Beschreibung
13 Seiten !!!!
Das Buch ist in der Anthologie: "Geschichten am Lagerfeuer" / Net-Verlag veräffentlicht und im Handel oder bei mir erhältlich...
©roxanneworks 2012 /02
Die Flammen stiegen hoch in den sternen-klaren Nachthimmel. Im flackernden Schein sah Aislinn die fröhlichen Gesichter ihrer Freunde, die sich hier um das große Lagerfeuer versammelt hatten, um den letzten Abend in Hämeenlinna zu genießen.
Sie dachte an die lange Fahrt auf der Auto- bahn, die ihr morgen bevorstand und an das Horoskop, das sie beim Frühstück in der Zeitung gelesen hatte, und es zog ein Lächeln über ihr Gesicht. Die Sterne versprachen ihr einen Abend voller Überraschungen und das es eine gute Zeit für Reisen wäre. Was sollte denn da noch schiefgehen, dachte sie bei sich und trank einen großen Schluck finnischen Bieres, dass sie sich aus dem kleinen Fässchen gezapft hatte.
Die Luft war kühl und feucht, doch das Feuer wärmte sie und irgendwie herrschte eine besondere Stimmung an diesem Ort.
Sie lagerten am Flußufer des Vanajavesi und die Flussauen mit ihrer mystischen Schönheit bekamen durch die Licht- und Schattenspiele des Feuers etwas Geheimnisvolles.
Ein seltsam anmutender Mann mit boden- langem Mantel und einem mannshohen Stab in der Hand betrat den Platz und setzte sich schweigend in den Kreis der Anwesenden. Alle Gesichter schauten ihn fragend an.
Er nahm seine Kapuze ab und jetzt konnte Aislinn das zerfurchte Gesicht des Alten er- kennen. Er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf,- sie schienen alle an seinem Kinn zu wachsen. Jedenfalls wucherte ihm sein grauer Bart bis zur Brust hinunter und seine grünen Augen wirkten in diesem alten Gesicht seltsam deplatziert. Sie funkelten und versprühten so viel jugendliche Energie, dass sie eher einem Jungen zu gehören schienen.
Er schaute freundlich in die Runde und sagte dann mit einer sehr sanften Stimme:
„ Guten Abend, meine Freunde. Mein Name ist Hägar und ich bin gekommen, um euch eine Geschichte zu erzählen. Ich hoffe, ich störe nicht.“
Stille,- nur das Knistern und Knacken der Holzscheite war zu hören.
Dann fragte einer der Anwesenden in die Stille hinein: „Woher wussten sie, dass wir hier sind?“
„ Ich fühlte es eben. Genügt dir die Antwort?“ Seine wenigen Worte hatte er so gesprochen, dass sie keine Entgegnung duldeten,- jeden- falls sagte niemand etwas. Und dann begann Hägar mit ruhiger Stimme zu erzählen:
" Als diese Welt noch keine Zeitrechnung kannte, lebte hier hinter den Seen ein fried-liches kleines Volk von Bauern und Fischern. Ein junger Fischer hatte sich in die schöne
Tochter des Bäckers verliebt und wünschte sich nichts sehnlicher, dass diese zur Frau zu nehmen. Doch der Vater wollte sein Einver- ständnis nicht geben und so machte sich der junge Mann auf den Weg nach *Helhsgard*, um den Rat der Elfen zu erfragen. Er musste den See der grauen Nebel überqueren und den langen gefährlichen Weg durch *Dunkelland* hinter sich bringen, bis er zu dem Glaspalast des Elfenvolkes gelangen würde.
Der Regen hatte aufgehört. Die Krähenrufe waren verstummt. Vollkommene Ruhe lag über der dämmrigen Lichtung. Der Wald war leblos geworden, am Ende dieses Tages im Spätherbst. Alles war in die Farben der Fäulnis getaucht. Das schwächer werdende Tageslicht malte Schatten zwischen die Bäume, während die Welt begann ihre Konturen zu verlieren. Er hatte den See sicher überquert und befand sich nun auf dem Weg durch die dunkle Welt.
