Fantasy & Horror
Scarlett und das Geheimnis von Avalon (5) - wahre Absichten

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"Scarlett und das Geheimnis von Avalon (5) - wahre Absichten"
Veröffentlicht am 13. Februar 2012, 112 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und ...
Scarlett und das Geheimnis von Avalon (5) - wahre Absichten

Scarlett und das Geheimnis von Avalon (5) - wahre Absichten

Beschreibung

Scarlett, Cecil und Ivan arbeiten als Hunter für die berüchtigte Organisation Avalon und fangen Dämonen ein, damit diese sich nicht an den Menschen vergreifen können. Endlich scheint die Geschichte mit Ivalin vorrüber zu sein und der Alltag kehrt wieder ein. Scarlett besucht das Schulfest von Ivans und Cecils Schule und sie amüsieren sich gut. Nur kommt am nächsten Tag auf einmal die Nachricht, dass Zachary wieder ausgebrochen ist. An sich ist das ja nichts Ungewöhnliches, bloß dass Rebecca eine beunruhigende Vorahnung hat. Natürlich machen sich die drei jungen Hunter sofort auf den Weg, doch die Angelegenheit ist ernster, als es zuerst scheint. Hat der Dämon den Verstand verloren?... Zudem tauchen Männer von Avalon plötzlich in Scarletts Schule auf und nach einem Telefonat mit Cecil und Ivan, steht fest, dass da irgendetwas ganz faul ist... Enthält: Kapitel 20-23

Kapitel 20

Nach den nächsten eineinhalb Wochen Ruhe war Scarlett heilfroh, als sie endlich wieder auf Dämonenjagd gehen konnte. Eine Narbe war alles, was von der Verletzung in ihrer Seite zurückgeblieben war. Die Ärzte waren etwas erstaunt gewesen, dass sich die Wunde so komplikationslos geschlossen hatte und so rasch verheilt war. Scarlett hatte nicht den blassesten Schimmer, woran das liegen konnte, und es war ihr auch egal. Solange sie sich wieder normal bewegen konnte und nicht mehr alle naslang von Cecil und Ivan ermahnt wurde, dass sie noch Ruhe brauchte, war ihr alles recht.

Inzwischen war auch entschieden worden, was mit den Mitgliedern von Ivalin geschehen sollte. Die meisten wurden wieder freigelassen, wenn auch mit der deutlichen Warnung, dass sie nicht ein Wort über den Kampf zwischen den Organisationen verlieren durften. Sollte dies geschehen, würden sie umgehend wieder eingesperrt werden. Und Avalon hatte die Mittel dazu, daran zweifelte niemand. Genauso wenig zweifelte irgendwer daran, dass Avalon es herausfinden würde, wenn jemand auch nur ein einziges Wort über das wirkliche Tun der Organisation verlor. So konnten auch Irene, Reika und Angelina letztendlich wieder zu ihren Familien und Scarlett konnte aufhören, sich Sorgen um die drei zu machen. Ende gut, alles gut.

„Was? Schon wieder?“ Scarlett sah den Zettel mit ihren heutigen Aufträgen nur ungläubig an. Ganz unten stand der Name eines Dämons, den sie nur allzu gut kannte. „Ich glaub´s nicht“, seufzte sie nur und zog ihren Mantel vom Stuhl. Im Gang klopfte sie an die Zimmertür von Cecil und Ivan und musste auch nicht lange warten, bis ihr geöffnet wurde.

„Also haben wir wieder neue Aufträge?“, fragte Ivan, auch wenn sich die Frage bei dem Anblick des Faxes in Scarletts Hand erübrigte.

„Wie du siehst, ja“, sagte Scarlett, „Also kommt in die Gänge. Heute sind ganze acht Dämonen dran und ich will nicht erst um zehn wieder hier sein.“

„Jawohl, wir sind ja schon fertig“, sagte Cecil lächelnd und reichte Ivan noch sein schwarzes Kap.

„Dann ist ja gut“, sagte Scarlett und ging daraufhin durch den Gang zur Tür. Ausnahmsweise nahm sie mal nicht das Fenster, auch wenn sie sich die Treppe sparte und einfach nach unten sprang. Das Gleiche taten auch Cecil und Ivan und gemeinsam verließen sie das Gelände von Avalon.

Die ersten beiden Dämonen fanden sie gemeinsam in einem alten Haus, das bald abgerissen werden sollte. Die nächsten drei Dämonen trieben sie in den Gassen zwischen einigen Häusern auf und auch Nummer sechs und sieben waren nicht weiter schwer einzufangen. Es war inzwischen alles Routine und nicht mehr schwer für die drei. Solch einfache und normale Dämonen zu fangen, war schon beinahe langweilig, doch bevor sie Dämonen höheren Levels jagen durften, mussten sie sich erstmal drei Jahre lang um normale Dämonen kümmern. Von daher fehlte noch etwa ein halbes Jahr, bis es hoffentlich wieder spannender wurde. Schließlich aber waren sie bei ihrem letzten Fang angekommen.

„So, wo steckt unser Ausreißer?“, fragte Scarlett und sah sich um. Sie stand auf einem sieben Stockwerke hohen Haus und hielt Ausschau nach Zachary. Irgendwo in dieser Gegend musste er sein, jedenfalls nach ihren Informationen.

„Kann ich dir nicht sagen“, sagte Cecil und nahm seine Brille ab.

„Aber ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass er inzwischen mitbekommen hat, dass wir ihn suchen“, bemerkte Ivan resigniert.

„Und von daher wird er uns bestimmt bald einen Hinweis geben, damit wir ihn jagen dürfen“, stellte Scarlett leicht genervt fest. Es war immer das Selbe mit dem.

 Prompt spielte ein leichter Wind mit ihren Klamotten und Scarlett merkte, wie sich ihre Schirmmütze verabschiedete. Von daher packte sie sie lieber in ihre Tasche und nahm auch die Sonnenbrille ab. Ohne das nervige Ding konnte sie sowieso besser sehen. Sie blickte in die Richtung, in die der Wind wehte, und in dem Moment sah sie Zachary. Er sprang gerade von einem niedrigeren Dach auf ein Höheres und selbst auf die Entfernung konnte Scarlett sehen, dass er grinsend in ihre Richtung sah.

„Na warte“, sagte Scarlett nur und lief ihm mit hoher Geschwindigkeit hinterher. Cecil und Ivan folgten ihr natürlich schnell und es kam zu einer abenteuerlichen Verfolgungsjagd quer über die Dächer. Zachary schien ihnen jedoch immer einen Schritt voraus zu sein. Jedes Mal, wenn sie gerade glaubten, dass sie ihn gleich hatten, sprang er wieder in eine ganz andere Richtung und das Ganze ging von vorne los. Scarlett war nur froh, dass sie eine äußerst belastbare Ausdauer hatte. Ansonsten würde sie es wahrscheinlich nicht aushalten, über zehn Minuten mit beinahe durchgehend hoher Geschwindigkeit hinter Zachary herzujagen.

Dann wollte der Dämon auf ein niedrigeres Dach springen, als er plötzlich mit einem Jungen zusammenstieß, der von einem der anderen Dächer gesprungen kam. Beide stießen mit den Köpfen zusammen und fielen runter auf das Dach unter ihnen. Zachary konnte seinen Sturz noch abfangen, während der andere Junge mit den hellbraunen Haaren von einem anderen Jungen mit schwarzen Haaren am Oberarm gepackt wurde. Auf diese Weise konnte der zweite Junge verhindern, dass der erste mit dem Kopf voran auf dem Dach aufschlug. Hinter den beiden landeten noch zwei Mädchen. Das eine hatte lange, dunkelbraune Haare, die es zu einem Zopf zusammengebunden hatte, der noch mal in zwei Flechtenzöpfe aufgeteilt war, und das andere hatte einen etwas seltsamen Haarschnitt. Einerseits hatte es gestufte, bis zu den Schultern reichende, rotbraune Haare, die ziemlich zerzaust waren, doch es hatte auch noch einige längere Haare, die es zu seinem normalen Zopf am unteren Haaransatz zusammengebunden hatte und die unter den kürzeren lagen.

„Au!“ Der Junge mit den hellbraunen Haaren hielt sich den wahrscheinlich ziemlich schmerzenden Schädel und sah Zachary, der kaum zwei Meter von ihm entfernt auf dem Dach saß, verblüfft an, „Du hast einen verdammt harten Schädel!“

Zachary grinste und seine rotbraunen Augen glänzten im Sonnenlicht. „Dein Schädel ist auch nicht sehr viel weniger hart.“

„Wer bist du eigentlich?“, fragte das Mädchen mit der merkwürdigen Frisur, „Und was suchst du auf den Dächern?“

„Gleiche Frage zurück“, erwiderte Zachary, das spitze Grinsen war noch nicht wieder von seinen Lippen gewichen. Dann fiel sein Blick auf den Jungen mit den schwarzen Haaren, der ihn seinerseits ansah.

„Na warte!“, rief Scarlett in dem Moment jedoch, da sie, Cecil und Ivan endlich auch aufgeholt hatten. Noch bevor das überraschte Mädchen mit den rotbraunen Haaren und der merkwürdigen Frisur etwas sagen konnte, zog Scarlett Zachary ihren silbernen Revolver über den Schädel. Jeder normale Mensch hätte bei der Wucht und dem Orichalcon wohl einen glatten Schädelbruch bekommen. „Du alter Ausreißer“, sagte Scarlett grimmig und hob Nye erneut.

„Gnade“, sagte Zachary und rieb sich den schmerzenden Kopf, „Der Zusammenstoß reicht mir.“

„Pech gehabt“, erwiderte Scarlett, „Du hast doch selber Schuld, wenn du schon wieder meinst, ausbrechen zu müssen.“

„Na wenigstens haben wir ihn jetzt“, seufzte Ivan nur.

„Wer seid ihr?“, fragte das Mädchen mit der komischen Frisur ernst und packte den Jungen mit den hellbraunen Haaren am Kragen, um ihn wieder auf die Füße zu ziehen.

Scarlett sah die Gruppe erst jetzt richtig an. Rein vom Aussehen her schienen sie ganz normal zu sein, doch etwas sagte ihr, dass die Vier nicht vollkommen normal waren. Dabei fiel ihr auf, dass das Mädchen mit der merkwürdigen Frisur sie auf die gleiche Weise ansah, wie Scarlett sie im Moment wahrscheinlich musterte. Es kam immerhin auch nicht häufig vor, dass sie hier oben auf andere Lebewesen als Dämonen trafen, gerade in dieser Gegend.

„Mein Name ist Scarlett Anders“, sagte Scarlett, auch wenn sie nicht wusste, warum sie ihren vollen Namen benutzte, „Und das sind Cecil, Ivan und Zachary, mit dem dein Freund zusammengestoßen ist.“

„Hey, warum sagst du ihnen das?“, fragte Cecil flüsternd und nahm sein weißes Kap ab.

„Der mit den Kopfschmerzen ist Seth, der dort ist Azraél, das ist Stella und mein Name ist Alexandra Davin“, sagte Alexandra mit der komischen Frisur und sah Scarlett dabei ernst an. Nacheinander hatte sie auf den Jungen mit den kurzen hellbraunen Haaren, den Jungen mit den fast schulterlangen, schwarzen Haaren und das Mädchen mit den langen, dunkelbraunen Haaren gezeigt. Der Name Alexandra Davin kam Scarlett jedoch seltsamerweise bekannt vor. Wenn sie nicht vollkommen daneben lag, hatte sie früher, als ihr Name noch Saskia Anders lautete, ein paar Mal mit einem Mädchen namens Alexandra gespielt. Diese stammte aus einer reichen Familie, aber wie Scarlett sich noch erinnerte, war sie dafür sehr nett gewesen. Dann aber war wohl bei Alexandras Familie einiges drunter und drüber gegangen und der Kontakt war abgebrochen. Wenig später war auch Scarletts Vater gestorben und die Arbeit mit der Organisation Avalon hatte begonnen. Darüber hinweg hatte Scarlett fast alles von früher vergessen. Doch nun erinnerte sie sich noch recht deutlich an Alexandra, sie schien wirklich die von früher zu sein.

„Aha“, sagte Scarlett nur. Sie überlegte, ob sie Alexandra darauf ansprechen sollte. Vielleicht aber hatte sie das von damals auch vergessen und würde sie schief ansehen, wenn Scarlett jetzt damit anfing, „Und was sucht ihr hier? Das ist keine Gegend für Touristen. Ihr solltet lieber in der Nähe der Hauptstraße bleiben, dort sind auch Geschäfte, die Souvenirs und den ganzen Kram verkaufen.“

„Dummerweise haben wir anderes zu tun als teure Souvenirs zu kaufen“, erwiderte Alexandra lediglich, auch wenn sie sich dabei unauffällig umsah, „Außerdem könnte man euch die gleiche Frage stellen. Selbst wenn ihr hier lebt, ist es doch ziemlich verdächtig, dass ihr so über die Dächer springt.“

„Stimmt schon“, musste Scarlett lächelnd zugeben, „Aber das gehört nun mal zu unserem Job. Schließlich mussten wir den alten Ausbrecher hier wieder einfangen.“ Dabei klopfte sie Zachary, der noch immer vor ihr auf dem Dach saß, mit ihrem Revolver auf die Schulter. Dieser grinste schief, auch wenn er aus den Augenwinkeln heraus immer noch Azraél anzusehen schien, der ihn ebenfalls musterte, wenn auch nicht direkt.

„Aha“, sagte Alexandra, „Und was für ein Job soll das sein?“

„Das geht euch nichts an“, erwiderte Cecil ernst und auch Ivan war anscheinend bereit jederzeit auf die vier vor ihnen loszugehen.

„Wir arbeiten für eine Organisation namens Avalon“, antwortete Scarlett jedoch, „Auch wenn ich nicht annehme, dass ihr sie kennt.“

Cecil und Ivan sahen sie beinahe fassungslos an. Wie konnte sie wildfremden Leuten einfach sagen, dass sie für Avalon arbeiteten? Wenn die hohen Köpfe der Organisation das herausfanden, gab es gewaltigen Ärger.

„Und was verschlägt euch auf die Dächer hier?“, fragte Scarlett nun und sah Alexandra dabei in die goldgelben Augen.

Diese verschränkte die Arme vor der Brust, während auf ihren Lippen ein ganz leichtes Lächeln lag. „Man könnte es als ein mordlustiges Spiel bezeichnen.“

Bei der Umschreibung einer scheinbar ziemlich ernsten Angelegenheit musste Scarlett irgendwie ebenfalls lächeln. Auch wenn sich ihre Persönlichkeit etwas geändert zu haben schien, war dies wirklich die Alexandra Davin, die Scarlett noch aus ihrer Kindheit kannte. Und auch wenn Scarlett sich da nicht ganz sicher war, schien Alexandra sie ebenfalls erkannt zu haben. Es war schon irgendwie seltsam, aber auch faszinierend, wie sich die Wege zweier Menschen nach Jahren wieder kreuzten. Beide sahen sich lächelnd an.

