Samantha, Yasmine, Caroline und Nemu finden sich urplötzlich ein einer parallelen Welt wieder. Die Mädchen, bis auf Samantha, gehören zu den sagenumwobenen Wächterinnen, die angeblich das im Himmel schwebende Reich Reilong vor der Bedrohung der Nemesis retten sollen. Die Mädels beginnen mit einem harten Training, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Während der Kämpfe bemerkt Samantha jedoch, dass irgendetwas nicht ganz stimmt. Wieso sind sich die Rei und Nemesis so ähnlich? Was liegt eigentlich hinter den Angriffen auf Reilong? Samantha wird Zeugin eines bereits seit Jahrhunderten andauernden Kampfes, der auch ihr Kummer und Leid bringen wird. Zusammen mit Prinzessin Elisabeth, ihren vier bildschönen Leibwächtern und den Kräften der Wächterinnen kämpft sie jedoch dagegen an und versucht das Schicksal zu verändern. Enthält: Kapitel 21: Ende der Zweifel Kapitel 22: Hinterhalt Kapitel 23: der Anfang vom Ende Kapitel 24: da war es nur noch eine Kapitel 25: gebrochener Wille
So unglaublich mir Yasmines Vision und der daraus resultierende Verdacht auch erschienen, ich konnte nicht verhindern, dass irgendwo in einer entlegenen Ecke meines Hirnkastens ganz leise Zweifel aufkeimten. In einer meiner Geschichten hatte ich es auch so gemacht, dass die Hauptcharaktere erst eine ganze Zeit lang ohne es zu wissen für die falsche Seite kämpfen, ehe sie dann plötzlich einsehen müssen, dass sie die ganze Zeit über die Guten bekämpft haben. Doch darüber zu schreiben und es – vielleicht – am eigenen Leibe zu erfahren, waren zwei ganz unterschiedliche paar Schuhe.
Zudem war es nicht nur dieses Gefühl von Unsicherheit, das mir zu schaffen machte. Vielmehr war es der Umstand, dass ich gegenüber Lisa, Mikhail und den anderen überhaupt so einen Verdacht hegte. Es gefiel mir absolut nicht, denn ich mochte die fünf, aber ich kannte Yes gut genug um zu wissen, dass sie solch eine Befürchtung nicht ohne Grund aussprach. Mal davon abgesehen, dass ich ihr, Caro und Nemu sowieso vertraute, immerhin waren wir Freunde. Obwohl ich leider hinzufügen musste, dass mein Vertrauen selbst bei den drein eine Grenze hatte. Ich vertraute niemandem vollständig – lag an gleich mehreren unguten Erfahrungen vor noch nicht mal zwei Jahren mit meinen damaligen Freundinnen – und das galt auch für sie.
Nichtsdestotrotz hatten wir beschlossen uns außerhalb des Trainings unauffällig im Palast umzusehen und nach Anzeichen dafür zu suchen, dass Elisabeth heimlich Kontakt zu den Nemesis hatte – ich hoffte jedoch inständig, dass wir nicht fündig wurden.
Es war allerdings auch schon eine Kunst nach Tintos hartem Training – er war wirklich sehr einfallsreich, was die Gestaltung anging – nicht halb tot ins Bett zu fallen und sich stattdessen durch die Gänge des Palastes zu schleppen. Einmal hatte ich absichtlich versucht mich nicht ganz so sehr zu verausgaben und Kraft zu sparen, doch der Zweitälteste hatte verdammt scharfe Augen und mich prompt zu fast doppelt so harten Aufgaben verdonnert. Daraufhin hatte meine drei Freundinnen das Schummeln lieber gleich unterlassen, wie ich es an ihrer Stelle auch getan hätte.
Wir hatten uns nach einer kurzen Debatte darauf geeinigt, dass wir immer abwechselnd durch den Palast streiften. Caro und Nemu waren ein Team und Yasmine und ich das andere, wobei wir uns bei der Suche natürlich aufteilten und die zwei, die gerade nicht mit dem Suchen dran waren, konnten sich nach dem Training schlafen legen.
Heute hatten Caroline und Nemu das Glück sich ausruhen zu können, während Yasmine und ich durch das Schloss stromerten – möglichst ohne den patrouillierenden Wachen oder gar einem unserer fünf „Hauptverdächtigen“ in die Arme zu laufen. Meine Freundin wollte sich im östlichen Teil des Palastes umsehen und ich schlich daher durch den westlichen.
Wie überall waren Wände und Boden aus weißem Marmor mit einer leichten, grauen Maserung und die Türen aus dunklem Holz. Ich war die ganze Zeit nur auf Zehenspitzen unterwegs und hatte – wie alle es hier eigentlich machten – meine Flügel eingefahren, um mich zu Not besser in irgendwelche Ecken und Nischen schieben zu können. Tiya hatte heute keine Lust mitzukommen, die letzten Male reichten ihr fürs Erste. Sie hatte anscheinend keine Lust auf weitere nähere Erkundungen des großen Gebäudes.
Ein netter Nebeneffekt der Suche war, dass ich mir allmählich den Grundriss des Palastes einprägte und nicht mehr ziellos durch die Gänge irrte in der Hoffnung, durch Glück auf einen Flur zu stoßen, der mir vielleicht doch bekannt vorkam. Das war relativ praktisch und sparte einiges an Zeit.
Dann hörte ich plötzlich die Schritte zweier Wachen. Um mich herum gab es nur glatte Wände und nichts zum Verstecken, so ein Mist. Denn wir durften uns zwar einigermaßen frei bewegen, doch wenn man genauer hinsah, fiel unser fast schon systematisches Durchsuchen einem aufmerksamen Auge doch auf und um unnötige Erklärungsnöte zu vermeiden, wollten wir uns möglichst von niemandem sehen lassen.
Nun war jedoch guter Rat teuer. Zu Not konnte ich mich immer noch normal hinstellen und die Männer grüßen als wäre nichts, doch wenn jemand sie darauf ansprechen sollte – ein womöglich aus irgendeinem Grund doch misstrauisch gewordener Mikhail zum Beispiel – würden sie sich sehr wahrscheinlich an mich erinnern. Das war das Blöde daran eine Wächterin zu sein.
So blieb mir kaum etwas anderes übrig als schnell durch die Tür ein Stück rechts neben mir zu hechten, auch wenn ich selbstverständlich keine Zeit hatte zu prüfen, ob sich im Raum dahinter jemand befand. Ich konnte nur beten, dass dies nicht der Fall war.
Und ausnahmsweise war mir die Glücksfee hold, ich zog rasch die Tür hinter mir zu und blieb still stehen. Dem leisen Gespräch über einen neu geborenen Drachen in den Stallungen nach zu urteilen, hatten sie mich nicht bemerkt.
Bei der Nachricht mit dem kleinen Drachen musste ich unweigerlich an Luke denken, der bestimmt alle Hände voll zu tun hatte. Immerhin war er für die Tiere am königlichen Hof zuständig. So wie Ravi, obwohl er noch sehr jung war, für die zwanzig Truppen der Prinzessin und Tinto hauptsächlich für die strategische Planung im Kampf gegen die Nemesis zuständig war. Mikhail war wohl so etwas wie ein Koordinator und Verwalter. Auch ich mich fragte, wie Mikhail diesen Job schaffte, wo er doch bis vor kurzem auch noch in meiner Welt gelebt hatte.
Dabei fiel mir ein, dass ich mich in diesem Büro gleich mal umsehen konnte, wenn ich schon hier war. Ich stellte aber bereits beim ersten Blick fest, dass es sich bei der Person, die hier normalerweise drin saß, um jemand wichtiges handeln musste. Jedenfalls befanden sich in diesem Raum mehr Regale und Aktenschränke, die ihren Inhalt schon kaum mehr fassen konnten, als ich bisher je auf einem Haufen gesehen hatte. Wer auch immer der Inhaber war, er schien ganz schön viel zu tun zu haben.
„Gut, hier schein ich mit meiner Suche zwar nicht so verkehrt zu sein“, stellte ich stirnrunzelnd fest, „Aber wo bitteschön soll ich anfangen?“
Da waren zu viele Schränke mit jeder Menge Papierkram und weil es keinerlei Beschriftungen an den Regalen gab, hatte ich null Ahnung, von was die ganzen Ansammlungen von Zetteln handelten. Ich hoffte, dass der Besitzer des Büros sich viel Zeit ließ, denn ich würde eine ganze Weile brauchen, bis ich mir überhaupt einen ungefähren Überblick verschafft hatte, worum es in welchen Schriftstücken ging.
Beim Durchkämmen der Schränke und Überfliegen der zusammengebunden Dokumente verlor ich jegliches Zeitgefühl, da das Zimmer keine Fenster hatte und ich den Raum auch nicht verließ. Mit der Zeit aber stieg ich wenigstens einigermaßen durch die herrschende Ordnung. In den Schränken wurden alle möglichen Akten zu einem bestimmten Überthema gesammelt und in den Regalen dann nach Unterthemen aufgeteilt.