Jeder seiner Schritte wirkte jetzt aufdringlich laut im modrigen Laubwerk. Sein Atem ging rasch,- er hatte sich unter einer alten Buche ausgeruht, aber Unruhe trieb ihn voran. Etwas lebendiges, warmes, Pulsierendes wie sein erhitzter Körper passte einfach nicht an diesen Ort, zu dieser Zeit.
Ungefähr die Hälfte des Weges lag hinter ihm, als er das Gefühl bekam, von irgendetwas beobachtet zu werden. Angst begann in ihm hochzusteigen und eine beklemmende Übel- keit: Hinter mir ist etwas…hämmerte es in seinem Schädel und seine Füße begannen schneller zu gehen, bis sie schließlich anfingen zu rennen. Er stolperte über Wurzeln und fiel auf den morastigen Grund.
Und dann sah er es. Das Wesen stand in einiger Entfernung auf dem Weg und glotzte ihn aus roten Augen an – es wartete. Wie angewurzelt blieb der junge Mann stehen –
sein Kopf arbeitete auf Hochtouren. Was sollte er nur tun? Die Wesen aus Dunkelland töteten nicht, so erzählten die alten Geschichten. Wenn er von diesem Ursidäl, der aussah wie ein riesiger Bär, angefallen wurde, würde er tiefe, schmerzende Bisswunden erleiden,- aber nicht das Leben verlieren. Es würde seine Seele besetzen und fortan immer bei ihm sein, - als sein blutroter Schatten und ihn für immer begleiten, wie ein eiskalter Feuerhauch.
Am Tag und in den schlaflosen Nächten. In schlaflosen Ewigkeiten wird es ihm seinen Geist einhauchen, der über den Wassern schwebt wie der Wind des Meeres, der im Vanajavesi mit seinem salzigen Atem über die Fische streift.
Dieser Gedanke war so entsetzlich, dass seine schwarzen Augen panisch ins Leere blickten - aus dem schneeweißen Gesicht, das vollkommen blutleer schien.
Und dann ging alles ganz schnell. Der Ursidäl bewegte seine mächtigen Körper mit ausla-denden Bewegungen auf ihn zu und riss das riesige Maul weit auf. Geifernd schnappte er nach dem Arm des jungen Mannes,- ein riesiger weißer Adler stürzte aus dem Nichts vom Himmel herab und entriss dem Wesen seine Beute. Mit seinen Krallen packte der Vogel den ohnmächtigen jungen Mann,- erhob sich mit einem lauten rauen Schrei in die Lüfte und flog davon.
Er schlug seine Augen auf. Die Helligkeit blendete ihn und er blinzelte. Die weiße Halle, in der er sich befand, war ungeheuer groß und hoch. Eine breite gläserne Treppe führte himmelwärts – er konnte nicht erkennen, wo sie endete. An den Seiten der Halle standen Säulen und stützten eine große Glaskuppel, die den Raum überspannte. Er war im Glaspalast der Elfen, ganz sicher….aber wie kam er hier her?
Sein Arm schmerzte unter dem Verband, den er erst jetzt entdeckte. Noch in fragenden Ge- danken versunken, hörte er ein leises klirrendes Geräusch unter der Kuppel. Eine gläserne Gondel schaukelte sich langsam von einer Seite der Kuppel zur anderen. Und dann sah er drei Elfen, die große Treppe herabschreiten – es sah wirklich aus, als würden sie schweben. Mit ihren hauch- zarten Gewändern und dem langen silber- farbenen Haar sahen sie unglaublich schön und zerbrechlich aus.
Sie reichten ihm einen Trank, der ihn stärken sollte und dann erzählten sie ihm, wie er zu ihnen gekommen war."
Hägar machte eine lange Pause. Alle Anwe- senden im Rund des Lagerfeuers schauten ihn gespannt an.
„Wie geht es weiter? Was geschah mit ihm?“ fragten einige aufgeregt durcheinander.
