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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Mama, ich habe Bauchweh, ich bleibe heute zuhause
Kapitel 2: Ich entschied mich für die fürsorgliche Mutterrolle
Kapitel 3: SMS
Kapitel 4: Kind, bitte putze dir deine Zähne, bitte tue Deine Zahnspangen rein, bitte gehe dich mal duschen
Kapitel 5: Mama, wo ist mein Schlüssel?
Kapitel 6: Ich hab gar nichts gemacht, ehrlich
Kapitel 7: Turnschuhkauf
Kapitel 8: Die Konfirmation – oder der Weg dahin
Kapitel 9: Das Geschenk vom Vater
Kapitel 10: Das ehemalige Kinderzimmer ist jetzt ein Chaosroom
Kapitel 11: Kann alles, weiß alles
Kapitel 12: Wutausbruch
Kapitel 13: häusliche Pflichten
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Kapitel 8: Die Konfirmation – oder der Weg dahin
Kapitel 9: Das Geschenk vom Vater
Kapitel 10: Das ehemalige Kinderzimmer ist jetzt ein Chaosroom
Kapitel 11: Kann alles, weiß alles
Kapitel 12: Wutausbruch
Kapitel 13: häusliche Pflichten
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Mama, ich hab kein Bock auf Schule
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Erstaunlich ist es, dass ich es geschafft habe aus alltäglichen Situationen heraus ein ganzes Buch zu schreiben. Das Buch ist kein Leit(d)faden, kein Rezept wie man es besser macht, keine Motivation und auch keine Inszenierung von „was wäre wenn“, es sind einfache Tatsachen, die ich in den Jahren der Pubertät meines Sohnes sammeln durfte und auch genau das für mich selbst brauche um alles irgendwie verstehen zu können.
Das Buch ist im Grunde ein kleiner Hoffnungsschimmer für alle, die plötzlich über Nacht einen kleinen Herkules zu Hause haben und in ein scheinbar unbekanntes Innere sehen.
Einen Trost kann ich jetzt schon geben: Es wird besser, nur wann weiß ich selbst auch nicht.
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Und was waren doch unsere Kinder als Babys süß, richtige Wonneproppen die einen mit ihren Kulleraugen aussahen und unser Herz vor Freude aufging. Wir investierten alles nur Denkbare um unseren kleinen ein guten und sicheren Start ins Leben zu geben und auf einmal sollte all unsere Arbeit nicht da sein?
Pubertät!
Keine Ausrede, eine wissenschaftliche Studie belegt, dass pubertierende alles nicht mal selbst wissen was da in ihnen vorgeht. Und doch ist es nicht leicht den Mittelweg zu finden damit es nicht außer Kontrolle gerät.
Viel Spaß bei dem Buch … wünscht Sunsilja
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„Mama ich habe Bauchweh, ich bleibe heute zu Hause“
Ach herrje, dachte ich, meinem Sohn geht es nicht gut. „Na gut“, sagte ich, „dann versuch noch ein wenig zu schlafen wenn es dir nicht gut geht, du bleibst dann heute hier.“
„Oh Mama, danke“, sagte er leise.
Scheinbar wohnen wir in einem Gebiet wo extreme Selbstheilungskräfte wirken, denn nur knapp eine halbe Stunde seit den Hilferufen hörte ich das Knatschen der Küchentür, das klirren der Besteckschublade, das Brummen der Mikrowelle und das Brutzeln des Toasters.
Noch immer bemüht die Sache so ernst wie möglich zu nehmen fragte ich meinen Sohn: „na geht es dir schon besser?“
Schmerzverzerrt beobachtete ich wie mein Sohn sich seinen Toast belegte und langsam Richtung Tisch ging.
Schließlich sagte er: „ja ein wenig und es tut noch sehr weh“
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Nun kommt die Phase von extremen Misstrauen, denn sein Schauspiel war so offensichtlich.
Mal überlegen, was war heute für ein Wochentag und welche Schulfächer standen heute auf dem Plan? Es war nicht gerade schwer zu ergründen, denn heute war der „Frau Müller-Tag“ also ein Mittwoch.
Sofort kam ein Satz meines Sohnes in mein Gedächtnis, „Mama, ich mag die Frau Müller nicht, die ist immer so ungerecht zu mir und gibt mir immer Sonderaufgaben auf, obwohl ich nichts getan habe“
Über das „nichts getan haben“ hätte ich schon hellhörig werden müssen.
Na gut, dachte ich, und legte diese Erinnerung vorerst im Zwischenspeicher ab und bei Bedarf konnte ich diese Information sicherlich noch gut gebrauchen.
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Ich hab zu diesem Zeitpunkt einfach erstmal nichts sagen wollen, ich wartete ab.
Im Laufe des Vormittages allerdings ging wie immer der Fernseher auf on und auch der PC ratterte und mein Sohn war vollständig in seiner Welt und scheinbar genesen.
Hat er vergessen weiter krank zu sein? Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und fragte ihn wenig später mit einer sehr besorgten Stimme wie es ihm nun gehen würde und ob ich ihm was Gutes tun könnte.
Sofort verwandelten sich seine Gesichtsmuskeln in die „Angela-Merkel-Position“ und eine Hand wanderte auf seinem, von Schmerzen gebeutelten, Bauch und er sagte ziemlich angespannt: “nein Mama, immer noch nicht viel besser, aber danke dass du fragst“
„Oh, du armer Schatz“ entgegnete ich ihm und verließ sein Zimmer wieder.
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Es war also Mittwoch, der Tag der ihn dazu brauchte krank zu spielen, auch wenn es ihm nicht gelungen war, was ich ihm aber nicht sagte.
Natürlich dachte ich darüber nach wie es zu meiner Zeit war. Gab es bei mir und zu meiner Schulzeit auch Lehrer, die ich lieber von hinten als von vorne gesehen habe? Ja in der Tat, die gab es auch. Ich erinnerte mich an eine Lehrerin, die wir nur einmal in der Woche für 45 Schulminuten hatten und seit dem Tag war das Fach absolut nicht meines. Sie saß vorne an ihrem Pult und erzählte uns aus demÂ
Lehrbuch heraus etwas über die Deutsche Geschichte. Wenn wir uns nicht angestrengt hätten, dann wären sicherlich einige nach 10 Minuten bereits eingeschlafen.
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Sie gab uns dann immer für die darauf folgende Woche ein Stück aus dem Buch auf, was wir in der Zeit auswendig lernen und frei vortragen sollten. Zu meiner Zeit damals war es absolute Horror, wenn ich nur dran gedacht habe vor der ganzen Klasse herum zu stammeln und etwas brauch bares über Karl Marx zu erzählen.
Ja in der Tat, daran hatte ich keine guten Erinnerungen. Aber ich weiß nicht mehr an welchem Wochentag das bei mir damals war.
Es änderte auch gerade nicht viel daran, denn seit dem Tag und heute liegen ungefähr 20 Jahre dazwischen, also musste ich nun umdenken und versuchen irgendwie die Situation feinfühlig anzugehen.
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Da ich nicht gerne planlos Entscheidungen treffe fing ich an mir pädagogisch wertvolle Leitfäden zu kaufen und erhoffte mir Tipps und Ratschläge zum Thema Pubertät und versuchte somit die Dinge zu verstehen, die unmerklich auf mich zu kamen, bzw. schon längst angekommen schienen.
So Sätze wie „Veränderungen stärken dich, sehe Veränderungen positiv, verändere dich mit der Situation und stelle dich den Bedürfnissen deines pubertierenden Kindes“ waren sicherlich leichter zu lesen, als sie anzuwenden.
Wie sollte ich mich verändern? Wann und wo muss ich selbst anfangen und wo bitte schön steht was ich verändern muss?
Ich will ja nur eine gute Mutter sein, eine Mutter die für ihr Kind da ist wenn es Probleme hat und auch eine Vertraute, damit das Kind niemals denkt er sei mit seinen Sorgen alleine.
Tja, aber ich stand noch an einer Kreuzung, wo ich nicht wusste in welche Richtung ich nun
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laufen soll. Es kam ja auch noch hinzu, dass ich eine alleinerziehende Mutter war, die Job, Haushalt und Kind unter einen Hut bringen musste und natürlich gab es mich ja als Frau auch noch. Aber danach fragte mich keiner. Passe dich den Veränderungen an und nutze sie positiv, genau! Aber in welche Richtung musste ich nun gehen? Das konnte mir keiner verraten, die Route musste ich mir wohl selbst zusammen basteln.
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Ich entschied mich für die verständnisvolle und fürsorgliche Mutterrolle
Zu dem Zeitpunkt wusste ich allerdings noch nicht, dass gerade das genau die falsche Richtung war.
