Beschreibung
Warum schämte ich mich für etwas, was mir keine Scham bereiten sollte...
© Stefan89
War in der Innenstadt, da ich mir ein Buch besorgen wollte, als mir ein Obdachloser auffiel. Ich beschloss ihm auf meinen Rückweg etwas Geld zu geben.
Es war mir keineswegs schade um das Geld (oder zumindest glaube und hoffe ich dies), da ich es durch eine Blutspende erhielt, einer Tätigkeit, welcher ich auch ohne Bezahlung nachgehen würde, wenn auch -durch meine Faulheit bedingt- weniger häufig.
Es kam mir selber seltsam vor, dass ich mich nur für eine Hilfe entschieden hatte, nur für einen Menschen und das eigentlich nur aus einer subjektiven Laune heraus, da er einen schönen Hund hatte durch den der Mann von mir Sympathie bekam. Und obwohl ich noch weiteren Obdachlosen begegnet bin und durchaus auch weiteren mit Hunden, entschied ich mich dagegen Ihnen ebenso Geld zukommen zu lassen.
Warum?
War mir das Geld doch zu wichtig? War die Verlockung auf weitere Bücher doch zu groß? Hatte ich mein Gewissen bereits durch die Tatsache beruhigt, dass ich mich bereits dazu entschieden hatte einen von ihnen zu helfen? Habe ich mir selbst mit dem Spruch "Ich kann ja nicht allen helfen" eine Ausrede zurechtgelegt um mich zu rechtfertigen?
Ich kann nicht sagen, in wie weit, welche dieser Argumente mich beeinflussten, doch es sollte sich noch zeigen, dass ein weiteres Gefühl eine große Rolle spielte.
Mein neues Buch in der Tasche wollt ich nun dem Mann Geld zukommen lassen um im Nachhinein nach Hause zu fahren.
Was so einfach klingt und mir Gedanklich als eine solch einfache Tat vorkam war es dann doch nicht.
Fast 5 Minuten stand ich geschätzte 100 Meter an einer Ecke, in Sichtweite zum Obdachlosen um im Vorfeld alles gedanklich zu planen und
durchzugehen. Das Geld legte ich mir in meine Jackentasche um es ihm schnell reichen zu können. Ich wollte nicht vor ihm stehen um vor aller Augen das Geld aus meiner Tasche zu nehmen, damit sich jeder ein Urteil über mich bilden kann. Die Urteile der umstehenden interessierte mich nicht, den Gedanken daran empfand ich eher als unangenehm, besonders wenn ich daran dachte wie sie mich beurteilen würden:
"Unglaublich, mit welcher Arroganz und herablassend er auf den Mann niederschaut um ihm 'ach so leichtfertig Geld zu geben... vermutlich hat er nicht einen Finger für das Geld gekrümmt"
-
"Von wegen Freundlichkeit, er will sich uns gegenüber doch nur erhaben fühlen. Er denkt er sei was besseres, nur weil er dem Mann Geld gibt, und wir nicht!"
Obwohl vermutlich nicht alle so von mir denken würden, so wollt ich kein Urteil über mich, selbst wenn es positiver Natur wär.
Denn ich wollte es nicht tun um anderen aufzufallen, sondern um dem armen Mann und seinem Hund etwas Gutes zu tun.
Oder wollt ich es doch tun um mir selbst zu beweisen, dass ich ein Guter Mensch bin?
Der Gedanke daran ekelt mich an, Ich ekel mich an...
Nun stand ich dort, das Geld in meiner Tasche und gedanklich nochmal diskutierend, ob ich es tun sollte.
"Was würde denn dagegen sprechen" fragte ich mich selbst und beinahe automatisch kam mir die selbstgerecht Antwort in den Sinn: "Weil es das Richtige ist!
Du willst dir doch nicht so viel aus Geld machen!
Du willst dich doch von der Grauen Masse abheben.
Warum zweifelst du überhaupt? Du verdammter Idiot!
Willst du kneifen, weil dich das Gefühl der Scham übermannt?"
Ich schämte mich. Wieso ging es mir so? Wollte ich mir nicht vornehmen, dass ich nicht mehr drauf achte würde, was Fremde über mich denken?
Werden Obdachlose als solch niedere Menschen in unserer Gesellschaft verurteilt, dass die simple Interaktion mit ihnen -wenn auch nur wenige Sekunden, die nötig sind um ihnen Geld zu geben- verwerflich ist und wir uns schämen sollten?
Oder hoffte ich gar, dass dies die Vorurteile der Gesellschaft sind, damit ich mir nicht eingestehen muss, dass das Problem bei mir liegt? Das ich es bin, der so abwertende Gefühle hegt? Voller Arroganz und über-
heblichkeit? Dass ich nicht nur ein Teil dieser Perversen Gesellschaft bin, sondern dem schlimmsten Teil angehöre? Dem heuchlerischen Teil, der gutes nicht für andere tut, sondern nur um seine eigene jämmerliche Existenz einen gefälschten Sinn zu geben?
Nun ging ich dennoch auf ihn zu, nahm das Geld aus meiner Tasche und überreichte es ihm...
Ich wollte auf gewisse Weise gleichgültig wirken, um kein Mitleid zu zeigen. Nicht weil er keines verdiente, sondern damit er sich keineswegs erniedrigt fühlte.
Ebenso sollte er nicht denken ich lache ihn aus, daher wollte ich nicht lächelnd am ihm vorbeischreiten.
Hätte ich mich selbst gesehen wie ich ihm das Geld gab, so hätte ich vermutlich gedacht
dass ich mich schäme und es so schnell wie möglich hinter mir bringen will.
Schlussendlich hat er mein Gesicht wohl gar nicht gesehen. Durchgehend hatte er seinen Kopf gesenkt und als ich Ihm das Geld reichte kam ein leises erschöpftes "Danke"...
Etwas enttäuscht ging ich ohne Worte weiten. Enttäuscht? Hatte ich etwa erwartet, dass die Augen des Mannes sich mit tränen füllten während er sich herzlich bedankt?
All das nur wegen lächerlichen 10€?!
Wie überaus erbärmlich ich doch bin...
Meine Mutter dagegen ist ein viel besserer Mensch im Vergleich zu mir. Sie sprach die Obdachlosen an und fragte ob sie ihnen etwas zu essen besorgen soll. Keine Geldgabe, sondern eine sprachliche Interaktion und der Wille einen Umweg in Kauf zu nehmen und Zeit zu opfern.
Für mich ist der Gedanke an ein Gespräch mit einer Obdachlosen Person nur eine Idealvorstellung, da ich mich doch schon schäme, einem Menschen im vorbeigehen Geld zu geben...
Ich stelle es mir durchaus vor, wie ich mich freundlich mit einem Obdachlosen unterhalte. Essen und Trinken darbiete und mir seine Lebensgeschichte anhöre um zu zeigen, dass ich mich dafür Interessiere und ihn als einen gleichwertigen Menschen betrachte, der einfach Pech hatte und/oder ein paar falsche Entscheidungen traf. Doch dass ich niemanden dafür verurteile sondern einfach Aufmerksamkeit zuteil kommen lassen will um das Gefühl zu geben, dass er den Menschen nicht egal ist...