Ich staunte darüber, wie gut organisiert hier alles war. Nicht nur die Ordnung in diesem Überfluss an Zetteln, sondern auch in Reilong an sich. Ich hatte nicht viel Ahnung von Wirtschaft, doch das, was ich beim Überfliegen der mit der schön geschwungen Schrift beschriebenen Dokumente aufschnappte, hörte sich ziemlich professionell an.
Allerdings hatte ich zwar das Regal mit dem Nachrichtenverkehr gefunden, aber da war nichts, was auch nur ansatzweise auf irgendwelchen Kontakt zu den Nemesis hindeutete. Dabei kam mir natürlich in den Sinn, dass solch verdächtige Briefe oder andere Schriftstücke bestimmt nicht offen herumlagen oder bei den anderen allgemeinen Akten standen. Stellte sich nur die Frage, wo sie dann aufbewahrt wurden.
Mein Blick wanderte zum hinteren Teil des etwas in die Länge gezogenen Büros, wo sich noch ein großer Schrank und ein breiter Schreibtisch befanden. Letzterer hatte es mir mit seinen vielen Fächern und Schubladen besonders angetan. Er erschien mir ideal um darin geheime Dokumente, die keiner sehen sollte, zu verstecken.
Also warf ich einen raschen Blick zur Tür und huschte dann zum Schreibtisch. Ein paar wenige Schubladen waren mit Schlössern versehen, die ich beim besten Willen nicht knacken konnte, aber den Großteil konnte man ganz normal einsehen. Jedoch ließ sich auch hier nicht mehr finden als in den Schränken. Ich musste also irgendwie doch mal versuchen an die verschlossenen Schubladen zu kommen. Zwar war es gut möglich, dass ich dort ebenfalls nicht fündig wurde, doch wenn ich es nicht tat und am Ende doch genau da die Hinweise waren, ärgerte ich mich hinterher schwarz.
Von daher begann ich ungelenk an der nächstbesten Schublade mit Schloss herumzufingern – alles andere als einfallsreich, ich weiß. Es brachte natürlich auch nichts. Dann kam mir die Idee, zu versuchen mithilfe von Miniwindböen das Schloss aufzubrechen, aber das wäre zu auffällig.
Als ich immer noch am Grübeln war, wie ich am besten mit diesen verfluchten kleinen Schlössern fertig wurde, hörte ich plötzlich Schritte auf dem Gang. Ich wusste nicht genau woran ich es jetzt erkannte, aber ich war mir sicher, dass derjenige hier in diesen Raum wollte.
„Heiliger!“, zischte ich erschrocken und sah mich nach einer Möglichkeit mich zu verstecken – wenn ich hier drin entdeckt wurde, gab es unter Garantie mächtigen Ärger, Wächterin hin oder her. Bloß gab es hier keine Verstecke. Die Schränke und Regale standen ohne Zwischenräume dicht an dicht an den Wänden und in ihnen drinnen war sowieso kein Platz. Da passte doch kaum noch eine Zeitung zwischen.
„Oje, oje, oje…“, murmelte ich hektisch, als mein Blick den Schrank streifte. Ich war noch nicht dazu gekommen hineinzusehen, doch er war meine letzte Chance, da ich nicht glaubte, dass ich mich unter dem Schreibtisch lange verstecken konnte – besagte Person musste ihn nur einmal umrunden und würde mich dann auf dem Präsentierteller vorfinden und an Mikhail oder einen der anderen jungen Männer verpfeifen.
So blieb nur noch der Schrank und ich eilte hinüber, da die Schritte inzwischen beinahe unmittelbar vor der Tür waren. Ich riss die Türen auf und fackelte gar nicht lange – dafür hatte ich keine Zeit mehr –, obwohl das große Teil fast genauso gut gefüllt war wie die Aktenschränke. Bloß hatte dieser nur in der oberen Hälfte Regale und war unten offen, wo lauter große, eingerollte Papiere – vermutlich Land- bzw. Luftkarten – untergebracht waren. Aus Zeitmangel konnte ich leider keine große Rücksicht nehmen, quetschte mich einfach irgendwie dazwischen und zog die Schranktüren hinter mir zu.
Kaum saß ich einigermaßen, hörte ich auch schon, wie jemand den Raum betrat und hinter sich die Tür wieder schloss. Das war wirklich verdammt knapp gewesen.
Nun lauschte ich angestrengt und versuchte möglichst keinen Mucks von mir zu geben. Und mich vor allem nicht zu bewegen, da das so eingekeilt wie ich hier lag eine ganze Kette von mehr oder weniger leisen Geräuschen auslösen würde, die mich dann verraten würden.
Der Inhaber des Büros war anscheinend einen Moment lang vorne stehen geblieben, jedenfalls näherten sich seine Schritte jetzt dem hinteren Teil des Büros und kamen damit auch mir immer näher.
Nur nicht nervös werden, dachte ich mit einem höchst wahrscheinlich reichlich schiefen Gesichtsausdruck.
Dem leisen Schaben nach zu urteilen hatte die Person sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch gesetzt. Dabei kam mir natürlich die Befürchtung in den Sinn, dass er oder sie nun einen längeren Aufenthalt hier im Raum plante. Sprich ich würde nicht so bald aus dem Schrank herauskommen oder auch nur meine Position verändern können. Schöner Mist. Ich konnte mich in jedem Fall so halb schief mit einem Bein über einem ganzen Berg Karten schwebend und einem Arm halb nach hinten verdreht nicht mehr allzu lange halten.
In dem Augenblick hörte ich die Person herzhaft seufzen. Zu meiner eigenen Verblüffung erkannte ich dieses leicht resignierte Geräusch, das nur eine Person auf diese Weise fabrizieren konnte, meist gepaart mit einem Kopfschütteln.
„Mikhail?!“, hauchte ich ohne Stimme völlig verdattert. Das war SEIN Büro? Ach du grüne Neune! Jetzt brauchte ich mehr als nur ein bisschen Glück, um hier ungesehen wieder rauszukommen.
Dann war auf einmal erneut ein leises Schaben von Stuhlbeinen auf Marmor zu hören und wenn ich mich nicht täuschte, war Mikhail gerade wieder auf dem Weg zur Tür – was war denn jetzt los? Seit wann hatte ich denn so eine Glückssträhne?
Misstrauisch verharrte ich noch fast eine ganze Minute in dem Schrank, nachdem ich die Tür wieder ins Schloss hatte fallen hören, doch nichts deutete darauf hin, dass das ein Trick war, um mich herauszulocken. Schließlich war die Verlockung zu groß und ich stieß die Schranktüren mit dem freien Fuß auf und kletterte ächzend aus dem Haufen Karten.
Ich sah mich nochmal um, doch von Mikhail fehlte tatsächlich jede Spur. Verblüfft und erleichtert zugleich schloss ich den Schrank wieder und lief schnell zur Tür. Bloß raus hier, bevor er wiederkam und es sich endgültig für die nächsten Stunden gemütlich machte. Ein zweites Mal wollte ich mich nur ungern in den Schrank zwängen.
Vorsichtig spähte ich aus der Tür in alle Richtungen, doch auch auf dem Flur war niemand zu sehen. Allmählich entspannte ich mich wieder und klopfte mir anerkennend auf die Schulter. Das war das erste Mal, dass ich es wirklich geschafft hatte den jungen Erwachsenen auszutricksen. Sonst hatte er immer alle meine Pläne durchschaut, wenn ich mal versucht hatte ihm einen Streich zu spielen oder mich für eine besonders fiese Bemerkung zu rächen.
„Hah, irgendwann ist immer das erste Mal“, grinste ich und bog flotten Schritts um die nächste Ecke.
„Aber nicht heute.“
Ich erstarrte mitten im Schritt zur Salzsäule. Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Das war unfair! Ich hatte mich gerade so gefreut!
Langsam drehte ich mich um die eigene Achse und erblickte wie nicht anders zu erwarten Mikhail, der mich mit vor der Brust verschränkten Armen skeptisch musterte.
„War es im Schrank schön bequem?“, fragte er sarkastisch. Sein Unterton ließ jedoch erahnen, dass er nicht zum Spaßen aufgelegt war.
„Ja, wie in einem Himmelbett“, erwiderte ich dennoch und streckte ihm die Zunge raus. Manno, wie machte dieser Kerl das immer? Wie schaffte er es jedes Mal zu wissen, wo ich da war?
Er stöhnte. „Was hast du in meinem Arbeitszimmer zu suchen gehabt?“, fragte er daraufhin.
„Nichts Besonderes. Hab mich nur umgesehen.“
„Und dabei die Schränke durchkämmt?“
Woher wusste er das?!
