Humor & Satire
Heinrich schreibt Geschichte - Der Tod auf Umwegen

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"Heinrich schreibt Geschichte - Der Tod auf Umwegen"
Veröffentlicht am 13. Februar 2012, 10 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Manchmal bin ich so ermüdend heiter. Manchmal bin ich so erdrückend liebend.Manchmal liege ich verzagt am Glücke.Manchmal liege ich verzückt am Boden.
Heinrich schreibt Geschichte - Der Tod auf Umwegen

Heinrich schreibt Geschichte - Der Tod auf Umwegen

Beschreibung

Schriftsteller leben gefährlicher, als sie es zu erahnen vermögen ...

Heinrich schreibt Geschichte

 

Was soll ich Euch schreiben? So wie der Fischhändler nach toten Fischen stinkt, so stinkt der Schlachter nach toten Viechern und der Büroangestellte nach staubigem Aktenpapier. Alte Leute stinken nach alt. Einzig bei Babys ist es lohnenswert, in den Haaren zu schnuppern und über die Haut. Babys duften unvergleichlich angenehm. Ja, ja, ja. Wenn sie nach ihrer Brustmilchkur mit dem Aletezeug abgefüttert in die Windeln scheißen, dann werden sie erst so richtig menschlich.

 

Als ich gestern Abend so auf meinem roten Sofa saß und darüber nachdachte, was ich als Kurzgeschichte oder Gedicht oder Aphorismus oder Zitat oder einfach nur als Klugscheißerei der Öffentlichkeit aus meinem Gehirnbrei vorstellen könnte, da zog plötzlich ein fürchterlicher Verwesungsgestank durch mein Wohnzimmer. Nanu, so denke ich noch, du hast doch gar keinen Wind streichen lassen. Und mies aufgestoßen aus dem Halse hast du auch nicht. Naja, denke ich, das wird von draußen hereinkommen. Wir wohnen nicht sehr weit entfernt von einem Sumpfgebiet und von landwirtschaftlicher Produktion. Wenn wir einen etwas stärkeren Süd- oder Südwestwind zu verzeichnen haben, dann kann es auch schon einmal … Nein, das kann es nicht sein. Es ist Winter, auch wenn es heute nicht so sehr kühl draußen geworden ist. Also, ganz sachlich und nüchtern betrachtet, stinkt es nicht von draußen herein. Außerdem weht der Wind aus Nordwest. Hmmh. Da ich von meinem Notizpapier noch nicht aufblicke, sondern lediglich schnuppernd und nachdenkend versuche zu ermitteln, was im Wohnzimmer so erbärmlich stinkt, habe ich auch noch nicht bemerkt, dass mir gegenüber auf dem roten Zweisitzer jemand Platz genommen hat. Erst, als ich ein Räuspern höre, das in ein: „Guten Abend, Heinrich!“, mündet, da werde ich richtig stutzig und schaue auf.

 

Da sitzt einer und grinst mich an. Oh, oh, oh. Da bin ich doch mehr als sehr erschrocken und denke, wie kommt der hier herein? Türen und Fenster sind verschlossen! Und schon sagt mein Besucher: „Richtig, Heinrich, alle Türen und Fenster sind verschlossen. Da ist für mich nicht wichtig. Ich komme überall und zu jeder Zeit hinein!“

 

Ihr könnt Euch vorstellen, dass mir jetzt aber doch „die Muffe eins zu tausend“ ging und ich vor Aufregung einen lauten Wind fahren ließ, der meinen Besucher doch tatsächlich zu einem lauten Lachen veranlasste. Dann verstummt das Lachen und er sagt mit allem Ernst in der hohen Fistelstimme: „Das ist, lieber Heinrich, um bei den Tatsachen zu bleiben, einer Deiner letzten Winde, die Du streichen lässt. Ich komme dich holen!“

 

„Nun ist es aber genug. Sie kommen hier herein, ohne zu klingeln oder anzuklopfen. Jagen mir einen fürchterlichen Schrecken ein, sodass ich einen Wind fahren lassen muss. Lachen mich aus und reden so einen Quatsch! Wer sind Sie, und was wollen Sie hier und von mir?“

