe ich, dass du im Blumenkurs eine Menge Spaß haben wirst.“
„Danke sehr“, schaffte ich einigermaßen normal zu sagen und wandte mich zum Gehen. Jedoch fiel mir in dem Moment etwas ein und ich sah über meine Schulter. „Eine Frage noch.“
Der Direktor sah leicht überrascht auf. „Ja.“
„Was hat es mit diesem komischen Aufnahmeexamen auf sich?“ Das musste ich einfach fragen, nachdem mir das schon seit der Aufnahme durch den Kopf geisterte. „Für mich sah das mehr nach einem Persönlichkeitstest aus.“
„Viel mehr als das ist es auch nicht“, antwortete Mr Dalton und begann seine Fingernägel zu feilen.
Dieses Mal konnte ich verhindern, dass sich meine Gesichtszüge verabschiedeten. „Lassen Sie mich raten“, sagte ich resigniert, „Mit diesem Test gucken Sie, ob Ihnen ein Schüler gefällt und wenn ja wird er zugelassen, wenn nein kann er sich eine andere Schule suchen.“
„So ist es.“
Was war das bloß für ein Direktor? „Also ist diese Akademie so ein bunter Haufen aus allen möglichen sozialen Ebenen, weil Ihre Laune zu den Zeiten der Prüfungen mal so und mal so war?“
„Weil ich die Antworten der Schüler teilweise recht interessant fand“, korrigierte das liebe Rektorchen und pustete einigen Staub von seinen Fingern, „Oder auch weil mir ihr Aussehen gefiel, die Summe des Bestechungsgeldes verlockend war, ich gerade gute Laune hatte oder weil mich ihre Eltern angefleht haben sie aufzunehmen. Die Magier unter ihnen habe ich sowieso zugelassen…“
Scheinbar war mir mein Gesicht derart entglitten und bildete eine so schräge Grimasse, dass es zum Schreien komisch war, so wie Mr Dalton vor sich hin gackerte. Aber bitte, das war doch wirklich unglaublich. Wenn das nach außen dringen würde, würde die Akademie ihr gesamtes Ansehen verlieren. Die Auswahl der Schüler fand nach der Laune des Rektors statt. Wo gab es denn bitteschön so was? Natürlich hier, ausgerechnet da, wo ich war. Typisch.
Susan und Clare trugen die Nachricht von meinem Ausstieg aus dem Badmintonkurs mit Fassung. Nur July und komischerweise auch Mr Wrick waren ganz und gar nicht einverstanden und ich brauchte volle zwei Pausen und die Mittagszeit, bis ich Wrick abgewimmelt und July damit beruhigt hatte, dass wir uns ja immer noch während des normalen Unterrichts sahen. Jedoch waren weder sie noch Susan oder Clare sehr glücklich darüber, obwohl ich es ihnen so schonend wie möglich beigebracht hatte. Mir war nur einfach kein plausibler Grund dafür eingefallen, weshalb ich einfach gesagt hatte, dass es da gewisse Umstände gab, die mich dazu zwangen. Natürlich interessierten mal wieder besonders July diese „gewissen Umstände“, aber ich schaffte es standhaft zu bleiben und nichts über das Gespräch mit unserem schrägen Schulleiter zu verlieren.
Schließlich aber war es Zeit für die Nachmittagskurse, die um drei begannen und von da an unterschiedlich lange dauerten. Die Frühesten endeten um halb fünf, die Spätesten um sieben Uhr. Während der Badmintonkurs von der Zeit her im mittleren Bereich eingeordnet war, zählte der Blumenkurs zu den Längsten.
Ich hatte mir gestern auch noch die Infozettel durchgelesen und sie wie aufgetragen anschließend verbrannt. Auf den Papieren hatte im Prinzip nur gestanden, was man in diesem Kurs eigentlich wirklich alles lernte und welches Fach welche Inhalte hatte und von wem unterrichtet wurde. Da gab es einmal das die theoretische Magie und ihre Geschichte, unterrichtet von einem gewissen Mr Davidson. Den Namen hatte ich schon mal gehört und wenn ich mich recht entsinnte, sollte er sogar noch schlimmer sein als der Perfektionist Mr Smith. Das hörte sich ja bereits sehr vielversprechend an. Zum anderen gab es im Gegenzug zur Theorie natürlich noch die praktische Magie, die von zwei Männern namens Edson und Jones unterrichtet wurde. Ich rechnete bereits damit, dass das mein Lieblingsfach im Blumenkurs werden würde. Dann hatten wir noch die Lehre der Zaubertränke und Pulver, gelehrt von Mrs Irvin, Beschwörungszauber, unterrichtet von einem wohl schon etwas älteren Herrn namens Belmont, und die Pflanzenkunde in Bezug auf ihren Nutzen für magische Zwecke, die uns die im normalen Unterricht wohl recht nette und nur manchmal etwas zerstreute Mrs Lacy näher bringen sollte. Während der Pflanzenkunde würden wir uns wohl gelegentlich auch um die Blumenbeete auf dem Schulgelände kümmern müssen, da wir ja immer noch angeblich der Blumenkurs waren, auch wenn den Hauptteil Gott sei Dank die Sprinkleranlagen übernahmen, sodass wir nicht jeden Abend mit einer Gießkanne über das Schulgelände rennen mussten.
„Du Noel bleibst besser draußen“, wies ich meinen Seidenschwanz an. Daraufhin flatterte der Vogel von meiner Schulter und segelte hoch in die Luft. Auch als ich ihn nicht mehr sehen konnte, war ich mir sicher, dass er mich wiederfinden würde. Spätestens nach Unterrichtsschluss, daher machte ich mir auch keine Sorgen um ihn.
Nun betrat ich allerdings wieder den Palast und rief mir noch mal den Grundriss in den Kopf. Wenn ich mich recht entsinnte, befand sich Raum Nummer 313, der die gleiche Nummer wie der Kurs selbst hatte, im dritten Stock. Also durfte ich erstmal noch ein ganzes paar mehr Stufen hoch steigen, was mir dank meiner Fitness zum Glück kaum was ausmachte. Was die Einrichtung dieser Schule anging, fand ich die Treppen fiel zu breit und der rote Teppich war auch übertrieben, von den hohen Gängen und den immerzu auf Hochglanz polierten Möbeln gar nicht zu sprechen. Allerdings wusste ich jetzt, wer hinter diesem ganzen teuren Spuck steckte, wodurch es mir immerhin nicht mehr vollkommen absurd vorkam. Bei dem Typen hätte mich wirklich nichts mehr gewundert.
So stand ich gute fünf Minuten später vor Raum 313, der wahrscheinlich genauso eingerichtet war wie die normalen Klassen. Vorne und an der Seite eine Tafel. Vor der Fronttafel ein Pult und dann mit einigem Abstand die Einzeltischreihen aus ebenfalls poliertem und teuer aussehendem Holz. Hinten an der Wand standen wahrscheinlich noch eine oder zwei niedrige Kommoden oder Schränke zum Verstauen einiger Sachen. Zwar befanden sich die Fachräume alle hier oben im dritten Stock, aber ich vermutete einfach, dass dieser Raum durch eine magische Barriere davor geschützt war von normalen Menschen betreten zu werden und die gleichzeitig verhinderte, dass Geräusche nach draußen drangen. Zumindest konnte ich auch die leichte Präsenz einer solchen magischen Mauer spüren.