„Ich weiß genau, wie ich den Raum hinterlasse. Selbst wenn nur die Lampe um zwei Zentimeter verschoben wäre, würde ich es merken.“
Allmählich wurde er mir wirklich unheimlich. Und außerdem war das genau die Situation, die Yasmine, Caro, Nemu und ich um jeden Preis hatten vermeiden wollen. Die wirklich Schlimmste, gerade weil es Mikhail war. Ihn an der Nase herumzuführen war so gut wie unmöglich. Zumindest kannte ich niemanden, der dazu in der Lage war.
„Also?“ Der Blick aus seinen tief dunkelblauen Augen war unerbittlich und sprach den Befehl aus, ohne dass er dafür extra Worte verwenden musste. Ich sollte mit der Sprache rausrücken. Nur hatte ich dieses Mal beinahe schon Angst davor die Wahrheit zu sagen. Denn ich hatte keine Ahnung, wie er auf diesen Verdacht reagieren würde.
„Ich war neugierig“, erwiderte ich daher trotzig, „Ich hab mir nichts weiter dabei gedacht, als ich ein bisschen in den Berichten geblättert habe.“
„Jeder einzelne Schrank und alle Schubladen ohne Schloss sind in meiner Abwesenheit geöffnet worden und außer dir ist niemand in diesem Raum gewesen“, konterte Mikhail und langsam wurde seine Stimme drohend, „Was hast du gesucht?“
Verzweifelt suchte ich nach einer plausiblen Ausrede, doch das war leichter gesagt als getan, wenn er einen mit diesem durchdringenden Blick aufs Korn nahm. Ungewollt wich ich zwei Schritte zurück und wandte den Blick ab, während ich die Wände nach einer Antwort absuchte, die über jegliche Zweifel erhaben war. Dass es keine solche gab, muss ich wohl nicht erwähnen.
„Nichts…“, sagte ich stockend, „Ich war nur noch nie in einem Raum mit so vielen Akten und.. mich hat interessiert, worum es in diesen ganzen Berichten geht…“
Nun wurde ich unsanft gegen die Wand gestoßen und sah mich im nächsten Augenblick schon einem ziemlich düster dreinblickenden Mikhail gegenüber, der sich mit beiden Armen neben meinem Kopf abstützte und somit jegliche Fluchtwege blockierte. Das erinnerte mich an den Tag, als ich aus dem Palast geschlichen war, mit einigen Jungen in der Stadt Fußballgespielt hatte und Mikhail mich dort ebenfalls aufgelesen hatte. Zu dem Zeitpunkt war er wohl in etwa genauso sauer gewesen wie jetzt.
„Ich will verdammt nochmal die Wahrheit, du dumme Göre“, knurrte er drohend, „Du und deine drei Freundinnen schleicht nun schon seit fast zwei Wochen durch den Palast und dreht praktisch jeden Staubkorn in den Zimmern um. Ich will wissen, was ihr hier sucht. Antworte, oder muss ich dich dazu zwingen?“
Ich starrte ihn erschrocken an und erwog einen kurzen Augenblick einen Befreiungsversuch zu starten, doch bei genauerem Überlegen stellte ich fest, dass das die Sache nur schlimmer machen würde. Mir waren jedoch auch die Ausreden ausgegangen, zumal er mir selbst wenn ich noch welche hätte wahrscheinlich sowieso keine abgekauft hätte. Es blieb nur noch eines, die Wahrheit. Aber alleine schon der Gedanke daran versetzte mir einen Stich ins Herz und ich senkte den Blick in der Hoffnung, er würde vielleicht darauf verzichten mich komplett zu verhören.
„Samantha.“ Es lag eine unüberhörbare Aufforderung darin, zusammen mit einer Drohung, die ich gar nicht genauer erörtern wollte.
„Yasmine hatte wieder eine Vision“, flüsterte ich mit zusammengebissenen Zähnen, „Sie hat gesehen, wie die Prinzessin auf der Seite der Nemesis ist und befiehlt.. mich zu töten. Wir sind auf der Suche nach Anzeichen dafür dass sie.. und womöglich auch ihr heimlich Kontakt zu den Nemesis habt und vielleicht selbst die ganzen Angriffe leitet.“
Es entstand ein ziemlich langer Moment, in dem erdrückendes Schweigen herrschte. Ich erwog immer wieder aufzusehen, traute mich aber jedes Mal wieder nicht. Als ich es schließlich doch tat, sah ich etwas ganz anderes, als ich erwartet hatte. Statt Wut und Empörung zu entdecken, blickte ich in das Gesicht eines zutiefst verletzten Mannes. Ich sah die Fassungslosigkeit deutlich in seinen Augen.
Letztlich verzog er nur betrübt und ein wenig gekränkt zugleich das Gesicht und wandte sich ab. Mich ließ er einfach dort an der Wand stehen.
Jedoch wusste ich bei seinem Blick eines sofort mit hundertprozentiger Sicherheit: Er war definitiv niemand, der so etwas wie Verrat an den Rei begehen würde. Und genauso wenig würden es seine drei Brüder oder gar die Prinzessin tun.
Wieso zum Teufel hatte ich überhaupt an ihnen gezweifelt, statt auf mein Gefühl zu vertrauen, das mich in solchen Sachen noch nie enttäuscht hatte? Ich war eine verdammte Idiotin. Mittlerweile kannte ich die vier Brüder und Elisabeth besser als meine drei Freundinnen. Ich hätte es wissen müssen. Nicht umsonst fühlte ich mich hier auf Reilong genauso heimisch wie bei mir zu Hause. Ohne die fünf wäre das unter Garantie nicht so.
Ich hatte beschlossen die Position der vierten Wächterin anzutreten, um das Volk der Rei zu retten, aber das lag nur daran, dass ich sie durch Mikhail, Luke, Tinto, Ravi und Elisabeth kennengelernt hatte. Ich hatte die Wahl gehabt – ich hätte ich mich auch für ein normales Leben entscheiden können, die Prinzessin hatte mir wohl aufgrund meines Wissens diese Entscheidung gelassen – aber ich hatte mich trotz allem entschieden für sie zu kämpfen. Und ich kämpfte nicht mit der großen Wahrscheinlichkeit am Ende der Schlacht zu sterben, wenn es nicht für Leute war, die mir etwas bedeuteten und denen ich vertraute.
Ohne drüber nachzudenken setzte ich mich in Bewegung, lief hinter dem jungen Erwachsenen her und griff nach dem Ärmel seines azurblauen Oberhemdes.
„Wa…“ Er blickte überrascht über die Schulter.
„Es tut mir leid!“, sagte ich lauter als beabsichtigt, „Ich bin echt eine Idiotin geglaubt zu haben, dass ihr so etwas tun könntet! Wenn ich jetzt darüber nachdenke, kommt es mir echt bescheuert vor, ich.. ich…“
Ich wollte sagen, dass ich weder glauben konnte noch wollte, dass Yasmines Vision wirklich eintreten konnte. Nicht nur aus logischen Gründen, sondern auch wegen der Gefühle, die ich mittlerweile für meine neuen Freunde hier empfand. Und die ich allen voran schon lange für Mikhail hatte.
Als mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss, stockte ich allerdings endgültig. Was zum Henker sollte das denn jetzt? Statt mein Gestotter fortzusetzen lief ich rot an und suchte verzweifelt nach Worten, die mein letztes Hirngespinst nicht beinhalteten. Blöderweise nur fehlten mir ausgerechnet jetzt mal wieder die Worte, schöne Bescherung!
Mikhail sah mich zunächst ein wenig verwirrt an, doch während meines Mienenspiels schien sich sein Gesichtsausdruck zu klären.
Ich blickte zur Seite und hoffte auf irgendeine geistreiche Eingebung, welche mir natürlich wie immer in diesen Momenten fern blieb. Mir fiel gar nicht auf, dass ich Mikhail immer noch am Ärmel festhielt. Mein Kopf war gerade mit ganz anderen verqueren Gedanken beschäftigt, sodass mir auch entging, wie der junge Mann sich langsam vorbeugte, bis er mit dem Gesicht auf meiner Höhe war. Dies bekam ich erst mit, als ich schließlich doch einen Versuch starten wollte, von meiner Unsicherheit abzulenken. Nur als sich unsere Nasenspitzen jetzt beinahe berührten und ich Auge in Auge mit ihm war, lief ich endgültig rot an wie eine überreife Tomate.
Mit einem ziemlich mädchenhaften Schrei sprang ich einen Satz nach hinten und starrte ihn völlig perplex an, woraufhin sich ein Lächeln auf seine Lippen schummelte und er sich wieder zu voller Größe aufrichtete. Mit seinen bestimmt ein Meter neunzig und der – wie ich leider zugeben musste – echt geilen Figur war er auch ein schöner Anblick. Alles schien richtig verteilt zu sein, breite Schultern, eher schmale Hüfte, kein Gramm Fett, nette Muskeln und ein sexy Hintern. Zusammen mit seinen pfiffigen und leicht zerzausten, fast schulterlangen, hellblonden Haaren und den tiefen, ozeanblauen Augen stellte er eine wahre Augenweide dar, wie viele der weiblichen Mitarbeiter beim Verlag gerne munkelten. Zu meiner Schande konnte ich mich ihrem Urteil auch nur anschließen. Er hatte alles, was zu einem Mann gehörte. Und wieso zum Kuckuck dachte ich ausgerechnet jetzt darüber nach!? Das war ja zum Haare raufen!