Plötzlich tauchte auf einem der höheren Dächer ein Mädchen auf, das sie in dem Moment scheinbar schon entdeckt hatte und mit einem hohen Sprung auf sie zu sprang und dabei etwas Unverständliches schrie. Stella und Seth sahen sich zusammen mit den etwas überraschten Cecil und Ivan nach dem Mädchen um, das da mit erhobenem Schwert auf sie zugeflogen kam. Azraél und Zachary schienen sich währenddessen immer noch aus den Augenwinkeln heraus anzusehen. Scarlett hatte nur vergleichsweise kurz in die Richtung von dem Mädchen geblickt und sah schon wieder zu Alexandra, die leise seufzte.

„Das ist wohl das Stichwort, damit verabschieden wir uns“, sagte Alexandra.

„Kommt nicht auf die Idee, die Umgebung in Mitleidenschaft zu ziehen, bei was auch immer ihr treibt“, sagte Scarlett lediglich und lächelte wieder leicht. Sie hielt Alexandra ihre Hand hin, wenn auch auf Augenhöhe und mit angewinkelten Ellenbogen.

Alexandra ergriff Scarletts Hand und lächelte ebenfalls erneut. „Ich werde mich jedenfalls bemühen“, sagte sie und einen Moment lang sahen sich die beiden Mädchen einfach nur herausfordernd an.

„Alex, pass auf!“, rief Stella, die inzwischen zusammen mit Seth und Azraél ein ganzes Stück weiter hinten und bereit zur Flucht war.

Alexandra schien schon gesehen zu haben, dass das Mädchen mittlerweile beinahe über ihr war. Sie ließ Scarletts Hand los und stieß sich ab. Dabei zog sie einen Regenschirm aus einem geheimen Fach ihres dunkelblauen Mantels und parierte damit den Schwerthieb des Mädchens, der sie sonst mit ziemlicher Sicherheit aufgeschlitzt hätte. Mithilfe des Schirms stieß sie sich an dem Schwert des Mädchens ab, um so nach weiter hinten zu kommen. Stella, Seth und Azraél mussten laufen, damit sie Alexandra nicht aus den Augen verloren, die nun in der Gasse zwischen diesem und dem Haus dahinter verschwand. Die drei sprangen ebenfalls über den Rand des Dachs hinweg und verschwanden. Kaum fünf Sekunden später waren auch das Mädchen und noch ein Mann, der auf einmal aufgetaucht war, hinter dem Haus verschwunden.

„Du willst sie einfach gehen lassen?“, fragte Cecil fassungslos.

„Wir kennen sie noch nicht mal und du erzählst dieser Alexandra und ihren Freunden einfach...“, setzte Ivan an.

„Ich kenne sie“, unterbrach Scarlett ihn lächelnd, „Alexandra ist eine Freundin aus Kindertagen, bevor ich mit Avalon in Kontakt gekommen bin. Und was auch immer da los ist, in ein mordlustiges Spiel mischen wir uns besser nicht ein.“

Cecil und Ivan sahen sie nur ungläubig an.

„Außerdem müssen wir unseren Ausreißer noch zurückbringen“, bemerkte Scarlett resigniert, „Nicht wahr?“

Zachary grinste schief.

„Warum hast du eigentlich den Jungen mit den schwarzen Haaren.. Azraél hieß er, glaube ich, die ganze Zeit über angestarrt?“, fragte Scarlett dann, als ihr das wieder einfiel.

Einen Moment lang schien Zachary zu überlegen, dann lächelte er und seine rotbraunen Augen bekamen einen sonderbaren Glanz. „Er ist auch ein Dämon.“

„Was?“ Scarlett starrte ihn ungläubig an und Cecils und Ivans Gesichter sahen nicht besser aus. Die beiden schienen in den letzten Minuten die zu sein, die das Geschehen am wenigsten verstanden.

„Aber er ist keiner, den man fangen kann“, fügte Zachary hinzu. Sein Lächeln hatte einen genauso seltsamen Ausdruck wie seine Augen. „Es gibt verschiedene Arten von Dämonen. Und er gehört zu einer Art, die nichts mit uns zu tun hat. Ihr solltet nicht versuchen, euch mit ihm anzulegen...“

Scarlett haute ihm einfach Nye ein weiteres Mal auf den Kopf. „Du redest zu viel Schwachsinn auf einmal, wir gehen jetzt zurück zu Avalon und wenn du dieses Mal nicht endlich mal über eine Woche in deinem Zimmer bleibst, wirst du das nächste Mal betäubt.“

„Du bist gemein.“

„Da hast du doch selber Schuld. Und jetzt marsch ab zurück zu Avalon!“

„Schon gut.. aber...“

„Nichts aber! Marsch!“

„Jawohl…“

 

Die nächsten Tage war es recht ruhig. Nur wenigen Dämonen gelang die Flucht und meist wurden sie noch am selben Tag wieder eingefangen. Zurzeit gab es auch nicht allzu viele Neuzugänge, sodass die Hunter zur Abwechslung mal etwas Zeit für sich hatten. So konnte auch Scarlett mal wieder einen freien Tag für sich herausschlagen und mit Irene und Bianca Schoppen gehen, während Cecil und Ivan damit beschäftigt waren bei sich in der Schule alles für den Tag der offenen Tür vorzubereiten. Scarlett war auch dazu eingeladen und so war das komplette Team für ein paar Tage mal nicht auf Dämonenjagd, sondern anderwärtig beschäftigt. Die freie Zeit genoss Scarlett in vollen Zügen. Es war schön, dass endlich wieder alles normal war und sie sich getrost ein paar Tage frei nehmen konnte, ohne dass sie erst stundenlang darum betteln musste. Irene und Bianca freuten sich natürlich ebenfalls und sie verbrachten den meisten Teil von Scarletts freier Zeit zusammen. Bis schließlich Tag der offenen Tür bei Cecils und Ivans Schule war, aber an dem Tag hatten auch Bianca und Irene etwas vor, von daher war es nicht weiter tragisch.

 „Ich war schon ganz schön lange nicht mehr hier“, stellte Scarlett fest, als sie vor dem Haupteingang von der Schule der beiden Jungen stand. Alles war hübsch geschmückt und es waren bereits duzende Besucher auf dem Gelände. Zum Glück nur kannte Scarlett sich auch so noch einigermaßen aus, denn Cecil und Ivan hatten noch zu tun und würden erst später zu ihr stoßen. So sah sie sich ein wenig bei den verschiedenen Ständen um und bestaunte verschiedenste Sachen. Viele der Stände waren draußen auf dem großen, asphaltierten Platz vor dem Schulgebäude aufgebaut, andere auch in den Klassen. Überall waren glückliche Gesichter von Schülern, Eltern und Großeltern zu sehen und so musste auch Scarlett selber lächeln.

Bei ihrer kleinen Wanderschaft quer über den Schulhof kam sie an einen Stand, wo viele Bilder ausgehangen wurden. Darunter waren auch einige ziemlich professionell aussehende Werke zu finden. Die meisten davon waren Landschaftsbilder, aber es waren auch ein paar Portraits zu finden. Besonders vor diesen Bildern hingen ziemlich viele Leute, von denen die meisten aber Schüler der Schule zu sein schienen. Als Scarlett sich durch die drängende Masse geschoben und die Unterschrift unter den schönsten Bildern entdeckte, musste sie grinsen.

„Isaak.. na du scheinst ja nichts von deinem Talent eingebüßt zu haben“, stellte sie erfreut fest, woraufhin einige der anderen Schüler sie stirnrunzelnd ansahen. Besonders die Blicke ihrer weiblichen Zuhörer waren ziemlich argwöhnisch, während die männlichen Exemplare scheinbar gerade das Interesse an den Bildern verloren hatten.

„Kennst du Isaak?“, fragte eines der Mädchen.

„Von welcher Schule kommst du?“, folgte prompt die Frage eines gut gebauten Jungen.

Scarlett hob nur eine Augenbraue. „Ja, ich kenne ihn. Wieso?“ Die Frage des Jungen ignorierte sie einfach.

„In welcher Beziehung stehst du zu ihm?“, fragte prompt ein anderes, bildhübsches Mädchen, das Scarlett auch auf einem der Portraits gesehen hatte.

„In welcher Beziehung?“ Nun runzelte sie endgültig die Stirn. „Worauf wollt ihr hinaus?“

„Gehst du mit ihm?“, präzisierte die Schönheit daraufhin ihre Frage und strich mit ihren feinen Fingern durch die strahlend blonden und hübsch gelockten Haare. Daraufhin sahen die Jungen sie nur erstaunt an, scheinbar hatte ihr Aussehen ihnen glatt die Sprache verschlagen. Das kam wohl doch noch gelegentlich mal vor, Scarlett staunte sogar fast über diesen Umstand.

Jedoch schüttelte sie nur kurz den Kopf, wodurch ihre auch nicht minder glänzenden, rotbraunen Haare wieder mehr Volumen annahmen. Nun war sie gar nicht mal so unfroh darüber, dass sie heute die etwas schickere, beige-braune Bluse und die schöne, dunkelblaue Jeans mit einigen Strasssteinen gewählt hatte. Die Herausforderung des Mädchens nahm sie gern an, auch wenn ihre Beziehung zu Ivan nicht so war. „Was wenn?“

Die junge Frau verzog ein wenig das Gesicht und stellte sich demonstrativ so hin, dass ihr recht üppiger Vorbau bei dem weit ausgeschnittenen Top besser zur Geltung kam. Das war wohl die Kriegserklärung, während die Jungen sie maßlos anschmachteten und ihr unverhohlene Blicke zuwarfen.

Scarlett hob nur eine Augenbraue. Was sollte dieses Gehabe? Und überhaupt, sollte das hier zum Streit um Ivan werden?

„Ach du Heiliger.. Sc.. Saskia!“

Daraufhin drehten sich alle um. Direkt hinter der Menge um den Verkaufsstand mit den Bildern stand der Grund der kleinen Auseinandersetzung, gekleidet in ein orangenes Hemd, eine elegante dunkelbraune Weste und eine schwarze Hose.

„Hi!“ Scarlett hob nur eine Hand und schob sich an den anderen vorbei, wobei ihr auffiel, dass die Angeberin direkt hinter ihr war.

„Hallo Isaak!“, sagte das Mädchen fröhlich, „Bist du mit den Vorbereitungen fertig?“

Einen Moment lang gafften die anderen Jungen ihr und dem Mädchen noch hinterher, dann zogen sie traurig von dannen, da ihnen ja doch keiner von uns seine Aufmerksamkeit schenkte.

Der Angesprochene sah für einen kurzen Moment etwas bedient aus, ehe er ein Lächeln aufsetzte. „Ja, ich musste Cedric noch kurz bei der Technik in der Aula helfen.“

„Wie immer die Freundlichkeit in Person“, kommentierte Blondie und warf ihm ein charmantes Lächeln zu.

„Wird der Gute denn heute noch mal von seinen Pflichten erlöst oder muss ich mit dir Vorlieb nehmen?“, fragte Scarlett mit einem leicht schiefen Lächeln. Cecil, dessen normaler Name Cedric lautete, schien wie immer reichlich zu tun zu haben. Die Schule nutzte seine Fähigkeiten in Sachen Technik ganz schön aus.

Das Mädchen neben ihr sah sie nur irritiert an.

Ivan zog unterdessen eine schiefe Grimasse. „Vielleicht, ich kann´s allerdings nicht versprechen. Vorerst wirst du dich in jedem Fall mit mir begnügen müssen.“

„Na ja, meinetwegen“, erwiderte sie schmunzelnd, „Wenn wir schon dabei sind, kannst du mir ja mal zeigen, was ihr drinnen so alles aufgebaut habt.“

„Aber sicher doch, Euer Ehren“, sagte Ivan in hoher Manier und verbeugte sich galant vor Scarlett.

„Zu freundlich.“ Sie musste kichern, so blöd kam ihr das Getue gerade vor.

„Was.. ist sie deine Freundin?“, fragte das Mädchen schon beinahe fassungslos.

„In gewisser Weise schon“, erwiderte Ivan und packte Scarlett am Handgelenk, um sie mit sich zu ziehen, „Und entschuldige uns jetzt, wir haben noch was vor.“

Das verschlug der blonden Schönheit endgültig die Sprache. Scheinbar hatte ihr vorher noch nie jemand einen Korb gegeben. Armes Ding.

„Die scheint ja irgendwas an dir gefressen zu haben“, stellte Scarlett stirnrunzelnd fest, als sie durch das Schulgebäude gingen.

Ivan stöhnte. „Ja ja, hör mir bloß auf damit. Seit ich sie einmal gezeichnet habe, rückt sie mir kaum noch vom Pelz. Es ist jedes Mal ein Akt sie loszuwerden, wenn ich mich auf den Weg zu Avalon mache.“

„Was sie wohl sagen würde, wenn sie wüsste, dass du für die Organisation arbeitest?“

„Das will ich gar nicht erst wissen.“

Scarlett schmunzelte nur.

Ivan führte sie anschließend durch die Schule und zeigte ihr einige Angebote der Klassen. Der Höhepunkt jedoch war der Ball am frühen Abend. Die große Aula war schön geschmückt und eine angenehme Musik verströmte das passende Flair. Auch hier schienen alle gut gelaunt zu sein und viele tanzten auch in der Mitte. Die meisten davon waren allerdings die Schüler dieser Schule und nicht wenige von ihnen trugen wohl eigens für den Ball gekaufte Kleider. Es war ein fröhliches, buntes Treiben, dem Scarlett nur zu gerne zusah.

„Sollen wir da auch mal ein bisschen mitmischen?“, fragte Ivan dann plötzlich.

Scarlett sah ihn daraufhin nur resigniert an. „Du weißt ganz genau, dass ich nicht einen Schritt tanzen kann.“

„Na und?“ Er hob nur eine Augenbraue. „Ich kann es doch auch nicht so wirklich, also was soll´s?“

„Ich hab keine Lust.“

„Komm schon.“

„Ich mag tanzen nicht.“

„Woher willst du das wissen, wenn du es noch nicht mal versucht hast?“

„Du nervst.“

„Also machst du mit?“ Ivan grinste.

Scarlett schüttelte nur stöhnend den Kopf.

So standen die beiden letztlich am Rand der Tanzfläche und mischten bei den anderen Tänzern mit, wobei sie schon durch ihre eher normale Kleidung bei diesen ganzen Festtagskleidern auffielen. Allerdings schien ihr etwas improvisiertes Gehampel auch auf seine Anhänger zu stoßen, denn nicht wenige lachten zwar, klatschten aber durchaus.

Dann war das amüsierte Lachen einer ihnen beiden bekannten Person zu hören und beide sahen leicht überrascht auf.

„Na ihr scheint ja euren Spaß zu haben“, stellte Cecil fest. Er hatte eine Hand in die Hüfte gestützt und sah sie schmunzelnd an. Seine dunkelgraue Hose wirkte ziemlich fein und auch die elegante, weiße Jacke schien eher zu seinen Sontagsklamotten zu gehören.

„Hey, du lässt dich ja doch noch blicken“, stellte Scarlett erfreut fest, „Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben.“

„Wie könnte ich versäumen, den Erwartungen einer schönen Dame zu entsprechen?“, erwiderte er lächelnd.

„Ich hab zwar kein Wort verstanden, aber wenn du willst, kannst du übernehmen“, sagte Ivan, „Ich hab´s nicht so mit langsamer Musik.“

„Ist mir ein Vergnügen.“ In Cecils Augen lag so ein seltsames Funkeln, das kurzzeitig auch in Ivans Augen zu sehen war.