Als ich die Tür öffnete, spürte ich die kaum bemerkbare Scannung der Barriere, bevor sie mich in den wirklichen Raum 313 ließ. Er war genauso eingerichtet, wie ich es erwartet hatte. Nur sah ich nun noch elf weitere Personen, die quer im Raum verteilt an den Tischen saßen und aufblickten, als ich hereinkam.
„Freut mich“, sagte ich lediglich und ging einfach erstmal zu einem der freien Plätze in der zweiten Reihe mittig.
Die anderen erwiderten nichts, sondern blieben auf ihrem Plätzen sitzen. Eine schweigende Gemeinschaft war das hier, aber ich vermutete, dass sie meine Vorstellung durch den Lehrer abwarten wollten. Ein kurzer Blick durch den Raum hatte mir die Besetzung präsentiert, die ich bei Daltons Auswahlverfahren der Schüler erwartet hatte: zwei Mädchen und einen Jungen, die nach meinem Ermessen wohl ganz nett sein sollten; ein Junge, der mich nur mit einem herablassendem Blick musterte, weswegen ich ihn einfach mal für einen ziemlichen Streber hielt; zwei Mädchen, die wohl wortwörtlich in den Schminktopf gefallen waren und auch schon so zickige Blicke drauf hatten – sie könnten glatt Schwestern von Rina sein; ein Junge, der auf mich den Eindruck machte, dass er ein ziemlicher Angeber war, auch wenn ich im Augenblick nicht genau wusste warum; zwei Jungen mit dicken Büchern vor der Nase und dann noch einen, den ich erst jetzt bei genauerem Hinsehen erkannte. Der Tollpatsch aus meiner Klasse, Jake, war allem Anschein nach ebenfalls ein Magier! Auch wenn ich vor lauter Verwirrung erstmal blinzelte, saß da auf einem Platz neben dem Fenster immer noch Jake, der mich seinerseits auch ziemlich erstaunt ansah. Da waren wir schon zwei Ungläubige, wie schön.
Gerade als ich überlegte, ihn anzusprechen, wurde die Tür zum Klassenzimmer geöffnet und ein hoch gewachsener Mann trat ein. Wenn ich mich nicht täuschte, hatten wir jetzt theoretischen Unterricht, daher war das wohl Mr Davidson. Passend zu seinem fast schulterlangen und leicht gelockten Haar trug er ausschließlich schwarze Klamotten. Meine Güte war das ein Grufti, der würde meiner Meinung nach viel eher zu den schwarzen Magiern passen. Nur wäre er in dem Fall kaum ein Lehrer an dieser Schule, daher bediente er sich anscheinend wie alle hier der normalen weißen Magie.
„Ah, unser neues Kursmitglied.“ Seine Stimme klang auch schon so düster und ernst, mit dem Kerl war wohl nicht gerade gut Kirschenessen. „Würden Sie sich den anderen bitte vorstellen.“ Anscheinend sprach er die Schüler mit „Sie“ an, das kam mir irgendwie verkehrt vor, immerhin waren wir noch keine wirklichen Erwachsenen.
Mit einem lautlosen Seufzen drehte ich mich auf meinem Stuhl, um die irgendwie alle weiter hinten sitzenden Mitschüler anzusehen. „Mein Name ist Chris“, sagte ich schlicht.
„Und weiter?“ Scheinbar legte der gute Mr Davidson Wert auf den vollen Namen.
„Chris reicht doch“, warf ich allerdings ein, woraufhin ich die Blicke der anderen im Rücken spürte. Wenn ich das richtig zuordnete, widersetzte sich sonst keiner diesem Lehrer. Gut zu wissen für die Zukunft.
Davidsons Augen wurden schmal, doch er erwiderte nichts auf meinen Kommentar. Zumindest nichts direkt darauf. „Laut unserem Schulleiter Mr Dalton hast du Rang C, stimmt das?“, fragte er mit fast drohender Stimme.
„Rang?“ Ich sah ihn schief an. Was sollte das denn sein?
„Die Ränge, in die alle Magier je nach Erfahrungs- und Fähigkeitenstand eingeordnet werden“, präzisierte Davidson, „Sie werden doch wohl von den Rängen wissen, oder?“ Sein Ton war bereits sehr vielversprechend.
„Äääh, nö“, antwortete ich dennoch, denn davon hatte ich wirklich noch nie gehört.
Daraufhin konnte ich mit Spannung beobachten, wie sich Davidsons Gesicht ein ganzes Stück verfinsterte und er mich auf seiner Abschussliste eindeutig nach ganz oben schob, obwohl wir uns noch keine fünf Minuten kannten.
„Thomas, würden Sie die Freundlichkeit haben unsere Neue über die Ränge aufzuklären?“ Er betonte jedes einzelne Wort so als ob er mich damit erdolchen wollte. Na da hatte ich mir ja ungewollt einen schönen Feind an Land gezogen, das konnte heiter werden.
„Natürlich.“ Der Junge, den ich als Streber eingeschätzt hatte, stand auf und warf mir auch so einen völlig überheblichen und noch dazu herablassenden Blick zu. „Um die Kunst der Magie und das Niveau ihrer Anwender bestimmen zu können, wurden bereits im frühen sechzehnten Jahrhundert Systeme eingeführt, nach denen man alles Magische werten und zuordnen kann. So gibt es zum Werten der Magier selbst Ränge, die Zauberstäbe werden in Klassen unterteilt, die Stärke und die Zulassung der Zaubersprüche werden in verschiedene Level entsprechend der Ränge der Magier zugeteilt und helfende Utensilien wie Tränke, Pulver oder Waffen nach jeweils unterschiedlichen Graden gemessen.“
Mr Davidson nickte zufrieden. „Tina, fahren Sie bitte fort.“
„Die Fähigkeiten und Erfahrungen der Magier werden wie bereits erwähnt in Rängen ausgedrückt“, fuhr das Mädchen daraufhin ein wenig unsicher fort, „Es gibt die Ränge A bis F, wobei A der beste und F beziehungsweise E der unterste Rang ist.. Am besten, ich erkläre mal die Bedeutungen der einzelnen Ränge:
F ist der Anfängerrang und man erhält ihn sobald man als Magier anerkannt wird und seinen Pass erhält. Alle Schüler für magische Künste, die noch unter einem halben Jahr Erfahrung haben, sind dem Rang F zugeordnet.
Nach einem halben Jahr steigt man automatisch zu Rang E auf, dem Normalrang. Das ist der allgemeine Schülerrang, den die meisten Magier mit nur wenig Magierblut in sich tragen, weil ihre magischen Kräfte nicht weiter reichen.“
„Gut, Henri.“ Scheinbar machte der Lehrer das Beste aus meinem Unwissen und nutzte die Gelegenheit für eine Abfrage der Schüler.