Aus dem Schmunzeln auf Mikhails Lippen wurde ein ausgewachsenes Grinsen und ich hätte schwören können, dass er wie Elisabeth meine Gedanken hören konnte, doch ich hoffte einfach inständig, dass nur über mein knallrotes Gesicht grinste.
„Na, bekommst du allmählich doch mal frauenhafte Gedanken?“, fragte er amüsiert.
„Ich denke gar nichts!“, erwiderte ich geistesgegenwärtig.
„Ach nein?“ Seine Augen leuchteten förmlich. „Dann wärst du aber nicht die Göre, die ich kenne.“
Ich hatte zwar keine Ahnung, was er damit jetzt meinte, aber ich knurrte trotzdem angriffslustig.
„Also hältst du uns auch nicht mehr für heimliche Zuhälter und Befehlshaber der Nemesis?“, fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue. Eine ganz leichte Verachtung lag in diesen Worten, doch sie schien sich nicht gegen mich zu richten, sondern gegen den Gedanken an sich. Wenn ich an die Sache mit Evelyn dachte, war es noch viel unwahrscheinlicher, dass er ausgerechnet mit ihren Mördern unter einer Decke stecken sollte. Ich kam mir wirklich dämlich vor es überhaupt in Erwägung gezogen zu haben.
Und da die vier Brüder trotz aller Verschiedenheiten auch Gemeinsamkeiten hatten, die eher in ihrer Denkweise und ihren Persönlichkeiten lagen – auch wenn diese natürlich unterschiedlich ausgeprägt waren –, war es eigentlich auch für sie unmöglich. Für Luke sowieso, er war nicht der Typ für so etwas, und der aufgedrehte Ravi genauso wenig. Bei Tinto wäre ich schon eher geneigt dies zu glauben, doch andererseits arbeitete er genauso wie wir für die Bekämpfung der Nemesis und war viel zu sehr hinter dem Sieg über sie her, als dass er ernsthaft auf ihrer Seite sein konnte.
Was die Prinzessin anging, war ich wieder bei dem Stand, bevor Yasmine mich verunsichert hatte. Nach den Treffen mit ihr und dem, was ich inzwischen alles wusste, kam es mir einfach nur dumm vor Elisabeth zu verdächtigen für die zu arbeiten, die das Volk vernichten wollen, das sie so sehr liebte. Sie war mir inzwischen außerdem eine teure Freundin geworden, der ich ebenso vertraute wie Yasmine und den anderen beiden.
„Nie und nimmer wieder“, antwortete ich, dieses Mal mit einem entschlossenen Lächeln.
„Freut mich zu hören“, sagte er und fuhr mir plötzlich mit seiner Hand durch das Haar. Dabei war er nicht sehr zimperlich und als ich merkte, was er da machte, war er mit seinem Werk auch schon fertig.
„Als hätte der Wind dir einen derben Streich gespielt“, schmunzelte er.
„Vielen Dank auch“, brummte ich nur resigniert.
„Gern geschehen.“
„Pff.“ Du kannst mich mal.
„Du mich auch.“
Der Typ hatte echt eine viel zu gute Kenntnis von dem, was in mir vorging!
Drei Tage später kam die erschreckende Nachricht, dass eine riesige Truppe Nemesis von bestimmt hundert Mann in diese Richtung unterwegs war und in spätestens vierzig Stunden auf die Schutzbarrieren von Reilong treffen würde. Es blieben uns keine zwei vollen Tage einen Plan zu schmieden, denn wir mussten natürlich auch noch den Weg mit einberechnen, da wir sie ein ganzes Stück vor Reilong abfangen wollten und Elisabeth die Zeit nutzen würde, um das gewaltige Land in eine andere Richtung umzulenken.
Es war früher Morgen, die Sonne erhellte langsam die Wolken am östlichen Horizont, als wir aufbrachen. Mikhail hatte bestimmt, dass nur die Truppen drei, acht, elf und sechzehn – die je fünfundzwanzig Soldaten zählten und ihre Nummern nach ihrer Stärke bekamen, wobei auch die zwanzigste noch immer stärker war als die ganz normalen Soldaten – zusammen mit uns vier Wächterinnen in den Kampf ziehen würden. Er selbst, Luke und Ravi würden ebenfalls mitkommen, doch nach dem letzten Angriff auf die Prinzessin hielt er es zu gefährlich, wenn die gesamte Leibgarde der Prinzessin loszog, weshalb Tinto zusammen mit den restlichen königlichen Haupttruppen Reilongs dort bleiben würde.
Zwar war Elisabeth davon nicht begeistert, sie fand die Rechnung zu wenig, doch Mikhail hielt es für ein zu großes Risiko mehr als vier der Truppen des Hofes mitzunehmen und für die normalen Soldaten war ein solcher Kampf mit den Nemesis zu gefährlich. Letztlich hatte sie sich von ihm überreden lassen. Außerdem hofften natürlich so ziemlich alle Rei auf Yasmine, Caroline, Nemu und mich. Mit unseren Kräften sollte es theoretisch kein großes Kunststück sein die Nemesis zu besiegen, doch nach dem einen gewaltigen Fehlschlag waren manche natürlich skeptisch. Ich zollte Yasmine und den anderen beiden großen Respekt dafür, dass sie sich davon nicht mehr beeinflussen ließen. Na ja, allerdings kannte auch ich die neue Strategie von Tinto und hoffte, dass wir damit mehr Erfolg hatten. Erstmal wollten wir uns nämlich mit unseren Kräften zurückhalten und mit normalen Waffen kämpfen, während wir unsere Fähigkeiten erst ganz zum Schluss einsetzen würden oder wenn alles nicht mehr half. Das war jedenfalls der Plan.
Die Luft rauschte an uns vorbei und wir flogen mit mäßigem Tempo in Richtung Norden, von woher wir die Nemesis erwarteten.
„Na, nervös?“, fragte Ravi auf einmal grinsend, der direkt neben mir und meinen drei Freundinnen flog.
„Sehr witzig“, murmelte Yasmine nur und funkelte ihn düster an.
„Wir doch nicht“, erwiderte Caro allerdings und hob die Faust, „Diesmal machen wir sie platt!“
Ich lächelte lediglich schief und Nemu zuckte mit den Schultern. Dann hatte ich auf einmal wieder das Gefühl, dass ich beobachtet wurde, und sah mich um. Es war nichts zu sehen außer den Soldaten, die alle samt Männer waren – was das anging herrschte hier noch die Ordnung, dass nur die männlichen Rei in die Armee durften, während die Frauen in Reilong blieben. Der Grund, weshalb wir vier Wächterinnen die einzigen weiblichen Wesen hier oben waren. Dass ich den Ursprung meines Gefühls für die Beobachtung immer noch nicht gefunden hatte, wurmte mich allerdings.
„Keine Sorge, wir sind ja alle auch noch da“, sagte Ravi und zeigte den Daumen nach oben, „Ihr seid im Kampf nicht alleine.“
Das Gesagte kam mir nur allzu bekannt vor. Damit hatte Mikhail mich vor kurzem erst auch aufgemuntert. Witzig, dass die Ähnlichkeit zwischen ihm und Ravi gerade mit diesen Worten besonders auffiel. Bei Luke war es mehr der Blick der beiden und bei Tinto war mir ehrlich gesagt noch nicht so viel aufgefallen. Lag wahrscheinlich auch daran, dass ich nicht viel Wert auf seine Gesellschaft legte und er genauso wenig auf meine, weshalb ich ihn nicht so gut beobachten konnte.
„Das wussten wir auch so.“ Yasmine war den jungen Männern gegenüber leider immer noch vollkommen misstrauisch. Vor kurzem hatte sie sie in einer zweiten Vision ebenfalls gesehen, wie sie sogar auf Befehl von Elisabeth Seite an Seite mit den Nemesis gegen uns und die Rei gekämpft hatten. Seitdem war sie noch skeptischer geworden und der festen Überzeugung, dass wir uns auf keinen Fall auf sie verlassen durften. Im Gegenteil, wir mussten jederzeit bereit sein sie zu Not zu bekämpfen.
Caro und Nemu waren natürlich stark beunruhigt und ich begann allmählich schwarz zu sehen. Wenn das so weiter ging, würde der Teufelskreis auch dieses Mal zuschlagen, so wie es aussah sogar schon viel früher als in den letzten Generationen. War es überhaupt schon mal so gekommen, dass eine Wächterin der Prinzessin misstraut hat und auch die anderen gezweifelt haben? Ich zweifelte stark daran, aber ich wusste auch nicht, was ich tun sollte. Ich konnte mir Yasmines Visionen nicht erklären.