Der Alte hob seinen Stab und richtete ihn auf das Feuer. Er murmelte etwas und plötzlich stieg eine riesige Flamme empor,- züngelte gen Himmel und formte in den Flammen eine weibliche Figur.
Aislinn und die anderen waren erschrocken und fasziniert zugleich. Sprachlos schauten sie dem Flammenspiel zu. Es war gespenstisch und dieses Bild erinnerte an Hexenverbrennung.
Hägar sagte langsam und beschwörend: „ Seht hin…dies ist Aislinn, die Elfenkönigin.“
Aislinn hörte ihren Namen,- hörte was er sagte und im selben Moment bekam sie eine Gänsehaut am ganzen Körper. Sie zitterte. Wie konnte das sein? Ein Zufall,- natürlich. Was sonst, dachte sie und dennoch beschlich sie langsam ein seltsames Unbehagen.
Hägar erzählte weiter und die Flammen wurden
kleiner, bis die Figur im Feuer verschwunden war.
"Der junge Mann kam wieder zu Kräften und wurde dann zu Aislinn geführt. Die Elfen- prinzessin wirkte krank und kraftlos.
Und nun erfuhr von der Legende,- und von dem Fluch des Herrschers von Dunkelland, der sich alle hundert Jahre erneuerte und Aislinn in einen todesähnlichen Schlaf fallen ließ,- wenn nicht ein Mensch zu ihrer Rettung käme. Die Prinzessin bat den jungen Mann um einen kostbaren Tropfen seines Blutes und sie gewährte ihm dafür einen Wunsch.
Es wurde ein Trunk aus Alraunen, Schwarz- wurz, dem Gift des Kugelfischs, verschiede- nen Kräutern und seinem Blut hergestellt und schon bald erholte sich Aislinn und erblühte wieder zu ihrer vollen Schönheit.
Der junge Mann erzählte der Prinzessin von
seinem Wunsch, die Bäckerstochter zu ehelichen und von der Ablehnung ihres Vaters,- von den heimlichen Treffen am Keller- fenster und von ihrer großen Liebe.
Sie gewährte ihm den Wunsch und sagte, dass er daheim alles so vorfinden würde, wie er es sich erträumte,- außerdem versicherte sie ihm, dass er ein glückliches und zufriedenes Leben haben würde, bis ans Ende seiner Tage.
Der weiße Adler brachte ihn bis hinter den See der dunklen Nebel und flog dann zurück. "
Hägar räusperte sich geräuschvoll und ergänzte dann. „Alles war so, wie Aislinn es dem jungen Mann versprochen hatte. Und die Legende sagt, dass seither alle hundert Jahre ein Bär sein Herzblut verliert.“
Dann erhob sich der Alte, kam langsam auf Aislinn zu und legte ihr einen kleinen gläsernen Kristall in die Hand.
„ Ich bin deinetwegen gekommen, mein Kind,“ sagte er und schloss ihre Hand um den Kristall.
Dann ging er einfach fort, ohne ein weiteres Wort.
Aislinn war völlig sprachlos,- zitterte immer noch an ganzen Körper und konnte die fragen- den Blicke aller Anwesenden spüren. Sie schaute in die Runde und konnte nur mit den Schultern zucken.
Nichts hielt sie mehr in der Runde. Es war zu viel Aufregung für einen Abend und sie wollte nur noch Ruhe haben…. In ihrem Hotelzimmer angekommen, setzte sie sich auf ihr Bett und schaute sich nachdenklich den Glaskristall in ihrer Hand an. Was hatte das nur zu bedeuten? Was meinte er damit, er wäre nur ihretwegen da gewesen?
Sie konnte es sich einfach nicht erklären.
Einen inneren Zwang folgend schaute Aislinn zu ihrem Teddybären hinüber, der am Kopfende ihres Bettes saß und der sie auf all ihren Reisen begleitete.
Entsetzt starrte sie auf den feuchten Fleck, der sich langsam auf seiner Brust ausbreitete.... Das Herz des Bären blutete und verfärbte sein Plüschfell dunkelrot…Ein lautloser Schrei kroch aus ihrer Seele und füllte ihre Augen mit Tränen….