Ich hatte es mir Jahre zuvor selbst nicht einfach gemacht. Ich stand nach einer gescheiterten Ehe mit meinem Kind alleine vor all den Dingen die da kommen sollten. Der Kontakt zum Kindesvater war mehr schlecht als recht, denn irgendeiner hat bei der Trennung was vollkommen missverstanden. Wenn die Eltern sich trennen, heißt es ja nicht zwangsläufig, dass der Vater sich auch von seinem Kind trennen wird. Mein Sohn heißt übrigens Leon.
Leider gehörte ich zu dem kleinen Bruchteil der Frauen, die feststellen musste, dass der Vater angeblich kein Interesse an seinem Kind hat und somit musste ich mein Leben komplett
umstellen und meine eigene Farben malen um meinen Sohn zu einem glücklichen Menschen zu erziehen.
Aber diejenigen unter uns, die das nicht kennen, die Verantwortung des Kindes alleine regeln und gestalten zu müssen, haben sicherlich auch nicht die geringste Ahnung wie schwierig es sein kann und mit wie vielen Herausforderungen man täglich zu tun hat. Aber ich liebte mein Kind, daher habe ich mich diesen gestellt.
Vielleicht lag auch da bereits, als ich an der Kreuzung stand, der Fehler der falschen Richtung.
Ich bin genau genommen nie eine strenge Mutter gewesen. Viel mehr habe ich versucht meinem Sohn Werte zu vermitteln, die heutzutage nicht mehr als normal gelten. Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und auch die Fairness.
Aber in unserer Ellenbogengesellschaft kommt man ins Trudeln wenn man versucht das anzuwenden, vielleicht sogar so weit, dass man verpasst hat auch die Schattenseiten oft genug zu sagen.
man verpasst hat auch die Schattenseiten oft genug zu sagen.
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Es war also Donnerstag…
„Na Schatz, wie war es in der Schule?“ fragte ich und lächelte meinen Sohn an. „Jo, ganz gut“ kam zurück und wir saßen zusammen um Mittag zu essen. Es geht doch nichts über ein gemütliches Zusammensitzen mit dem Kind um so den Tag zu bereden und auch ein wenig von dem zu Erfahren was sich in der Schule abspielte. Ich bin ja nicht neugierig, stets nur bemüht zu erfahren ob es meinem Sohn gut ging.
Je älter das Kind wird, desto weniger Silben und Vokale dringen aus dessen Mund und ich habe auch gemerkt, dass die Unwichtigen Dinge wichtiger geworden sind, als die Wichtigen.
„Du Mama, hast Du mich eigentlich lieb?“ „Natürlich habe ich das“, entgegnete ich ihm, „das weißt du doch“.
Seufz, diese Frage
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hörte ich schon all die Jahre vorher in unregelmäßigen Abständen. Ich würde denken, dass mein Sohn stets eine Rückversicherung von mir möchte, weil ich als Mama nur alleine für ihn da war und er nicht das Gefühl hätte ich würde ihn verlassen.
Sohnemann war also ein Gefühlsmensch und vielleicht war das der Schlüssel.
„Hast Du Hausaufgaben auf?“ „Ja, aber die habe ich schon in der Schule gemacht“
Schon merkwürdig mit welchem Vertrauen ich meinem Sohn entgegen kam, aber dann am Nachmittag klingelte mein Telefon. Der Herr Schuber* war`s, sein Klassenlehrer. Ein Mann, Mitte 40, der sich am liebsten selber zuhörte, wie mir schien. Klar als Lehrer hat man sicherlich so einige Dinge, die nur mit kühlem Kopf anzugehen sind und wenn man ein Vielzahl von unterschiedlichen Schülern hat wird es in den Jahren sicherlich nicht einfach für den einzelnen.
Das war zu meiner Zeit auch schon so, irgendwann stellte man fest, dass manche Lehrer so in ihrer Rolle als Lehrer eingefahren schienen, dass sogar jedes einzelnen Gespräch mit den Eltern der Schüler nach Schema F beredet werden.
„Ich wollte ihnen mitteilen, dass die Englischlehrerin Frau Habicht* mir sagte, dass Leon mehrfach auffiel, weil er seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und ständig im Unterricht stört!“ „Und auch sonst bin ich mit Leon nicht zufrieden, denn er arbeitet auch in meinem Fach selten mit und ist konzentriert bei der Sache“
Ich denke, solche Sätze von einem Lehrer über sein eigenes Kind zu hören ist nicht einfach und schon gingen meine Alarmglocken an.
„Ja, Herr Schuster*, ich werde diese Dinge mit Leon* besprechen und hoffe, dass es nicht mehr vorkommt, schönen Tag, auf wiederhören.“
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Was ist zu tun? Sofort meinen Sohn in Ketten legen und dafür sorgen, dass es seine Aufgaben erledigt? Taschengeld kürzen? PC und sämtlichen Spiele Konsolen den Saft abdrehen? Hausarrest verhängen?
Ok, ich gebe zu, das waren dann erstmal die letzten Schritte, die ich unternehmen würde. Zuerst einmal suchte ich das Gespräch mit meinem Sohn. Ich klopfte an seine Tür, denn ich hatte es mir zu Eigen gemacht, gegenüber meinem Sohn die Privatsphäre zu wahren.
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„Ja, komm rein“ – ich hätte mich mit einem Kompass bewaffnen sollen, denn der Weg durch das Zimmer stellt sich immer als schwierig heraus, denn überall muss man sich Wege suchen um nicht auf den einen oder anderen Gegenstand zu treten.
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„Ich habe gerade mit deinem Klassenlehrer gesprochen.“ „Ach ja, und was wollte er?“ Mein Sohn zog ein „ich-hab-gar-nichts-gemacht-und-weiß-nicht-was-er-wollte-Gesicht“ auf. Ich berichtete ihn über die fehlenden Hausaufgaben und die Tatsache, dass er im Unterricht störte.
Seine Gesichtsmuskeln veränderten sich nur kam als ich ihn mit all dem konfrontierte, vielmehr beschwerte er sich über seine Englischlehrerin und hatte keine Einsicht.
„Mama, die ist so gemein und der Unterricht ist echt langweilig und ich sehe nicht ein, dass ich da was tue, ich will auf eine andere Schule“
Okay; tief Luft holen und schnell eine Lösung finden. Gab es denn eine schnelle Lösung? Wohl kaum, aber das ließ ich mir nicht anmerken. „Was stört dich denn so an ihr?“ „ach Mama, die ganze Klasse ist gemein zu mir und ich werde von allen nur ausgelacht“
Mobbing in der Schule war sicherlich kein Fremdwort und das wollte ich nicht so einfach stehen lassen. Er berichtete mir, dass ihn einige seiner Mitschüler immer wieder mobben würden und er nicht mehr weiß wie es damit klar kommen soll“
Ich gebe zu, viele Argumente hatte ich nicht zu bieten, ich hörte mir seine Version der Geschichte an und ertappte mich dabei, dass die Hausaufgaben dabei vollkommen vom eigentlichen Thema abwichen. Ich verabredete mit Leon*, dass wir uns nun täglich hinsetzen und zusammen seine Aufgaben für den nächsten Tag erledigen würden. Keine Ahnung wie ich den ganzen Stoff selbst verstehen sollte, weil meine Schulzeit lange zurück lag, aber so konnte es nicht weitergehen.
Hatte ich denn wirklich so schnell den Anschluss verloren was mein Kind angeht? Und warum mobben die anderen Kinder nur? Ich suchte einige Tage später nochmal das Gespräch mit seinem Klassenlehrer um mehr zu erfahren und wurde darüber informiert,
dass Herr Schuber* nicht feststellen konnte, dass etwas in der Art in der Klasse vor sich ging.
Wem sollte ich nun Glauben schenken? Ich stand wieder an einer Kreuzung, wo ich nicht wusste, welche nun die richtige Richtung ist. Ich stand einige Zeit vor alten Kinderbildern und betrachtete sie. Mir fiel auf wie niedlich er einst war, als er noch klein war. Nun überragte er mich um eine Kopflänge und ich hatte das Gefühl von Schwindel, wenn ich ihn ansah.
So, es musste was geschehen. Ich entschied mich dazu, dass ich mich nun ab sofort jeden Tag zusammen mit ihm hinsetzte um mit ihm seine Hausaufgaben zu erledigen, was anfangs als echte Geduldsprobe verlief.
„Nein, so haben wir das nicht in der Schule gelernt, das geht anders“ und „Ach Mama, du kannst mir hierbei nicht helfen, das geht anders“ und so Sätze wie “mehr brauchen wir nicht hat der Lehrer gesagt“ prasselten auf mich ein.
Hat mal einer gesagt, dass es einfach sein wird?
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Wohl kaum, denn es erwies sich als überaus kompliziert. Die aktive Hilfe bei den Hausaufgaben funktionierte also nicht und daher einigten wir uns darauf, dass er sich fortan nun wieder so macht, wie er es sollte und ich dann nur kontrollierte dass er sie anfertigte.
Ich hätte es besser wissen müssen, denn nichts klappte. Kurze Zeit später erfuhr ich erneut in Form eines Briefes, dass es wieder nicht funktionierte und Leon noch immer nicht bereit war seine Aufgaben zu erledigen.