„Wenn du die ganze Zeit so finster dreinblickst, bekommst du schon ziemlich bald Falten“, bemerkte Ravi und sah Yasmine vergnügt an, „Sagt Mikhail zumindest immer.“
Das sah ihm ähnlich.
„Wer zu viel grinst kriegt noch viel früher tiefe Falten“, konterte Yes und knurrte, „Kann dich mal jemand knebeln?“
„Nö“, erwiderte er und sauste geschickt um sie herum, „Aber ich kriege lieber vom Lachen Falten als davon zu viel misstrauisch gewesen zu sein.“
Nun wirkte Yes verblüfft und ich fand noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Ravi und meinem ehemaligen Literaturagent, beide waren geschickt darin einen zu durchschauen. Scheinbar konnte Ravi trotz dessen er die ganze Zeit rumalberte ziemlich gut registrieren, was in uns vorging.
„Pff“, machte das Mädchen lediglich und sah zur anderen Seite.
„Na na, nicht gleich beleidigt sein.“ Der Jüngste flog fast direkt vor sie und kitzelte sie plötzlich unter den Armen. Genau die Stelle, an der sie besonders kitzelig war. „Kille, kille, kille!“
Da kam sie trotz aller düsteren Gedanken nicht gegen an und begann laut zu lachen. Sie versuchte natürlich sich zu befreien, doch Ravi war viel zu wendig und bekam sie jedes Mal sofort wieder zu fassen. So kam es, dass Yes sich vor Lachen in der Luft wand und Caro, Nemu und ich sie nur etwas verdutzt beobachteten. Jedoch mussten wir schon nach kurzer Zeit alle grinsen und Nemu begann Caro in die Seite zu piken, die sofort zurückpikste.
Dass die rund hundert Soldaten reichlich verwirrt aus der Wäsche blickten, störte uns nicht sonderlich, besser gesagt achtete keiner drauf. Zudem war ich froh, dass Ravi auf diese Weise versuchte Yasmines Misstrauen ein wenig zu lindern.
„Ich frage gar nicht danach, was ihr da treibt“, bemerkte Mikhail, der dem Ganzen schon seit einigen Sekunden mit vor der Brust verschränkten Armen zusah, „Aber bitte beeilt euch ein wenig.“
Wieso wusste ich, dass so ein Spruch kommen würde? Das konnte nur er so.
Ravi ließ daraufhin endlich von Yasmine ab, die inzwischen keuchte und erstmal Luft holen musste.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Luke, der neben Mikhail in der Luft schwebte und das Geschehen mit leicht schief gelegtem Kopf verfolgt hatte.
„Ja“, stöhnte Yasmine lediglich und sah Ravi scharf an.
„Wir können weiter“, sagte dieser und schenkte ihr ein breites Grinsen.
Es kam ganz plötzlich, ohne dass einer von uns es voraussehen konnte. Im Verlauf der letzten zwei Stunden hatte sich der Himmel allmählich verdunkelt und aus hellen Schäfchenwolken waren graue Regenwolken geworden, in den oberen Lagen konnte ich sogar potenzielle Gewitterwolken entdecken.
Auf einmal zischte ein Pfeil durch die Luft und bohrte sich mitten in die Brust von einem der Soldaten. Er gab einen überraschten Schrei von sich, woraufhin alle ihn irritiert ansahen, bevor er einfach in die Tiefe fiel. Es folgte eine schrecklich lange Sekunde des Schweigens, ehe wir begriffen.
„Sofort formieren!“, brüllte Mikhail über die erschrockenen Rufe der Männer hinweg.
„Wo sind sie?“, fragte Ravi währenddessen und sah sich um, denn keiner von uns hatte gesehen, von wo der Pfeil gekommen war.
„Keine Ahnung“, antwortete ich und blickte ebenfalls zu allen Seiten. Leider standen die dunklen Wolken sehr dicht und unsere Sicht beschränkte sich auf etwa fünfzig Meter in alle Richtungen. Dann hörte ich jedoch ein verräterisches Zischen, fuhr herum und schoss ein Stück nach schräg oben. Im letzten Augenblick bekam ich den Pfeil zu fassen, bevor er sich in den Rücken eines jungen Soldaten bohren konnte.
„Von Nordosten!“, rief ich noch während sich der Mann verdattert umdrehte.
Mikhail reagierte sofort. „Macht euch zum Kampf bereit!“, befahl er, „Und lasst euch ja nicht von den Pfeilen erwischen!“
„Erwidert das Feuer!“, übernahm Ravi, „Luke!“
Der Drittälteste hatte seinen Bogen bereits angelegt und zielte in die Richtung, aus der die beiden Pfeile gekommen waren. Er war der Leitschütze, an dem sich die anderen orientierten, die nun in Windeseile ebenfalls ihre Bögen anlegten. Es war ein Schuss mitten in eine Ansammlung dunkler Wolken, doch wenn die Nemesis wirklich dort waren, müssten wir sie treffen können. Auch Yasmine, die sich als zusätzliche normale Waffe für einen Bogen entschieden hatte, legte gerade einen Pfeil auf und zielte.
Dann ließ Luke seinen Pfeil von der Sehne schnellen und die duzenden anderen Bogenschützen schossen gleich darauf ebenfalls. Mit dem Hagel aus Pfeilen sollte es möglich sein zu treffen, selbst wenn sie sich verteilt hatten, und wir alle lauschten angestrengt auf irgendwelche Rufe von der Gegenseite.
Es war auch plötzlich ein lauter Schrei zu hören, doch er kam aus unseren eigenen Reihen! Wir fuhren herum und sahen gerade noch, wie einer der älteren Kämpfer mit einem Pfeil zwischen den Schulterblättern in Richtung Erdboden stürzte und von den dunklen Wolken verschluckt wurde.
„Diesmal von Südwesten?“, stellte ich völlig verwirrt fest.
„Verflucht!“, donnerte auf einmal Mikhails Stimme über denen entsetzten seiner Leute, „Das ist eine Falle, wir sind umzingelt!“
Als wäre das das Stichwort gewesen blitzte es hoch über unseren Köpfen und in dem Licht entdeckten wir hunderte Pfeile, die in unsere Richtung schossen. Das konnte man nicht mehr als Pfeilhagel sondern mehr als Pfeilregen bezeichnen. Perfekt geplant und tödlich, wenn kein Wunder geschah.
„Nicht mit mir“, murmelte ich jedoch und hob die Hand, die mit der Handfläche nach oben zeigte. Der leichte Wind drehte und wurde rasender, stärker und unerbittlicher. Direkt über den Köpfen der am weitesten oben fliegenden Rei erschien ein Schutzschild aus Wind und die Pfeile wurden alle miteinander umgelenkt, kein Einziger fand sein Ziel.
Kurz begegnete ich Mikhails Blick – ich hätte schwören können, dass er mich gerade als Schwachkopf bezeichnete, da der Plan anders gewesen war – aber er nickte nur kurz verbissen.
„Jetzt ist guter Rat teuer“, murmelte einer der Männer, „Wie sollen wir sie hinter den ganzen Wolken finden?“
„Außerdem können sie uns jederzeit wieder angreifen.“
„Das war so nicht geplant!“
Da fiel mir auf, dass Nemu die Augen geschlossen hatte und beide Arme gen Himmel streckte. Ich spürte wie die Luft sich allmählich auflud und begriff, was sie vorhatte.
„Bleibt alle zusammen!“, rief ich.
Yasmine und Caro hatten inzwischen auch gesehen, dass Nemu etwas plante, und blieben in der Nähe, um ihr Deckung zu geben. Ich selbst schwebte nur ein Stück über ihnen und sah mich gerade nach unseren Feinden um, die bereits zwei von uns kaltblütig getötet hatten.
Donner erklang und gleich drei heftige Blitze zuckten mit nur etwa hundert Metern Abstand um uns herum durch die Wolken. Wir hörten erschrockene Rufe und noch mehr, als zum zweiten Mal drei Stromstöße herabfuhren, wenn auch an anderer Stelle.
„Gute Idee“, lobte Yasmine unsere Freundin, „Damit kriegen wir sie vielleicht aus ihrem Versteck gelockt.“
Es dauerte noch einige Sekunden, doch dann sahen wir die ersten Schwarzgeflügelten aus den Wolken kommen. Wir wollten einen Augenblick abwarten, damit wir abschätzen konnten, wie viele es waren, nur umso länger wir warteten, umso mehr Nemesis tauchten auf. Bei hundertfünfundvierzig verlor ich den Überblick, aber ich schätzte sie auf bestimmt zweihundert, die doppelte Zahl von dem, was wir erwartet hatten.
„Auweia“, sagte Ravi nur mit einem leicht schiefen Gesichtsausdruck, „Das wird lustig.“
„Das wird ein Alptraum“, korrigierte Yasmine ihn. Später sollte ich noch feststellen, wie Recht sie mit dieser Vermutung hatte.