Scarlett runzelte nur die Stirn, ließ sich jedoch von Cecil führen, während Ivan seinen Platz am Rand der Tanzfläche einnahm. Genau wie zuvor klebten auch bald schon fünf Mädels an ihm und besonders die Schönheit vom Stand mit den Bildern wollte immer wieder mit ihm tanzen, doch er lehnte nur mit einem resignierten Blick ab.

Unterdessen folgte Scarlett etwas unbeholfen Cecils Anweisungen. Zwar wusste sie nie so ganz, wo sie ihre Füße jetzt hinsetzen sollte, doch auch wenn sie keine Ahnung vom Tanzen hatte, musste sie zugeben, dass er ziemlich gut lenken konnte. Teilweise sah das noch nicht mal allzu schlecht aus, auch wenn sie sich irgendwie ziemlich dumm vorkam. Bald drehten sie sich dann um ihre in der Mitte verschränkten Hände. Ihre Arme waren leicht angewinkelt und Cecil hatte seinen zweiten Arm hinter seinem Rücken angewinkelt. Zwar sah dies für Profis nicht sehr beeindruckend aus, doch einen gewissen Charme verströmten die beiden.

Dann lächelte Cecil jedoch auf einmal spitz und drückte den Knopf auf der Fernbedienung, die er in der Hand hinter seinem Rücken hatte. Schlagartig wechselte die Musik zu einer wesentlich lebhafteren Melodie und neben der etwas überraschten Scarlett tauchte Ivan auf. Er nahm ihre zweite Hand und hielt sie hoch über ihren Kopf. Die beiden Jungen schienen sich abgesprochen zu haben, denn Cecil tat dies im selben Moment mit ihrer rechten Hand die beiden drehten Scarlett in ihrer Mitte um sich, ohne dabei ihre Hände loszulassen. Einen Moment lang war sie überrascht, doch dann durchschaute sie die beiden Jungen und musste lachen. Jedoch spielte sie mit und übernahm mehr oder weniger die Führung, denn die Verteilung der Rollen beim Tanzen hatte sie sowieso noch nie toll gefunden. Wieso sollten unbedingt die Jungen führen? Die Mädchen konnten das genauso gut!

Sie begann ihre Füße im passenden Takt zur Musik zu setzen und ihre beiden Kameraden zu führen. Nur schienen diese mit der neuen Verteilung nicht ganz einverstanden zu sein, sie wollten die Führung eindeutig zurück. Denn auf einmal hörten sie einfach auf sich zu drehen und traten zurück. Dabei hielten sie immer noch Scarletts Hände fest und zogen ihre Arme wieder auf Brusthöhe. Scarlett gab sich allerdings nicht so einfach geschlagen und lehnte sich einfach weit nach hinten. Sie wusste, dass Cecil und Ivan sie nicht loslassen würden, und hatte deshalb keinerlei Bedenken. Die beiden lächelten nur und zogen sie schwungvoll wieder zurück. Daraufhin ließ Scarlett kurz ihre Hände los und drehte sich einmal schnell um hundertachtzig Grad und erwischte anschließend wieder die Hände der beiden, um sich erneut weit nach hinten zu lehnen. Dann zogen Cecil und Ivan sie wieder zu sich und Scarlett drehte sich erneut kurz in der Mitte um sich selbst, geführt von den beiden Jungen. Doch sie hatte noch immer keine Lust sich führen zu lassen.

Darum ließ sie einfach Ivans Hand los und führte den leicht verdutzten Cecil. Da er ihre rechte Hand nach wie vor festhielt, drehte sie ihn mit dieser einmal um seine Achse. Danach ließ sie ihn wieder los und schnappte sich Ivans Hand. Mit ihm machte sie das Gleiche wie mit Cecil und musste dabei aufpassen, dass sie bei ihrem eigenen Gehampel und Tänzeleien nicht anfing zu lachen.

Bianca, die mit Irene und ihren Eltern etwas weiter hinten stand, weil ihr kleiner Bruder ebenfalls auf diese Schule ging, starrte nur verwirrt in die Richtung der etwas komischen Tänzer. „Saskia...“

Scarlett fand sich inzwischen in der Endpose wieder. Noch leicht überrascht lag sie in Ivans Arm, während Cecil ihre rechte Hand hielt. Allerdings hatte er sich nach vorne gebeugt und es sah so aus als wollte er sie auf den Handrücken küssen. Er lächelte jedoch, genauso wie Ivan, und auch Scarlett musste trotz der Überraschung grinsen. Das waren sie, Cecil und Ivan, ihre besten Freunde.

Kapitel 21

Als Scarlett am nächsten Morgen vor der Schule noch kurz zu Rebecca ging, hatte diese eine kleine Überraschung für sie.

„Ein Brief?“ Scarlett hob erstaunt eine Augenbraue.

„Ja, wie es aussieht kommt er aus Italien“, sagte Rebecca, die auch leicht verwundert wirkte, „Hast du vielleicht Freunde dort, die wissen, dass du hier arbeitest?“

„Nicht dass ich wüss...“ In dem Moment hatte sie den Namen des Absenders gelesen. „Wie es aussieht doch.“ Kurzerhand riss sie den Umschlag auf und holte den Zettel heraus, um den Brief zu lesen.

 

Hey Scarlett,

es ist schon eine ganze Weile her, seit ich das letzte Mal geschrieben habe. Ich hoffe, es geht dir gut und auch deine beiden Freunde sind wohlauf. Was machen eure „Schwerverbrecher“? Tanzt dieser Zachary euch immer noch so auf der Nase rum?

Bei mir ging es in letzter Zeit etwas drunter und drüber. Ich bin auf die Arrison Academy in Italien gewechselt und bekam zu sehen, wie eine Schule für unsereiner aussieht und läuft. Ich sage dir, das ist der reinste Schwachsinn. Vielleicht fünf Prozent der Schüler dort eignen sich wirklich für diesen Job, der Rest könnte das nie und nimmer. Na ja, aber das ist natürlich nicht das Einzige, was ich nach der langen Zeit zu berichten habe.

Dort habe ich auch einen Jungen namens Train kennengelernt. So jemand wie er ist mir noch nie zuvor begegnet. Er ist der Beste A.M., der mir in meinem ganzen Leben begegnet ist. Am Anfang war das allerdings ganz schön chaotisch, ich stand eindeutig ganz oben auf seiner Abschussliste, obwohl ihm nichts getan habe. Dann sollten wir auch noch ein Team bilden und das ging zunächst, für mich jedenfalls, ziemlich nach hinten los. Da schien meine Vergangenheit wieder schmerzlich real zu werden.. Tja, aber mittlerweile kommen wir gut miteinander aus. Besser als ich je zu hoffen gewagt habe. Wir übernehmen gemeinsam Missionen und sind ein eingespieltes Team. Zumindest läuft es derzeitig ganz gut.

Aber diese Akademie ist mir immer noch ein Rätsel. Die Schulleiterin ist verdächtig und es gibt da mehr als eine Sache, die mich misstrauisch macht. Zudem gibt es da auch noch eine Organisation, die wohl mit der Akademie zusammenarbeitet. Irgendetwas ist da faul, das spüre ich auch an Train, der ebenfalls noch einige Geheimnisse vor mir hat. Und ich werde herausfinden, was hinter der ganzen Sache steckt. Der kleine Abstecher wird meine eigentlichen Pläne ja nicht gefährden.

 

Mit vielen Grüßen,

Kate Randall

 

PS. An Cecil und Ivan, die dir bestimmt gerade über die Schulter gucken: Passt gut auf Scarlett auf, sonst komme ich auch bei euch mal wieder vorbei. Und das meine ich ernst.

 

„Das ist doch von dieser Auftragsmörderin“, stellte Cecil mit einer hochgezogenen Augenbraue fest, „Die ist manchmal echt unheimlich.“ Er und Ivan waren ebenfalls gerade angekommen und hatten den Brief überflogen.

„Sie kann euch beide nur ganz gut einschätzen“, bemerkte Scarlett schmunzelnd.

„Trotzdem, in dieser Branche möchte ich nicht arbeiten.“ Auch Ivan wirkte ein wenig erstaunt. „Ich frage mich, wie sie es schafft auf Auftrag einfach Leute zu töten.“

„Sie tötet sie nicht einfach so“, widersprach Scarlett und warf ihm einen bösen Blick zu, „Außerdem hat sie eine schlimmere Vergangenheit noch als ich. An ihrer Stelle würde ich wahrscheinlich auch auf Rache aus sein und die Männer töten wollen, die meine Familie einfach ohne mit der Wimper zu zucken umgebracht haben.“

Cecil schüttelte den Kopf. „Was soll´s? Weder Ivan noch ich werden verstehen, nach welchen Kriterien du dir deine Freunde früher gesucht hast. Erst diese Alexandra mit ihrer Truppe, jetzt der Brief von Kate.. du hattest einen komischen Geschmack, wenn du mich fragst.“

Scarlett warf ihm einen geflissentlichen Blick zu.

„Warum hast du ihr damals eigentlich deinen zweiten Revolver gegeben?“, fragte Ivan, „Erst forderst du einen zweiten, silbernen Revolver an, der von der Beschaffenheit her Nye ähneln sollte, und dann gibt du Rye einfach an diese Kate weiter.“

Scarlett seufzte. „Ich hab euch doch schon damals gesagt, dass euch dieser eine Grund nichts angeht. Findet euch damit ab, dass ich es getan habe. Die Strafe dafür habe ich schließlich schon lange hinter mir.“

„Hmhm.“ Ivan verdrehte die Augen. „Und wer durfte dafür sorgen, dass die Leitung dich nicht auf ewig in einen Raum einsperrt und den Schlüssel wegwirft?“

„Oje, nun stellt euch nicht so an“, erwiderte Scarlett und schüttelte den Kopf, „Ihr seid echte Weicheier.“

 

Die nächsten Tage blieb es weiterhin ruhig. Es war zwar fast schon langweilig, aber Scarlett könnte sich glatt daran gewöhnen, wenn da nicht die Befürchtung wäre, dass irgendetwas im Busch war. Sie wusste auch nicht genau, warum sie das Gefühl hatte, aber was auch immer die Ursache war, schlimmer als die Sache mit Ivalin konnte es ja eigentlich nicht werden, und damit waren sie auch fertig geworden. Also war sie relativ zuversichtlich. Auch wenn ihr auffiel, dass Sebastian die Tage etwas geistesabwesend wirkte und selbst Keith nachdenklich drein blickte. Und das sollte bei den beiden Meistern schon was heißen.

„Hah? Das gibt´s doch echt nicht“, stöhnte Scarlett, als sie das Fax mit ihren Aufträgen überflog. Es war nur ein Dämon, den sie mal wieder einfangen sollten, ihr wohl bekannter Ausbrecher. Allerdings stand darunter noch, dass das Team sich vor Aufbruch bei Rebecca melden sollte. Das verwirrte Scarlett ein wenig.

„Na was soll´s?“ Sie zuckte mit den Schultern, zog den schwarzen Mantel über und ließ den Zettel in ihrer Tasche verschwinden.

„Okay.. dann gehen wir vorher eben noch zu Rebecca“, sagte Cecil, der genau wie Ivan ebenfalls etwas überrascht schien. Damit machten die drei sich auf den kurzen Weg und standen so nur wenige Minuten später bei Rebecca im Büro.

„Etwas ist seltsam?“, wiederholte Scarlett leicht verwirrt.

Rebecca nickte. „Ich weiß nicht genau, wie es beschreiben soll, aber durch seine vielen Ausbrüche habe ich seine Wanderungen natürlich häufig gesehen. Dieses Mal ist irgendetwas anders. Normalerweise turnt er so ungefähr quer durch die halbe Stadt, aber heute hat er schon nach einer kurzen Weile aufgehört sich weiter fortzubewegen und ist auch jetzt noch am selben Punkt.“

„Das sieht dem Ausbrecher wirklich nicht ähnlich“, stellte Cecil nachdenklich fest, „Hast du irgendeine Ahnung, woran das liegen kann? Ist irgendetwas oder vielleicht ein anderer Dämon in der Nähe?“

Die Sekretärin schüttelte den Kopf. „Er befindet sich auf einem alten Fabrikgelände. In seiner Nähe habe ich allerdings keinen von uns registrierten Dämon geortet, daher kann ich nicht sagen, was ihn dazu bewegt, so lange dort zu bleiben.“

„Wir werden nachsehen“, sagte Scarlett kurz entschlossen, „Wir müssen ihn ohnehin wieder einsammeln, da können wir auch gleich prüfen, was da los ist.“

Gesagt, getan. Mit Rebeccas Richtungsanweisungen kamen die drei ziemlich schnell in die verlassene Gegend am Stadtrand und standen alsbald vor dem großen Gelände, auf dem sich mehrere alte, stillgelegte Fabrikgebäude und Lagerhäuser befanden. Der vorherige Inhaber hatte das Gelände wohl schon vor über einem halben Jahr aufgegeben und stattdessen ein Größeres am anderen Ende der Stadt gemietet. Eigentlich hatten die Gebäude abgerissen werden sollen, doch irgendwie war die Sache wohl immer noch nicht in Gang gekommen, weil die Vorsitzenden andere Dinge im Kopf hatten. Zwar interessierte Scarlett das alles eigentlich nicht, doch wenn die nette Sekretärin – abgesehen von den Richtungsangaben – einmal ins Reden gekommen war, war es sehr schwer sie wieder auszubremsen.

Schließlich aber gab sie den drein noch die Nummer der Lagerhalle, in der sich Zachary befinden sollte, und legte mit einem „seid vorsichtig“ wieder auf. Ivan ließ das Handy in seiner Tasche verschwinden und die drei nickten sich kurz zu, ehe sie das karge Gelände betraten.

Sie schwiegen und nach kurzem Suchen fanden sie das große Gebäude mit dem gewölbten Dach mit der Nummer vier. Vor der großen, eisernen Tür blieben sie stehen und lauschten, doch auch nach zwei Minuten vernahmen sie immer noch kein anderes Geräusch als das leise Heulen des Windes, der hier durch alle möglichen Ritzen und Spalten drang.

„Wir gehen rein“, sagte Scarlett leise.

„Roger.“ Ivan und Cecil zogen mit einem Ruck das Tor zur Hälfte auf und verharrten dann nochmal einen Moment lang still. Auch Scarlett lauschte angestrengt, doch selbst jetzt war niemand zu hören.

Daraufhin betraten sie nun vorsichtig die große Halle und sahen sich misstrauisch um, doch wider ihren Erwartungen, war sie leer. Leer bis auf einen etwas weiter hinten auf dem Boden liegenden, älteren Jungen – besser gesagt Dämon.

„Zachary!“, rief Scarlett überrascht und verstaute Nye wieder in ihrem Halfter, bevor sie zu dem Dämon lief.

Cecil und Ivan folgten ihr und sahen sich dabei argwöhnisch um, da ihnen der Ort nicht ganz behagte, obwohl es eigentlich nichts Beunruhigendes zu sehen gab. Trotzdem sagte ihnen irgendetwas, dass es hier gefährlich war. Sie mussten unbedingt vorsichtig sein.