Ja war ich denn die einzige Mutter die damit zu kämpfen hatte? Wohl kaum, da gab es noch mehr. Ich hätte eine Initiative gründen sollen, die da hieß „Mein Kind hat kein Bock auf Schule e. V“ und sicherlich hätte ich die einen oder anderen Mitglieder anwerben können.
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Da gab es die eine Gruppe von Schülern, die als Streber durch gingen, dann die andere Gruppe die weit davon entfernt waren, und eine dritte Gruppe die mühsam aber bereit die Dinge erledigten, auch wenn sie ihnen noch so müßig vorkamen.
Zu verstehen war das nicht. Ich erinnerte mich an meine Schulzeit. Wie war es denn bei uns damals, in dem Zeitalter, als wir noch via Papierfetzen in der Schulstunde SMS Nachrichten von Bank zu Bank schoben. Wo wir noch im Radio unsere Lieblingssongs aufnahmen und uns ärgerten wenn der Moderator kurz vor Ende unseres Lieblingsliedes schon die Staumeldungen auf unser Tape quasselte.
Die Zeit wo mir noch heimlich zum Bruder ins Zimmer gingen um „Dallas“ zu schauen, auch obwohl die längst die zu-Bett-geh-Zeit überschritten war.
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Es war eine andere Zeit, ganz klar. Heutzutage wird via Internet kommuniziert, die Songs laufen rund um die Uhr auf Viva und der Fernseher bringt täglich auf 40 Kanälen alles nur Denkbare.
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Ist weniger nicht manchmal mehr? Früher hatten wir nur 3 Fernsehprogramme und es hat uns nicht geschadet. Die Revolution war schon als Mitte der 80er das Privatfernsehen dazu kam, man war das was wunderbar Neues und Spannendes.
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Aber heute ist alles anders.
Jede Zeit hat ihren ganz eigenen Charme, scheinbar hatte ich in all den Jahren die Wandlung nicht so bewusst mitbekommen. Die Technologie ging immer weiter, die ersten Handys waren so groß wie Handtaschen und werden täglich kleiner, dass man sie kaum findet, wenn sie nicht ab und an Brummen würden.
Ja, so war das heute und doch nutze all die Technik nichts, wenn man nicht auf die alten Tugenden zurückgriff, die heutzutage erwartet werden.
Kann es sein, dass in der Schule die zeit stehen geblieben ist? Das gerade der Fortschritt in Form von Computertechnik und das allgemeine Tastaturdenken nicht die Anerkennung findet, in der wir leben?
Sicherlich ist es wichtig, dass die Kinder noch das Gefühl für Stift und Blatt bekommen, damit sie in er Lage sind bei Stromausfall nicht aufgeschmissen sind, aber ehrlich gesagt, verstehen das unsere Kinder auch?
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Es wird sicherlich nicht einfach sein unseren Kindern das zu vermitteln, die vor lauter Technologie das wesentliche nicht mehr aufnehmen können, was mit den Jahren immer mehr in den Hintergrund verschoben wird, die Fähigkeit das Leben aus einer anderen Perspektive zu betrachten, nicht nur die sehen, die andere uns täglich zeigen.
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3
SMS
Das kennen sicherlich viele Eltern, wenn sie versuchen ihre Kinder zu verstehen. Aber tun wir das wirklich? Ich versuche mich immer wieder in meine Zeit zurück zu versetzen, was ich damals erlebt, gefühlt und gedacht habe.
Inmitten der Monchhichi Phase bis hin zum ersten Kuss kann ich das noch ganz gut auf die Reihe bekommen. Was war ich damals oft verliebt. Zu oft? Was ist aus der Jugendliebe geworden? Wie war ich gegenüber meinen Eltern drauf?
Na einfach hatten sie es nicht. Ich habe schon sehr früh versucht meine Ziele zu verfolgen und nicht wie alle anderen mit dem Strom zu schwimmen. Das, was heute so mechanisch abgeht, war für mich früher undenkbar. Klar, wir hatten ja auch nicht wie heute die Medien, wir mussten noch selbst was auf die Beine stellen, kreativ sein.
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Mit Freunden durch die Gegend ziehen, sich an der heimischen Kirmes an den Raupe lehnen und pausenlos die Jungs beobachten. Klar, das ist heute auch so, nur heute wird via SMS die berühmte Frage gestellt: „Willst Du mit mir gehen? Ja_ nein_ vielleicht _!“
Und am Ende besteht die erste große Liebe aus einem SMS-Mail-Internet Gewusel und die Schmetterlinge lädt man sich dann einfach aus dem World Wide Web herunter. Na feine Aussichten, klar dass die Jugend heutzutage nicht mehr weiß wo sie hinlaufen soll. Und dann wundern wir uns, dass wir unsere Kinder nicht mehr verstehen?
Über Tugenden von früher zu reden ist mehr als altmodisch und man ertappt sich dabei, dass man genau das gleiche unverständliche Zeug zusammen dichtet wie es unsere Eltern getan haben.
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Aber war es denn so falsch was uns beigebracht wurde? Haben wir nicht auch in unserer Jugend oft das Gefühl gehabt, dass da auch was Wahres dran sein könnte? Nein! Nie! Selten!
Wo ist all das hin von damals? Wo wir noch zu zehnt durch die Parks geschlendert sind und uns im Winter zum Schlittschuhlaufen oder im Sommer zum Schwimmen verabredet haben? Im Sommer, als es noch einen Sommer gab, zusammen gezeltet haben im heimischen Garten hinterm Haus und nachts dann durch den Ort liefen und uns an Straßenschildern hochzogen?!
Da gab´s es noch kein Internet, da gab es nicht mal was im Fernsehen um daheim bleiben zu wollen.
Wir wollten damals alle nur raus, raus in die Welt und die eigenen Erfahrungen machen, frei sein.
Eines ist allerdings früher genauso gewesen wie heute,
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die Eltern konnten auch früher mit ihren guten Ratschlägen nicht auf viel Verständnis hoffen.
Da wundern wir uns, dass auch wir heute vor dem gleichen Phänomen stehen?
Hatten wir früher nicht auch alles im Griff und wussten alles besser? Wie kann auch ein Erwachsener nachempfinden was in einem selbst vorgingt? Woher nehmen sich die Eltern das Recht heraus um ihren Kindern zu sagen, wie sie fühlen, geschweige denn denken sollten?
Die Pubertät ist keine einfache Phase, aber deshalb heißt sie auch so, weil nichts im Leben nochmal so sein wird, wie zu dieser Zeit eben und auch diese Zeit prägt unsere Kinder wie keine andere Zeit sonst in ihrem Leben.
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Vielmehr müssen wir versuchen den schmalen Pfad gehen und nicht von diesem ab kommen, aber das geht nur mit Vorsicht, denn sehr schnell kippt der Pfad um und man muss versuchen die richtige Richtung einzuschlagen.
Genau das ist gemeint mit „Verändern musst Du dich immer, welche Situation auch in deinem Leben auftaucht!“ Dabei kommt es nicht immer auf das Ziel an, sondern auf den Weg dorthin und vor allem ist der richtige Blickwinkel von Vorteil um nicht das wesentliche aus den Augen zu verlieren – die Liebe zu uns selbst und unseren Kindern.
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In unserer heutigen Weg-werf-Gesellschaft haben viele Dinge doch nicht mehr den Stellenwert, den wir als Kinder noch erfahren haben. Heute ist alles schnelllebig und kaum ist es da, wird es schon wieder langweilig. Es muss alles schneller gehen. Die Zeit zieht so schnell an uns vorbei, dass wir das gar nicht mehr mitbekommen und dann wundern wir uns darüber, dass unsere Kinder dem gar nicht mehr gewachsen sind? Wir sollten mal für einen Moment inne halten und darüber nachdenken, vielleicht merken wir dann, welche Dinge wirklich wichtig sind damit unsere Kinder gerne in der Zeit leben.
und kaum hat man diesen Gedanken durchdacht kommt der Sohn um die Ecke und fragt:
"Können wir nicht mal ein ganz normales Brettspiel spielen?" :-)
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4
„Kind, bitte putze Dir deine Zähne, bitte tue Deine Zahnspangen rein, bitte gehe Dich mal duschen“
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Ich gebe zu, sicherlich ist das nicht für alle pubertierenden Jungs anwendbar, aber sicherlich bin ich nicht die einzige Mutter, die diese Leitsätze schon aus den Ohren heraus hängen. Meinem Sohn sicher auch, aber es ändert nichts, er macht es ohne Aufforderung nicht.
Warum?
Ich kapier das nicht. Okay, ich bin ja auch als Mädchen zur Welt gekommen und wie mein Sohn immer wieder zu mir sagt: „Mama, Du bist ne Frau, Du musst das nicht verstehen“
Dann sage ich immer: „dann erkläre mir doch, damit ich das verstehe“ Dann ernte ich meistens nur ein Schmunzeln ohne Erklärung. Nimmt mich mein Sohn am Ende nicht ernst?