„Dann müssen wir uns halt mehr anstrengen“, sagte Caro, auch wenn ihr anzusehen war, dass sie sich dem nicht ganz gewachsen fühlte.
„Das ist die richtige Einstellung“, bemerkte Ravi jedoch nun wieder mit einem Grinsen, „Wir werden das hinkriegen.“
„Fragt sich nur mit wie vielen Opfern“, mischte sich Mikhail ein, der ein Stück zu uns heruntergekommen war, „Denkt daran Mädels, verausgabt euch bloß nicht zu früh. Mag sein dass sie uns überrascht haben, aber wir sind hier alle erfahrene Kämpfer, also geht bitte kein Risiko ein. Wer weiß, wozu wir eure Kräfte noch gebrauchen können.“
„Verstanden“, sagten Yasmine und ich wie aus einem Munde und Caro und Nemu nickten beide.
„Gut“, sagte unser Befehlshaber und hob nun wieder die Stimme, „Lasst euch nicht erschrecken! Vermeidet Hinterhalte und bleibt möglichst in kleinen Gruppen zusammen! Denkt daran, diesen Kampf führen wir alle und jeder hilft jedem, sofern er es einrichten kann. Aber werdet auch nicht leichtsinnig! In Reilong warten unsere Familien auf uns, also bleibt am Leben!“
Alle Rei riefen entschlossen ihre Zustimmung, dann spaltete sich unsere kleine Armee in vereinzelte Gruppen auf und kam den Nemesis entgegen, die nun zum Angriff ausholten. Auch Yasmine, Caro, Nemu und ich gingen zum Angriff über, wobei wir uns aufteilten und die einzelnen Gruppen der Rei nach Möglichkeit unterstützen wollten.
Für mich war es die erste Schlacht, an der ich wirklich aktiv beteiligt war. Bei denen davor hatte ich nur zugesehen oder war lediglich kurz mit in das Kampfgeschehen hineingeraten. Dennoch hatte ich nicht vor den anderen nachzustehen und zog die eisernen Ketten mit den spitzen, kleinen, goldenen Kegeln an den Enden hervor. Indem ich ganz leicht die Luft beeinflusste, konnte ich sie kontrollieren und beliebig lenken – da es aber nur leichte Luftkontrolle war, kostete es mich nicht sehr viel Kraft. Dank der spitzen Enden waren sie auch nicht ganz ungefährlich und sollte ich den Hals von einem meiner Gegner zu fassen bekommen, hatte dieser keine Chance mehr.
Yasmine hatte wieder ihren Bogen erhoben und zielte mit ihren Pfeilen auf die Nemesis. Sie und Luke flogen zurzeit gerade fast Rücken an Rücken und konnten sich so gegenseitig Deckung geben, eine schlaue Taktik für die beiden Langstreckenkämpfer.
Caro hatte ein großes Breitschwert gezogen – welches ich kaum anheben konnte, sie aber erstaunlich leicht führte– und schwang es gefährlich nah an den Köpfen zweier Nemesis vorbei, die ihr gerade auf die Pelle rückten und sie mit ihren Äxten bedrohten. Trotz dessen das Mädchen mit den pfiffigen, dunkelroten Haaren ihren Respekt vor den Angreifern hatte, stellte sie sich gar nicht mal schlecht an und schien nicht in Lebensgefahr zu sein.
Nemu schwang derweil eine lange Sense mit glänzender, breiter Klinge und langem Schaft. Obwohl wir noch nicht sehr lange mit diesem Waffen geübt hatten, schien sie damit ein Naturtalent zu sein und verjagte gerade eine Gruppe von vier Nemesis, die sich auf zwei unserer Soldaten gestürzt hatten. Das stumme Mädchen mit den langen, schwarzen Haaren konnte manchmal ganz schön furchteinflößend sein.
Der Kampf zog sich hin und als meine beiden Ketten, die sich wie Schlangen in der Luft um mich wanden und mir so gleichzeitig Schutz boten während sie mit ihren Spitzen nach den Nemesis stießen, gerade wieder zwei der Schwarzgeflügelten zum Rückzug gezwungen hatten, beschloss ich mir einen Überblick zu verschaffen und sauste kurzerhand zwischen den Kämpfenden nach oben. Dabei kam ich auch an Ravi vorbei, der wie immer voll auf mit dem Kampf beschäftigt war den Nemesis so einige Probleme bereitete.
Dann sah ich aus den Augenwinkeln plötzlich einen der Schwarzgeflügelten auf mich zuschießen und konnte gerade eben noch die Ketten entsprechend spannen, sodass das Schwert klirrend an ihnen abprallte. Ich erblickte einen Jungen, der etwa in Ravis Alter sein sollte. Sein Gesicht war entschlossen und er holte erneut mit dem Schwert aus. Mich treffen zu lassen stand außer Frage, ich ließ die beiden Ketten auf ihn zuschnellen und um ein Haar hätte ich ihn direkt in der Magengegend erwischt, doch er konnte gerade noch so weit ausweichen, dass die Spitzen der Kegel nur seine Seite streiften.
„Tsk“, machte er und fasste sich mit verzogenem Gesicht an die schmerzende Stelle. Dennoch richteten sich seine hellgrünen Augen ganz auf mich und er hob das Schwert.
Ich erwiderte seinen Blick. „Verschwinde“, sagte ich lediglich und die Ketten, die sich in breiten Spiralen um mich wanden, erhoben sich drohend.
„Das hättest du wohl gerne“, zischte er und sauste plötzlich erneut auf mich zu. Entweder war die Wunde weniger schlimm als ich dachte oder er hielt wesentlich mehr aus als man meinen sollte. In jedem Fall sah ich die Klinge seines Schwertes durch die Lücke zwischen den Ketten auf mich zuschießen und einen kurzen Moment lang glaubte ich fast, es wäre aus.
In genau diesem Augenblick tauchte fast direkt vor meiner Nase eine gewaltige, leicht gebogene Klinge auf und blockte den Schwertstreich ab. Zwar war ich völlig überrascht, doch ich nahm die Kontrolle wieder auf und die beiden Ketten peitschten den Jungen zurück nach hinten, wobei sie ihm auch noch zwei lange Schrammen in den Armen verpassten, wie man an dem rechten völlig zerrissenen Ärmel seines schwarzen Shirts sehen konnte.
„Danke, du hast mich gerettet“, sagte ich zu Nemu, die in letzter Sekunde neben mir aufgetaucht war und mit ihrer Sense den Angriff gestoppt hatte.
‚Nichts zu danken‘, antwortete sie mit ein paar kurzen Handzeichen und blickte dann wieder zu unserem Gegner hinüber.
Dieser knurrte wütend, schien jedoch trotz seiner Wunden immer noch nicht aufgeben zu wollen. Wenn er so weitermachte, würde uns nichts anderes übrig bleiben als ihn umzubringen.
‚Kommst du alleine klar?‘, fragte Nemu und blickte dabei nach oben, wo einige Rei Hilfe mit einer Gruppe Nemesis gebrauchen konnten.
Ich nickte nur kurz und meine Freundin flog rasch los.
Mein Blick wanderte wieder zu dem Jungen, der sich für einen erneuten Angriff bereit machte. Ich biss die Zähne zusammen und ließ die Ketten auf ihn zuschnellen, auf das es ihn dieses Mal wirklich schlimm erwischte.
„Roy!“ Ein junges Mädchen mit kurzen, schwarzen Haaren tauchte plötzlich auf und schaffte es gerade eben noch die Ketten mit ihrer Lanze ins Leere zu leiten. „Ist alles in Ordnung?“, fragte es über die Schulter, während sein finsterer Blick auf mich gerichtet war.
Mir fiel in dem Moment auf, dass im Gegensatz zu den Rei unter den Nemesis auch einige weibliche Kriegerinnen waren. Es waren nicht viele, aber anscheinend war es Frauen bei ihnen nicht verboten in die Armee zu gehen – zumindest vermutete ich bei ihnen ein ähnliches, militärisches System wie bei den Rei.
„Es geht schon“, keuchte der Junge und blickte wieder zu mir, „Kümmer dich lieber um die da.“
Das Mädchen schien kurz zu überlegen. Dabei schoss mir wieder ein Gedanke durch den Kopf, den ich eigentlich erstmal in eine der untersten Schubladen meines Hirnkastens gesperrt hatte. Diese verfluchte Ähnlichkeit zwischen Nemesis und Rei. Denn dieses Mädchen war eindeutig besorgt um den Jungen, genau wie das bei uns auch der Fall sein würde. Ich wusste nicht, als was für Monster die Rei die Nemesis wegen ihrer Taten verständlicherweise ansahen, doch ich bekam jedes Mal wieder dieses Gefühl, dass wir gar nicht so unterschiedlich waren.