„Als nächstes ist da der Mittelrang D“, übernahm daraufhin einer der beiden Jungen, die ich vorhin mit dicken Büchern vor der Nase gesehen hatte, „Das ist der Rang für Magier mit normalen Fähigkeiten und die Schwächeren, die aber dank jahrelanger Erfahrung nicht mehr als Normalrang angesehen werden können. Automatisch erreicht wird dieser Rang nach zehn Jahren praktischer Erfahrung. Man kann ihn aber auch bereits nach einem Jahr erreichen, wenn man den praktischen Test durch einen Lehrer besteht und von diesem als Rang D anerkannt wird. Allerdings kann dieser Rang auch durch einen Test für Rang C übersprungen werden.
Der Fortgeschrittenenrang C ist der drittbeste Rang und für Magier, deren Kräfte und Fähigkeiten bereits über dem Durchschnitt liegen. Er kann nach einem Jahr Erfahrung durch die praktische Prüfung eines Lehrers erreicht werden.“
„Den Rest übernimmt Jake“, ordnete Mr Davidson an.
Dieser sah mich kurz ein wenig unsicher an, bevor er fortfuhr: „Es folgt Rang B, der sogenannte Oberrang. Magier dieses Ranges haben den Wissens- und Erfahrungsstand eines Lehrers für magische Künste und können damit auch dieses Amt übernehmen. Um diesen Rang zu erhalten, kann man nach frühestens zehn Jahren Erfahrung eine theoretische und praktische Prüfung ablegen. Wenn man diese besteht, gehört man praktisch bereits zur Elite der Zauberer.
Zum Schluss gibt es noch den Meisterrang. Diesen erhalten nur überaus talentierte und hoch angesehene Magier nachdem sie eine außergewöhnliche Tat vollbracht haben. Rang A ist damit ein Ehrenrang, mit dem sich nicht sehr viele Magier schmücken können.“ Sein auf mich gerichteter Blick hatte irgendwie etwas Nachdenkliches an sich, fast als würde er versuchen mich nach seinem Ermessen in einen dieser Ränge einzuordnen. Ich erwiderte seinen Blick und versuchte dasselbe, was mir allerdings nur unzureichend gelang.
„Sie wissen noch nicht mal das und wollen den Fortgeschrittenenrang C haben?“, fragte Davidson nun beinahe schon aufgebracht, „Sie entsprechen bestenfalls Rang D, aber keineswegs höher. Im Gegenteil, Ihren Wissenstand würde ich eher noch bei E einordnen und selbst die dürften mehr wissen als Sie!“
Nur zu gerne hätte ich erwidert, dass mein Training nun mal mehr auf praktischer Basis und nur unregelmäßig stattgefunden hatte, aber ich biss mir absichtlich auf die Lippe und hielt meine Klappe.
„Haben Sie das denn jetzt wenigstens verstanden?“, fragte der Lehrer sauer.
„Natürlich“, antwortete ich nur, „Ich bin weder taub noch schwer von Begriff.“ Die Spitze konnte ich mir einfach nicht verkneifen, auch wenn ich bereits ahnte, was das Echo davon sein würde.
Das schien den lieben Davidson richtig auf die Palme zu bringen und plötzlich zog er einen schlichten, pechschwarzen Zauberstab und richtete ihn genau auf mich.
Dies war jedoch mehr als ich geahnt hatte und nun war ich froh über die Vorbereitungen, die ich getroffen hatte, bevor ich hierhergekommen war. „Apparens“, flüsterte ich schnell, woraufhin ein schmales, ledernes Halfter an meinem rechten Oberschenkel erschien und ich meinen Zauberstab ebenfalls zog.
„Davon würde ich Ihnen abraten“, sagte der Griesgram drohend und nahm mich mit seinen stechenden Augen direkt ins Visier.
Die anderen Schüler sahen uns, besser gesagt mich, nur ziemlich ungläubig an. Dazu gehörte natürlich auch Jake, dessen Gesichtsausdruck ich allerdings nicht zu deuten wusste. Er war der Einzige, den ich aus den Augenwinkeln sehen konnte, da er ebenfalls in der zweiten Reihe saß. Die anderen waren alle irgendwo hinter mir.
„Dann senken Sie ihren Zauberstab“, erwiderte ich und stand auf, da ich nicht damit rechnete, dass er dies tun würde.
„Für wen halten Sie sich, mir Befehle erteilen zu wollen?“ Langsam schien der Lehrer wirklich ernst zu werden und kam auf mich zu.
„Eine normale Magierin, der lediglich eingebläut wurde sich nicht von anderen bedrohen zu lassen, egal wer es ist“, konterte ich und machte einige Schritte zur Seite.
„Halten Sie Ihre Zunge im Zaum, junges Fräulein“, fauchte Davidson.
„Gerne, wenn Sie endlich den Zauberstab wegpacken.“
Das schien das Fass zum Überlaufen zu bringen. „Igniculus!“
„Clypeum!“ Die Spitze meines Zauberstabes begann zu leuchten und ein Schild breitete sich unmittelbar davor aus, an dem Angriff in Form eines ziemlich großen und schon fast gefährlichen Funken abprallte. „Revolare!“
Damit schickte ich den gleichen Angriff zu seinem Absender zurück und Mr Davidson konnte sich nur knapp mit einem Satz zur Seite in Sicherheit bringen. Als der Funke die Wand traf, verpuffte er einfach, weshalb ich annahm, dass auch der Innenraum mit Barrieren versehen war.
„Ich lasse ja vieles mit mir machen“, sagte ich und kam nun meinerseits drohend auf den Lehrer zu, „Aber ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, nur wegen ihrer Abneigung gegen mich in eine solch gefährliche Situation gebracht zu werden.“
Während die anderen ziemlich große Augen bekommen hatten, war deutlich zu sehen wie Mr Davidson die Zähne zusammenbiss und am liebsten Knurren wollte.
„Nehmen Sie Ihren Zauberstab runter!“, bellte er schließlich und ließ gleichzeitig aber seinen Eigenen sinken.
„Gerne doch“, sagte ich so freundlich es ging, steckte den Stab wieder in das für ihn vorgesehene Halfter und marschierte zu meinem Platz zurück. Am liebsten hätte ich noch mehr gesagt, doch auf eine weitere Auseinandersetzung dieser Art hatte ich nun wirklich keine Lust. So setzte ich mich wieder auf meinen Stuhl und ignorierte die Blicke der anderen. Klar hätte ich auch einfach kleinbeigeben können, aber dazu hatte man mich nicht erzogen und ich war auch nicht der Typ für so etwas.
Während meines Gedankenganges wanderte mein Blick zu einem der Fenster, wo ich Noel entdeckte. Allerdings flatterte er neben einer großen Schwalbe und schien diese vertreiben zu wollen, was sie allerdings noch nicht mal zu interessieren schien. Im Gegenteil, nach einem kurzen Gerangel hatte sie meinen süßen Noel verscheucht und landete wieder auf der Fensterbank.