Scarlett blieb unterdessen neben Zachary stehen, der im Augenblick so aussah, als hätte er einen fürchterlichen Alptraum. Er hatte das Gesicht stark verzogen und sein Kiefer war deutlich angespannt, genau wie auch seine Atmung ein wenig schneller und flacher ging als gewöhnlich. Mit ihm stimmte etwas nicht, so viel war sicher.

„Hey, wir sollten lieber nicht zu lange hier bleiben“, sagte Ivan ernst und sah sich um, „Hier ist irgendetwas…“

In dem Augenblick durchfuhr sie alle auf einen Schlag ein sehr ungutes Gefühl. Eine Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen und kalte Finger schienen ihnen das Rückgrat rauf und runter zu laufen. Die Alarmsirenen in den Köpfen der drei schrillten so heftig wie noch nie zuvor und sie sahen sich nichts Gutes ahnend an.

Nun begann Zachary sich auf einmal zu regen und setzte sich langsam, fast wie in Zeitlupe auf. Scarletts Herz pochte vor Angst wie verrückt und sie wich ungewollt einen Schritt zurück. Bei dem Geräusch hob der Dämon den Kopf und öffnete seine Augen. Sie waren so blutrot und voller Kälte, dass sie förmlich leuchteten.

„Was zum Teufel…?“ Cecil und Ivan schienen das Gleiche wie Scarlett zu spüren und starrten den Dämon völlig verwirrt an. Die übermächtige Gefahr, die sie alle spürten, ging von ihm aus. Von diesem draufgängerischen, immerzu grinsenden Dämon, der sie nun aber mit einem solch eiskalten Blick ansah, dass einem glatt das Blut in den Adern gefror.

Dann stand er plötzlich von einer zur nächsten Sekunde auf den Füßen und richtete sich zu voller Größe auf, wodurch er auch die beiden Jungen neben Scarlett noch ein Stück überragte. Es war deutlich zu sehen, wie sich seine Muskeln immer wieder anspannten und mehrmals sah es so aus, als würde er gleich auf sie losgehen, doch dann verharrte er wieder.

Als Scarlett jedoch gerade einen vorsichtigen Schritt in seine Richtung wagen wollte, fixierte sein vernichtender Blick sie auf einen Schlag und in der nächsten Sekunde stand er direkt vor ihr. Der Hieb mit seiner Klaue – seine Fingernägel waren unnatürlich lang – hätte mit Sicherheit gesessen, wenn Ivan sie nicht im letzten Moment gepackt und mit sich gerissen hätte.

Während die beiden hart auf dem steinernen Boden aufschlugen, stellte sich Cecil mit seinem Schwert Zessiro dem Dämon in den Weg, der den anderen beiden schon hinterher wollte.

„Hey, was ist los mit dir?“, fragte der Junge unsicher. Zwar konnte er den Dämon nicht unbedingt leiden, doch so etwas hatte er sich auch nicht träumen lassen.

In dem Augenblick schoss Zachary auch schon mit einem Affenzahn auf ihn zu und im letzten Moment gelang es Cecil sein Schwert hochzureißen. Die Wucht des Dämons warf ihn allerdings glatt um, wobei es ihm gelang seinen Angreifer durch dessen eigenen Schwung über sich hinweg zu schleudern. Als er gleich darauf wieder auf die Füße kam, stand Ivan bereits wieder neben ihm und hielt seine Lanze in der Hand.

„Was ist bloß in ihn gefahren?“, fragte Ivan verwirrt.

Unterdessen beobachtete auch Scarlett ungläubig, wie sich Zachary ein wenig ruckartig und ungelenk wieder aufrichtete. War das da wirklich der Dämon, der ihnen sonst immer so fröhlich auf der Nase rumtanzte? Sie konnte es kaum fassen. Das war sogar schlimmer als bei ihrer ersten Begegnung.

„Glaubst du, du kannst im Hauptquartier anrufen, wenn ich dir Deckung gebe?“, fragte Cecil leise, ohne den Dämon aus den Augen zu lassen. Er hatte bereits gemerkt, dass Scarlett im Augenblick unfähig war einzugreifen – das hier hatte einfach zu viel gemeinsam mit ihrem ersten Treffen.

Ivan schien kurz nachzudenken und griff dann vorsichtig nach seiner linken Manteltasche. „Ich kann´s auf jeden Fall versuchen“, antwortete er, wenn auch nicht ganz überzeugt.

„Ich denke nämlich nicht, dass wir hiermit fertig werden“, fügte Cecil hinzu, „Alleine schon, weil…“

Bevor er fortfahren konnte, schoss Zachary wie vom Katapult abgeschossen auf die beiden zu. Die Jungen sprangen auseinander und eigentlich stellte sich Cecil extra mehr in die Laufbahn des Dämons, doch dieser machte eine scharfe Kurve und sauste hinter Ivan her, der vor Schreck sein Handy fallen ließ und geistesgegenwärtig seine Lanze hochriss, bevor der Dämon ihm in den Hals beißen konnte. Jedoch fiel auch er bei dem Schwung von Zachary nach hinten und wollte denselben Trick wie sein Bruder anwenden, aber der Dämon stemmte die Beine in den Boden und bremste scharf ab, sodass er im Gegensatz zu seinem Opfer stehen blieb und ihm erst nachsetzte, als Ivan gerade wieder hochkommen wollte.

Dieses Mal war Zachary auch noch so schlau und schlug ihm die Lanze aus der Hand, als Ivan ihn gerade abwehren wollte, und drückte ihn dann mit seinem gesamten Gewicht nach unten. Cecil, der seinem Bruder natürlich zur Hilfe kommen wollte, wurde von Zachary einfach mit einer rauen Böe zur Seite geschleudert. Dann beugte er sich hinunter und wollte Ivan eindeutig in den Hals beißen und ihm das Fleisch von den Knochen reißen. Der Junge versuchte mit aller Kraft den Dämon an der Brust von sich wegzurücken, doch sein Gegner war viel stärker und hielt ohne Schwierigkeiten dagegen. Ein kaltes Fauchen kam über seine Lippen und damit beugte er sich einfach vor und riss den Mund auf.

Just in der Sekunde erklang ein Schuss und der Dämon richtete sich ruckartig wieder auf, damit sein Kopf nicht von der Kugel durchlöchert wurde. Da hatte Scarlett aber schon die restlichen Meter hinter sich gebracht und fasste mit dem linken Arm um Zacharys Kopf, während sie in der rechten Nye hielt. Durch ihren Schwung zog sie ihn mit sich und glitt dabei in eine sitzende Position – auch wenn sie zur selben Zeit deutlich Zacharys Zähne in ihrem linken Unterarm spürte, der sich genau vor seinem Mund befand, damit es ihm bei einem möglichen Befreiungsversucht nicht gelungen wäre den Jungen zu beißen.

„Hör auf!“, rief sie und zog den Dämon trotz der Schmerzen in ihrem Arm an sich, „Das bist doch nicht du, Zachary! Lass den Schwachsinn und komm wieder zu dir!“

„Scarlett!“, rief Cecil erschrocken, der sich während des Laufens noch den Kopf hielt, den er sich anscheinend angeschlagen hatte. Auch Ivan setzte sich erschrocken wieder auf und kam auf die Füße, als sein Bruder ihm auch schon seine Lanze zuwarf und sie beide ihrer Gefährtin zur Hilfe eilen wollten.

Diese spürte mit einem Mal, wie der Dämon zögerlich seine Zähne aus ihrem Arm nahm.

„Scar..lett…“, brachte er mit heiserer Stimme hervor und begann zu zittern.

„Zachary!“, sagte sie überrascht und besorgt zugleich, „Hey! Was ist los mit dir?!“

Statt eine Antwort zu erhalten, spürte sie plötzlich, wie sich der Dämon kurz an sie schmiegte. Sie starrte ihn nur völlig perplex an, ehe sie merkte, wie die Spannung aus seinem Körper wich und er das Bewusstsein verlor.

„Scarlett!“, rief Cecil erneut, doch da hob sie schon die Hand und sah verwirrt auf. Daraufhin merkten auch die Jungen, dass der Dämon bereits wieder ohnmächtig war und nur noch kraftlos in ihren Armen lag.

 

„Werd vernünftig, Junge!“, brüllte die unbarmherzige Stimme seines Vaters und hallte mehrfach wieder, „Du bist ein Dämon und das sind mindere Menschen, die versuchen sich in unsere Angelegenheiten einzumischen! Lass ihnen gegenüber keine Gnade walten und gib endlich deiner Natur nach!“

„Mit Sicherheit.. nicht…“

„Dummer Junge!“, fluchte sein Vater und erhöhte den Druck auf seinen Geist, „Sie werden dich ausnutzen und wenn du ihnen nicht gehorchst, werden sie dich foltern und töten! Du bist der Sohn einer der vier Königsfamilien! Benimm dich endlich entsprechend und hör auf mit diesen dämlichen Spielen!“

„Ich.. will nicht…“, stöhnte er, doch seine Versuche, sich gegen die Macht seines Vaters zu wehren, liefen alle ins Leere.

Dann sah er plötzlich ein verzerrtes Bild vor seinem inneren Auge. „Mörder“, sagte Scarlett mit eiskalter Stimme, „Du hast unzählige Menschen getötet, scher dich zum Teufel, du Dämon. Stirb…“ Ihr silberner Revolver war auf ihn gerichtet und ein Schuss erklang.

Er wusste, dass das alles von seinem Vater kam. Er wusste es, und doch lösten diese ganz leisen Zweifel in seinem Hinterkopf seinen letzten Widerstand in Luft auf und er konnte nichts mehr dagegen tun, dass ihm die Kontrolle über Geist und Körper entglitt.

„So ist es richtig, füge dich deinem Vater…“

„Verdammt…“, flüsterte Zachary noch, bevor er endgültig die Kontrolle verlor.

 

„Was ist bloß mit ihm los?“, fragte Scarlett, als sie ihn vorsichtig auf den Boden gelegt hatte und ihn von oben betrachtete. Seinem schmerzverzerrten Gesicht nach zu urteilen, war irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung. So hatte sie ihn noch nie zuvor gesehen.

„Und du bist dir sicher, dass er eben kurz er selbst war?“, fragte Cecil erneut nach, in dessen Augen starkes Misstrauen lag.

„Ja…“ Sie war sich sicher, obwohl der Dämon sich auch währenddessen untypisch benommen hatte.

„Fragt sich bloß, was wir mit ihm machen sollen“, bemerkte Ivan, der wenig erbaut klang, „Ich sag´s nämlich nicht gerne, aber wenn er sich so wie eben benimmt, sehe ich keine große Überlebenschance für irgendeinen von uns.“

„Wir müssen ihn betäuben“, sagte Cecil und sah dabei Scarlett ernst an – er schien zu wissen, dass sie dem Dämon zwar immer damit drohte, ihm das aber eigentlich nur ungern antun wollte –, bevor er zu Ivan blickte, „Und du rufst besser schnell bei Rebecca an und lässt sie Sebastian und seine Leute herschicken.“

Ivan nickte und joggte flott los, um sein Handy wieder einzusammeln.

Cecil blickte daraufhin wieder zu Scarlett, die neben dem Dämon in die Hocke gegangen war und ihn musterte, als versuchte sie durch bloße Blicke herauszufinden, was mit ihm los war.

In dem Augenblick aber war ein überraschter Laut zu hören und Cecil und Scarlett sahen beide aus den Augenwinkeln, wie Ivan, als er sich gerade zu seinem Handy runterbeugte, urplötzlich so heftig zur Seite geschleudert wurde, dass er auf der anderen Seite der Halle gegen die Wand krachte.

Scarlett wandte erschrocken den Blick, doch in dem Augenblick wurde sie schon fortgestoßen und schaffte es gerade eben noch die Landung durch eine etwas ungelenke Rückwärtsrolle abzufangen.

„Verdammt!“, rief Cecil überrascht aus, als der Dämon auch schon auf ihn losging und es beinahe schaffte ihm mit seiner Klaue einen kräftigen Hieb in die Seite zu verpassen, „Scarlett, du musst ihn betäu…!“

In dem Augenblick schwang Zachary seine Hand einmal quer durch die Luft und auch Cecil flog unsanft gegen die Wand, dass das Geräusch seines Aufpralls in der leeren Halle noch mehrfach wiederhallte. Scarlett sah ihm ungläubig hinterher und blickte auch kurz zu Ivan, der weiter hinten stöhnend am Boden lag und versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Dann wanderte ihr Blick zu dem Dämon, der bereits auf sie zukam.

Für einen Moment kam sie sich wirklich an den Tag ihres ersten Auftrags zurückversetzt vor. Auch da hatte Zachary erst die beiden Jungen ausgeschaltet, bevor er sich ihr gewidmet hatte. Ein leicht brennender Schmerz in ihrem linken Unterarm machte sie auch darauf aufmerksam, dass er sie bereits einmal gebissen hatte. Das war nicht der Zachary, den sie kannten, es war ein wilder Dämon mit unglaublich viel Macht.

Es fiel ihr schwer, doch sie konnte nicht zulassen, dass er es schaffte sie alle drei zu besiegen. Mit der rechten Hand fasste sie an das Halfter an ihrem Oberschenkel, hob den Revolver und zielte auf Zachary.

Dieser blieb nun kurz stehen und erwiderte mit seinen blutroten Augen ihren Blick. Dann fauchte er, setzte zum Sprung an und schoss noch in derselben Sekunde auf sie zu. Scarlett betätigte den Abzug, aber mit einer winzigen Bewegung gelang es Zachary der Kugel auszuweichen. Sie wollte ein weiteres Mal schießen, doch plötzlich wurde sie von einem Windstoß getroffen und von den Füßen geschleudert.

Erst jetzt begriff sie auch richtig, wie besonders dieser Dämon war – dass er den Wind kontrollieren konnte! Zuvor hatte sie das alles mehr für Zufälle gehalten und auch nie richtig gesehen. Nun erst verstand sie, welch einem Gegner sie sich wirklich gegenüber sah.

Die Landung auf dem Rücken war hart und im nächsten Moment saß der Dämon bereits auf ihr. Mit seinen beiden Händen hatte er ihren Hals gepackt und drückte zu, während sie ihn nur fassungslos anstarrte.

„Zacha.. ry…“, presste sie hervor und verzog das Gesicht. Was zum Teufel war hier nur los? Wieso versuchte er sie umzubringen? Wieso ausgerechnet dieser Dämon, dessen Absicht zu töten sie fast noch mehr schmerzte als wie Irene versucht hatte sie umzubringen?

Der Dämon fauchte jedoch nur drohend und drückte fester zu, sodass sich seine spitzen Fingernägel in ihren Hals bohrten und ihr die Luft abschnürten.

Wieso zum Henker musste sie ausgerechnet jetzt so verzweifelt sein? Scarlett begriff sich selber nicht und biss die Zähne zusammen, als ihr eine Träne über die Wange lief. „Ich bin es.. Scarlett…“

Der Blick aus Zacharys blutroten Augen bohrte sich tief in ihre Seele.

„Du hast es.. versprochen…“, hauchte sie, als ihr bereits schwarze Punkte vor den Augen tanzten.

Auf einmal aber begannen seine Hände zu zittern. „Schieß…“

Der Griff hatte sich ein wenig gelockert und Scarlett schnappte kurz nach Luft, ehe sie ihn verwirrt und entsetzt zugleich anstarrte. Er kam wieder zu sich. „Hör auf“, flehte sie leise.

