Kurzgeschichte
Franz

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"Franz"
Veröffentlicht am 13. März 2008, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Bin mittlerweile neunundvierzig und habe den Eindruck nie erwachsen zu werden. Sei's drum. Wenn es mir gut geht, schreibe ich. Wenn nicht, fällt mir auch nichts ein.
Franz

Franz

Niemand wusste, wie Franz mit richtigem Namen hieß. Den ganzen Tag über saß er an seinem Lieblingsplatz vor dem Kaufhaus. An seine Decke hatte er ein verblichenes Pappschild aufgestellt, auf dem in krakeligen Buchstaben "Obdachloser bittet um eine kleine Spende" geschrieben stand. Franz gehörte zum Stadtbild wie das Kriegerdenkmal von 1918. Die gelegentlichen Versuche, ihn aus der Fußgängerzone zu vertreiben, hatten den gleichen Erfolg wie sich auf Vorrat zu rasieren, kurze Zeit später war er immer wieder da. Also hatte man sich arrangiert. Franz betrank sich nicht während der Einkaufszeiten und die Geschäftsleute ignorierten ihn so gut es eben ging. Alles hätte bleiben können wie es ist, wäre Franz nicht eines Morgens in Begleitung eines schwarzbraun gefleckten Vierbeiners erschienen. Die Vorfahren der Promenadenmischung mussten sich mit ganzen Heerscharen von unterschiedlichsten Rassen gepaart haben. Der Versuch, ihn einer bestimmten Gattung zuordnen zu wollen, hätte wahrscheinlich einen ganzen Stamm von Genetikern in den Wahnsinn getrieben. Sepp, so rief Franz ihn liebevoll, verhielt sich ganz, wie man es von ihm erwartete, und bepinkelte jeden erreichbaren Pfeiler, der sich in seiner Umgebung befand.
Hinzu kamen unappetitliche Tretminen vor den Schaufenstern der Geschäfte, die sich nach einem Fehltritt im ganzen Geschäftsviertel verteilten. Kurz und gut, Franz wurde unmissverständlich aufgefordert, sich entweder seines Hundes zu entledigen oder einen anderen Platz zum Betteln außerhalb der Innenstadt zu suchen.Für Franz kam jedoch keine der ultimativ angedrohten Möglichkeiten in Frage. Nach reiflicher Überlegung versuchte er den Hund in einer badewannengroßen Einkaufstasche aus Kunstleder zu verstecken, die jedoch schon am ersten Tag den scharfen Zähnen der Töle nicht gewachsen war.
Als nächstes probierte er es mit einer Babywindel, die er sich von einer jungen Mutter erbettelt hatte. Allein das Anlegen brachte ihm eine Ansammlung von Neugierigen, einen Gewinn von 14,80 DM in Groschen und Fünfzig-Pfennig-Stücken ein, sowie eine Anzeige wegen Tierquälerei. Der Erfolg war ansonsten eher mäßig, fand sich doch die Windel kurze Zeit später in briefmarkengroßen Fetzen unter einer besonders saftigen Hinterlassenschaft wieder. Dann lief Franz stundenlang mit Sepp erfolglos durch den Stadtpark. Am Ende hatte Herrchen an einem Tag öfter an die Bäume gepinkelt, als der Hund in einer Woche. Kaum war er mit ihm jedoch zurück, krümmte sich die undankbare Kreatur in verräterischer Haltung hinter dem erst besten Marmorpfeiler zusammen. Den guten Willen konnte man Franz nicht abstreiten, kaufte er sich doch als nächstes von seinem erwirtschafteten Geld einen kleinen Besen sowie eine Kehrschaufel, mit denen er pausenlos hinter dem Vieh herlief, wenn es mal die Decke verlassen hatte. Zuerst klappte es auch ganz gut, bis Franz eines Tages, von den Mühen des Jagens erschöpft, zwischendurch eingenickt war. Ausgerechnet der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Stadtentwicklung, Bodo Schwelm, trat in den noch dampfenden Haufen. Noch am Abend trat das Exekutivkomitee des Verbandes zusammen und beschloss ein endgültiges Exempel zu statuieren. Der ansässige Fleischermeister Kurt Klöbenbach wurde zu einem Jointventure mit dem Apotheker Albert Selmensteg vergattert. Klöbenbach suchte umgehend ein besonders schönes Stück Tafelspitz aus, welches der Apotheker in eine E-605-haltige Marinade einlegte. Kurz nach Mittag des darauf folgenden Tages nutzte der Fleischermeister den Verdauungsgang des Vierbeiners vor dem Schaufenster der Konditorei Erlemann. Unbemerkt deponierte er den appetitlichen Happen in dem gelben Napf, den Franz, meist mit billigem Hundefutter gefüllt, für seinen Hund aufgestellt hatte.