Das erstaunte mich allerdings ziemlich. Normalerweise behauptete sich mein kleiner Seidenschwanz sogar gegenüber größeren Vögeln wie Krähen, irgendetwas war da faul. Daher flüsterte ich kaum hörbar „Secretum vestras date et vera forma“ und sah mir das Tier nun mal genauer an. Was ich daraufhin sah, ließ mich im ersten Moment vor Schreck fast vom Stuhl purzeln. Statt der Schwalbe erblickte ich nun die Silhouette unseres Schulleiters, der mir fröhlich zuwinkte. Ich sah den Clown nur ungläubig an und schüttelte den Kopf. Ich hatte geahnt, dass er mich überwachen würde, aber so etwas nicht. Und dann hatte er mit Sicherheit auch den kleinen Kampf gesehen, oh yeah, das hatte ich ja mal wieder richtig klasse hinbekommen.
Davidson war in der Zwischenzeit wieder hinter das Pult getreten, auch wenn sein vernichtender Blick nach wie vor auf mir ruhte. „Zwar scheinen Sie mehr der praktische Typ zu sein, Chris, aber wegen Ihres Ranges werde ich trotzdem nochmal mit Mr Dalton sprechen“, sagte er beherrscht, wobei ich nur dachte, dass er dazu lediglich das Fenster öffnen müsste, „Und um Ihre großen Wissenslücken über die heutige Magie zu füllen, werden Sie bis in sieben Tagen dieses Buch komplett gelesen und auswendig gelernt haben.“ Das war eindeutig die Strafe für mein ungehorsames Verhalten. Er hielt ‚Magie und ihre Regeln‘, ein wahrscheinlich etwa zweihundertfünfzig Seiten dickes Buch in der Hand, und ließ es nach einem kurzen, geflüsterten Zauberspruch zu mir rüber schweben.
Ich musterte den Einband und blätterte kurz, bevor ich mehr zu mir selbst murmelte: „Das könnte ich auch in fünf Tagen drauf haben...“
Nur wie es aussah hatte der noch immer ziemlich wütende Lehrer gute Ohren. „Wenn das so ist, können Sie es ja bereits zum kommenden Freitag lernen“, schlug er prompt in einem Ton vor, der keinen Widerspruch zuließ.
Meine Augen wurden schmal, doch bei so etwas konnte ich gewinnen. „Na schön, bis Freitag werde ich das Buch auswendig können.“
Die anderen sahen mich nur zum was weiß ich wievielten Mal heute verdattert an und schienen meine Aussage nicht für ernst gemeint zu halten. Auch Mr Davidson schien zu zweifeln, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ.
„Wunderbar“, sagte er stattdessen, „Dann wird es Ihnen sicherlich auch nichts ausmachen, wenn ich Sie in fünf Tagen einem mündlichen Test unterziehe, nur um sicher zu gehen, dass sie nicht nur bluffen.“
„Meinetwegen“, stimmte ich zu und lächelte. Das war mal nach meinem Geschmack. Jetzt war mein Ehrgeiz erst richtig geweckt und ich sah das Buch in meinen Händen freudig an. Diesem Grufti würde ich schon noch zeigen, dass er mich besser nicht abschreiben sollte. Die Geschichte mit den Rängen war mir egal, aber ich wollte meinen Status als eine der besten Schüler auch hier halten und mit ein bisschen Arbeit würde ich das hinbekommen. Nach langer Zeit mal wieder eine richtige Herausforderung, ich war schon ganz heiß auf nächsten Freitag.
Nachdem der Unterricht für den heutigen Tag vorbei war, ging Mr Davidson wie angekündigt zum Büro von Herrn Dalton. Auch wenn er den Schulleiter persönlich nicht mochte, musste er das mit Chris´ Rang mal klarstellen. Das Mädchen konnte nicht Rang C haben, obwohl sie praktisch vielleicht gar nicht mal so schlecht war. Aber die Theorie gehörte auch dazu und in der lag sie nicht über Rang E, viel eher noch beim Anfängerrang.
„Herein“, erklang Daltons Stimme nach dem Klopfen, woraufhin er das Büro betrat und bis vor das große Pult ging.
„Na Davi? Was willst du denn von mir?“, fragte Dalton, der jedoch gerade in einer Schublade seines Schreibtisches wühlte.
„Ich denke, das wissen Sie genau“, erwiderte Davidson, der schon wieder zornig wurde. Er konnte sich an die Art des Direktors einfach nicht gewöhnen, egal wie oft er das schon hatte mitmachen müssen.
„Hmm, vielleicht“, räumte er ein, während er allerlei verschiedenen Kleinkram zu Tage förderte und gleich wieder in der Schublade versenkte, da es anscheinend nicht das gesuchte Objekt war, „Verrätst du´s mir trotzdem, Davi?“
Er konnte einfach nicht mehr an sich halten. „Sie wollen mir doch wohl nicht ernsthaft weismachen, dass dieses nichts wissende Mädchen eine Rang C ist?!“, fragte der Lehrer aufgebracht, „Ich würde sie allerhöchstens als Rang D einstufen! Vielleicht hat sie ein bisschen magische Kraft, aber ihr Wissen entspricht absolut nicht dem heutigen Stand. Über das meiste weiß sie überhaupt nichts! Wieso um Himmels Willen haben Sie dem Mädchen Rang C gegeben? Ich verlange eine Erklärung!“
Mr Dalton jedoch ließ sich von dem wütenden Ton keineswegs beirren und musterte den schönen Edelstein in seiner Hand, den er nach duzenden anderen Sachen schließlich gefunden hatte und in seiner Hand drehte. Diese kleinen Steine hatten wirklich eine faszinierende Wirkung auf Menschen und Magier. Mit ihrer natürlichen Schönheit und Farbenpracht zogen sie die Leute fast magisch an.
Als Davidson gerade dabei war hoch rot anzulaufen und ihm scheinbar gleich der Kragen platzen würde, sagte Dalton jedoch: „Du wirst schon noch früh genug sehen, dass Chris mit ihrem Talent sogar Rang B haben könnte. Sie ist ein besonderes Mädchen, immerhin trägt sie das Blut von Roseka und Alan MacAlister in sich. Wie du weißt waren die zwei einige der wenigen heute noch reinblutigen Magier. In ihrer Linie taucht kein einziges Mal ein Mensch oder anderes Wesen auf. Du weißt, was das bedeutet. Wenn selbst die meisten Lehrer irgendwo Menschenblut in sich tragen, was könnte dieses reinblutige Mädchen alles zustande bringen?“
Mr Davidson starrte den Lehrer ungläubig an.
„Aber bitte behalte das vorerst noch für dich“, befahl Dalton mit einem freundlichen Lächeln, „Chris scheint nicht der Typ zu sein, der gerne an seine Abstammung einer magischen Reinblutfamilie erinnert wird. Außerdem könnte das die anderen Schüler beeinflussen und das wollen wir doch nicht, oder?“
„Natürlich nicht...“
„Ach ja“, fiel dem Direktor noch ein, „Ich denke als Partner für Chris wäre Jake am besten geeignet. Ab der nächsten praktischen Aufgabe werden die beiden ein Team bilden und zusammenarbeiten. Richte das bitte Edson und Jones aus.“
Davidson wusste eindeutig nicht, was er davon halten sollte, immerhin hatte sein Chef es bisher immer den Lehrern überlassen, die Teams nach ihrem Wissen und Einschätzungen zusammenzustellen, doch er nickte nur. Auch wenn er sich ziemlich beherrschen musste, denn er war alles andere als zufrieden.
