Biografien & Erinnerungen
Eifelmädchen

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"Eifelmädchen"
Veröffentlicht am 15. Februar 2012, 14 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Eifelmädchen

Eifelmädchen

Kindheit

1.


Im letzten Drittel der 60er Jahre werde ich geboren.Es ist eine Zeit des Umbruchs in der Republik. Ich werde das erste und einzige Kind meiner Eltern sein.


Das Haus ,wo wir wohnen, ist das Elternhaus meines Vaters.Als dritter Sohn meiner Großeltern ist er der einzige, der bereit ist das Haus zu übernehmen. Meine Großmutter lebt ebenfalls in diesem Haus und eine Schwester, die ledig ist.


An diese Menschen habe ich nur eine blasse Erinnerung.


Meine Kindheit findet an einem anderen Ort statt.Wärme,Zuspruch und Geborgenheit gibt es dort im Überfluss.Jeden Tag werde ich dort verbringen, weil meine Mutter nicht im Haus meines Vaters allein mit mir bleiben möchte.


Als Kind und Jugendliche habe ich dies nie verstanden, heute weiß ich, es war vielleicht das einzig Richtige was sie für mich getan hat.Und dafür bin ich dankbar.


Meine Oma Anna ist ein Eifelmädchen.Hart und schroff wie die Hänge der Buchenwälder, weich und voller Liebe und Zuversicht wie die Luft, die Mai über die Eifelhöhen streicht.


Mein Opa Heinrich ist ein Stadtkind und das einzige Kind seiner Eltern. Ein starker, aufrichtiger Mann,dessen Wort etwas gilt.Bei der Familie und den Dorfbewohnern.


Er hat meiner Oma ein großes Haus mit großzügigem Garten gebaut, in dem Dorf, wo sie als viertes von dreizehn Kindern aufwuchs.


Da ist meine Kindheit, meine Heimat.


Oma Anna zieht mich groß, denn meine Eltern haben andere Sorgen.Sie müssen die Geschwister meines Vaters ausbezahlen für das Haus und sie fahren gerne in Urlaub-ohne Kind.


Ich weiß von alldem nichts, ich bin ein Kind.


Aber ich weiß, wie schön es ist mit Oma in der warmen Küche zu sitzen, Äpfel zu schälen, mit dem Stuhl am Herd zu stehen und in unzähligen Töpfen zu rühren.Geschichten und immer wieder Geschichten, von dem was war und dem was sie erhofft.


Im Sommer gehen wir tief in die Wälder um Blaubeeren zu sammeln.Diese darf ich anschließend im Garten, auf einer großen ,beigen Decke sitzend unter dem Fliederbaum aussortieren. Wir backen Pfannekuchen und aus dem Rest wird Marmelade gekocht.


Im Herbst sammeln wir Pilze und machen die Kartoffeln aus.Opa machtein Kartoffelfeuer, gibt mir schöne, dicke Kartoffeln und einen geschnitzten Stock, damit ich sie in der Glut rösten kann.


Glückselige Kindertage, nie dürften sie enden.


Die Sommertage mit schwerer Hitze und dem Duft von frisch gemähtem Gras.Die milchweißen Wintertage mit stahlblauem Himmel, der von Osten die Nacht ankündigt und ein letztes schnelles Hinunterrodeln am Hang.


Kindertage voller Glück-mit der unbewußten Gewissheit es wird nie wieder so sein.


Denn als Mädchen der Eifel wird man schnell erwachsen und Kind sein dauert nur einen Wimpernschlag im Universum.

Vorwort

Zeit rinnt immer weiter, mal schnell wie Wasser dem Tal entgegen und manchmal langsam wie Honig, der aus der Wabe strebt.


Ich hab mir Zeit genommen, Zeit die Dinge zu ordnen, Zeit dem Leben wieder den richtigen Plan zu geben. Ich sitze mitten im Wald, an meinem Lieblingsplatz. Der kleine Hügel, der über die Baumspitzen ragt und von wo ich einen freien Blick auf die Landschaft werfen kann.