Zacharys Hände zitterten immer heftiger. „Ich.. kann nicht.. Schieß!“ Seine Stimme klang angestrengt und eine starke Verzweiflung war in ihr zu hören.

Scarlett schüttelte jedoch nur den Kopf. „Nein.“ Sie konnte nicht schießen, selbst wenn sie es wollte. Es ging einfach nicht, obwohl ihr das noch nie zuvor auf diese Weise passiert war. Sie konnte diesen Dämon nicht ernsthaft anschießen – denn wenn sie es wirklich gewollt hätte, hätte sie vorhin wahrscheinlich auch bei seinem Ausweichmanöver getroffen. Es war unmöglich.

Der Dämon starrte sie ungläubig und verzweifelt zugleich an. Dann keuchte er und biss die Zähne zusammen, dass sein Kiefer knirschte. Er versuchte sich mit aller Kraft gegen den Einfluss seines Vaters zu wehren, bis es ihm unter gewaltiger Kraftaufbringung schließlich gelang die Verbindung zu dem Geist seines Vaters abzubrechen. Daraufhin ließ der Druck auf seinen Kopf endlich nach und er kippte zur Seite.

Bewusstlos lag er neben der verwirrten Scarlett, die noch einen Moment lang dort liegen blieb und die hohe Decke anstarrte. Ihr Herz pochte noch immer wie wild und sie versuchte ihre wirren Gedanken in eine einigermaßene Ordnung zu bringen, doch so ganz wollte ihr das nicht gelingen.

Mit der linken Hand wischte sie sich kurz die Träne weg und atmete tief durch.

„Scarlett!“, rief Cecil kam leicht humpelnd zu ihr gelaufen.

Diese setzte sich in dem Moment auf und schüttelte kurz den Kopf, ehe sie mit leicht verzogenem Gesicht ihren Unterarm betrachtete, wo noch die Spuren von Zacharys Zähnen deutlich zu sehen waren – vor allem seine vier ein klein wenig längeren Eckzähne.

„Hast du ihn betäubt?“, fragte Cecil, woraufhin sie jedoch erneut den Kopf schüttelte.

„Er hat von selber angehalten“, sagte sie mit ernster Stimme.

„So geht das trotzdem nicht weiter“, erwiderte Cecil.

„Selbst wenn er zwischendurch er selbst ist, sind wir das nächste Mal vielleicht sogar dem Tod geweiht, wenn er uns noch einmal so angreift“, fügte Ivan keuchend hinzu, der leicht schwankend wieder zu ihnen stieß und sich die linke Schulter hielt, „Wir sind ja schon sehr widerstandsfähig, aber wir sind immer noch normale Menschen.“

Scarlett wusste das alles. Ihre Vernunft sagte ihr genau das Gleiche, aber ein Teil von ihr hoffte inständig, dass Zachary von selbst die Gewalt über sich zurückgewann, was auch immer dafür verantwortlich war, dass er sich so benahm.

Ein leises Stöhnen war zu hören und alle drei blickten zu dem Dämon, der sich auf einmal auf die andere Seite rollte und kurz hustete.

Augenblicklich aber packten Cecil und Ivan Scarlett am Arm und zogen sie auf die Füße und gleich mehrere Schritte nach hinten.

Zachary setzte sich langsam auf und fasste sich an den Kopf. Cecil und Ivan hoben beide ihre Waffen und stellten sich kampfbereit vor Scarlett, woraufhin der Dämon aufblickte und sie ansah. Seine Augen weiteten sich ein wenig und in ihrer tief dunkelbraunen Farbe spiegelte sich leichte Fassungslosigkeit wieder. Jedoch fiel sein Blick auch auf ihre Verletzungen und misstrauischen Gesichter, infolge dessen er kurz die Augen schloss.

„Zachary…“, flüsterte Scarlett, die sich eigentlich an den beiden Jungen vorbei schieben wollte, doch die zwei standen wie eine Mauer vor ihr.

Dann stand der Dämon auf einmal langsam auf und es war unübersehbar, wie sich Cecils und Ivans Muskeln anspannten. Als Zachary seine Augen jedoch wieder öffnete, setzte er keineswegs zum Angriff an. Im Gegenteil, er stellte sich schon beinahe lässig hin, stemmte eine Hand in die Hüfte und sah sie höhnisch an.

„Begreift ihr es jetzt?“, fragte er in herablassendem Tonfall, „Das passiert denjenigen, die sich auf einen Dämon aus einer der vier Magican-Familien einlassen. Es war nett mit euch zu spielen, aber allmählich wird es langweilig. Um euch kleine Bauern können sich meine niederen Artgenossen kümmern, ich habe noch anderes zu tun, also entschuldigt mich.“

Er warf noch einen überheblichen Blick zu, dann verließ er in selbstgefälligem Gang die Halle und ließ die drei fassungslosen Hunter einfach stehen.

Kapitel 22

„Also bist du endlich bereit, wieder nach Hause zu deiner Familie zurückzukehren?“, fragte der Dämon mittleren Alters mit den kurzen, pechschwarzen Haaren. Er stand auf dem Dach der Lagerhalle am weitesten außen auf dem Gelände und sah ihn von oben herab kaltherzig an.

Zachary verzog ein wenig das Gesicht, doch nachgeben würde er bestimmt nicht. Das konnte er weder mit seinem Gewissen noch mit seinem Stolz vereinbaren. „Denkst du ernsthaft, dass ich freiwillig nochmal einen Fuß in dieses Haus setze?“, fragte er mit einem düsteren Lächeln, „Da verbringe ich lieber den Rest meines Lebens im Bunker von Avalon.“

„Und für was bist du dann hierher gekommen?“, fragte sein Vater mit düsterer Stimme.

„Um dich ein für alle Mal aus meinem Kopf zu verbannen“, erwiderte Zachary.

Einen Moment lang sah der hochgewachsene Dämon ihn sogar fast ein wenig überrascht an, dann brach er in kaltes Gelächter aus. „Dir scheint der lange Aufenthalt unter Menschen und niederen Dämon ja nicht sehr gut getan zu haben“, sagte Artemis höhnisch, „Falls du es wirklich vergessen haben sollest, es hat in unserer langen Geschichte noch nie einen Sohn gegeben, der seinen Vater ernsthaft besiegen und sich so von dessen Einfluss befreien konnte.“

Der junge Dämon erwiderte nichts darauf, seine dunklen Augen wurden lediglich ein wenig schmaler.

„Tse, und meinen Segen werde ich einem Versager wie dir mit Sicherheit nicht geben“, fügte sein Vater hinzu, „Wenn ich dich nicht im Auge behalte, bringst du am Ende noch Schande über die ganze Familie.“

Ein herablassendes Lächeln schlich sich auf Zacharys Lippen. „Ihr wart alle miteinander schon immer so“, stellte er fest, „Und dann wundert ihr euch, dass euer dritter Sohn irgendwann keine Lust mehr hat und nach seinen eigenen Regeln spielen will.“

„Und du warst schon immer der Eigenwilligste von euch“, konterte Artemis in verachtendem Tonfall, „Wahrscheinlich habe ich Seléna bei deiner Erziehung zu viele Freiheiten gelassen, nachdem deine beiden älteren Brüder sich so gut gemacht haben.“

Zachary biss die Zähne zusammen, um nichts darauf zu erwidern. Seine Mutter war die Einzige aus der gesamten Familie, die er je zumindest ein wenig gemocht hatte.

„Aber wenn du mich jetzt angreifst, habe ich endlich eine Entschuldigung dafür dich missratene Brut umzubringen“, stellte sein Vater mit einem niederträchtigen Grinsen fest, „Komm ruhig her, ich werde dir schon beibringen, wer den höheren Stand von uns beiden hat.“

Zachary fauchte kalt und eine erste messerscharfe Windböe sauste auf seinen alten Herren zu, der jedoch mühelos zur Seite sprang.

„Was war das denn für eine süße Brise?“, fragte er grinsend, „Das ist eine Böe!“

Ein riesiger Windstoß, so breit wie das gesamte Lagerhaus, walzte mit atemberaubender Geschwindigkeit auf ihn zu. Im ersten Moment war Zachary erschrocken, doch dann erinnerte er sich an die ganzen Auseinandersetzungen mit seinen Brüdern früher, dank derer er letztlich das Kämpfen auf dieser Ebene gelernt hatte. Er wartete den letzten Augenblick ab und riss dann seinen Arm von unten nach oben durch die Luft. Der entstehende, kräftige Windstoß brach durch die wandernde Mauer seines Vaters hindurch und Zachary schickte ihm noch einige mehr dieser scharfen Windschnitte entgegen, die dieses Mal aber bedeutend schneller waren als die Erste.

 

„Also jetzt hat er es endgültig zu weit getrieben!“, rief Scarlett plötzlich aufgebracht und ballte eine Hand zur Faust, „Wenn ich diesen Dämon in die Finger kriege, mach ich Kleinholz aus ihm!“

Cecil und Ivan sahen sie bloß ungläubig an, da sie mit so ziemlich allem gerechnet hatten, aber nicht damit, dass ihre Partnerin auf einmal fast ausrasten würde. Dieser war das auch durchaus bewusst, doch dieses verdammt überhebliche Verhalten von Zachary eben hatte sie so derbe an den dritten Tag ihrer Bekanntschaft erinnert, dass die Wut ganz von alleine in ihr aufbrodelte. Diese Seite von ihm konnte sie absolut nicht leiden und dass er plötzlich wieder so anfing, konnte nur eines bedeuten.

„Dieser Kerl ist wieder er selbst und versucht gerade irgendetwas im Alleingang zu bewältigen“, knurrte sie wütend und marschierte bereits in Richtung Tor, „Das könnte ihm so passen. Ich werde…“

Cecil hielt sie am Arm fest und sah ihr ernst in die Augen. „Lass es“, sagte er, „Wir rufen erst bei Rebecca an und warten auf Verstärkung von Sebastian, bevor wir irgendetwas anderes machen. Es ist zu gefährlich für uns, ihm zu folgen…“

„Glaubst du ernsthaft, ich lasse dieses Pfannkuchengesicht alleine durch die Gegend rennen und am Ende irgendwelchen Blödsinn anstellen?“

„Sei vernünftig, Scarlett!“ Allmählich wurde Cecil sauer. „Wegen deinem Egoismus werden wir irgendwann noch alle draufgehen!“

Sie starrte ihn ungläubig an.

„Dieses Mal ist es wirklich eine Nummer zu groß für uns“, fügte Ivan hinzu, dessen linker Arm nach wie vor schlaff an seiner Seite hing, „Es ist ja nicht so, dass er gleich sterben würde, und wir müssen auch an unser eigenes Leben denken.“

Einige Sekunden lang sah Scarlett die beiden lediglich abschätzend an, dann drehte sie sich um und ging entschlossenen Schritts weiter. „Von mir aus bleibt hier“, sagte sie über ihre Schulter, „Aber langsam frage ich mich, wo die beiden unerschrockenen und wagemutigen Hunter sind, die mir damals das Leben gerettet haben.“

Damit verließ sie die Halle und lief mit fliegenden Schritten nach rechts, wohin auch der Dämon abgebogen war. Es herrschte Stille in der Halle, bis auf den durch die Ritzen pfeifenden Wind.

„Verdammter Dickschädel!“, fluchte Cecil dann aufgebracht und joggte aber bereits Scarlett nach, „Manchmal würde ich sie echt gerne fesseln, knebeln, in einen Raum schmeißen und den Schlüssel wegwerfen!“

„Aber wäre sie nicht so, wäre sie nicht unsere Scarlett“, bemerkte Ivan stöhnend, auch wenn er gerade eindeutig die Meinung seines Bruders teilte.

„Leider!“, schimpfte Cecil, „Aber lass sie das bloß nicht hören!“

Als Scarlett um eine weitere Ecke bog, wurde sie von dem heftigen Wind beinahe wieder zurückgeschleudert und musste sich kurzzeitig an einer Regenrinne des Fabrikgebäudes neben sich festhalten. Ihre Schirmmütze flog auf nimmer Wiedersehen davon und sie starrte das Geschehen bloß verblüfft an, während sie merkte, wie Cecil und Ivan wie erwartet hinter ihr auftauchten und sich überrascht gegen den Wind stemmten.

Allmählich aber begann sie in diesem Wirrwarr aus tosenden Winden einzelne Böen zu erkennen – als würden ihre Augen auf einmal in der Lage sein den Wind richtig zu sehen! – und entdeckte schließlich auch Zachary und einen anderen, älteren Dämon, die sich mittendrin einen heftigen Kampf leisteten. Zwar war es nicht ganz einfach Genaueres zu sehen, doch zu ihrer Verwunderung sah der andere Dämon ihrem Ausreißer ziemlich ähnlich, als wären sie miteinander verwandt. Dann machte es bei ihr auf einmal „Klick“ und sie begriff, dass das hier tatsächlich ein Kampf zwischen Vater und Sohn sein musste. Und der Heftigkeit nach zu urteilen, war es einer auf Leben und Tod.

In dem Augenblick verpasste der ältere Dämon Zachary mitten in der Luft einen Hieb mit seiner Klaue, der ihm glatt den Bauch aufschlitzte. Der Jüngere machte daraufhin schnell einen gestreckten Rückwärtssalto und wollte auf dem Dach des letzten Lagerhauses landen, doch der Wind schlug ihm die Beine weg und er krachte seitlich auf das harte Blech. Bevor sein Vater ihm seine spitzen Fingernägel auch noch in die Schultern rammen konnte, rollte er sich zur Seite und stieß sich mit einer Hand ab.

Er landete auf dem Boden und schickte dem ihm entgegenkommenden Dämon eine satte Windböe entgegen, doch dieser schlug sie einfach zur Seite und setzte ihm nach. Mehrere seiner Hiebe verfehlten ihr Ziel nur sehr knapp und es war deutlich zu sehen, wie Zachary die Zähne zusammenbiss.

Scarlett fiel auf, dass irgendetwas an ihm anders war. Er bewegte sich nicht so unbeschwert und leichtfüßig wie sonst und auch ein Gesicht war von Ernst erfüllt – ihm fehlte dieses spitzbübische Grinsen. Das war in dieser Situation vielleicht auch nicht gerade zu erwarten, doch sie hatte das Gefühl, dass er sich zu sehr verkrampfte.

Dann musste der junge Dämon sich stark nach hinten lehnen – die scharfe Windböe hätte ihm sonst wahrscheinlich glatt den Kopf abgetrennt –, doch auf einmal knickte er mit dem Fuß um und fiel hart auf den sandigen Boden. Diese Chance ließ sich sein Gegner natürlich nicht nehmen und schoss mit erhobener Klaue direkt auf ihn zu, die fünf Meter brachte er noch in derselben Sekunde hinter sich.

„SCARLETT!“, schrien Ivan und Cecil entgeistert.

Ein Schuss erklang und im letzten Augenblick riss der Dämon seinen Kopf wieder hoch und sprang zurück. In der nächsten Sekunde stand Scarlett auch schon mit erhobenem Revolver neben dem am Boden liegenden Zachary und visierte dessen Vater an. Zum Glück hatte sie eine Lücke zwischen den vielen Windböen entdeckt und es irgendwie geschafft das richtige Timing zu treffen, um unbeschadet hindurch zu kommen.