Als der Lehrer gegangen war, legte Mr Dalton den Edelstein in seiner Hand auf den Tisch, wo noch ein Zweiter lag. Direkt nebeneinander sahen der rote Robin und der blaue Saphir so im hereinscheinenden Sonnenlicht wunderschön aus und schienen sich perfekt zu ergänzen.
„Ich denke, das wird interessant werden“, lächelte der Schulleiter und blickte aus dem vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster nach draußen auf das Schulgelände.
Die nächsten Tage verbrachte ich praktisch gesagt die ganze Zeit über mit diesem Buch. Ich nahm es überall mit hin und schlief schon fast darauf. Ziemlich bescheuert, nicht? Ich kam mir selber blöd vor, wie ich die ganze Zeit über immer wieder dieses gesamte, verdammte Buch durchackerte. Ich las während meiner Freizeit, dem normalen Unterricht – die Lehrer schienen jedoch schon fast froh zu sein, dass ich mit was anderem beschäftig war und den anderen auch mal eine Chance ließ ihr Wissen zu zeigen – in den Essenszeiten, manchmal sogar heimlich während des Nachmittagskurses und zum Teil auch nachts, wobei ich froh war, dass ich am nächsten Morgen Noel als Wecker hatte.
July, Susan und Clare sahen mich nur ziemlich schief an. Ihnen hatte ich einfach gesagt, dass das ein Buch über Pflanzen war und ich den Stoff dringend nachholen musste, aber gerade July war mal wieder besonders neugierig, da ich den Einband mit einem farbigen Umschlag verdeckt hatte. Ich beließ es jedoch trotz allen Drängens dabei und ließ mir stattdessen erzählen, wie es beim Badminton so lief, obwohl ich nur mit einem Ohr zuhörte, da im Moment das Buch für mich wichtiger war.
Den anderen Unterricht im Blumenkurs verfolgte ich ebenfalls mit wachsendem Interesse, weswegen ich da nur selten zum Lesen kam. Zwar kannte ich einiges bereits, aber hier wurde das alles noch mal aus anderen Blickwinkeln betrachtet und ganz anders gehandhabt. Die vielen neuen Sachen waren äußerst reizend für mich und auch wenn ich es natürlich nur wenig zeigte, versuchte ich so schnell wie möglich alles an Wissen aufzuholen. Magie war einfach etwas, was mich mehr als alles andere interessierte, weshalb es mir auch nicht weiter schwer fiel eine gewaltige Menge neuer Informationen in so kurzer Zeit aufzunehmen und richtig einzuordnen.
Dann war aber schließlich der Freitag der Abfrage gekommen und am Morgen konnte ich im Unterricht kaum still sitzen, so aufgeregt war ich. So was war mir schon lange nicht mehr passiert, aber meiner Meinung nach konnte das nur gut sein. Ich war schon viel zu lange immer im gleichen langweiligen Trott gewesen, dem ich nur durch meine Touren durch die Stadt ein wenig hatte abhelfen können. So was wie jetzt lag mir allerdings um einiges mehr.
Die anderen elf waren auch bereits alle versammelt. Inzwischen kannte ich durch das Aufrufen der Lehrer ihre Namen und konnte sie zumindest anhand ihrer Leistungen relativ weit einschätzen. Da war einmal der Streber Thomas, der meines Erachtens im theoretischen Teil der Beste war und sich ganz gut mit Kai verstand, der sich wirklich als ziemlicher Angeber entpuppt hatte, obwohl sein Wissenstand bei weitem nicht an den von Thomas herankam. Die beiden Bücherwürmer hießen Henri und Henrik und waren Brüder selben Alters. Die beiden schienen auch viele Bücher über Magie zu lesen, denn auch sie gehörten eher zu den Besseren im Kurs. Tina, Birgitt und Jasper schienen alle drei von der Persönlichkeit her ganz in Ordnung zu sein, zumindest klangen sie für mich nicht eigebildet wie Thomas oder so reserviert wie Henri und Henrik, und ihre Leistungen waren wohl im Bereich des Normalen. Dann waren da noch Jenny und Betty, die noch größere Zicken als Rina waren. Wenn man auch nur ein falsches Wort in ihrer Gegenwart sagte, überfielen sie einen beinahe mit der geballten Power ihrer Mundwerke, sodass man kaum eine Chance hatte überhaupt nochmal zu Wort zu kommen. Edward war vom Aussehen her der schönste Junge in diesem Kurs und bemühte sich auch gar nicht seinen Stolz darüber zu verbergen, ein etwas arroganter Schönling, dessen Leistungen aber eher mittig lagen. Zum Schluss war da halt noch Jake, der auch hier ein Tollpatsch durch und durch war.
Wenn ich das richtig mitbekommen hatte, hatten Thomas und die Bücherwürmer Rang C, Tina, Birgitt, Jasper und Edward Rang D und Kai, Jenny und Betty Rang E. Nur welchen Rang Jake eigentlich hatte, war mir irgendwie entgangen. Ich selbst schien Rang C behalten zu haben, zumindest hatte Mr Davidson am Dienstag nichts anderes gesagt und seiner grimmigen Miene nach zu urteilen, hatte Dalton ihn gekonnt in die Schranken gewiesen. Auf gewisse Weise war mir dieser Clown doch sympathisch.
Allerdings hatte noch keiner von meinen Mitschülern den Mut gehabt mich anzusprechen. Wie es aussah hielt sie mein Streit mit Davidson auf Abstand und dazu wollte wohl keiner mit einer scheinbar nichtswissenden und auch noch aggressiven Persönlichkeit wie mir zu tun haben. Na ja, das hatte ich davon. Zwar hatte ich eigentlich gehofft, dass es mir zumindest gelingen würde einigermaßen Anschluss zu finden, aber bei den abweisenden Gesichtern verspürte ich auch nicht die Lust auf einen Friedensversuch. Da vermisste ich den Badmintonkurs mit July, Clare und Susan schon ein wenig.
Ich stöhnte, lehnte mich auf meinem Stuhl nach hinten und legte den Kopf in den Nacken. Die schlicht weiße Decke war eigentlich uninteressant, aber irgendwie hatte ich gerade Lust sie anzustarren. Schließlich musste ich die trüben Gedanken wieder in ihre Schubladen innerhalb meines gedanklichen Zimmers namens Hirnkasten verbannen und dafür sorgen, dass sie auch dort blieben. Jetzt war es erstmal Zeit, dass ich Davidson mit seinen eigenen Waffen schlug.
Kaum dachte ich an ihn, da hörte ich die Tür und die Schritte seiner Lederschuhe zum Pult gehen. Daraufhin blickte ich wieder nach vorne und wie immer schlug mir schon eine grandiose Welle an Feindseligkeit entgegen, die heute sogar ein ganz besonderes Ausmaß angenommen zu haben schien. Wie prickelnd.