Jetzt lacht er weiter lauthals vor sich hin. Als sehr unangenehm empfinde ich das von einem ungebetenen Besucher! Ich schaue zu ihm hinüber und mustere ihn. Seine Schuhe könnte er auch mal putzen. Sein langer, schwarzer Lodenmantel wirkt speckig und abgetragen. Sein schwarzer Hut, der sich im Rhythmus seines Lachens auf dem Kopfe hin und her bewegt, ebenso. Wenn ich ihn so richtig anschaue, dann hat er … gar keine Augen … kein Fleisch auf den Wangen und … richtig, jetzt sehe ich es ganz genau, das, was der Schlapphut freilässt, das ist ein Knochenschädel. Blanker, fast weißer Knochen. Der sieht ja genau so aus, wie … „Ja, Heinrich“, meint er mir jetzt sagen zu müssen, „ja, Heinrich, ich bin es. Ich bin der Tod!“

 

„Das passt mir jetzt aber gar nicht in den Kram“, sage ich vor seinem Gestank erschaudernd und vor Angst zitternd zu ihm, „ich suche gerade nach einer neuen Story, die ich schreiben möchte.“ „Oho, oho, lieber Heinrich. Ich weiß es. Deshalb bin ich ja ebenfalls gekommen. Ich möchte auch einmal eine Geschichte, sozusagen von mir geschrieben, lesen dürfen … ha, ha, ha … und nicht immer nur Geschichte schreiben! Du verstehst?“

 

„Ob ich Dich verstehe oder nicht. Du wirst es aus meinen Gedanken bereits erraten haben, ob. Du willst nicht immer so anonym irgendwo auftauchen. Du willst Dir Deine Beute nicht aus Kriegswirren, Verkehrsunfällen, Krankenhäusern, Altersheimen, Wochenbetten, Badenwannen … und wer weiß, woher, still und leise holen. Du willst erkannt und benannt schriftlich in eine Geschichte eingehen. So zum Beispiel durch meinen Bericht von Dir ins Internet, oder?“

 

„Ja!“

 

„Und warum gerade heute und bei mir, was?“

 

„Du warst in dem Moment, als ich zu der attraktiven Ria Müller wollte, Du weist doch, die ledige Mutter nebenan, gerade am Überlegen, was Du schreiben könntest. Und so war das eine treffende Gelegenheit für mich! Dann gehe ich später bei Ria vorbei. Dann hat sie auch ihr Kleines schon zur Oma gebracht. Der kleine Umweg kommt ihr und mir sehr gelegen.“

 

„Hör doch mal an. Sentimental ist er! Ha, der Tod zeigt ein Mitempfinden! Und wie soll es jetzt mit uns weitergehen?“

 

„Nun ja. Im Grunde sind wir mit der Geschichte fertig. Du hast von mir geschrieben. Ich möchte auch nicht, dass mehr über mich in diesem Internet steht. Man gibt ansonsten viel zu viel von sich preis … ha, ha, ha! Stelle diese Zeilen jetzt ein dort. Dann können wir gehen.“

 

„Wohin?“

 

Der Kerl, der so ungebeten erschienen ist und mir die Wohnung verpestet, krümmt sich vor Lachen. Ehrlich Leute, dass der Tod ein so lustiger Kerl sein kann, habe ich mir beim besten Willen nicht vorstellen wollen. Ich glaube auch nicht so recht daran.

 

Am nächsten Tag. „Was ist denn das. Das gibt es doch gar nicht. Ich glaube, Heinrich ist nicht zu Hause. Ich habe jetzt schon dreimal Sturm geklingelt. Was meinst Du, Luise? Das kann doch nicht sein. Wir sind zu um 15.00h mit Heinrich zur Nusstorte verabredet. Er hat uns noch nie vor der Haustür warten lassen. Auf der Toilette? Heinrich geht nicht zur Toilette, wenn es 15.00h ist, und sein Besuch steht vor der Tür! Ob ihm was passiert ist? Wieso gerade heute? Ich habe so einen Appetit auf Nusstorte und einen starken Bohnenkaffee. Was? Ob wir mal durchs Fenster schauen? Ja, ja. Gute Idee! Doch, doch. Das schaffen wir. Du bist recht was leichter als ich. Ich hebe Dich ein Stück. Dann kannst Du ins Wohnzimmer schauen ... Was ist? Wieso? Er liegt da über seinem Notebook? Über seinem Notebook? Was meinst Du? Wie sieht er aus?“

 

Copyright by Rattenfänger

13. Februar 2012

 

 

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Manchmal bin ich so ermüdend heiter. Manchmal bin ich so erdrückend liebend.Manchmal liege ich verzagt am Glücke.Manchmal liege ich verzückt am Boden.

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MarieLue Re: Re: Lustige Geschichte ... - Ja - :-) so ist das mit Gevatter Tod ...