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Liegt es daran, dass er in den ganzen Jahren auf das Vorbild Vater verzichten musste, weil mein Exmann es vorgezogen hat lieber noch ein paar weitere Kinder in die Welt zu setzen, statt sich erst einmal um seinen Erstgeborenen zu kümmern!?
Sicherlich kann ich die Jahre ohne den väterlichen Einfluss nicht ersetzen, aber ich musste es ja irgendwie schaffen meinem Kind Sicherheit zu geben. Sicherheit, die in der Gesellschaft da draußen zum Überleben lebenswichtig ist.
Es gibt gewisse Themen, die sich täglich wiederholen. Wer hat eigentlich einmal behauptet, dass man einen Sohn zu einem Pascher erziehen sollte? Eben, genau das wollte ich niemals zu lassen und doch ertappe ich mich oft dabei ihm alles nur Denkbare abzunehmen.
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Dabei war ich immer der Meinung, dass es klasse wäre, wenn seine zukünftige Frau einen Mann bekommt, der in der Lage ist seine Hemden selbst zu bügeln und seine Schnitte Brot auch selbst schmieren zu können.
Und nicht bei jeder Kleinigkeit winselnd dazustehen und die Frau übernimmt wieder die Tätigkeit die schon ich übernommen habe.
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Oder bei bisschen Schnupfen darum fleht schnell einen Luftröhrenschnitt zu bekommen, weil er sonst den heutigen Tag nicht überleben würde.
Zurück zum alltäglichen „bitte-mach-doch-mal“.
„Leon*, bitte geh doch heute mal duschen, deine Haare sind dreckig und voller Krümel“
mich schaudert`s, denn meinem Sohn scheint das wirklich nicht zu tangieren. Natürlich geht er jetzt duschen, aber nicht weil er es auch will, sondern weil Mama ihm mal wieder einen dezenten Hinweis zum Thema „Hygiene“ mit auf dem Weg gegeben hat – andere Gründe gibt es nicht.
Sooft habe ich mir vorgenommen einfach mal nichts zu sagen, weder zum einen Thema noch zu anderen. Ich weiß nicht genau, aber ich glaube ich habe es nur nie lange durchgehalten, weil mein Sohn definitiv nicht über sowas nachdenkt, also warum plötzlich was ändern?!? Mama erinnert mich ja beizeiten schon dran und dann kommt ein „ahja, okay“ und er macht es.
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Ich habe auch keinerlei Freude dran, und ich hoffe Leon auch nicht, dann er eines schönen Tages einmal Pilzkulturen züchtet.
An der Stelle sei gesagt, ich finde das wirklich ekelig. Das unterscheidet schon mal die Jungs von den Mädchen, denke ich jedenfalls, aber ich kann auch nur von mir reden. Sicherlich gibt es andere Beispiele.
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Naja, jedenfalls setzt sich mein Sohn zu Hause hin beim pinkeln, auch wenn es eines der wenigen Dinge gibt, die ich ihm vorher nicht mehr sagen muss mit den Worten. In unserem Klo hängt sogar eine Klo Ordnung. Ist das zu glauben? Wäre allerdings auch ganz schön wenn sich alle daran halten würden.
Es ist so unterschiedlich zwischen den Jungs. Hier flitzen ja zuweilen einige rum und dann kann auch mal laut zugehen. Dann höre ich ein scheppern und knallen und irgendwann, wenn schon die Wände anfangen den Schwingungen der Dezibels nachzugeben, gehe ich dann auch schon mal an die Tür und bitte um Ruhe. Meistens grinsen dann mehrere gleichzeitig um die Wette, als ob sie gedacht haben, ich sei schwerhörig.
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Kaum die ermahnenden Worte „jetzt seit bitte leiser und demoliert nicht das Zimmer“ ausgesprochen und die Tür hinter mir geschlossen, geht es erneut zur Sache.
Haben sie sich schon mal an die Tür gestellt und gelauscht? Nein? Okay, natürlich nicht nett, aber sie verpassen was. Was dort für Wörter fallen, wie sich die Jungs teilweise artikulieren ist erstaunlich. Da denkt man, das Kind ist total nett und sowas und dann klingen Sätze wie „Boa, halt die fresse“ und „deine Muddi nervt ganz schön“ . Und schon geht das Gerangel wieder weiter und irgendwann bin auch ich an einem Punkt wo ich mich mit einer zusammengerollten Zeitung bewaffne und damit wedelnd in der Türe stehe und den Kindern androhe, dass wenn nicht endlich Ruhe ist, allesamt mit der Feuerleiter nach draußen transportiert werden.
Irrtümlicherweise gibt es hier keine derartige Leiter, aber meistens ist das etwas Ruhe angesagt.
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Ob ein Vater mehr Einfluss auf solche Ansagen hat wage ich ganz stark zu bezweifeln. Es kommt wohl immer darauf an wie man an die Sache heran geht und vor allem sollte man versuchen immer ruhig zu bleiben.
Ich hätte mir eine Trillerpfeife zulegen sollen, dann hätte ich zumindest einen kurzen Moment ihre volle Aufmerksamkeit erhaschen können.
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5
„Mama, wo ist mein Schlüssel?“
Also eines können mir kinderlose Menschen wirklich glauben: „wenn man ein oder mehr Kinder hat, dann hält es den Geist und die Seele fit“
Leon hat mal wieder unendlich lange gebraucht um aus seinem Bett zu kriechen. Ich wecke ihn gerne etwas früher, weil ich seine Startschwierigkeiten zu genüge kenne. Wenn sich der feine Herr dann endlich mal aufgerafft hat und nach geschlagenen 15 Minuten endlich in der Küche angekommen ist, fällt entweder noch ein, dass er ja mal wieder dies und das noch für die Schule benötigt (weiß er erst seit einer Woche, was soll es!?) und die ewige Frage nach seinem Schlüssel ist Thema.
„Mama, hast du meinen Schlüssel gesehen?“ Ich würde vorschlagen, Du schaust mal schnell in deinem Zimmer nach. Gesagt, getan. Leon geht in sein Zimmer, schaut so nach oben (als ob der Schlüssel plötzlich Flügel bekommen hat und über der Decke hängt) oder schaut mal am Schreibtisch und ruft dann laut „ich finde ihn nicht“.
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An der Stelle sei gesagt, dass sein Schreien sehr laut war, denn ich stand unmittelbar hinter ihm im Türrahmen um mir seine Art zu suchen einmal genauer anzusehen.
„Du hast doch gar nicht richtig geguckt!“ sage ich. „Doch, habe ich“ kommt zurück.
„Es ist gleich 7.30h und Du musst zur Schule, aber ohne Schlüssel wird das nichts mit dem Abschließen Deines Fahrrades!“ sagte ich dann. Und bekam ein „jaja“ zurück.
Auch das werden viele kennen und es passiert immer um morgens, dass sich der Schlüssel denkt „ach verschwinde ich mal eben, damit er mich nicht findet“
Und was machen wir nun? Ich habe keine Lust dass Leon sein Rad nicht abschließen kann und er am Ende keines mehr hat.
Ich bringe Dich heute mit dem Auto zur Schule, dann musst du später in Ruhe deinen Schlüssel suchen!“ „Ja gut, Mama“ kam.
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Aber nicht, dass man denken kann, nach der Schule wird gesucht. Nein. Als ich Leon am späteren Nachmittag nach dem Schlüssel fragte sagte er mir “ich find den nicht“ und ich fragte gleich „hast du ihn denn nochmal gesucht?“ – „natürlich Mama, aber er ist weg.
Und an der Stelle muss ich gerade lachen, denn als ich daraufhin sein Zimmer betrat und seinen kleinen Hocker zur Seite schob blinkte mich etwas an. Ich fuchtelte mit den Armen und schrie fast hysterisch „Leon, komm mal schnell, bitte komme und sieh dir das an, ich glaube es nicht“
Leon, völlig unbeeindruckt, stand auf und kam zu mir und fragte „was ist denn?“ und ich deutete nur an den Hocker. Er schaute und in seinem Gesicht sah ich ein schmunzeln und er sagte zu mir folgendes: „oh danke fürs finden, Mama“
Ich finde es erstaunlich und doch erschreckend.
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Ich denke einen Moment an meine Schulzeit und frage mich, ob mir meine Eltern alles nachtragen mussten oder ob ich meine Sachen zusammen hielt.
Natürlich tat ich das, ich bin sogar schon als junges Mädchen alleine aufgestanden, weil ich nicht vergaß meinen Wecker am Abend zu stellen. Es war früher wirklich vieles anders, als heute. Vielleicht habe ich auch zu viel Zeit um meinem Sohn dahingehend soviel abnehmen zu können.