„Ich hoffe, Sie sind bereit, Chris.“ Seine Laune schien so tief zu hängen, dass er sich sogar die Begrüßung sparte und gleich zur Sache kam. Oje, ob ich den Typen nochmal mit guter Laune zu sehen bekommen würde? Ich hatte arge Zweifel daran.
„Jederzeit“, erwiderte ich jedoch mit einem sicheren Lächeln. Ich hatte die letzten Tage mehr gebüffelt als ich es im gesamten letzten Jahr getan hatte, daher war ich bei der Leistungsfähigkeit meines Gehirns zuversichtlich.
„Gut.“ Der Lehrer trat vor das Pult und das mir ausgeliehene Buch segelte nach einem kurzen Spruch von meinem Tisch aus zu ihm zurück. Er schlug es auf, blätterte einige Seiten und sah dann wieder mich an. „Was steht hier in Bezug auf die Alraunenwurzel?“
„Sie wird meist von Magiern benutzt, die sich auf natürliche Heiltränke spezialisiert haben“, antwortete ich, „Sie hat heilende Wirkungen bei Schürfwunden, Windpocken und anderen ähnlichen Krankheiten, aber man sollte beachten, dass eine Überdosis schnell Taubheit in den Gliedmaßen hervorrufen kann, die je nach Menge über Wochen andauern kann.“
Davidson sagte nichts darauf, außer: „Seite einhundertvierundzwanzig.“
Scheinbar wollte er die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, indem er nun nicht mehr das Thema sondern nur die Seite nannte, um die es ging. Aber die Rechnung hatte er ohne mich gemacht.
„Beschäftigt sich mit den Klassen der Zauberstäbe“, antwortete ich, „Es gibt die Normalklasse C, in die alle Standartzauberstäbe eingeordnet werden und sich für leichte bis etwas kompliziertere Zauber gut eignet. Daher wird er den Rängen F bis D zugeschrieben und seine Preisklasse ist auch für jeden erschwinglich.
Bessere Zauberstäbe werden der Oberklasse B zugeordnet. Mit ihnen werden auch komplizierte Zauber einfach zu handhaben und sie sind damit bestens geeignet für die Magierränge D bis B. Allerdings sind sie auch schon relativ teuer.
Zum Schluss ist da noch die Meisterklasse A. Mit Zauberstäben dieser Klasse werden selbst komplizierteste Zauber einfach, sofern man genügend magische Kräfte für einen solchen Stab mitbringt. Wenn man diese nicht hat, sollte man besser die Finger von diesen Stäben lassen, da sie einen sonst zu viel Kraft kosten und das für einen unerfahrenen Magier lebensgefährlich werden kann. Die Zauberstäbe der Meisterklasse können jedoch auch andere Formen als die des normalen Stabes haben, weshalb sie alle Einzelstücke sind. Meist werden sie auf seinen Anwender angepasst und können daher auch beispielsweise die Form eines Schlüssels oder Spazierstocks haben. Dementsprechend fallen aber auch ihre Preise aus und für den normalen Magier sind sie unerschwinglich. Allerdings sind sie sowieso nur für Rang A bis höchstens noch B geeignet.“
Nun verzog Mr Davidson das Gesicht, er schien über meine exakte Zusammenfassung alles andere als begeistert zu sein. „Seite zweihundertfünf, ab dem zweiten Absatz. Bitte wortwörtlich zitieren.“
Heiliger, da war ich aber jemandem auf den Schlips getreten. „Die Überschrift lautet: die drei Welten“, bemerkte ich noch, „Ich zitiere: Es gibt drei Welten, die parallel zueinander existieren und normalerweise nichts miteinander zu tun haben.
Eine davon ist unsere Welt, die Menschenwelt. Wenn man sich vorstellt, dass die Welten exakt nebeneinander liegen, würde sich unsere Welt genau zwischen den anderen beiden befinden. In ihr leben natürlich wir Magier, die normalen Menschen, Tiere und Pflanzen. Jedoch können durch Beschwörungen von Magiern auch die Wesen der anderen Welten hier her gelangen, was das Gleichgewicht dieser Welt teilweise ziemlich stark gefährdet. Dazu mehr auf Seite zweihundertsieben.
Die zweite Welt ist die Geisterwelt. Es ist der Ort, wo die friedlichen Geister und die Elementargeister im Einklang mit der Natur leben. Diese Welt ist der unseren gar nicht mal so unähnlich, zumindest geht jeden Morgen die Sonne auf und am Abend wieder unter. Allerdings ist sie in fünf verschiedene Bereiche aufgeteilt, so wie auch unsere in Kontinente und Länder geteilt wird. Der eine Bereich wird von den normalen Geistern bewohnt und ist der Größte; die anderen vier Zonen gehören den jeweiligen Elementargeistern. Die fünf Herrscher der Welt sind die vier sogenannten höchsten Elementargeister des Feuers, Wassers, Windes, der Erde und der Geisterkönig aus dem Bereich der normalen Geister. Über die Machtverteilung, die verschiedenen Bereiche und die Unterarten der normalen Geister auf Seite zweihundertneun mehr.
Die dritte Welt ist das Reich der Dämonen, Reiga. Es ist die Heimat aller Dämonenarten und bösen Geister. Dort herrscht die ewige Nacht unter einem blutroten Vollmond, die Natur scheint vollkommen ausgemergelt und von der finsteren Macht ihrer Bewohner beeinflusst zu sein. Abgesehen davon und dass der oberste Herrscher und Dämonenkönig Lucifer selbst ist, ist jedoch nicht viel mehr über diese Welt bekannt, da es nur wenige Magier lebend von dort zurückgeschafft haben. Die wenigen weiteren bekannten Informationen stehen auf Seite zweihundertelf...“
„Das reicht, das reicht!“, unterbrach Davidson mich barsch und hätte wahrscheinlich wild mit den Händen gestikuliert, hätte er nicht das Buch mit ihnen festgehalten. „Seite zweihundertachtundvierzig, dritter Absatz, vierte Zeile. Wieder zitieren.“
Wie es aussah, war das ein letzter, verzweifelter Versuch mich bloßzustellen. „Tenebrae sind die höchsten Dämonen Reigas“, zitierte ich jedoch unbeeindruckt, „Sie stehen direkt unter ihrem König Lucifer und sind die gefährlichsten Dämonen. Ihre körperliche Stärke und herausragende Intelligenz übertreffen die der anderen Dämonen bei weitem. Abgesehen davon sind sie im Gegensatz zu den anderen Arten in der Lage Magie einzusetzen. Sie sind auch für Menschen und Magier die Gefährlichsten, denn wegen ihrer atemberaubenden und übernatürlichen Schönheit ziehen die menschlichen Dämonen uns förmlich an. Dazu sind sie auch noch in der Lage uns mit ihren Worten einzuwickeln und so letzten Endes die Kontrolle über ihre Opfer zu gewinnen. Da ihre Vertreter meist männlich sind, besteht für allem für schöne junge Frauen die Gefahr von einem solchen Dämon in den Bann gezogen zu werden und einmal gefangen ist es sehr schwer...“
„Schon gut“, stöhnte Mr Davidson widerwillig, „Ich sehe schon, du hast das Buch tatsächlich komplett auswendig gelernt...“
„Aber an Ihrer Meinung von mir ändert das nichts“, beendete ich seinen Satz, „Das habe ich auch nicht erwartet.“
Sein linkes Auge begann zu zucken, doch diesmal erwiderte er nichts auf meine Spitze. Scheinbar hatte er vorerst genug davon mich herauszufordern.