„Lassen Sie die Finger von diesem Ausreißer“, sagte sie drohend – wobei ihr natürlich klar war, dass sie im Grunde keine Chance gegen ihn hatte –, „Wir sind von Avalon und sind hier, um ihn wieder zurückzubringen.“

Kurz wirkte Artemis tatsächlich verblüfft, doch dann grinste er höhnisch. „Kleines Mädchen“, sagte er und kam den ersten Schritt näher, „Glaubst du wirklich, dass du auch nur die leiseste Chance gegen mich hast?“

„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, heißt es doch“, erwiderte diese lediglich und ignorierte die inzwischen ziemlich aufgebrachten Rufe von Cecil und Ivan, die anscheinend noch keine Lücke zwischen den tosenden Winden um sie herum gefunden hatten.

Sein Grinsen wurde düster und er tat den nächsten Schritt. „Anscheinend hat mein missratener Sohn eine mutige Freundin gefunden. Retten können wirst du ihn nicht, aber vielleicht willst du ja mit ihm gemeinsam sterben.“

„Nein danke“, sagte sie und überlegte fieberhaft, was sie tun konnte. Nicht mal mehr vier Meter waren zwischen ihnen und sie konnte nicht mal sagen, ob er mit seinen Klauen oder Wind angreifen würde, wobei sie wahrscheinlich in jedem Fall keine große Chance hatte sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Seine blaugrünen Augen schienen fast zu glühen, als er sich leicht nach vorne neigte und zum Sprung ansetzte.

„Vertrau mir“, flüsterte ihr plötzlich eine wohl bekannte Stimme ins Ohr und sie spürte, wie sich ein Arm von hinten um ihre Taille legte und sie an eine starke Brust zog.

In dem Augenblick schoss Artemis bereits mit erhobener Klaue auf sie zu. Auf einmal aber kam ein ohrenbetäubender Wind um sie herum auf und der ältere Dämon wurde augenblicklich fortgeschleudert, als wäre er nur ein leichtes Stück Pappe.

„Was tust du hier?“, fragte Zachary und Scarlett wandte den Kopf, um ihm in die Augen sehen zu können.

„Das fragst du noch?“, erwiderte sie leicht verärgert, „Um dir diese überhebliche Haltung wieder auszutreiben und dich zu Avalon zurückzubringen natürlich!“

Der Dämon sah sie bestimmt zwei Sekunden lang völlig ungläubig an – bei dem, was er ihnen in der Lagerhalle zuvor angetan hatte, hatte er sich auf alles gefasst gemacht, aber nicht auf so etwas.

„Also hör gefälligst auf so ernst dreinzublicken“, fügte Scarlett hinzu und hielt ihm Nye demonstrativ vor die Nase, „Du hast zwar so ziemlich das größte Talent mir auf den Wecker zu gehen, aber dann will ich wenigstens den Zachary einfangen müssen, der uns allen immer mit einem breiten Grinsen auf der Nase herumtanzt.“

Er wirkte ziemlich verdutzt, doch dann unterdrückte er plötzlich ein Lachen und blickte schnell zur Seite.

„Häh?“ Scarlett wollte nicht ganz klar werden, was nun wieder los war.

In dem Moment aber schoss von hinten eine scharfe Windböe heran und drohte sie schwer zu treffen, doch Zachary hob lediglich eine Hand in die Richtung und der Wind prallte kurz vor ihm ab, als wäre eine steinharte Wand im Weg.

Anschließend sah der junge Dämon sie mit einem spitzen Grinsen an. „Du bist echt der sonderbarste Mensch, der mir je begegnet ist.“

Damit schoss er urplötzlich los und sauste wie ein Pfeil direkt auf seinen Vater zu, der gerade von links hatte angreifen wollen. Nun aber war sein eigener Sohn so unvermittelt vor ihm, dass er nur überrascht die Augen aufriss und im nächsten Augenblick schon mit einem lauten Krachen auf dem Boden landete, mit Zachary unmittelbar über ihm.

„Es hat noch nie ein Sohn geschafft seinen Vater zu besiegen und sich damit von seinem Einfluss zu lösen“, sagte er und grinste verheißungsvoll, „Das mag sein, aber irgendwann ist ja bekanntlich immer das erste Mal.“

Er hieb mit seinen spitzen Klauen direkt unterhalb Artemis´ linker Brust zu und bohrte sie tief in sein Fleisch. Der ältere Dämon schrie vor Schmerz auf und schien sich wehren zu wollen, doch ein kräftiger, stetiger Wind drückte ihn flach auf den Boden und wehrte zugleich all seine Angriffe mit dem Wind ab. Dann drehte Zachary seine Klaue sogar nochmal in der Wunde und nach einem weiteren, lauten Aufschrei verlor sein Vater schließlich das Bewusstsein.

„Und damit bin ich frei“, flüsterte Zachary ernst und leckte kurz über das Blut an seiner rechten Hand, „Geschieht dir recht.“

Da stand Scarlett allerdings schon hinter ihm und zog ihm ihren Revolver von oben glatt über den Schädel.

„Hey!“, rief der junge Dämon empört und drehte sich um, um sie vorwurfsvoll anzusehen.

„Das war dafür, dass du uns solche Probleme gemacht hast“, erwiderte Scarlett jedoch schonungslos, „Und zur Erinnerung an dein Versprechen, vergiss es ja nicht.“

Für einen kurzen Moment sah er sie einfach nur an, dann lächelte er und wischte das Blut an seiner Hand an dem Hemd von seinem Vater ab, bevor er aufstand und ihren durchdringenden Blick erwiderte. „Das werde ich nicht, verlass dich darauf“, sagte er  mit einem sicheren Lächeln und sah kurz zu seinem am Boden liegenden Vater, „Er ist auch nur bewusstlos, so eine kleine Verletzung bringt den Kerl noch nicht um. Auch wenn es durchaus verlockend wäre, ihm ganz den Gar auszumachen.“

Als Scarlett ihm erneut mit dem Revolver eines überbraten wollte – das tat ihr selbst wenigstens nicht so weh wie ein Schlag mit der Faust – fing er die Waffe jedoch kurz über seinem Kopf ab.

„Es ist die Wahrheit, aber ich hatte trotzdem nicht vor ihn zu töten“, fügte er grinsend hinzu. Jedenfalls nicht, solange er dadurch ihr Vertrauen verlieren würde.

„Würdest du dir diese selbstgefällige Visage wohl endlich wieder aus dem Gesicht wischen?“, knurrte Scarlett und versuchte ihren Revolver zu befreien, den der Dämon allerdings felsenfest gepackt hatte.

„Hmm.. irgendwie verspüre ich nicht recht die Lust dazu“, entgegnete er mit gespieltem Nachdenken.

Scarlett knirschte mit den Zähnen, doch da hörten sie hinter sich auf einmal Schritte. Als sie hinter sich blickte, kamen die beiden Jungen mit hoch erhobenen Waffen angelaufen und hätte Scarlett nicht gerade noch den Kopf eingezogen, hätte Ivans Lanze sie glatt geköpft.

„Hey!“, rief sie aufgebracht und überrascht zugleich, „Was soll das denn werden?“

„Äh, sorry“, entschuldigte Ivan sich, während er sich allerdings genau wie Cecil misstrauisch umsah, „Eigentlich wollte ich ihn erwischen.“

„Falls es noch keinem von euch aufgefallen ist, er ist jetzt wirklich wieder er selbst“, erwiderte sie resigniert, „Wenn man von dieser nervigen Überheblichkeit mal absieht.“

„Tja, daran wirst du dich wahrscheinlich gewöhnen müssen“, grinste der Dämon, der auf einmal unmittelbar hinter Ivan stand, welcher daraufhin zwar augenblicklich herumfuhr, aber da war sein Ziel bereits wieder verschwunden.

„Wenn ich den erwische, kann er wirklich was erleben“, knurrte auch Cecil, der sich mit erhobenem Schwert argwöhnisch umsah.

Scarlett wollte am liebsten Stöhnen, als sie sah, wie Zachary unmittelbar hinter dem Jungen mit den flachsfarbenen Haaren landete, dessen Mütze sich ebenfalls verabschiedet hatte. Der Dämon grinste verschmitzt und neigte den Kopf leicht nach vorne, um Cecil kurz kalt in den Nacken zu pusten. Bei dessen völlig verdatterten Gesicht und dem überraschten Satz nach vorne, den Cecil vor lauter Schreck machte, musste sie jedoch spontan anfangen zu lachen und schüttelte bloß den Kopf. Denn Cecil drehte sich zwar anschließend schnell um und riss sein Schwert hoch – als würde das im Ernstfall jetzt noch etwas bringen –, aber da war Zachary schon lange wieder weg.

„Allmählich krieg ich auch das Gefühl, dass wir wieder dieses durchtriebene Etwas vor uns haben“, stellte Ivan resigniert fest und stellte sich wieder entspannter hin.

„Was habe ich denn bitteschön schon die ganze Zeit über gesagt?“, fragte Scarlett leicht verärgert und stemmte eine Hand in die Hüfte, „Vertraut mir und meiner Intuition doch mal.“

„Nur hat uns deine ‚Intuition‘ meiner Meinung nach schon ein bisschen zu oft in ganz schöne Schwierigkeiten gebracht“, entgegnete Cecil, wobei er aber sein Schwert sinken ließ.

„Das habe ich jetzt überhört.“

„Kritik anzunehmen ist auch eine durchaus positive Fähigkeit“, bemerkte Cecil mit einem leisen Seufzen.

„Ausreden finden dagegen eine nervige Angewohnheit“, erwiderte sie unbeeindruckt.

In dem Augenblick erschien der junge Dämon wieder, wobei er direkt hinter ihr war, wie Cecil und Ivan mit wenig Begeisterung feststellten. Als er sich dann auch noch vorbeugte und ihrem Gesicht mit seinem relativ nahe kam – ein spitzes Schmunzeln auf den Lippen –, schien den beiden jedoch der Kragen zu platzen.

Mit einem blitzschnellen Wurf schoss Cecils Schwert direkt über Scarletts Schulter hinweg an ihrem Ohr vorbei, wo eben gerade noch der Kopf des Dämons gewesen war. Auch wenn er dummerweise natürlich jetzt auf ihrer anderen Seite stand.

„Ähem“, sagte Scarlett nun und ihr linkes Auge zuckte, „Wenn ihr mich unbedingt köpfen wollt, würdet ihr mich dann bitte wenigstens warnen?“

Sie wusste selbstverständlich, dass der Dämon hinter ihr war und sehr wahrscheinlich irgendwelche Faxen machte. Nur dass sich die beiden Brüder so provozieren ließen, fand sie ein wenig albern. Obwohl sie sich da genauso gut an die eigene Nase fassen konnte, schließlich schaffte er es ja auch nicht selten sie ebenfalls auf die Palme zu bringen, aber dennoch.

„Nein, es ist nichts gegen dich“, stöhnte Ivan lediglich und schüttelte den Kopf.

Zachary kicherte nur leise in sich hinein, wobei er schräg hinter Scarlett stand und die drei Hunter mit einem amüsierten Ausdruck in den rotbraunen Augen mit einigen goldenen Sprenkeln ansah.

Kapitel 23

Es war mitten in der Pause und Scarlett lag faul auf der Wiese im Schulhof. Die Sonne stand hoch am Himmel und sie gähnte herzhaft. Ein Stück weiter hinten spielten einige Jungen Fußball, doch das störte Scarlett nicht weiter. Da Bianca und Irene gerade in der Schlange der Cafeteria standen und Reika und Angelina mittlerweile wieder mehr oder weniger ihre eigenen Wege gingen, konnte sie sich mal für einige Minuten richtig schön entspannen und in der Sonne schmoren. Für den Nachmittag waren auch keine Aufträge angesetzt, von daher würde es heute mal ein angenehm entspannter Tag werden. Dagegen hatte sie aber nichts einzuwenden und genoss es in vollen Zügen.

Jedenfalls würde sie es gerne. Bloß hörte sie auf einmal, wie direkt vor dem Schulgelände mehrere Autos quietschend zum Stehen kamen und mehrfach das Öffnen und Zuschlagen von großen Fahrzeugtüren erklang.

Daraufhin setzte sie sich auf und blickte quer hinüber zum Schultor, wo auf einmal eine ganze Horde in schwarz gekleideter Männer auftauchte. Es schienen auch keine normalen Leute zu sein, denn sie hatte noch nie von Zivilisten gehört, die Pistolen am Gürtel trugen und mit einer dermaßen feindseligen Ausstrahlung ein Schulgelände betraten. Außerdem hatte sie den Mann ganz an der Spitze entdeckt, der mit seiner engen dunkelbraunen Hose, dem weißen Shirt und der staubigen, braunen Weste an einen etwas heruntergekommenen Cowboy erinnerte. Auf dem Rücken trug er in über Kreuz aufgeschnallten Schwertscheiden zwei Katanas – leicht gebogene, japanische Kurzschwerter – und ging lässig voran. Diese Haltung mit einer solchen Aura kannte Scarlett jedoch nur von ganz bestimmten Leuten: Huntern von Avalon.

Nun kam sie auf die Füße und ging zielstrebig auf die eher ein wenig unheimlichen Männer zu, genau wie noch so einige weitere neugierige Schüler. Als die neun Ankömmlinge kurz davor waren das Schulgebäude zu betreten, stellte Scarlett sich ihnen einfach direkt in den Weg.

„Was wollen Sie hier?“, fragte sie der Einfachheit halber gerade heraus und sah den Hunter abschätzend an, er schien zur mittelstarken bis starken Sorte zu gehören. Zu denen, die Dämonen mit Stärkegrad zwei einfingen – Grad eins hatten die ganz normalen Dämonen, die auch Scarlett, Cecil und Ivan erlegten; Grad zwei die mit schon einigen kämpferischen Fähigkeiten und die, bei denen man sich nicht ganz sicher war; und Stärkegrad drei hatten die Dämonen, die über außergewöhnliche Fähigkeiten oder überdurchschnittliche Intelligenz verfügten und praktisch nur von Leuten mit mindestens Keiths Stärke gefangen werden konnten. Bestes Beispiel für letztere Sorte war wohl der alte Ausbrecher, wie Scarlett, Cecil und Ivan allerdings erst einige Zeit nach seinem Einfangen erfahren hatten.

„Geh aus dem Weg, du kleine Göre“, sagte der Jäger jedoch gänzlich unbeeindruckt und schob Scarlett einfach beiseite, bevor er mit seinen Leuten an ihr vorbei ins Gebäude ging.

Das war ja was für Scarlett, am liebsten hätte sie ihm eine ziemlich unschöne Bemerkung hinterher gerufen. Allerdings warf ihr Verstand ein, dass es einen guten Grund haben musste, dass Leute von Avalon hier in ihrer Schule auftauchten. Erst kam ihr ein Verdacht auf Dämonen, doch dann wäre der Auftrag an sie selbst gegangen, da das viel einfacher wäre. Außerdem war es völlig unüblich, dass die Leute aus dem ersten Untergeschoss, die Wachen der normalen Zivilisten in Avalon, die unglücklicherweise auf irgendeine Art in Kontakt mit Dämonen gekommen waren, hier draußen mit einem Hunter unterwegs waren. Zwar gab es auch durchaus einige normale Außendienstarbeiter, doch die waren laut ihres Wissens eher im Ausland unterwegs, um dort bei den kleineren Außenstationen von Avalon auszuhelfen und Informationen an das Hauptquartier zu schicken. Also was ging hier vor sich?