Erstaunlich ist auf jeden Fall, dass Leon Dinge macht, die er nicht machen soll und dann wiederum Dinge vergisst, die er machen soll.
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Da stand er wieder. Schön ins Regal ein gruppiert und kaum sichtbar. Der Joghurt becher! Wo der Löffel schon so fest gebacken ist, dass man ihn regelrecht heraus brechen muss. Dabei steht der Mülleimer direkt daneben. Ich frage mich warum er ihn nicht gleich da rein wirft!
Eine Freundin hat mir einmal gesagt, Pubertät ist eine Krankheit, es wird jeden Tag besser.
Im Internet gibt es unzählige Informationen zur Erforschung der Jugendlichen und der
“ich-weiß-echt-nicht-was-ihr-alle-von-mir-wollt“ – Phase. Tröstlich zu wissen, dass es einige davon in jeder Generation gibt.
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6
„ich hab gar nichts gemacht, ehrlich“
Wenn man mit seinem Kind alleine sein Leben bestreitet, wenn ich als Mutter versuche die häusliche Gemeinschaft auf den Level des Geben und Nehmen zu gestallten ist es doch sehr verwunderlich wenn da ab und zu doch die Erkenntnis sickert wo es dann nicht funktioniert. „Leon!“ rief ich. Ich stand mitten im Badezimmer und traute meinen Augen kaum. „Ja, was ist Mama?“. Leon stand in der Tür und schaute mich mit fragenden Augen an. „Sag mal warum hast du das hier gemacht?“
„Ich war das nicht, Mama!!“ sagte er.
„nein, Leon, ich habe in unsere Fliesenfugen ein schönes Muster hinein geritzt, wohl mit dem Stielkamm und sicherlich heute Nacht wo ich mal wieder schlafgewandelt bin, oder wie?!“
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An der Stelle nochmal angemerkt, mein Sohn und ich wohnen alleine in unserer Wohnung. Nun fragte ich mich natürlich ob ich tatsächlich so verwirrt bin und es selbst gemacht haben könnte.
Am Fußboden erkannte ich dann noch den weißen Niesel der Fugen und war nur noch sprachlos.
Am Tag darauf bin ich dann in unser Tapetengeschäft gefahren und habe einen Beutel von Fugengrau gekauft um den Schaden zu beseitigen. Natürlich wusste ich, dass ich es nicht gemacht habe, sonst wäre ich sicherlich erst einmal zu meinem Arzt gefahren um meine geistige Leistungsfähigkeit überprüfen zu lassen.
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Zuhause angekommen habe ich dann angefangen erstmal zu lesen wie man das Pulver zu einem Gemisch anrührt.
Einfache Verarbeitung stand da. An mischen des gesamten Beutelinhalts ca. 0,3l sauberes Wasser. Nach 5 Minuten nochmal verrühren.
Na gut, aber ich brauchte doch nur ganz wenig von dem Zeug und nun fing ich an zu mischen. Ich nahm ein kleines Gefäß und schüttete ein wenig Wasser hinein. Nun nahm ich das Pulver und goss es unter Rühren ein. Es wirkte tatsächlich und nach 5 Minuten hatte ich den Brei fertig. Allerdings viel zu viel, damit hätte ich noch die andere Hälfte der Wand kitten können.
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Dennoch war ich sehr Stolz auf mein Werk und verschmierte das Fugenzeug und am Ende wusch ich dann den überschüssigen Kit von der Wand ab. Fertig! Ja! Ich kann sowas auch alleine.
Nun musste es nur noch trocknen! Fertig!
Einige Tage später erlebte ich aber dann allerdings, dass schon wieder die Fugen raus gekratzt wurden.
Da ich mich beim ersten Male nicht über das Muster aufgeregt, sondern den Schaden ohne großartige Debatten beseitigt hatte, fing es nun an innerlich zu brodeln. Ich war mehr als nur sauer.
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Als ich dann mit einer sehr lauten Stimme zu meinem Sohn ging und ihn zu mir her zitierte merkte ich dann doch, dass er merkte es wohl übertrieben zu haben. Leon* stand nur so da und hörte sich mein minutenlanges Gebrüll an und am Ende sagte er dann zu mir „sorry!“ und ich fühlte mich leer und einfach nur noch müde.
Ich meine, was ist passiert? Warum hat er nochmal das gleiche gemacht wie einige Tage zuvor? Was habe ich falsch gemacht? Selbstzweifel ereilten mich.
Ich ließ mich auf den zugedeckten Toilettensitz nieder und schaute mir weitere Minuten wortlos das Muster an und schüttelte unentwegt meinen Kopf.
Leon* war zu dem Zeitpunkt schon wieder in seinem Zimmer und klopfte an seinem PC rum.
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Also nochmal das ganze Spielchen. Diesmal wusste ich ja noch wie es geht. Nachdem ich dann auch diesmal die Fugen wieder hergestellt habe rief ich meinen Sohn ins Badezimmer und sagte ihm nochmal „bitte, wage es ja nicht mehr da nochmal Fugen oder ähnliches zu zerkratzen!“
„nein, ich mach das nicht mehr, Mama“!!!
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Früher hatte ich einen Zettel an der Pinnwand auf dem Standen so einfache Sätze wie:
Wenn du etwas aufmachst, dann mach es wieder zu
Wenn Du etwas anmachst, dann mach es wieder aus
Wenn du etwas verschüttest, dann wische es wieder auf
Wenn du etwas kaputt machst, dann mach es wieder heile
Aber wenn du all das nicht machst, dann wirst du ein Problem mit deinen Eltern bekommen
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Aber scheinbar nützen diese Weisheiten in der Pubertät wohl nichts, ich hatte keine Ahnung mehr was in dem Kopf meines Sohnes vor sich ging. Tatsache war allerdings, dass ich dahingehend was ändern musste.
Und dann stand ich schon wieder an einer Kreuzung. Ich hatte das Gefühl nicht einen Schritt gemacht zu haben, der mich nach vorne bringt. Scheinbar lief ich die ganze Zeit im Kreis und nun merkte ich, dass ich an der gleichen Stelle wieder am Anfang stand.
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Ich hätte es besser wissen müssen, denn so einfach war das alles nicht.
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7
Turnschuhkauf
Ich spüre beim Schreiben dieser Zeilen, dass ich ja nur unschöne Dinge zu Tage bringe. Natürlich gibt es auch positive Sachen, die mein Sohn und ich zusammen erleben.
Leon* ist ein sehr ausgeglichener Junge. Im Gegensatz zu mir ist es in vielen Dingen sehr ruhig und kann gut und gerne über gewisse Dinge einfach hinwegsehen. Es gibt Tage da sehen wir uns den halben Tag nicht, oder treffen uns allenfalls mal zum Mittagessen. Aber das ist nicht weiter schlimm, denn dann haben wir uns immer noch was zu erzählen.
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Da Leon seit seiner Geburt stündlich wächst und mich um eine Kopflänge längst überragt hat, ist es immer umso wichtiger passendes Schuhwerk zu kaufen.
Ich erinnere mich noch an seine Schuhgröße 36. Damals dachte ich, wenn er dann mal Turnschuhe in Größe 37 benötigt, dann kann ich sie ja am Ende sogar noch nutzen, weil er so schnell immer aus den Schuhen heraus wächst. Leider erwies sich der Plan als unmöglich, denn Leon* übersprang gleich eine Größe und war bei 38. Nun ist er schon bei Größe 44 angekommen und Schuhe kaufen ist immer Spaß und Abenteuer zugleich
Ist ja nicht so, als wenn ich einfach so losgehen kann und ihm Schuhe, die mir gefallen, mitbringe. Nein, nein! Es müssen ja ganz besondere sein. Also heute war Tag des Schuhkaufs.
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Leon , seine Oma und ich zusammen im Laden.
Leon war sichtlich unbeeindruckt weil wir zu dritt auf Schuhsuche gingen. Oma griff ins Regal und hielt ihm das erste paar unter die Nase. „Na, wie findest du denn diesen Schuh hier?“ fragte die Oma. „hmmmm“ murmelte Leon vollkommen gelangweilt.
Ich sah schon, dass er keine Lust hatte nun nach Schuhe zu gucken und setzte sich demonstrativ auf den nächsten Stuhl. Im Augenwinkel beobachtete ich ihn und schaute aber ohne mit ihm zu reden weiter nach Schuhen in seiner Größe.
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„Leon, welche Farbe hast du dir denn so vorgestellt?“ fragte ich nach einiger Zeit. „Keine Ahnung“ sagte er und blickte stur auf den Boden.
Seine Oma war zu dem Zeitpunkt schon hinter dem nächsten Regal verschwunden und sagte mir noch, dass sie mich bewundern würde, weil ich so ruhig bleibe obwohl der Junge sichtlich keine Bereitschaft zeigt.
Hat mal einer gesagt dass der Tag des Schuhkaufs auch sein Tag des Schuhkaufs war? Nein. Aber es half ja nichts, wir waren nun mal in diesem Laden und nun wollte ich natürlich auch, dass Leon* sich bequemte und sich passende Schuhe heraussuchte.