„Jawohl“, hauchte das schwarzhaarige Mädchen dann auf einmal und kam mit rasender Geschwindigkeit auf mich zu, die Spitze der Lanze direkt auf mein Herz gerichtet.
Dank meines Gedankengangs fehlte mir die Zeit um die Ketten in eine schützende Stellung zu bringen, das war´s dann. Zumindest dachte ich das zum zweiten Mal heute schon. Völlig unerwartet tauchte aber ein Schatten vor mir auf, entwaffnete mit dem ersten Schwert das ebenfalls vollkommen überraschte Mädchen und verpasste ihm mit dem zweiten Langschwert eine tiefe Wunde an der Schulter. Es flog erschrocken zurück und konnte so knapp verhindern noch mehr einzustecken.
„Bleib mit den Gedanken immer auf dem Kampffeld!“, sagte Mikhail ernst, „Sonst bist du die Nächste, die stirbt.“
Die Frage, wie dieser Kerl schon wieder genau zum richtigen Zeitpunkt auftauchte, sparte ich mir einfach, da ich darauf sowieso nie eine Antwort finden würde. Ich nickte lediglich und beruhigte mein pochendes Herz, das heute wohl noch so manchen Schreck aushalten musste.
„Und wozu hast du diese Ketten, wenn du sie nicht benutzt?“, fragte er, während er mit den Augen bereits die jungen Nemesis fixierte, „Wir sind mitten in einer Schlacht und du weißt, was das bedeutet.“
Das wusste ich. Es bedeutete, dass auch ich töten musste. Damit ich selbst und meine Freunde nicht getötet wurden. Doch bisher hatte ich um ehrlich zu sein noch nicht einen der Nemesis getötet, obwohl sie uns bereits so sehr zugesetzt hatten und trotz allem, was sie getan hatten. Ich konnte es nicht. Alles was ich getan hatte war sie gerade so schwer zu verletzten, dass sie gezwungen waren die Kämpfe aufzugeben und sich zurückzuziehen.
„Na warte“, murmelte das Mädchen in dem Moment und zog ein langes Messer aus der Scheide an seinem Gürtel, „Nochmal lass ich mich nicht so einfach erwischen!“
„Vergiss es, Rubia!“, rief der Junge namens Roy von ein Stück weiter hinten, wo er sich gerade so noch in der Luft halten konnte, „Kehren wir lieber wieder zurück!“
„Erst nachdem ich die beiden hier besiegt habe“, erwiderte das Mädchen verbissen und schoss auf uns zu, wenn auch nicht mehr ganz so schnell wie zuvor. Es wollte uns töten.
Mikhail hob seine beiden Schwerter und schlug ihr ganz einfach das Messer aus der Hand. Für ihn schien es nicht schwerer zu sein als einem Baby den Schnuller wegzunehmen. Dann hob er das zweite Schwert und zielte auf die Brust des Mädchens, das nun vor ihm schwebte und ihm damit schutzlos ausgeliefert war. Der Junge schrie erschrocken ihren Namen, als Mikhail auch schon das Schwert herabfahren ließ, mit derselben Absicht, mit der auch das Mädchen gekommen war, das ihn nur völlig entgeistert anstarrte.
Es flogen einige kleine Funken, als die Schwertspitze auf die gespannte Kette traf und in einem der Glieder stecken blieb. Roy und Rubia – so ähnlich wie sie sich waren konnten sie glatt Geschwister sein – sahen mich verblüfft an und auch Mikhail schien nicht glauben zu können, was ich da gerade getan hatte.
„Mikhail“, sagte ich nur leise, „Willst du genauso werden wie der fünfte Kommandeur, der Evelyn getötet hat?“
Ich sah, wie Mikhails Augen sich weiteten, als er begriff, was ich meinte. Er hätte beinahe das Mädchen getötet, vor den Augen von jemandem, dem es eindeutig viel bedeutete. Genau wie Raven Evelyn vor Mikhails Augen getötet hatte. Zwar hatte der Älteste das nie so gesagt, doch ich hatte das starke Gefühl, dass es so gewesen war. Zu viel Hass hatte er gegenüber dem fünften Kommandeur als dass er es bloß von einem anderen Rei gehört hatte. Ich wollte nicht, dass er so endete. Krieg hin oder her.
Mir war auch klar, dass ich gerade die beste Zielscheibe für die beiden Nemesis darstellte, aber ich hoffte einfach, dass ihre eigenen Verletzungen sie davon abhielten. Mikhails nun allmählich irritiert werdender Blick machte mir beinahe noch mehr Sorgen.
„Wieso beschützt du die Nemesis?“, kam prompt die Frage, bei deren Antwort ich nicht wusste, was er dazu sagen würde.
Rubia wich in der Zeit zurück, wobei ihr verwirrter Blick auf mir lag. „Von einer Rei beschützt zu werden.. es gibt wohl kaum eine größere Schande!“, fluchte sie und stützte ihren Freund, als die beiden sich rasch von uns entfernten. Ihre Stimme klang allerdings nicht so, als empfand sie das wirklich so, sondern mehr als versuchte sie von ihrer Verwirrtheit abzulenken. Dann waren die beiden auch schon aus unserem Sichtfeld verschwunden.
Ich wollte gerade sagen, dass ich auf Mikhails Frage selbst keine genaue Antwort hatte, als von unten plötzlich ganze fünf Nemesis auf uns zugeflogen kamen. Ich wich automatisch zurück und ließ den beiden Nemesis, die hinter mir herkamen, meine Ketten entgegen kommen. Zeitgleich erwiderte Mikhail den Angriff und kam den anderen drei Nemesis bereits mit erhobenen Langschwertern entgegen.
Im weiteren Verlauf der Schlacht hielt ich nach meinen drei Freundinnen Ausschau. Ich entdeckte sie nach einigem Suchen auch, obwohl es bei den ganzen Rei und Nemesis gar nicht so einfach war drei einzelne Mädchen ausfindig zu machen. Caro war etwas mehr als zehn Meter entfernt oberhalb von mir, während Yasmine und Nemu beide mit einigem Abstand zueinander ein ganzes Stück weiter unten zugange waren. Alle drei schienen ein paar leichte Verletzungen abbekommen zu haben, doch mehr war zum Glück nicht passiert.
Es sah für die Rei auch gar nicht mal schlecht aus, als etwas Unerwartetes geschah.
„Hört mich, meine Kinder!“, erschallte plötzlich eine tiefe, männliche Stimme über die Kampfgeräusche hinweg. Unüberhörbar und befehlend klang sie, wie von einer Person mit sehr viel Autorität und Macht. „Es ist Zeit, dass ihr die Rei zurückschlagt und vor allem den vier Wächterinnen ein Ende bereitet!“
Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als mir klar wurde, dass das dieser Father sein musste, der Anführer der Nemesis. Diese hatten alle samt kurz innegehalten und gelauscht, ehe sie jetzt mit neuem Eifer und wie es schien auch neuer Kraft auf die Rei losgingen, welche nur ein wenig überrascht wirkten, als sie nun immer stärker zurückgedrängt wurden. Ich hätte mit erschrockenen und verwirrten Gesichtern gerechnet, doch es sah fast so aus, als hätten sie diese Stimme gar nicht gehört.
„Oh Gott…“ Das war die Antwort. Aus irgendeinem Grund hatte kein Rei außer mir diesen Befehl von Father gehört.
Noch ehe ich weiter denken konnte, kamen auch schon die ersten Nemesis auf mich zu geschossen. Jetzt ging es nicht mehr darum die Nemesis zurückzuschlagen, nun ging es gerade für uns Wächterinnen ums nackte Überleben.
Meine keine Ahnung wie viele Meter langen Ketten wirbelten durch die Luft und bildeten einen weiten Kokon um mich herum, der mir als Verteidigung diente, während ich mit den kegelförmigen, spitzen Enden der Ketten versuchte einen Gegenangriff zu starten. Es war gar nicht so einfach, gerade weil ich nach wie vor versuchte Tote zu vermeiden, doch es gelang mir einigermaßen. Zumindest schaffte ich es weitestgehend unverletzt zu bleiben, obwohl mir volle sieben Nemesis auf die Pelle rückten und ich nicht alle gleichzeitig angreifen konnte.
Bei flüchtigen Seitenblicken zu den anderen stellte ich fest, dass so gut wie alle ähnlich in der Patsche saßen, wobei die Schwarzgeflügelten sich hauptsächlich auf uns Wächterinnen stürzten und es die Rei daher nicht ganz so sehr traf.
Da inzwischen so einige Nemesis gefallen waren, sie aber trotzdem fast noch mehr geworden zu sein schienen als am Anfang, vermutete ich stark, dass zwischenzeitig immer mehr Nemesis dazu gestoßen waren, wohingegen wir Rei bis auf einige Verluste ohne Verstärkung auskommen mussten. Trotzdem schlugen sich alle wacker.
Bis ein markerschütternder Schrei zu hören war. Von einer Stimme, die mir viel zu bekannt vorkam, und ich fuhr herum.