Während die anderen Schüler den unerwarteten Besuchern folgten, lief Scarlett zielstrebig zu ihrer Klasse und schnappte sich die Plastiktüte, die sie auf eine eigenartige Vorahnung hin von Zuhause mitgenommen hatte. Damit ging sie rasch zur Mädchentoilette und verriegelte die Tür.

Wenn Saskia an keine Informationen kam, dann vielleicht Scarlett. Sie zog die weiße Jeans, die scharlachrote Bluse und zuletzt den schwarzen Mantel mit den vielen Schnallen an und stopfte ihre Sachen in die Tüte, die sie einfach in einer der Kabinen einschloss. Kurz steckte sie noch mit einigen Klammern ihre langen, rotblonden Haare hoch, setzte die schwarze Schirmmütze auf und nahm die Sonnenbrille bereits in die eine Hand, während sie mit der anderen eine Nummer in ihr Handy eingab.

„Also sind sie auch bei dir?“, vermutete Cecil, als er abnahm.

„Bei euch ebenfalls?“, erwiderte sie nun endgültig irritiert.

„Ja, etwa zehn aus dem ersten Untergeschoss und ein Hunter“, antwortete Cecil, wobei er aber relativ leise sprach.

„Also ähnlich wie bei mir“, stellte sie fest, „Habt ihr eine Ahnung, was das…“

In dem Augenblick war auf einmal der Signalton der Lautsprecheranlange der Schule zu hören und eine männliche Stimme sagte: „Saskia Anders bitte ins Büro der Schuldirektorin.“

Jetzt runzelte sie endgültig die Stirn.

„Scarlett!“, sagte Cecil eindringlich, „Die haben uns über Lautsprecher ins Büro rufen lassen, aber das war eine Falle! Sie haben versucht uns festzunehmen und ruhig zu stellen.“

„Wie bitte?“ Scarlett starrte das Handy ungläubig an. „Das sind doch auch Leute von Avalon, also was soll der Schwachsinn?“

„Das haben wir auch versucht zu erfahren“, erwiderte nun auf einmal Ivan, der sich anscheinend das Handy geschnappt hatte, „Aber nicht gerade mit großem Erfolg. Es scheint sich um irgendeine große Operation zu handeln, aber mehr wissen wir nicht. Die hätten uns beinahe betäubt, wenn wir nicht durchs Fenster nach draußen abgehauen wären.“

„Das hört sich ja sehr erbauend an.“ Sie verzog wenig begeistert das Gesicht. „Wo seid ihr gerade?“

„Auf dem Weg zu deiner Schule“, antwortete Ivan, „Aber man ist natürlich auf der Suche nach uns und es sieht so aus, als würden sie vermuten, dass wir zu dir unterwegs sind. Es wird noch eine Weile dauern, aber…“

„Stell bloß keinen Blödsinn an“, sagte Cecil in warnendem Tonfall, der sich das Handy wohl zurückerobert hatte, „Lass dich ja nicht von denen erwischen, die sind alle samt nicht ohne, auch die aus dem ersten Untergeschoss. Es sieht so aus als hätten sie vor einiger Zeit noch eine Extraausbildung bekommen, sie sind ziemlich gewandt im Umgang mit ihren Waffen und nicht leicht zu überrumpeln. Also…“

„Ich werde vorsichtig sein“, seufzte sie, fügte jedoch hinzu: „Aber ich werde trotzdem mal nachfragen gehen, was dieses Theater hier soll.“

„Scarlett!“, rief Cecil aufgebracht.

„Irgendwie müssen wir herausfinden, was hier los ist“, entgegnete Scarlett ernst, „Ihr seid ja bereits auf dem Weg hierher. Ich verlass mich einfach darauf, dass ihr mich zu Not da wieder rausholt, bis später.“

Damit legte sie auf und stellte das Handy auf lautlos. Anschließend setzte sie noch ihre Sonnenbrille auf und verließ die Toilette wieder. Auf dem Weg zum Büro der Direktorin sah sie so ungefähr die halbe Schule in den Gängen versammelt und sich gegenseitig auf den Füßen rumtreten, um irgendetwas sehen zu können. Die Lehrer versuchten verzweifelt Ordnung in das Durcheinander zu bringen, aber das Auftreten der uneingeladenen Besucher schien alle Schüler in eine dermaßen helle Aufregung zu versetzen, dass da Hopfen und Malz verloren war.

Anfangs machte Scarlett sich fast ein wenig Sorgen, ob sie bei dem Andrang überhaupt bis zum Büro durchkam. Ihr vermummter Aufzug und ihre als Hunter irgendwie übliche Ausstrahlung bewirkten jedoch, dass sich die Schüler bei ihrem Erscheinen an die beiden Seiten des nicht unbedingt sehr breiten Flures quetschten und einen Durchgang in der Mitte bildeten. Allem Anschein nach wurde sie für einen weiteren dieser mysteriösen Besucher gehalten und entsprechend erstaunt und neugierig gemustert. Selbst als sie an einigen ihrer Klassenkameraden vorbeiging, schienen diese sie kein bisschen zu erkennen.

Nur Irene, Reika und Angelina wussten natürlich bescheid und sahen sie verwirrt an, doch Scarlett gab ihnen mit einem kurzen Blick über den Rand ihrer Brille zu verstehen, dass sie selber auch keine Ahnung hatte.

Kurz vor dem Büro der Direktorin, vor dem sich vier der in schwarz gekleideten Männer aufgestellt hatten und durch ihr bloßes finsteres Erscheinungsbild die Schüler auf Abstand hielten, bemerkte Scarlett auch Bianca. Das etwas unsichere Mädchen sah so aus als hätte es dort gar nicht hingewollt, kam durch das dichte Gedränge aber auch nicht mehr vom Fleck. In dem Moment sah sie zu Scarlett, welche gerade betont langsamen Schritts an ihr vorbei ging, und Biancas Augen weiteten sich.

„Saskia…“, hauchte sie auf einmal völlig verblüfft.

Scarlett blickte daraufhin beinahe genauso verdattert zu ihr, denn ihre Freundin hatte sie gerade trotz ihrer Arbeitsklamotten und eigentlich ziemlich perfekten Tarnung erkannt. Allerdings war es andererseits gar nicht so verwunderlich, denn auch wenn man es nicht glaubte, war Bianca trotz ihres eher unauffälligen Erscheinungsbildes ein sehr aufmerksames und kluges Mädchen. Mit einem etwas schiefen Lächeln erwiderte Scarlett kurz ihren Blick, ehe sie weiter ging und geradewegs auf die Tür zum Büro der Direktorin zuhielt.

„Halt!“, sagte einer der Männer mit den schwarzen Sonnenbrillen sofort, wobei er aber wohl wegen ihres Aufzuges ein wenig verwirrt schien, „Schüler haben hier drin nichts zu suchen.“

„Ich dachte, Ihr werter Anführer hätte nach mir rufen lassen“, erwiderte Scarlett gelassen, ehe sie ernst wurde, „Mein Name ist Scarlett und ich gehöre ebenfalls zu Avalon, also würden Sie mich jetzt freundlicherweise durchlassen?“

Sie sah, wie sich die Augen des Mannes hinter der Sonnenbrille weiteten und er seinen drei Kollegen ein rasches Zeichen gab, ehe er ihr mit einem knappen Nicken gestattete durchzutreten. Scarlett brauchte sich noch nicht mal umzusehen, um zu wissen, dass die vier bereits hinter ihr waren und damit den einzigen Fluchtweg blockierten. Es schien wirklich so zu sein, wie bei Cecil und Ivan. Man wollte sie gefangen nehmen.

Auf der anderen Seite der Tür erblickte sie dann wie erwartet den Hunter von vorhin, der sich gerade mit der etwas eingeschüchterten Direktorin unterhielt. Diese wurde sobald Scarlett eintrat ohne große Umschweife von zwei weiteren Männern herausgeleitet, welche wohl nun den Posten vor der Tür einnahmen, während die vier von draußen plus zwei weitere hier drinnen und der Hunter Scarlett nun ansahen.

„Ich frage mich, warum ich für eine Göre wie dich mit so vielen Leuten ausrücken sollte“, stellte der Hunter in herablassendem Tonfall fest, „Das hätte ich ja sogar alleine geschafft.“

„Wenn Sie sich da so sicher sind, können Sie sich ja gleich mal vorstellen und mir verraten, was hier eigentlich vor sich geht“, erwiderte Scarlett prompt.

„Und frech ist sie auch noch“, fügte der Hunter hinzu und sah sie finster an, „Hör zu, aus deiner Akte weiß ich, dass du ohne deine Waffe machtlos bist, Miss Scharlachrot. Und auch mit meiner Muskelkraft kannst du es nicht aufnehmen, also sei ein braves Mädchen und lass dich im Namen von Avalon in Gewahrsam nehmen. Ich habe keine Lust ein großes Theater aus diesem kleinen Zwischenschritt zu machen.“

„Hmmm.“ Scarlett legte den Kopf schief und tat so, als würde sie kurz nachdenken. Dann wurde ihr Blick ernst und sie ging langsam auf ihn zu.  „Das könnte sogar stimmen, aber vielleicht sollten sie sich mal fragen, wie ein so schwaches Gör es dann geschafft hat die Ausbildung ein Jahr früher als üblich zu beenden.“

„Werd ja nicht übermütig, ich hab keine gute Laune“, erwiderte der Hunter und zog bereits eines der zwei Katana von seinem Rücken, während die anderen sechs zurücktraten und ihrem Anführer anscheinend Platz machen wollten. Oder weil sie einfach nicht in die Gefahr geraten wollten, am Ende noch versehentlich selbst erwischt zu werden, so wie der Kerl drauf war.

„Wunderbar, ich nämlich auch nicht gerade“, konterte Scarlett mit einem freudlosen Lächeln. Zwar war sie körperlich eigentlich ziemlich gewandt, aber im Augenblick wünschte sie sich trotzdem eine Waffe. Am besten Nye, ihren Revolver. Aber wie hatte Sebastian immer gesagt? Egal wie die Lage war, nicht einschüchtern lassen und einfach loslegen, das meiste regelte sich dadurch schon von alleine. Mut und manchmal auch ein wenig Tollkühnheit hatten die Helden der Vergangenheit geboren und konnten noch heute treue Begleiter sein.

Mit dem hoch erhobenen, leicht gebogenen Schwert voraus sauste er auf sie zu und bei dem gerade mal knapp zwanzig Quadratmeter großen Raum blieb nicht viel Platz für irgendwelche großen Manöver. Scarlett machte trotzdem einen Satz zur Seite und hüpfte elegant über einen der in Schwarz gekleideten Männer hinweg. Nun befand sich dieser in Schusslinie und zog schnell den Kopf ein, den er bei dem Schwertstreich sonst wohl eingebüßt hätte. Da ihr eine prima Idee gekommen war, hielt Scarlett gleich auf den nächsten Kerl zu schlüpfte dieses Mal aber einfach unten zwischen seinen breit gestellten Beinen hindurch, bevor er von der erhobenen Pistole Gebrauch machen konnte. Ihr Schwung reichte sogar aus um noch an dem Nächsten vorbei zu gleiten und nachdem sie flink wieder auf den Füßen stand, gab sie diesem einfach einen kräftigen Schubs, sodass er dem anderen in die Arme fiel und sie beide direkt auf den Hunter zu purzelten, der so gezwungener Maßen selbst zur Seite springen musste.

Mit einem schon fast schelmischen Grinsen lief Scarlett auf die verbliebenen drei Männer zu – es erschien ihr besser erst mal die Sechs auszuschalten, bevor die ihr noch gefährlich wurden, während sie mit dem Hunter beschäftigt war –, die wie zur Begrüßung ihre Waffen erhoben hatten und auf sie zielten. Ein wenig knapp aber noch rechtzeitig konnte sie den Kopf einziehen und die Kugeln schossen über sie hinweg. Ein Klacken war zu hören und verriet, wen sie stattdessen beinahe getroffen hätten, wenn er sie nicht mit seinem Katana abgewehrt hätte.

Bevor die drei aber erneut feuern konnten, verpasste Scarlett dem ersten schon einen Tritt vors Schienbein und anschließend noch einen Kinnschieber. Nummer zwei schleuderte sie mit einem Tritt aus der Drehung gegen die Wand und dem dritten rammte sie kurzerhand einfach ihr Knie zwischen die Beine – war immer noch die einfachste Möglichkeit einen Mann auszuschalten. Nun waren zumindest die Leute aus dem ersten Untergeschoss erst mal aus dem Weg, denn die zwei vor der Tür schienen von der Aktion hier drinnen nichts mitbekommen zu haben.

„Langsam gehst du Grünschnabel mir wirklich auf die Nerven“, knurrte der Hunter und hob sein Schwert erneut, „Aber jetzt kannst du dich hinter keinem mehr verstecken.“

Noch bot sich da zwar die Einrichtung – das Sofa samt kleinem Kaffeetisch und das wuchtige Pult plus einige Aktenschränke an der Seite – zum Verstecken an, aber Scarlett wollte die Ordnung der Direktorin nach Möglichkeit nicht vollständig durcheinander bringen.

„Hatte ich auch nicht geplant“, entgegnete sie und stellte sich einigermaßen sicher hin, „Ich wollte nur die nervigen Zaungäste loswerden.“

Kurz schien sein linkes Auge ganz leicht zu zucken, doch dann kam er bereits auf sie zu und schwang sein Schwert durch die Luft. Die Hiebe kamen verdammt schnell und Scarlett musste aufpassen keinen falschen Schritt zu machen, denn ein Fehler würde sie in jedem Fall teuer zu stehen kommen. Sie zog den Kopf ein, neigte sich scharf nach links und ging ganz in die Hocke, nur um sich mit einem flachen Hechtsprung schnell an ihm vorbei zu retten und nicht noch wie ein Fisch aufgespießt zu werden. Dabei stolperte sie jedoch über eine Falte in dem roten Läufer auf dem Boden und landete beinahe auf der Nase. Es gelang ihr noch sich zu drehen und mit den Händen abzustützen anstatt hart auf dem Hintern zu landen, doch da stand der Hunter bereits vor ihr und schlug ohne Gnade zu – ihm schien es auch nichts auszumachen, sie gleich ganz umzubringen. Es war für ihn wahrscheinlich sogar praktischer, aber hatte er denn gar keine Moral?

Aus der Not heraus stieß sie sich mit ihrem linken Fuß ab und riss das rechte Bein hoch. Mit der Schuhspitze traf sie seine Hand, mit der er das Schwert führte. Er konnte das Katana nicht mehr festhalten und es fiel ihm aus der Hand, doch blöd war er auch nicht und schlug einfach kurzerhand mit der geballten Faust zu, um sie eben von Hand k.o. zu schlagen.