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Nach unzähligen Farbfragen später hatte ich insgesamt 5 einzelne paar Schuhe auf den Boden vor den Füßen meines Sohnes in Reih und Glied gelegt.
So, sagte ich, nun schau doch mal. Leon warf eine prüfenden Blick auf die Auswahl und deutete dann auf ein braunes Paar.
Seine gelangweilten Gesichtsmuskeln entspannten sich und er war wirklich bereit dieses paar Schuhe einmal anzuziehen.
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„Die Schuhe passen nicht“ – er zog sie aus und warf sie wieder auf den Boden. Ich habe dann zu meinem Sohn gesagt, dass ich mir das anders vorgestellt habe und dass ich an der Stelle nun auch keine Lust mehr habe und wieder den Laden verlassen werde.
Plötzlich stand Leon auf und sah selbst nach Schuhe und griff sich ein passendes aus dem Regal! „Die hier finde ich gut“, sagte er.
Gut, dann anprobieren und wenn sie dir passen dann kauf ich die. Sie passten und gefielen ihm super und nun war mein Sohn wieder ein völlig anderer.
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Ich kenne das schon, frage mich aber auch hier, warum er zuerst auf Stur schaltet.
Nachvollziehen kann ich es allerdings, welcher 14 jährige Junge geht schon gerne mit seiner Mama und seiner Oma einkaufen. Peinlicher geht es nun wirklich nicht, dachte ich.
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8
Die Konfirmation – oder der Weg dahin
Manche Dinge, die wir früher hatten, scheinen bei den Jugendlichen von heute kaum mehr Anklang zu finden. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als wir mit 12 in den kirchlichen Unterricht geschickt wurden. Wir waren wöchentlich dort und mussten nahezu jeden Sonntag in die Kirche.
Aber auch diese Zeiten haben sich erheblich verändert. Die Zeit des Unterrichts ist auf 6 Monate verkürzt und die Pflicht auf den Kirchgang auf 8 Besuche minimiert.
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Leon geht allerdings nicht gerne dahin. Ob es an der Tatsache liegt, dass er zu Hause nicht so sehr nach dem kirchlichen Glauben erzogen wurde? Ich frage mich oft, ob es überhaupt sinnvoll ist und ob Leon nicht selbst entscheiden sollte ob er konfirmiert werden möchte oder ob es eine Reihe von Generationen ist, die ich nicht brechen möchte.
Und wieder erkenne ich, dass ich es bin, die es für wichtig hält das eigene Kind konfirmiert zu wissen, obwohl es nicht im Sinne meines Kindes ist. Also was ist zu tun?
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Ich habe mir immer vorgenommen mein Kind selbst entscheiden zu lassen ob er das möchte oder nicht und nun sehe ich, dass ich es bereits für ihn entschieden habe. Ich wartete auf den passenden Zeitpunkt um Leon* noch einmal zu interviewen, wie es nun weitergehen soll und ob es bereit ist den Weg zur Konfirmation gehen zu wollen.
„Sag mal, möchtest du denn zur Konfirmation“? fragte ich spontan eines Mittags. Leon* antwortete mit einem „nö, eigentlich interessiert es mich nicht“. Da stand ich nun und versuchte den Wunsch meines Kindes gerecht zu werden. Fragte noch mal nach „aber all die anderen Jugendlichen aus deiner Klasse gehen doch auch dahin, ist die das egal?“ Leon nickte nur.
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Und wieder lag es an mir nun die richtige Entscheidung zu treffen und beriet ich mich mit meiner Mutter darüber. Über das Für und Wider und darüber ob ich selbst damit umgehen kann. Aber ich konnte, ich respektierte seine Entscheidung und übergab ihm selbst die Entscheidung freiwillig wöchentlich zum Unterricht zu gehen, ohne mich aufzuregen, wenn er es nicht tat. Die Konsequenz daraus wird mit der Abmeldung gleichgestellt und somit hat Leon* es für sich entschieden und nicht meinem Wunsch entsprochen. Habe ich es mir da nicht zu einfach gemacht?
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Manche meiner Freunde sagten zu mir „ich würd ihn treten“ und genau das wäre das Falsche gewesen.
Ist es denn nicht sogar wichtiger, wenn das Kind den Glauben an sich selbst hat? Ich gebe zu, es ist zwiespältig heutzutage der Kirche etwas abzugewinnen. Medien sind da von Tatsachen innerhalb der Kirche auf einem Pfad wo sich die Jugend wirklich die Frage stellt, was genau es sich unter diesem Glauben vorzustellen hat. Tatsächlich kommen am Ende mehr Kontra, als Pro Gründe bei heraus und man kann es den Jugendlichen nicht mal verübeln wenn sie sich lieber von diesem mehr schlechten als dem guten Image fernhalten.
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Es geht ja um den Glauben, also sollte ein Jugendlicher doch die Chance haben seinen Glauben selbst zu bestimmen. Auch wenn es viele Eltern nicht verstehen, weil es zum „guten Ton“ gehört und früher normal war. Aber wir sind im 21. Jahrhundert, nicht mehr in der Zeit davor – da läuft doch vieles anders.
9
Das Geschenk vom Vater
Es war kurz vor Weihnachten. Ich bin in der Zeit immer schwer damit beschäftigt zu überlegen welche Geschenke ich aussuche und vor allem schenk e ich lieber Dinge, die mein Sohn gebrauchen kann.
Es fängt schon Ende November an. Ich bin einer der verrückten Mütter, die für ihren Sprössling noch einen Adventskalender selber basteln und somit fanden sich 24 eingepackte Geschenke pünktlich zum ersten Dezember an unserem Regal im Wohnzimmer.
Ich gebe zu, Leon lächelt drüber, aber scheinbar möchte er mir den Spaß daran nicht verderben, also öffnet er immer hübsch und brav Mamas liebevoll gepackten Tütchen.
Es ist gar nicht so leicht ein passendes Geschenk zu finde, was altersgemäß zu meinem Sohn passt. Ich frage meistens schon Ende Oktober was „so geht“ und meistens sagt er mir dann was er sich vorstellen könnte.
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Nun ja, ich erinnere mich aber an einen Tag nach dem 6. Dezember, da war Leon bei seinem Vater. Sein Vater hat sich nach längerer das erste mal wieder gemeldet und da ich mich nicht in diesen Kontakt einklinke beobachte ich einfach nur, wie sich mein Sohn fühlt und wie es ihm geht.
Leon kam also nach Hause und hielt sein Nikolausgeschenk von „Papa“ in der Hand und ich schaute meinen Sohn an, schaute sein Geschenk an und spürte wie sich meine Mundwinkel im Kreis drehten und Leon und ich mussten beiden lachen.
Es ist aber auch schwer zu erkennen, dass der Sohn bereits Schuhgröße 44 trägt, die ersten Bartstoppeln das Licht suchen und auch der Wortschatz außerhalb der Dreiwortsätze entwickelt ist.
Man könnte fast sagen, das Kind ist auf dem Weg erwachsen zu werden.
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Aber Leon`s Vater scheint das wohl noch nicht bemerkt habe und schenke ihm einen Tyrannosaurus Rex zum Zusammenbauen.
Wir haben Tränen gelacht. Als ich Leon fragte: „Du sag mal, hast Du denn Deinem Vater für das Geschenk auch bedankt?“ meinte Leon nur zu mir: „natürlich habe ich ihm gedankt, aber wenn du mir so einen T-Rex geschenkt hättest, hätte ich ihn dir sicher um die Ohren geschmissen“ und dann musste er wieder lachen.
Okay, ich möchte ja nicht sagen, dass es durchaus in Ordnung ist, wenn sein Vater ihm ein Geschenk macht und darüber zu lachen wäre auch nicht schön, aber dass er wirklich die Zeit verschlafen hat, als sein Sohn sich für die Dinos interessierte machte mich doch arg nachdenklich.
10
Das ehemalige Kinderzimmer ist jetzt ein „Chaosroom“
Das mit dem Kompass und den Wege suchen habe ich ja bereits erwähnt. Manchmal kommt es mir so vor als ob der Raum in dem mein Sohn wohnt durch eine unsichtbare Lichtschranke nicht zu meiner Wohnung gehört. Im Vorbeigehen mal schnell einen Blick hineingeworfen und festgestellt, dass meine Augen all das Zeugs gar nicht auf einmal erfassen können.
Ich erinnere mich als ich ein Jahr zuvor, als Leon mit seiner Klasse 5 Tage wegfuhr, sein Zimmer renovierte. Es war auch wirklich an der Zeit, denn Tapeten rollten sich freiwillig nach draußen, Wollmäuse tummelten sich unterhalb seines Bettes und feierten täglich eine neue Party, längst vergessene und verschollene geglaubte Yo-gi-oh Karten hingen zwischen Wand und Fußleisten und sämtliche Spielhülle waren leer und die CDs dazu stapelten sich zwischen Plastik und Bonbonpapier.