Heimat, für immer hier und wiedergefunden, obwohl ich nie weg war.Diese schöne, schroffe Landschaft mit seinen alten, wilden Buchenwäldern durch die zuweilen ein diamantfarbener Waldbach fließt. Entgegen dem großem Ganzen.


Ich genieße die milde Luft, das Spiel der Farben und die Geräusche des Waldes. Schließe meine Augen, atme tief durch und mein Hund gähnt neben mir. Zeit der tiefsten Zufriedenheit. Angekommen, ja ich bin angekommen. Einmal blicke ich noch zurück, bin endlich in der Gegenwart und freue mich auf die Zukunft.


Ich weiß nun wer, was ich bin : ein Eifelmädchen.

Anna

Ich schließe meine Augen und sehe sie vor mir.Nicht wie ein blasses Sepiafoto,sondern klar und deutlich.Fast meine ich sie berühren zu können, ohne das sie sich wie ein Traumbild auflöst.


Wenn ich an sie denke, und das mache ich jeden Tag, ist mein Herz voller Liebe.


Geboren 1920 als viertes Kind von dreizehn anderen Kindern, als Mädchen.Annas Eltern haben eine kleine Landwirtschaft .Das ist üblich in den Eifeldörfern.Kein Haushalt mit vielen Kindern und Selbstversorgergung.


Die Jungen lernen früh bei der Ernte und im Holzeinschlag zu helfen. Die Mädchen müssen gehorsam sein und die Haushalt anfallenden ,alltäglichen Arbeiten zu erledigen.


Für Schule und Spiel bleibt nicht viel Zeit.Man lernt lesen und rechnen, wird in der katholischen Religion erzogen. Das reicht für die Landkinder der Eifelhöhenkinder.


Die älteren Töchter werden gerne nach Köln in die Haushalte der Fabrikanten und Neureichen geschickt.Dort hat es sich rundgesprochen, das diese fleißig und gehorsam sind.Und die wenigen Mark, die es dort zu verdienen gibt, sind für die ganze Familie bestimmt. Für die Dinge, welche man selbst nicht herstellen kann. Es ist ein Glück, wenn man ein Mädchen dort unterbringen kann.


Die Menschen der Eifel sind wie die Böden, die sie bestellen.Karg, aber genügsam.Man spricht die nötigsten Worte, diese aber sind klar und aufrichtig.Man hilft einander und ist gottesfürchtig.


Als Anna dreizehn ist, stirbt ihre Mutter.Die älteste Tochter kommt aus Köln zurück, um den Haushalt, den Vater und die Geschwister zu versorgen.Meine Oma wird noch ein Jahr zur Schule gehen und dann eine Anstellung in einem Ausflugslokal fünf Kilometer entfernt annehmen.


Sie erzählt mir immer, wie sie diese Jahre genossen hat.Zusammen mit anderen gleichaltrigen Mädchen aus der Eifel.Jeden Morgen läuft sie zu Fuß dorthin, durch die Buchenwälder.Manchmal nimmt sie ein Fuhrwerk mit, aber meist muss sie laufen.Im winter kommt einer ihrer Brüder ihr entgegen um sie abzuholen.


Der Krieg streckt nun langsam seine Finger in die Eifel aus. Wehrmachtssoldaten werden geschickt um beim Bau des Westwalls zu helfen und einige beaufsichtigen den Baufortschritt der Ordensburg.Viele Eifler haben nun Arbeit auf der riesigen Baustelle der Ordensburg. Auch einige ihrer Brüder.


Einer von ihnen freundet sich mit einem jungen Soldaten an und bringt ihn öfters mit nach Hause. So lernen Anna und Heinrich sich kennen. Heinrich fühlt sich sehr wohl im Elternhaus meiner Oma, er ist als Einzelkind aufgewachsen.


Es ist die große Liebe.