Sicher hätte alles geklappt, wäre ein sehniges unappetitliches Stück Fleisch im Napf gelandet. So jedoch dachte auch der tierliebe Franz im Traum nicht daran, seinem Hund diese einladende Zwischenmahlzeit zu überlassen. Das etwas so Verführerisches so ekelhaft schmecken konnte, waren die letzten Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, bevor er von Magenkrämpfen geschüttelt in einer gnädigen Ohnmacht versank. So weggetreten konnte er natürlich nicht bemerken, wie Selmensteg und Klöbenbach, die den Vorgang aus sicherer Entfernung beobachtet hatten, aufgeregt gestikulierend und rufend auf ihn zurannten.
Noch am gleichen Abend fanden sich alle Verbandmitglieder im Blauen Ochsen zusammen, um die Lage zu überdenken. Nach einigen Bibelversen für das baldige Gesunden des erbarmungswerten Opfers, wurden die beiden Delinquenten Selmensteg und Klöbenbach mit auf die Brust gesenktem Kopf vor die Inquisition gerufen und unter Beifall aus der Vereinigung ausgeschlossen. Nach diesem Reinigungsritual entwarf man einen kostspieligen Plan, durch den sich später, aufgrund großzügiger Spenden, beide in Ungnade Gefallenen wieder in die Gemeinschaft einkauften. Franz, der überhaupt nichts mitbekommen hatte, war nicht wenig erstaunt, als er am Morgen des folgenden Tages in einem Einzelbett des Privatkrankenhauses Elbeblick aufwachte. Nur wenige Stunden später öffnete sich die Zimmertür und Bodo Schwelm trat mit einem Strauss Blumen in der Hand an sein Krankenbett. Nach einer tranigen Rede über unentdeckte Fähigkeiten, geschäftliche Möglichkeiten, Toleranz und Großmut unterbreitete er dem völlig verdatterten Franz ein überraschendes Angebot. Keine zwei Monate später eröffnete Franz, ohne je einen einzigen roten Heller bezahlt zu haben und mit der kollegialen Unterstützung der Mitglieder der Interessengemeinschaft Stadtentwicklung, den ersten Kiosk in der Innenstadt.
Wo jedoch der Hund geblieben war, konnte niemand mehr feststellen. Lediglich ein durchziehender Tippelbruder hätte beschwören können, ihn als Letzter gesehen zu haben, als das Tier zwei Tage nach Neueröffnung sein Geschäft vor dem Kiosk verrichtet hatte.

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Geminus
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Geminus Franz - Danke für eure Kommentare,

ist schon eine ziemlich alte Story (wie man an der DM Währung im Text sieht)

Norbert


Vor langer Zeit - Antworten
evchen Auch... - ...mit hat deine Story gut gefallen.
Alles andere Wurde schon erwähnt und ich kann mich nur anschließen.
Gut gemacht. :-)
vlg evi
Vor langer Zeit - Antworten
3balmers Ich fand - die Geschichte herrlich. Ganz toll und spannend geschrieben. Und mit einer Prise Humor. Mir gefällt Deine Art zu schreiben. LG Karin
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB Die Geschichte ist brillant!! - Süss, witzig, traurig, spannend, verrückt, einfach mit allem super gewürzt!!
(Vielleicht würde ein anderer Titel die Story noch etwas mehr zum Lesen anregen...? z.B. Das vergiftete Geschenk :))
Liebe Grüsse von
Conny *****
Vor langer Zeit - Antworten
MarianneK Franz - Trotz Pech, doch noch Glück gehabt. Herrlich diese Geschichte über den Tippelbruder, sie hat mir sehr gut gefallen.

Lieben Gruß Marianne
Vor langer Zeit - Antworten
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