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Also habe ich gedacht, dass es doch zu schaffen sei ganz in Ruhe und in der Zeit wo mein Sohn nicht da ist, es in Angriff zu nehmen und sein Zimmer wieder in einen einigermaßen passablen Urzustand zurück zu versetzen.
Im Nachhinein war ich wirklich froh, dass ich 5 Tage dafür Zeit hatte. Dazu kam dann noch, dass ich anfing Selbstgespräche zu führen und fragte alle 5 Minuten „das verstehst du nicht Mama, oder?“
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und beantwortete mir immer stets selbst diese Frage mit einem Kopfschütteln und „nein, Mama, das verstehst du nicht wirklich, mach einfach!“
Zuerst einmal versuchte ich mühselig die Spiele zu den passenden Hüllen zu sortieren, was mir fast zwei Stunden einbrachte.
Und ich stellte immer wieder fest, dass mein Sohn wirklich seine ganz eigene Ordnung zu haben schien. Es machte ihm nicht aus in diesem Chaos zwischen leeren Joghurts, Chips Tüten und verstaubten Spielekonsolen zu hausen. Der Fernseher war bereit für das Spiel „schreib doch mal ‘nen netten Spruch auf die Scheibe“ und auch sonst stand ich mit meinem Lappen und dem Staubsauger oft sprachlos im Raum und zog Streichhölzer, weil ich nicht wusste in welcher Ecke des Zimmer ich nun zuerst anfangen sollte.
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Gefühlte 3 Wochen später hatte ich es dann endlich geschafft. Sogar eine neue Tapete fand ihren neuen Platz und ich habe einfach mal einige „coole“ Poster einer Jugendzeitschrift an die Wand geheftet in der Hoffnung dass es okay wäre. Keine Frage, ich war stolz auf mein Werk und ertappte mich dabei wie ich mich sehr auf die Rückkehr meines Sohnes freute und hoffte, dass das Zimmer ihm gefallen würde.
Wer nun denkt, dass eine solche Arbeit anerkennt und gelobt wird, der irrt sich. Leon* kam nach dann auch nach Hause und betrat sein neues Reich und alles was er sagte war „oh fein“ und damit endete es. Aber dafür war einen Tag später das Chaos vor wieder perfekt.
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Scheinbar betrachten Eltern und Kinder die Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkeln und seitdem hatte ich es aufgeben das Zimmer nach meinen Vorstellungen zu gestallten, denn mein Sohn war in der Pubertät und hatte seine eigenen . Von einem gemütlichen Heim konnte ich also nur jenseits des Jugendzimmers meines Sohnes sprechen.
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11
„Kann alles, weiß alles…“
Zuerst kam das Wort – das dachte ich auch immer. Aber irgendwann ist es vorbei wo das Kind noch freudestrahlend nach Hause kommt und ohne Punkt und ohne Komma von den Dingen berichtet, die sich in der Schule oder bei Freunden ereignet haben.
Ja, irgendwann geht das Vokabular aufs nötigste zurück und es ist schwierig einen ganzen Satz heraus zu bekommen.
Aber das geht nicht schleichend, das geht über Nacht. Scheinbar ziehen sich dann die Synapsen im Hirn zusammen und das Sprachzentrum beginnt den Stummschalter zu betätigen.
Ich gebe zu, anfangs hatte ich da wirklich meine Probleme mit, mittlerweile kann ich aber damit umgehen und weiß wann es wichtig ist, dass ich nicht zu viele Fragen stelle.
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Leon braucht immer etwas länger und sobald er selbst den Punkt erreicht hat, dann können wir auch reden. Aber das tägliche Nachfragen nach der Schule „na, wie war es in der Schule?“ habe ich mir auch schnell wieder abgewöhnt, wenn dann so Antworten kamen wie „tja, Schule halt!“
In einem Buch habe ich mal gelesen, dass man nach einer „offenen Tür“ Ausschau halten muss, was genau damit gemeint war, das habe ich nun gelernt und suche immer wieder danach.
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Und ich ertappe mich dabei immer wieder an meine Zeit damals nachzudenken. Wie war das bei mir? Ich habe auch wenig Interesse gehabt mir das „Geschwafel“ seinerzeit meiner Eltern anhören zu müssen, obwohl ich mir heute eingestehe, dass ich mehr schwafel, als meine Eltern es bei mir taten.
Doch den richtigen Weg zu finden ist ein sehr schmaler Grad, so schwer, dass ich ein wenig Angst habe den Anschluss zu verlieren. Stattdessen stelle ich an mir fest, dass mein Redebedarf steigt und der meines Sohnes stetig kleiner wird.
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Es half aber nichts, es war täglich was anderes und es klappte irgendwie zwischen uns dass wir nicht den völligen Kontakt verloren.
Eine liebe Freundin von mir hatte diese Phase zwischen Gut und Böse mit ihrem Sohn bereits hinter sich und kann mir derzeit viele Tipps mit auf den Weg geben. Alleine die Aussage ihrerseits von „das ist vollkommen normal in dem Alter“ beruhigte mich doch oft nicht ganz die Nerven zu verlieren. Also schwamm ich mit dem Strom, immer mit der Hoffnung, immer eine rettende Insel in greifbarer Nähe zu haben. Ich danke ihr auch heute noch dafür.
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12
Wutausbruch
Ich gebe zuerst einmal zu, dass genau diese Phase nicht zum Lachen ist, obwohl es doch manchmal die Frage erweckt ob es besser wäre zu lachen oder zu weinen.
Das Thema ist ernst, verdammt ernst sogar. Haben wir doch alle schon mal erlebt. Nur ein funken und wir explodieren. Davor kann sich keiner Freisprechen, davor ist keiner sicher.
Ich mußte das Erlebnis schon einige Male durchleben mit meinem Sohn und er auch mit mit mir! Aber was passiert auf einmal? Zündelt dann etwas in der Kleinhirnrinde und man versucht nach vernünftigen Argumenten nicht mehr zu suchen, denn es gibt keine? Stattdessen versucht man seiner Wut anderen Ausdruck zu verleihen? Ist es nicht so, dass man die Selbstkontrolle erleben sollte in frühen Jahren?
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Ich bewundere diejenigen die sich so sehr unter Kontrolle haben, dass selbst ein Sturm sie nicht ins Wanken bringt. Ich selbst habe es auch als Kind erlebt und es dauerte sehr lange bis ich mich dazu entschied im ruhigen geht es einfacher und macht weniger Wirbel.
Mein Sohn musste es also noch lernen – nur wie? Gut zureden hilft bei Wut rein gar nichts, im Gegenteil. Dadurch wird es noch schlimmer.
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Leon hatte einmal so einen Wutausbruch dass ich Mühe hatte in der Situation ruhig zu bleiben und habe ihn einfach machen lassen. Frust kann alles sein. Schule oder auch seine Entwicklung in der jetzigen Phase wo täglich neue Einflüsse auf einen Jugendlichen einprasseln. Stetiger Druck, emotionale Hürden und auch der Umstand, dass der Körper sich entwickelt. Ich stand also auch da wieder an der Kreuzung auf meinem Weg und konnte ihn nur unterstützen und ihm zuhören, falls es dann mal mit mir reden wollte. Ich schrieb ja bereits, dass es ein sehr schmaler Weg ist, wo man jederzeit runterfallen kann. Ich habe mich allerdings vor 15 Jahren für ein Kind entschieden, also musste ich diesen Weg nun gehen, ob ich nun wollte oder nicht.
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Abgerissene Poster, zerschmetterte Fernbedienungen, zerknüllte Schulhefte und bemalte Wände sind da keine Seltenheit und machen das Zimmer wieder einzigartig und man kann nichts dagegen tun. Es muss raus!
Ganz egal ist es nicht ob nebenan mein Kind das Mobiliar zerlegt, allerdings nützt es auch nichts in dem Moment mit einem Sondereinsatzkommando sein Zimmer zu stürmen und ihn in Fesseln zu legen.
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Ich hatte diese Situation bisher zum Glück nur einmal und es war mein erstes Mal in der Richtung, wo sich plötzlich ein sehr ausgeglichener Junge in binnen von Sekunden zu einer Möbelfressenden Bestie verwandelte und ich sehr erschrocken war über diese Entladung seiner Energiespeicher.
Was war passiert? Ich wusste mir keine Antwort, hoffte aber eigentlich nur, dass mein Sohnemann sich nicht verletzte in seiner Wut.
Eine Stunde, gefühlte 7 Stunden später, kam Leon dann pfeiffend aus seinem Zimmer als sei nichts gewesen und ich versuchte die Situation davor mit einer Frage zu klären „Geht es Dir wieder gut?“
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und bekam ein „ja klar Mama“ zurück und mehr war nicht mehr dazu zu sagen.