Die Zeiten sind unruhig und Heinrich soll zur Front, genau wie die letzten Eifler, die noch auf den Dörfern geblieben sind.Doch bevor er aufbricht, heiraten sie noch.Viele tun dies in den .Aber Eifler wären keine Eifler,wenn sie durch diese schwere Zeit nicht mit ihrem Starrsinn und ihrer Dickköpfigkeit gehen würden.


Kirchweihfeste, Kindstaufen, Hochzeiten und Maifeiern finden auch unter diesem unsäglichem Regime statt.Wenngleich es nicht genug von allem gab, zum Essen und Tauschen war immer da.


Im letzten Kriegswinter wird das erste Kind von Anna und Heinrich geboren, ein Junge.Zwei Tage vor Weihnachtenliegt das Kind tot im Bettchen und Heinrich ist in Gefangenschaft.Anna bringt das tote Kind, in Decken gehüllt, mit ihrer ältesten Schwester ins nahegelegene Trappistenkloster. Dort bekommt der Junge die letzte Ölung. Sein Name war Johannes.Später wird er dort beigesetzt.


Der Krieg endet und viele kommen nicht mehr in die Heimat zurück.Und viele wollen weg von hier.Heinrich kommt zurück.


Man wohnt in den wenigen unversehrten Häusern mit den Vertrieben zusammen.Die Amerikaner, die über den Hürtgenwald kamen, haben bei ihrer Suche nach Regimetreuen ihre Spuren hinterlassen. Manche Familien haben keinen Stuhl und keine Tasse mehr im Haus.


Zeit ein eigenes Haus zu bauen.


Sie war geprägt vom harten Leben in der Eifel, von Schicksalsschlägen und grausamen Kriegstagen.Sie ist nie daran zerbrochen, hat nie gezweifelt an ihrem Leben.Ihre Worte waren immer : das hat der Herrgott so gewollt.Alles hat sie so angenommen wie es kam.In den dunkelsten Stunden konnte sie noch lachen und vorwärts blicken.Oft habe ich mich gefragt, warum sie so war . Ich habe die Antwort noch nicht gefunden, aber ich weiß, das hat sie mir weitergeben.


Dann mache ich meine Augen auf und sehe über die Wipfel der Buchen.Ich muss leise lächeln.So haben wir oft hier gesessen bei der Pause vom Blaubeer suchen.Meine kleine Hand in ihrer runzligen,weichen Frauenhand.Sie drückt mich an sich und lächelt mich liebevoll an.Wir brauchen keine Worte, aber es ist alles gesagt.


Gewissheit,tiefe Gewissheit, sie liebt mich wie auch ich sie liebe.







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eifelhexe

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FLEURdelaCOEUR Menschen, die so eine schöne Heimat haben, - und sich ihr so fest verbunden fühlen, sind zu beneiden.
Es gefällt mir sehr, wie du schreibst.

Liebe Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
eifelhexe Re: - Auch dir lieben Dank für deine Zeilen, das macht mir Mut weiter zu schreiben.

liebe grüße,

eifelhexe
Zitat: (Original von Ciggy1 am 15.02.2012 - 16:08 Uhr) ............Liebe tropft aus Deinen Zeilen............schöööön!

Herzlich willkommen bei MyStorys und viel Spaß beim Lesen und Schreiben!

Liebe Grüße

Ciggy

Vor langer Zeit - Antworten
eifelhexe Re: Es ist gut, das die Natur einem diese Gefühl vermittelt. - Lieben dank für deinen Eintrag.
Genau das, die Natur, hat mich wieder geerdet und ich kann es jedem nur nahelegen mit offenen augen einmal durch seine heimat zu streifen.
Besser als jede Therapie.


liebe Grüße,

eifelhexe

Zitat: (Original von Marloh am 15.02.2012 - 18:32 Uhr) Liebe Eifelhexe,
Ich sehe dich und deinen Hund vor mir, wie ihr Rast macht und die Pause genießt. Oder aber das gesamte Dasein euch attestiert, wo ihr hingehört, weitab von wo der Pfeffer wächst, euer Herz schlägt für die Buchenwelt der Eifel.
MarLoh

Vor langer Zeit - Antworten
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