Die anderen saßen nur stumm auf ihren Plätzen und starrten mich völlig verblüfft an. Ihren Blicken nach zu urteilen konnte das noch nicht mal Thomas, der im Moment ziemlich entgeistert drein blickte. Scheinbar hatte er gerade festgestellt, dass ich eine arge Gefahr für seinen Status als besten Schüler hier darstellte. Tja, Pech gehabt. Aus Unwissen konnte sich schnell das Gegenteil entwickeln, besonders wenn man sich mit mir anlegte.
In der zweiten Hälfte des heutigen Unterrichts wechselte die theoretische Magie mit der Praktischen. Da die beiden Lehrer die Woche über jedoch wohl mit einem Job beschäftigt gewesen waren, lernte ich sie erst heute richtig kennen. Mr Edson und Mr Jones wirkten auf mich wie zwei anständige Männer, deren gut durchtrainierte Muskeln ich unter ihren Oberhemden erahnen konnte. Mit den beiden sollte man sich wohl lieber nicht in einen körperlichen Nahkampf einlassen, sonst endete man schnell als Apfelmus.
„Ah, du musst Chris sein.“ Edson kam mit einem herzlichen Lächeln auf mich zu und schüttelte mir sogar die Hand. „Freut mich endlich mal wieder ein neues Gesicht zu sehen.“
„Ebenfalls erfreut“, sagte ich nur leicht erstaunt. Das war das erste Mal, dass man mich mit einem wirklich ehrlichen Lächeln begrüßt hatte.
„Aber nimm dich in Acht“, sagte Jones, der im Gegensatz zu Edsons blondem Haarschopf dunkelrote Haare hatte, auf einmal schmunzelnd, „Wir sehen zwar nett aus, aber das Training ist ziemlich hart.“
Ich musste ebenfalls lächeln. „Umso besser, endlich mal wieder etwas Anstrengendes.“
„Sag bloß, du hast den ganzen Stoff bereits nachgeholt?“ Edson sah mich leicht verblüfft an, während er in munterem Plauderton weiterredete. „Davidson meinte vor ein paar Tagen, dass dein Wissen noch nicht mal Rang E entsprechen würde.“
„Das dürfte sich mittlerweile geändert haben“, erwiderte ich grinsend, „Ein paar Nächte mit den richtigen Büchern, das Aufpassen im Unterricht und meine bisherigen Erfahrungen sollten mich mittlerweile auf den heutigen Stand gebracht haben. Außerdem bin ich praktisch wesentlich besser als theoretisch.“
„Na dann können wir uns ja glücklich schätzen“, sagte auch Jones mit einem Lächeln im Gesicht.
Es kam mir irgendwie komisch vor, dass diese beiden im Gegensatz zu den anderen so locker drauf waren und sich auch einfach mal ein paar Minuten des Unterrichts nahmen, um mit einem Schüler zu plaudern. Die beiden waren mir sehr sympathisch, auch wenn die anderen Lehrer abgesehen von Davidson auch gar nicht mal so übel waren. Bei den zweien fühlte ich mich richtig willkommen.
„Und ihr könnt euch alle freuen“, fuhr Jones nun fort, „Abgesehen von unserem Job haben wir noch ein paar kleine Vorbereitungen für das nächste kleine Trainingslager getroffen.“
„Nächsten Mittwoch bis einschließlich Sonntag fahren wir raus aufs Land“, erklärte Edson, „In der Nähe einiger Berge werden wir in einer kleinen Hütte unterkommen und dort ein wenig mit und ohne Magie trainieren. Na? Ist das gut oder ist das gut?“
Zum ersten Mal seit meiner Anwesenheit in diesem Kurs sah ich die anderen mal ein wenig aufleben und freudig zustimmen. Ich war schon ein wenig verwundert, aber es freute mich auch ein wenig zu sehen, dass der Kurs doch nicht nur aus trüben Tassen bestand.
„Schon mal im Voraus, ihr werdet dort in den üblichen Teams zusammenarbeiten“, bemerkte Jones, „Und dabei fällt mir gerade ein: Chris, Mr Dalton hat angeordnet, dass du und Jake ein Team bilden.“
Ich sah den Lehrer einen Moment lang schief an, bis ich realisierte, dass er das ernst meinte. Ich und der Tollpatsch drei Tische weiter sollten ein Team bilden. Als mein Blick zu ihm wanderte, war Jakes Gesichtsausdruck auch ein wenig entgleist und ähnelte wohl gerade meinem.
„Ihr seht ja nicht sehr begeistert aus“, stellte Edson belustigt fest, „Aber ich finde diese Kombination auch höchst interessant.“
„Ihr werdet euch schon daran gewöhnen“, bemerkte Jones.
Daran zweifelte ich zwar, aber das sprach ich lieber nicht aus. Ich und der Tollpatsch in einem Team. Persönlich hatte ich nichts gegen Jake, aber meiner Meinung nach waren wir ein ganzes Stück zu unterschiedlich. Besser gesagt waren wir ja fast komplette Gegenteile. Zu gerne hätte ich gewusst, was sich dieser Clown wieder dabei dachte. Denn ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich gar nicht zu beschweren brauchte, da er sowieso nicht einwilligen würde seine Entscheidung nochmal zu überdenken. Soweit konnte ich den lieben Herrn Dalton einschätzen. Mir wollte nur nicht gelingen zu erkennen, was er damit bezwecken wollte.
Als ich resigniert wieder zu Jake blickte, sah dieser mich auch gerade an. Allerdings wandte er den Blick schnell wieder ab und schüttelte leicht den Kopf. Na anscheinend war er auch nicht sehr begeistert. Da waren wir ja schon zwei. Auch wenn er dafür wahrscheinlich etwas andere Gründe als ich hatte.
Von da an ging der Unterricht allerdings normal weiter und ich hatte vorerst keine Zeit genauer darüber nachzudenken, dass ich bei diesem Trainingscamp mit Jake in einem Team war. Zwar basierte die heutige Übung auf einigem Stoff, den sie vor der Abwesenheit der beiden Lehrer durchgenommen hatten, doch ich hatte keine großen Schwierigkeiten das nachzumachen, was die anderen Taten. Die Beschwörung eines niederen Elementargeistes war sowieso ein Klacks für mich. Als ich daran dachte, was ich bereits mit acht Jahren versehentlich beschworen hatte, verzog sich mein Mund in einem etwas uneleganten Winkel zu einem schiefen Grinsen. Das behielt ich besser für mich, sonst würde der Kurs mich wohl endgültig völlig schief ansehen. Genau wie Tante Rosebad, die bei dem Anblick beinahe einen Herzinfarkt erlitten hatte. Zum Glück nur beinahe.