Scarlett musste aber zugeben, dass Sebastian wirklich Recht hatte. Mut und Selbstvertrauen konnten zusammen mit einem entschlossenen Willen einen Kampf entscheiden, selbst wenn man eigentlich im Nachteil war. Jetzt war es Zeit das Blatt zu wenden und die Oberhand zu übernehmen. Und dafür brauchte sie trotz allem Nye. Sie wollte ihren Revolver, und zwar jetzt in diesem Moment.

Der Schlag ging ins Leere. Scarlett schien für einen Augenblick förmlich über dem Arm des Hunters zu schweben, nachdem sie sich abgestoßen und mit den Händen auf seinem Arm abgestützt hatte, dann streckte sie ihre Beine wieder aus und trat mit voller Wucht zu, sodass der verblüffte Hunter hart auf den Boden krachte. Ein weißes Licht leuchtete in ihrer rechten Hand auf und nahm die Form eines Revolvers an. Ganz von selbst griff Scarlett zu und wie das Licht in tausende winzige Scherben zersprang, richtete sie Nye auf dem am Boden liegenden Hunter.

„Und jetzt erzähl mir mal schön brav, was ihr denn nettes geplant habt und was hinter diesem ganzen Theater steckt“, sagte sie entschlossen und entsicherte ihren Revolver. Wie es aussah, war es sogar ohne Blutband möglich so mit einer Waffe zu synchronisieren, dass sie erschien, wenn man sie wirklich brauchte. Scarlett freute sich schon darauf den Jungen und Sebastian davon zu erzählen.

„Verdammtes Gör“, fluchte der Hunter, als von draußen auf einmal zwei dumpfe Geräusche zu hören waren.

Im nächsten Moment öffnete sich schon die Tür und zwei etwas abgehetzt aussehende Jungen traten herein. Ihre Blicke sahen gut aus, als sie die sechs stöhnenden Männer und den am Boden liegenden Hunter sahen.

„Kommt ihr auch mal an?“, sagte Scarlett prompt, „Aber praktisch, ich bin gerade dabei diesen Kerl hier zu verhören.“

Gute zwei Sekunden lang herrschte noch Stille, dann schüttelten Cecil und Ivan beide lediglich die Köpfe und seufzten leise.

„Du hörst auch wirklich nie auf das, was man dir sagt“, stöhnte Cecil und trat näher heran, „Den Vortrag darüber, was alles hätte passieren können, spare ich mir wohl besser gleich – der geht bei wahrscheinlich eh zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus –, aber…“

„Schön dass du wohlauf bist“, beendete Ivan einfach den anscheinend noch länger geplanten Satz seines Bruders und klopfte Scarlett anerkennend auf die Schulter, „Gute Arbeit.“

„Danke sehr“, erwiderte diese und blickte kurz zu den langsam wieder auf die Füße kommenden Männern aus dem ersten Untergeschoss, „Wenigstens einer, der meinen Einsatz zu schätzen weiß.“

„Jetzt würde uns aber langsam wirklich interessieren, warum man uns auf einmal in Gewahrsam nehmen lassen will“, bemerkte Cecil und richtete sein Langschwert Zessiro auf den Hunter, der gerade so ausgesehen hatte als wollte er versuchen einen Überraschungsangriff zu starten, „Wir arbeiten alle für Avalon, also was genau geht hier vor sich, Blake?“

Dessen Augen wurden schmal und es passte ihm eindeutig nicht, dass Cecil seinen Namen kannte und daher wohl auch über ihn und seine Fähigkeiten wusste.

„Und ihr sechs seid so freundlich und wandert schön brav da in die Ecke“, fügte Ivan hinzu und deutete mit seiner Lanze Xavier in die hinterste Ecke des Raumes. Er kassierte ebenfalls einige düstere Blicke, doch keiner von den Männern versuchte von seiner Waffe Gebrauch zu machen. Wie es aussah, hatten sie begriffen, dass diese ihnen hier nichts nützten.

„Was ist nun?“, fragte Scarlett den Hunter und hielt ihm demonstrativ ihren Revolver vor die Stirn, „Wir warten nicht ewig.“

Er schien seine Chancen trotz allem abzuwägen, doch auch Cecils und Ivans drohende Blicke lagen auf ihm und letztlich knurrte er lediglich etwas Unverständliches.

„Ihr werdet sowieso nichts dagegen unternehmen können“, warf Blake ein und setzte sich bequemer hin – den Versuch sich zu wehren schien er aufgegeben zu haben, „Der Auftrag kommt nämlich von ganz oben, vom Ältestenrat Avalons, von den Gründern höchst persönlich.“

„Von den Gründern?“ Ivan runzelte die Stirn.

„Das ist unmöglich“, erwiderte Cecil ernst, „Avalon wurde vor mehr als zweihundert Jahren gegründet. Die vier Gründer Belmont, Farrow, Howling und Volta waren zwar damals noch sehr jung und haben die Organisation während ihrer Zeit auf eine beachtliche Größe gebracht, aber es ist unmöglich, dass sie heute noch leben. An ihrer Stelle stehen ihre vier Nachfolger, die den Rat der Ältesten bilden…“

„Hab ihr sie denn jemals gesehen?“, fiel Blake ihm mit einem heimtückischen Lächeln ins Wort.

„Nein“, antwortete Scarlett, die inzwischen wieder einen Schritt zurückgetreten war, auch wenn sie ihren Revolver schussbereit in der Hand hielt. Zwar mochte sie Blakes Persönlichkeit nicht, aber nach ihrer Einschätzung schien er jedenfalls nicht zu lügen. Er schien es ja eher zu genießen, sie hinzuhalten.

„Ihr seht bloß ihre Schatten auf einem sonst weißen Bildschirm, genau wie alle anderen auch“, sagte der Hunter, „Warum ist das wohl so? Warum hat noch niemand von uns allen bei Avalon den Ältestenrat persönlich gesehen?“

„Hören Sie auf groß drum herum zu reden“, erwiderte Cecil und hob erneut sein Schwert, um seine Worte noch zu unterstreichen, „Kommen Sie zum Punkt.“

Blake zuckte mit den Schultern. „Der Ältestenrat ist tot.“

Die drei jungen Hunter starrten ihn bloß ungläubig an.

„Besser gesagt kann man sie als lebende Leichen bezeichnen“, fügte Blake hinzu und schmunzelte düster, „Ihre Körper werden irgendwo tief im Herzen von Avalon durch Maschinen am Leben erhalten und ihr Verstand, sozusagen ihr Geist, residiert in dem höchst entwickelten Netz der Welt, dem von Avalon. Das ganze Gebäude ist durch seine Technik ein Teil von ihnen und sie wissen und sehen alles. Auch was ihr bisher so getrieben habt.“

Es dauerte einige Sekunden, bis Scarlett, Cecil und Ivan das verkraftet hatten. Die Nachricht schlug wahrlich ein wie der Blitz in die Eiche, so etwas hätten sie nicht mal zu träumen gewagt. Niemand hatte ihnen je etwas davon erzählt.

„Wer weiß alles noch davon?“, fragte Scarlett jedoch nach kurzem Überlegen. Wenn ihre Vermutung stimmte, dann spielte sich hier hinter ihrem Rücken wirklich etwas Gewaltiges ab, was es mit Sicherheit noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gegeben hatte.

Das Lächeln auf Blakes Lippen wurde breiter. „Nur wir Auserwählten.“

„Und wer sollen diese Auserwählten sein?“, fragte Cecil, während Ivan weiterhin ein Auge auf ihre sechs Gefangenen hatte, die zähneknirschend in der Ecke standen und immer wieder am liebsten zu ihren Waffen greifen wollten, es sich zuletzt aber doch jedes Mal wieder anders überlegten. Vermutlich weil sie ahnten, dass Ivan mit ihnen fertig war, bevor sie auch nur einen Schuss abgeben konnten.

„Die, die euch nicht-Auserwählte ausradieren sollen“, antwortete der Hunter mit einem totbringenden Schimmer in den Augen und machte eine kunstvolle Pause, „Euch kann Avalon in der nun folgenden dritten Phase seiner Entwicklung nicht gebrauchen. Aber ihr wisst bereits zu viel über die Vorgänge hier, deshalb werdet ihr alle ausgelöscht. Selbst wenn ihr jetzt flüchtet, werden wir euch früher oder später finden und beseitigen.“

„Wer behauptet denn, dass wir jetzt fortlaufen?“, konterte Scarlett entschieden, wobei sie innerlich aber reichlich durcheinander war. Avalon war plötzlich gegen sie? Die Organisation, für die sie nun über die Hälfte ihres Lebens arbeitete und lebte, wollte sie nun umbringen? Einfach so?

„Von was für Phasen sprichst du?“, fragte Cecil, dem offensichtlich genau die gleichen Gedanken durch den Kopf schwirrten wie Scarlett.

„Aufbau, Verfestigung, Übernahme, Weltherrschaft“, antwortete der Hunter grinsend, „Die vier Phasen von Avalons Weg. Und falls ihr noch nicht drauf gekommen seid, wir befinden uns gerade am Anfang von Phase drei, der Aussortierung und anschließend planmäßigen Übernahme sämtlicher Weltmärkte.“

„Sind Sie alle größenwahnsinnig?“, fragte Ivan von weiter hinten und blickte dabei kurz über seine Schulter, „Als wäre das so mal eben kurz innerhalb von ein paar Tagen oder Wochen machbar. Überhaupt…“

„Ihr habt keinerlei Ahnung, wie lange Avalon sich bereits auf Phase drei vorbereitet hat“, unterbrach Blake ihn in genüsslicher Ruhe, „Eure Großeltern haben noch in der Wiege gelegen, als die erste Phase abgeschlossen, die zweite am Laufen und die dritte bereits in der Vorbereitung war. Es wird nicht länger als eine Woche dauern, bis Avalon die gesamte Welt in der Hand hält.“

„Das wird sich doch kein Staat bieten lassen“, entgegnete Cecil, „Ein gezielter Einsatz durch das Militär und von Avalon und all seinen Standpunkten bleibt nicht mehr als ein Trümmerhaufen zurück.“

„Dem Hauptgebäude könnte sogar eine Nuklearbombe nichts anhaben“, erwiderte Blake gelassen, als würde er das Wetter von morgen prophezeien, „Und ihr drei scheint einen entscheidenden Punkt zu vergessen, der Avalon betrifft.“

„Entscheidenden Punkt?“ Scarlett dachte kurz nach, bis es ihr schließlich dämmerte. „Die Dämonen…“

„Die beste Armee, die man sich nur vorstellen kann“, bestätigte der Hunter grinsend, „Mit ein wenig Ausrüstung und entsprechenden Anweisungen werden sie jede menschliche Armee im wahrsten Sinne des Wortes verschlingen.“

„Also war es von Anfang an nie Avalons wirklicher Plan, die Dämonen in die Gesellschaft zu integrieren“, spekulierte Cecil und seine graublauen Augen wurden schmal, „Sie sollten nur durch die Hunter gefangen und durch die Meister gezähmt werden, damit sie später für diesen Plan brauchbar sind, wenn es so weit ist, und Avalon sie als Elitekampftruppe einsetzen kann.“

Blake nickte. „Ihr scheint es zu begreifen, immerhin ist und bleibt ihre Hauptspeise Menschenfleisch und sie werden nicht widerstehen können, wenn wir es ihnen befehlen. Auch wenn ich hinzufügen sollte, dass für die Haupttruppe natürlich keine dummen Dämonen gebraucht werden, wie ihr sie immer gefangen habt. Die werden vorerst in unsere Außenstationen umquartiert. Nur die Dämonen mit Klasse zwei und drei werden bleiben, um Avalon an die Position zu bringen, die noch niemand zuvor erreichen konnte.“

„Das ist doch kranker Schwachsinn“, erwiderte Scarlett ungläubig, „Weltherrschaft? Sind diese Ältesten noch ganz richtig im Kopf? Das wird nie und nimmer funktionieren.“

„Glaubst du das wirklich?“, konterte Blake mit wissendem Lächeln, „So wie ihr ausseht, habt ihr bereits begriffen, dass Avalon nun die Welt verändern wird. Und dagegen werdet ihr kleinen süßen Gören nichts ausrichten können. Um es mit der Elite von Avalon aufnehmen zu können, seid ihr noch einige Jahrzehnte zu früh dran.“

Die drei bissen die Zähne zusammen und waren fieberhaft am überlegen, was sie nun tun sollten. Die Sache sah bei weitem ernster aus, als sie geglaubt hatten. So etwas hätten sie normalerweise als einen hirnrissigen Witz abgetan. Jedoch schien es gerade tatsächlich Wirklichkeit zu werden.

„Sie meinen, die gesamte Elite steht hinter diesem Plan?“, fragte Cecil ungläubig.

Das niederträchtige Grinsen bedurfte keiner weiteren Worte. „Du hast es erfasst. Die Elite Avalons hat heute Morgen begonnen alle unbrauchbaren Mitarbeiter auszuradieren, während die Ältesten im selben Atemzug bereits angefangen haben die Weltmärkte unter ihre Kontrolle zu bringen. Ein großer Vorteil, dass heute so gut wie alles über Computer läuft. So ist es für sie nicht schwerer als einem Baby den Schnuller wegzunehmen…“ Er fing bei seinem eigenen Vergleich an zu lachen und seine Lautstärke hatte in dem kleinen Raum eine bedrückende Wirkung. Als ob seine Worte nicht schon vernichtend genug wären.

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Hörbuch

Über den Autor

SilverRose
Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD
Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P
Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und daher auch gut und gerne zwischen zwanzig bis vierzig Kapitel mit unterschiedlichen Längen varieren. Sie sind nichts für Leute, die nur gerne kurze Happen lesen, sondern mehr für die, die auch im normalen Buchladen gerne mal zu einem drei - bis vierhundert-Seiten-Wältzer greifen. Sorry, aber kurz schreiben ist nicht gerade meine Stärke. Wenn ich das versuche, werden sie am Ende nur umso länger xD
(Auch wenn ich ja mittlerweile auch wenigstens ein paar Kurzgeschichten zum Reinschnuppern in meinen Schreibstil habe :P)
Und (der Ordnung halber) die erste Interviewfrage hier oben: Welche Geschichten hast du bisher schon verfasst?
Hm, das sind mittlerweile so einige...meine abgeschlossenen sind der Reihenfolge nach:
Meine abgeschlossenen Manuskripte sind der Reihenfolge nach:
1.1) Das Geheimnis der Federn: Die Wächterinnen der Federn;
1.2) Das Geheimnis der Federn: Der Kampf gegen die Finsternis;
2) Kyra: Die Wahl zwischen Licht und Finsternis;
3) Scarlett und das Geheimnis von Avalon;
4.1) Kampf der Geister: Vertrag;
4.1) Kampf der Geister: Geschwister der Dunkelheit;
5) Das verlorene Buch;
6) Silver Rose: Das Gesetz der Killer;
7) Der Schlüssel zum Tor der Feuergeister;
8) Reinblut & Halbblut;
9) Die Wächterin von Reilong;
10) Die letzte Zauberin;
11.1) Juwelenritter: Das vergessene Jahr des Blutes;
11.2) Juwelenritter: Die sieben Höllenfürsten;

Meine noch laufenden Geschichten (auch wenn ich nicht weiß, ob und wann ich es schaffe sie zu beenden) sind:
11.3) Juwelenritter: Dämonenherz (aktiv)
12) Bund mit dem Tod (neu - auf Standby)

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