Herzliche Grüße
Marie Lue

Zitat: (Original von Rattenfaenger am 14.02.2012 - 21:36 Uhr)
Zitat: (Original von MarieLue am 14.02.2012 - 21:19 Uhr) ... obwohl sie mit dem Tod endet. Ich hatte die ganze Zeit gehofft, der Tod lässt sich bestechen.

Herzliche Grüße
Marie Lue


Hallo, Marie Lue,

danke für Deinen hoffnungsfrohen Kommentar. Der Tod kommt, wie nach dem Spielcasinobesuch, unausweichlich *lächel* ...
Herzliche Grüße zurück
Rattenfänger

Vor langer Zeit - Antworten
Rattenfaenger Re: Lustige Geschichte ... -
Zitat: (Original von MarieLue am 14.02.2012 - 21:19 Uhr) ... obwohl sie mit dem Tod endet. Ich hatte die ganze Zeit gehofft, der Tod lässt sich bestechen.

Herzliche Grüße
Marie Lue


Hallo, Marie Lue,

danke für Deinen hoffnungsfrohen Kommentar. Der Tod kommt, wie nach dem Spielcasinobesuch, unausweichlich *lächel* ...
Herzliche Grüße zurück
Rattenfänger
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MarieLue Lustige Geschichte ... - ... obwohl sie mit dem Tod endet. Ich hatte die ganze Zeit gehofft, der Tod lässt sich bestechen.

Herzliche Grüße
Marie Lue
Vor langer Zeit - Antworten
Rattenfaenger Re: Meine Meinung - Hallo, Stefan,

ich freue mich, dass Du dir viel Zeit für meinen Heinrich genommen hast. Warum sollte ich böse sein? Wer öffentlich schreibt und sich stellt, hat mit Kritik zu leben, so lange sie nicht unter die Gürtellinie geht. Ach so, Gürtellinie. Vielleicht habe ich zu sehr "gewindet", weil ich mich habe verführen lassen, den Tod stinken zu lassen. Ich werde es mir überlegen.

Ja, das mit der Muffe wird in anderen Versionen immer wieder passieren. Ich habe hier und da auch schon gegoogelt, um einen Text ganz zu verstehen. Meistens gelingt es *lächel* ...

Du wirst vielleicht staunen, doch meine Erzählung endete zunächst ohne die letzten beiden Absätze nach "Wohin?". Dann kam mir die Idee, ein wenig Normalität mit aufzuzeigen, dass Heinrichs Freunde vor der Tür über Alltägliches reden, während der Gute drinnen verschieden über dem Notebook liegt. Mag sein, dass zuviel des Guten für die Würze. Auch darüber werde ich nachdenken.

Herzlichen Dank und liebe Grüße
Rattenfänger
Vor langer Zeit - Antworten
Stefan89 Meine Meinung - Den Tod mit einer solchen Persöhnlichkeit auszustatten ist ein angenehmer Gedanke, obwohl er so sehr nach allem zu stinken scheint was er verkörpert. Irgentwie mag ich diesen Gegensatz, so sehr es einem wiederstreben mag den Tod als so sadistisch zu betrachten (Da er Heinrich ja durchaus für seine naive Frage auslacht "Wohin?" [Seite 7) ). Normalerweise stellt man sich den Tod doch eher als ein "Wesen" vor, welches mitleid zeigt um den Leuten den übergang zu erleichtern...
Doch wie gesagt find ich es durchaus Gut.

Dagegen finde ich, du hast "Wind fahren lassen" zu häufig gebraucht. Zu beginn, als er den Grund des gestankes zu finden versuchte, ist sein gedankengang ja durchaus verständlich, dass er die möglichkeit eines "Windes" in betracht zieht. Doch Heinrich daraufhin tatsächlich einen Wind entfleuchen zu lassen, fand ich irgentwie zu viel.

Ich fand das Ende auch ein wenig zu lang gezogen, dass das gespräch seiner Gäste zu erwähnen und wie sie daraufhin den Toten finden fand ich zu langatmig. Ich denke ein kurzer schluss, hätte deine Geschichte zu einem schöneren Ende gebracht, aber das ist natürlich (wie alles) Interpretationssache.

Die umschreibung "die Muffe eins zu tausend" fand ich seltsam. Zwar weiß jeder aus dem Kontext was gemeint ist, doch die Umschreibung ist mir persöhnlich nicht bekannt als etwas, dass man sagt, wodurch es für mich unpassend erscheint.

Ich hoffe du bist mir nicht böse für meine Kritik und nimmst sie als die Konstruktive Kritik, die sie sein soll.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan
Vor langer Zeit - Antworten
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