Jones und Edson staunten auch nicht schlecht darüber, dass ich ohne den vorherigen Unterricht bezüglich der genauen Reihenfolge der Wörter, der Risiken und des Wissens über Najey, eine untere Art der Wassergeister, so mal eben einen der kleinen Geister beschwörte. Dabei fing ich mir auch gleich wieder böse Blicke von Seiten von Thomas und Kai ein, da ich den beiden anscheinend die Show stahl.
Als Edson gerade vorschlug, dass wir in den nächsten Stunden die Beschwörung von einem Renja, einer fast knuddeligen niederen Erdgeistart in Gestalt eines kleinen Teddybären, durchnehmen sollten, ratterte ich schon den Spruch dafür runter und präsentierte den etwas stutzigen Lehrern einen süßen Geist. Er saß brav auf dem Boden in dem vorher mit weißer Kreide gezogenen Kreis mit einigen Schutzsymbolen drum herum und hatte einige überraschte Beobachter.
Wie es aussah, brachte ich damit die Planung der beiden Lehrer etwas durcheinander. Aber anstatt sauer zu werden, lachten die zwei über diesen Umstand. Dabei erfuhr ich auch, dass das nur eine Wiederholung war und sie diese hauptsächlich wegen mir vorgenommen hatten. Da ich bezüglich der praktischen Zauber und einfachen Beschwörungen, die auch ins Fach praktische Magie fielen und nicht nur zum reinen Fach Beschwörungen gehörten, locker mit den anderen mithielt, würden sie nächste Stunde einfach dort fortfahren, wo sie eigentlich waren.
Für mich stand jedenfalls fest, dass Edson und Jones meine Lieblingslehrer waren und praktische Magie das beste Fach war. Wobei das auch daran lag, dass die beiden Zauberer die einzigen waren, die in meiner Gegenwart mal ein ehrliches Lächeln zustande gebracht haben. Denn auch wenn ich versuchte nicht darüber nachzudenken, war ich doch ein wenig gekränkt, dass die anderen Schüler hier mir so offensichtlich auswichen und möglichst Abstand zu mir halten wollten. Verdammt, zurück in eure Schubladen ihr trüben Gedanken!
„Hmpf.“ Ich stopfte meine Sachen in die Tasche und stand auf. Konnte mir doch egal sein, was die anderen von mir hielten. Der Versuch war kläglich, aber wenigstens konnte ich damit den nagenden Selbstzweifeln Einheit gebieten. Ich seufzte herzhaft.
„Ähm.. Chris...“
Ich blickte überrascht nach links, wo ich Jake auf mich zukommen sah. Er wirkte recht unsicher und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. Ich sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an, doch als er gerade ansetzte etwas zu sagen, stolperte er kurz vor mir plötzlich und flog mit Schwung zu Boden. Eine meisterhafte Bruchlandung, dank der er mir jetzt zu Füßen lag.
„Ha ha, tut mir leid“, sagte er mit einem schiefen Lächeln und sah zu mir auf.
Wäre ich ein anderes Mädchen gewesen, hätte ich jetzt wohl angefangen hysterisch zu kreischen oder sonst was zu machen, aber da ich solch kurze Röcke immer nur mit einer engen schwarzen Shorts darunter trug, hatte ich damit kein Problem. Mal davon abgesehen, dass mir bereits aufgefallen war, dass Jake noch nicht mal versuchte mir unter den Rock zu gucken, was ihm immerhin schon mal ein paar Pluspunkte verschaffte.
Als er aber gerade wieder aufgestanden war und sich wohl sicherheitshalber an meinem Tisch abstützen wollte, rutschte dieser plötzlich weg als stände er in einer Pfütze Schmieröl und zum zweiten Mal lag der Arme auf dem Boden. Er schien einfach kein Glück zu haben.
„Vielleicht solltest du gleich dort sitzenbleiben“, schlug ich vor und ging in die Hocke.
„Wäre wohl besser.“ Jake wirkte irgendwie ein wenig unglücklich und kratzte sich an der Schläfe.
In dem Moment allerdings fiel ihm plötzlich meine Federtasche direkt auf den Kopf und er guckte ziemlich blöd und überrascht zugleich aus der Wäsche. Als konnte er nicht glauben, was meine böse böse Federtasche da gerade getan hatte. Er sah sie an als wäre sie etwas Außerirdisches mit kleinen Tentakeln und jeder Menge Schleim. Bei diesem komischen Gesicht fing ich spontan an zu lachen und nachdem Jake mich kurzzeitig leicht verwirrt angesehen hatte, fing auch er an zu kichern.
„Also ehrlich mal, wie schaffst du es derart tollpatschig zu sein?“, fragte ich nach einer Weile, als ich mich endlich wieder beruhigt hatte.
„Wenn ich das wüsste.“ Er zog ein etwas unglückliches Gesicht.
Als ich ihn mir so ansah, fiel mir auf, dass dieser Heini gerade der Erste war, der mich aus diesem Kurs angesprochen hatte. Und er hatte es im selben Zug geschafft mich zum Lachen zu bringen. Ich musste zugeben, dass ich erstaunt war.
„Aber du bist wirklich ganz schön gut“, sagte Jake auf einmal und lächelte wieder, „Wie du Davidson vorhin Einhalt geboten hast war echt cool. Das hat sich noch keiner getraut.“
„Danke.“ Wieso nur musste ich über diesen Jungen so schmunzeln? Vielleicht weil er mich irgendwie ein bisschen an July erinnerte. Mit diesem ehrlichen Lächeln und seinem freundlichen Wesen. Es war irgendwie seltsam und angenehm zugleich.
Chereshenka Ich habe Harry Potter nicht gelesen, deswegen kann ich jetzt nicht sagen, inwiefern deine Geschichte Ähnlichkeiten mit der von J. K. Rowling aufweist, aber eins kann ich schon mal sicher sagen: dein Schreibstil gefällt mir, die ersten paar Seiten sind gut durchdacht und der Leser bekommt einen genauen Einblick von dem, was abläuft. Den Rest werde ich mir irgendwann noch vorknöpfen, darauf kannst du dich verlassen. Bis dahin - mach weiter so! :-) |
SilverRose Re: - Zitat: (Original von EagleWriter am 29.02.2012 - 21:40 Uhr) Schon mal nciht schlecht die ersten Zehn Seiten. LEs bei Gelegenheit weiter. Erinner soweit allerdings ein wenig an Harry Potter^^. Was nciht bedeuten soll das das Schlecht währe. Mal sehen wies weitergeht. Danke für den Kommi, und sei dir sicher, das hier wird noch ganz anders als Harry Potter, wenn erst ein gewisser Dämon dazu kommt und Jakes kleines Geheimnis rauskommt - von Chris´ eigenen Geheimnissen gar nicht zu sprechen... lg Silver |
EagleWriter Schon mal nciht schlecht die ersten Zehn Seiten. LEs bei Gelegenheit weiter. Erinner soweit allerdings ein wenig an Harry Potter^^. Was nciht bedeuten soll das das Schlecht währe. Mal sehen wies weitergeht. |