Ich entschied mich dazu nicht weiter nachzufragen und wartete die nächsten Wochen ab. Scheinbar war das ein Wutausbruch, der erstmal einmal zu sein schien und war zufrieden mit dem weiteren Verlauf unseres Zusammenlebens.
Das einzige was ich Tat in den nächsten Wochen, ich besorgte einen Boxsack, damit für den Fall der Fälle ein weiterer Ausbruch abgefedert werden konnte. Leon fand es gut und ich ertappe ihn oft dabei, dass er einfach mal so im Vorbeigehen seine angestaute Energie an Ort und Stelle ablädt und so nicht mehr ganz soviel aufstauen musste.
Das war eine wirklich gute Idee!!
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13
häusliche Pflichten
Zugegeben, wenn ich vielleicht beruflich mehr eingespannt gewesen wäre, dann hätten sich die normalen Alltagsdinge wohl gar nicht erst eingeschlichen. Ich habe mir immer geschworen, dass mein Sohn später selbständig ist und auch ohne weiblichen Beistand in der Lage ist zu Waschen, zu Bügeln und sich etwas Essbares machen zu können, ohne das ich mir Sorgen machen müsste.
Aber das funktioniert leider, wie immer, nur bedingt in der Praxis.
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Lassen sie mich mal nachdenken. Da kann ich eine prall gefüllten Müllbeutel vor unsere Haustür stellen, der bereit ist in den dafür vorgesehenen Behälter gebracht zu werden.
Es ist ein Phänomen. Statt ihn dann mitzunehmen, einfach einen Schritt drüber, getreu dem Motto: „och, hab ich jetzt gar nicht gesehen“
Ich erkläre Leon schon sehr lange, dass ich erstens nicht als Mutter auf die Welt gekommen bin, zweitens ich auch nicht sein persönliches Dienstmädchen bin und drittens wir in einer WG leben, wo beide ihren Teil dazu beitragen müssen, damit das Zusammenleben auch gut funktioniert.
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Zugegeben, die Argumente scheinen nicht immer anzukommen, aber bevor ich mir erneut den Mund fusselig labere mache ich dann doch Dinge, die eigentlich Leon machen sollte.
Da quillt der Mülleimer über, machen wir doch einfach noch einen Berg drauf, vielleicht merkt es ja keiner. Oder auch die Sache mit der Klo rolle, wo man annehmen muss, das Papier wächst automatisch nach. Wenn ich dann mal nicht geistesgegenwärtig vor dem Gang zur Toilette mich vergewissere ob Papier vorhanden ist kann es schon mal passieren dass ichÂ
mich mit einer leeren Klo rolle darüber unterhalte, warum sie denn nur noch ein einziges Blatt auf der Rolle hat.
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Ob es Absicht ist?? Möchte mein Kind mir damit nun einen Gefallen tun oder mich ärgern? Okay, ich denke mal nicht dass da Absicht hinter steckt, aber merkwürdig finde ich das ganze schon.
Es kann also passieren, dass ich dann noch auf der Kloschüssel sitzend ein hörbares „Leon, bring mir Toilettenpapier“ in 113 Dezibel aus dem Badezimmer brülle, dass die Fliesen in ihren Fugen anfangen zu vibrieren.
Meistens habe ich dann Glück und werde prompt beliefert.
Und am Ende wundert man sich, dass Prinz Sohn nie von zu Hause ausziehen mag, weil es im Hotel Mama doch wirklich gemütlich ist.
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Es geht ja bei uns bereits soweit, dass ich mittlerweile den Verdacht habe der persönliche Lebensmittelservice meines Kindes zu sein.
Okay, ich gebe zu, einkaufen zu gehen mit Mama in der Pubertät scheint nicht mehr so trendy zu sein. Manchmal habe ich allerdings Glück, dass Leon mir hilft und zumindest bei schweren Dingen und auch bei einem Großeinkauf, solange wir nicht im Ort von der Spionage und Peinlichkeit eventuell auftauchenden, ebenfalls pubertierenden, Schulkameraden bei seiner Heldentag gesehen wird.
Uns war das früher auch nicht angenehm, das verstehe ich, obwohl ich es heute wirklich schade finde. Aber heute bin ja die Erwachsene in dieser Geschichte.
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Wo ich vor Jahren noch lustige Floskeln an der Kasse einbauen konnte, halte ich es heute für besser nichts in der Richtung zu quatschen. Habe schon des Öfteren im Augenwinkel gesehen, wie mein Sohn die Augen rollte und aus dem Laden kommend er mir sagte:
„Mama, du bist echt peinlich!“
Und mal ehrlich, Mamas scheinen über Nacht in die peinliche Liga zu geraten ohne es zu merken.
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Bei uns ist eigentlich immer Essbares im Kühlschrank. Oft stehe ich im Laden und schleppe schon mal 10 Puddings an, in der Aussicht auch mal einen davon ab zu bekommen.
Nur erweist es sich meistens als Trugschluss, wenn man glaubt, dass man das Glück hat auch nur einen einzigen davon zu erhaschen, wenn man nicht seine Beute wie in einem Raubtierkäfig verteidigte.
Mittlerweile klebe ich sogar schon Zettel auf Lebensmittel, wo ich dankbar bin, dass mein Sohn das Lesen und Schreiben beherrscht.
Ob es Absicht ist? Nein, sicherlich nicht, verstehen kann ich es aber auch nicht.
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Das meckern nützt am Ende gar nichts, dann doch lieber eine Lösung die schwarz auf weiß da steht.
Als Leon meine markierten Joghurt sah musste er leicht schmunzeln und ich glaube fast, dass er auch ohne viele Worte verstanden hat, dass das diesmal ein Punkt für Mama war.
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„mach bitte den PC aus! - ja gleich, Mama!“
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Die gleiche Prozedur wie gestern? Ja die gleiche Prozedur wie jeden Tag, Mama!
Ich denke, hier spreche ich vielen aus dem Herzen. Wenn ich all den Dingen, all dem Chaos etwas Positives abgewinnen kann, dann dass es nicht langweilig wird.
19:05 Leon, bitte mach doch mal endlich Deinen PC aus. Du sitzt seit Stunden vor dem Kasten! Hast Du Deine Hausaufgaben schon fertig?
Ja, mach ich gleich aus und ja, habe ich fertig
19:20 Leon, ich sagte dir doch gerade, du sollst Deinen PC nun endlich ausmachen!
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Ja, mach ich sofort!
19:35 Leon, langsam fühle ich mich echt verarscht! Mach endlich den Kasten aus.
hm... (mitten im Spiel vertieft) ertönt nur ein leises Knurren
Leon, hast Du mich gehört?
Ja, ich mach ja jetzt aus!
19:45 Jetzt habe ich echt die Nase voll, mach nun endlich aus
Ja, sofort
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an der Stelle muss ich kurz Anmerken, dass das Spielchen noch eine gefühlte Ewigkeit so weiter geht. Nur die Anzahl meiner Wörter werden mehr und die meines Sohnes weniger.
So um ca. 20:15, nach ungefähr 3 weiteren Aufforderungen hat es mein Kind doch dann wirklich geschafft und seinen Rechner aus..
„Mama, ich hab meinen Rechner aus!“ brüllt Leon voller Freude ins Wohnzimmer.
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Wo ich dann eher gelangweilt und eigentlich vollkommen erledigt ein Freudiges „Ja super, das freut mich aber“ in meinen nicht vorhandenen Bart murmel.
Wilhelm Humboldt beschrieb es mal passend: „Alles, was wir mit Wärme und Enthusiasmus ergreifen, ist eine Art Liebe“
Wirklich passend, oder?
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Ich kann nur betonen, Kinder zu haben macht nicht immer wirklich Spaß, erst dann nicht, wenn sie irgendwann nicht mal mehr auf das Hören, was man ihnen sagt.
Ich komme mir dann oft vor wie in einem Loriot Klassiker oder Söhnke Wortmann Film. Nur leider ist es schwer nur eine Schiene zu fahren.
Egal ob man Streng ist, egal ob man genau das Gegenteil ist, oder ob ich witzig oder ironisch, ernst oder egal wie ist, jede Situation ist eine andere und in jeder neuen Situation entstehen andere Gefühle und vor allen Dingen wird es wirklich niemals langweilig.
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Nachsatz:
Ich habe in den letzten Jahren eine Menge gelernt. Über mich selbst und auch darüber, dass keiner Fehlerfrei ist. Ich habe auch noch immer nicht die Kreuzung gefunden, die ich eigentlich zu finden beabsichtigte, als ich vor knapp einem Jahr vor einem 1,75 m und mit Schuhgröße 44 großen Jugendlichen stand, mit leichtem Flaum auf der Oberlippe und einem ausgeprägten Hang zur Faulheit.
Aber ich möchte nicht einen Tag davon vermisst haben... denn ganz egal was passiert, mein Kind werde ich immer lieb haben und hiermit schließe ich das Buch und hoffe es hat ein wenig Spaß gemacht.