Romane & Erzählungen
Vorstellungen - es geht weiter............

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"Vorstellungen - es geht weiter............"
Veröffentlicht am 17. Februar 2012, 6 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Je älter ich werde, umso weniger gibt es über mich zu sagen :-)
Vorstellungen - es geht weiter............

Vorstellungen - es geht weiter............

Vorstellungen

Ich sitze hier auf der Bank unter der Linde in der Mitte des Friedhofes. Ich bin schon 55 Jahre in der jenseitigen Welt. Jenseitige Welt, damit ist die unsichtbare, die körperlose Welt gemeint. Mein Tod war bedingt durch einen Verkehrsunfall. Ich fuhr mit meinem Motorrad zur Arbeit. Noch keine zehn Minuten war ich unterwegs als es passierte. Es gab keine Möglichkeit mein Schicksal zu wenden. Auch das Lebensende des Motorradfahrers mit dem ich zusammengestoßen bin war beschlossene Sache. Es war aus der Sicht eines Lebenden ein fürchterlicher Schicksalsschlag, unfassbar, ein Schock. Zwei junge Menschen starben fast gleichzeitig. Meine Frau war dreiundzwanzig, Mutter zweier Kinder und von jetzt auf nachher Witwe. Es war eine schwierige Zeit für sie. Ich weiß, dass sie sehr oft überfordert war und sich sehnte ein schönes Leben zu leben und sie sehr um mich trauerte, mich sehr vermisste.

Bei dem Unfall wurde ich sofort getötet. Quasi von jetzt auf nachher war ich außerhalb meines Körpers. Schmerzen hatte ich keine. Das Einzige was mir etwas Schwierigkeiten bereitete war die Art, wie ich nun alles wahrnahm. Da war immer noch ein „Etwas“ das alles beobachtet, das wahrnimmt, das fühlt. Ich sage absichtlich ein „Etwas“ weil „Ich“ nicht mehr passend ist. Dieses Ich das Menschen so wichtig nehmen ist ab den Moment, in dem der Körper stirbt nicht mehr existent. Kein Ich mehr, nur noch ein Etwas. Ich weiß, das ist verwirrend für die Lebenden.

In Worten kann eh nicht beschrieben werden, wie es ist ohne Körper zu sein.

Alles was am Unfallort geschah konnte ich beobachten, gleichzeitig sah ich meine Frau zuhause, wie sie in der Küche werkelte und ich sah ebenso meine Eltern, die in einhundert Kilometer Entfernung gerade am Frühstückstisch saßen. Alles mit dem ich in Beziehung stand kommunizierte mit mir, diesem „Etwas“.

Dieses Geschehen ist vergleichbar mit einer Aufforderung: So jetzt gehst Du übers Wasser.

Es ist klar, dass es möglich ist, doch weiß man nicht wie.

Dieses Erleben dessen, was Leben genannt wird, damit ist das Leben der Formen gemeint, wird weiterhin erlebt. Es ist ein Erleben, das in dauerhaftem Frieden erlebt wird. Die gewohnten Bewertungen gibt es nicht mehr. Nur noch Leben, das sich erfährt. Freude ist nicht besser als Trauer, beides sind wunderbare, tiefgehende Gefühle. Freude ist Trauer. Trauer ist Freude.

Doch ich muss mich bremsen. Ich vergesse leicht den Rahmen, den Lebende verstehen können.

Der Grund warum ich hier auf dem Friedhof sitze, ist der Wunsch meiner Frau. Sie wollte mir wieder begegnen. Sie bestärkte beständig ihren Wunsch, dass sie mir nach ihrem Tod begegnen möchte. Ja, deshalb bin ich da. Es war nicht schwer 55 Jahre zu warten. Hier existiert keine Zeit, daher gibt es auch kein Warten auf irgendetwas. Alles geschieht hier gleichzeitig. Richtig verstehen kann das nur der, der nicht mehr am Leben hängt. Gestorben sein muss er dafür nicht unbedingt. Es ist auch möglich gestorben zu sein und in einem Körper zu sein. Umschrieben wird dieser Zustand mit – in der Welt sein, aber nicht von der Welt. Ein Mensch der diesen lebendigen Tod erfahren hat, hängt an nichts und niemandem im Leben. Für ihn gibt es keine Lebensgefahr mehr und keine Todesangst. Er ist es ja bereits. Er hat das Leben überwunden.

Ich sitze hier auf der Bank, weil meine Frau es sich wünschte. Sie hat mich gerade entdeckt. Bald wird sie auch hier sitzen auf dieser Bank. Anfangs wird sie mir Fragen stellen, die ich beantworten werde. Und nach und nach wird ihr Wissensdurst vom Augenblick gelöscht werden. Es gibt hier nichts zu lernen. Alles Wissen steht jedem zur Verfügung. Wissen hat hier nicht den gleichen Status wie im Leben. Es ist nichts Besonderes.

Die wichtigen Beziehungen gibt es hier auch nicht mehr. Die gibt es nur für die Frischlinge hier.

Es ist eine kurze Übergangsphase, das legt sich bald. Alle trennenden Vor-Stellungen lösen sich auf. Es gibt nur Eins. Dieses Eins ist sie, bin ich, bist du, sind alle und alles was es gibt. Dieses Eins bietet Raum und Möglichkeiten für alles erdenklich mögliche. So auch für die Vorstellung meiner Frau, dass sie mir nach ihrem Tod begegnen wird. Das Eine das ich bin erfüllt ihr dieses. Dir geschehe nach deinem Willen. Sie wird eingehen in das Eine und als das Eine dem Einen dienen.

In bedingungsloser Liebe und völliger Hingabe.

Die Einheit des Lebens erkennt ein sich getrennt fühlendes Ich spätestens im Sterben. Da es hier keine Zeit gibt hat auch jedes verirrte Teilchen alle Zeit sich wieder einzufinden in diesem Einen.

Dieses Eine, das du bist.

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Mitmensch
Je älter ich werde, umso weniger gibt es über mich zu sagen :-)

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Mitmensch Re: Dein Bericht "Vorstellungen" ... -
Zitat: (Original von Rattenfaenger am 20.02.2012 - 22:14 Uhr) ... Johanna, geht mir, ich bin da so sorry, gar nicht unter die Haut.

Auf ein Neues und
liebe Grüße
Rattenfänger



Lieber Rattenfänger,
das ist nun mal so,
danke für Deine ehrlichen Worte.
Lieben Gruß
Johanna
Vor langer Zeit - Antworten
Rattenfaenger Dein Bericht "Vorstellungen" ... - ... Johanna, geht mir, ich bin da so sorry, gar nicht unter die Haut.

Auf ein Neues und
liebe Grüße
Rattenfänger
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