Es war einem der Nemesis tatsächlich gelungen sich an Caros Breitschwert vorbei zu schieben und ihr ein Schwert mitten in die Brust zu rammen. Das Mädchen war jedoch nicht sofort tot, sondern entgegen allem, was ich angenommen hätte, verzog es verbissen das Gesicht und plötzlich ging eine gewaltige Feuerwelle von ihm aus. Die Nemesis unmittelbar um sie herum hatten keine Chance und auch die mit mehr Abstand wurden getroffen, ebenso wie auch einige Rei, die nicht schnell genug außer Reichweite waren, aber mit Verbrennungen davonkamen. Selbst bei mir kam noch ein Rest der Flammen an und ich spürte deutlich die Hitze.
Mit diesem Angriff schien sie jedoch auch ihre letzte Kraft hinausgestoßen zu haben. Kurz lag noch ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen, als sie sah, dass ihr Angriff Erfolg gehabt hatte, dann lösten sich ihre roten Flügel auf und sie stürzte in die Tiefe. Donner grollte und ein Blitz zuckte über den Himmel, als das Licht erlosch hatten die grauen Wolken unter uns das Mädchen verschlungen.
Einige Sekunden lang starrten die Rei ihr vollkommen entgeistert nach und selbst die Nemesis hielten inne. Dann setzte ein leichter Nieselregen ein und ein paar vereinzelte Jubelrufe der Schwarzgeflügelten wurden laut. Die Rei schwiegen noch länger und die erste von uns, die sich wieder rührte, war Yasmine.
„Wie könnt ihr es wagen…“, hauchte sie und die Fassungslosigkeit auf ihrem Gesicht wandelte sich zu grenzenloser Wut um, „Wie könnt ihr es wagen meine Freundin UMZUBRINGEN!“
Auf einmal erschien ein riesiger Wasserball in der Luft und die Fluten stürzten ohne zu zögern auf die Nemesis zu, denen ihre Jubelrufe glatt im Halse stecken blieben. Es war so viel Wasser, dass es so gut wie unmöglich war dem auszuweichen, und auch die Rei ergriffen erschrocken die Flucht in höhere Luftlagen.
„ICH BRINGE EUCH UM!“, schrie Yasmine immer wieder und jagte mit ihren Fluten die Nemesis, bis sie immer wieder einige zu fassen bekam und so lange in den Fluten einfing, bis diese trotz allen Widerstandes elendig ertranken.
Im Gegensatz zu ihr schlug sich bei Nemu und mir die Fassungslosigkeit nicht in Wut um. Ganz das Gegenteil, wir waren noch nicht mal mehr fähig uns überhaupt großartig zu bewegen, geschweige denn einen Angriff zu starten.
Die Nemesis gerieten nun von diesem Erfolg beschwingt wieder in Bewegung und waren nun hinter uns verbliebenen drei Wächterinnen her. Yes war eher weniger in Gefahr, nur ein Lebensmüder würde sich zurzeit näher an sie heranwagen, doch Nemu war unfähig sich zu wehren. Ich sah, wie sich ihr drei Nemesis mit erhobenen Waffen näherten und wollte etwas rufen, sie warnen, doch mir blieb die Stimme weg. Vor lauter Entsetzen über Carolines Tod brachte ich keinen Ton heraus.
Gott sei Dank tauchte in dem Moment Ravi auf und brachte die Schwarzgeflügelten mit seiner Lanze ganz schnell dazu wieder Abstand zu nehmen. Luke war auch nicht weit entfernt von den beiden und kümmerte sich um die, die gerade auf den Weg zur meiner kampfunfähigen Freundin waren.
Dass ich selbst ebenfalls in Gefahr war, merkte ich erst, als unmittelbar vor mir auf einmal ein Nemesis auftauchte. Er führte eine große Axt mit breiter Klinge, mit der er meine kraftlosen Ketten einfach beiseite fegte.
„Und du bist die Nächste!“, rief er siegessicher und holte zum vernichtenden Schlag aus.
Ich wollte mich wehren. Ich wollte nicht sterben, doch mein Körper verweigerte mir den Dienst. Schutzlos war ich ihm ausgeliefert und konnte den vor Muskeln nur so strotzenden Nemesis nur bestürzt ansehen.
„Samantha!“
„NICHT!“
Die Axt fuhr herab und ich rechnete fest mit dem Schmerz, aber er kam nicht. Als ich die zugekniffenen Augen öffnete, erkannte ich, warum ich noch nicht tot war.
„Ti..ya…“, stotterte ich völlig schockiert, „Was?.. Wo kommst du denn her…?“
Der ovale, pechschwarze Nemesiskern schwebte vor mir und die Axt lag immer noch auf ihr. Kleine schwarze Blitze züngelten aus der Einkerbung auf dem Kern, die fadendünnen Risse wurden langsam aber sicher größer. Tiya hatte mir gerade das Leben gerettet.
„Ich wollte diesen Kampf nicht verpassen“, erwiderte der Kern mit viel zu munterer Stimme, „Und wie es aussieht, war die Idee goldrichtig. Sonst wäre mit dir dummem Klotz das Gleiche passiert wie mit deiner Freundin.“ Ein besonders langer Riss zog sich durch den Kern, bis zur Mitte reichte er bereits und wurde von Sekunde zu Sekunde breiter.
„Tiya!“, rief ich erschrocken.
„Was zum…?“, murmelte der Nemesis verwirrt.
„Wag es ja nicht dieses Mädchen umzubringen“, ermahnte Tiya den Nemesis vor sich mit drohender Stimme, „Sie ist vielleicht die Einzige, die je in der Lage sein wird das Ganze zu beenden, ohne dass eine Seite von uns sterben muss.“ Mit dem nächsten Riss war der Kern so gut wie gespalten und bei ihren letzten Worten war ihr Schmerz zu nicht mehr zu überhören.
„Tiya“, wiederholte ich völlig durcheinander, „Du stirbst doch jetzt nicht, oder? Tiya?“
„Es ist echt ein Witz“, sagte die Nemesis mit einem Lächeln in der Stimme, „Dass eine Rei und auch noch ausgerechnet eine Wächterin um mich trauert, hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet.“
Mir stiegen Tränen in die Augen und ich streckte die Hand nach dem Kern aus.
„Ich danke dir, dass du mir gezeigt hast, wie die Welt bei euch sein kann“, sagte Tiya, „Ich hoffe, du kannst auch den anderen Nemesis klarmachen, dass…“
Es gab ein leises Knacksen und sie zerbrach in zwei Hälften, die sich augenblicklich zu Staub auflösten. Meine Hand war direkt vor ihr gewesen, doch ich hatte sie nicht mehr erreichen können.
Während ich vor meinem inneren Auge erneut sah, wie Caro in der Tiefe verschwand und von den Wolken verschluckt wurde – erst jetzt konnte ich es richtig begreifen – sah der Nemesis mich völlig verwirrt an und schien nicht zu wissen, was er jetzt tun sollte. Allem Anschein nach hatte er sie gekannt und war genauso geschockt wie ich von ihrem plötzlichen Tod, wenn auch viel mehr weil sie mich beschützt hatte.
Diese Erkenntnis und auch das Erlebnis mit den beiden jungen Nemesis vorhin bestärkten mich endgültig in meiner Überzeugung, dass es irgendwo zwischen Rei und Nemesis eine Verbindung gab. Sie ähnelten sich nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrer Denkweise und innerlich, zumindest wenn die Nemesis nicht gerade wegen diesem Father darauf aus waren uns zu töten.
Der Nemesis schien immer noch unentschlossen zu sein, als zwei weitere auftauchten und eindeutig vorhatten Kleinholz aus mir zu machen.
„Nur über meine Leiche.“
Zwei Schwertstreiche später waren die beiden entwaffnet und zudem noch die Gürtel ihrer Hosen durchtrennt, weshalb sich der Stoff ohne groß zu zögern verabschiedete und die beiden völlig verdattert nach ihren Hosen griffen. Damit waren sie jedenfalls abgelenkt.
„Ich weiß zwar nicht, warum dich dieses schwarze Ding gerade beschützt hat, aber du musst hier raus“, sagte Mikhail und packte mich ohne weitere Umschweife am Kragen und zog mich hinter sich her.
Im ersten Moment war ich noch ungelenk, doch allmählich gewann ich die Kontrolle über meinen Körper zurück. Bei einem Blick über die Schulter sah ich, dass Ravi gerade auch dabei war Nemu aus dem Kampffeld zu ziehen, während Yasmine nach wie vor völlig in Wut aufgelöst eine große Truppe von fast zwanzig Nemesis mit hunderten dicken Eisdornen bald zu Tode hetzte.
„Es war eine Nemesis“, antwortete ich leise auf seine Frage von vorhin, als wir ein ganzes Stück weiter oben hinter einer Wolke versteckt waren. Der Nieselregen hatte uns mittlerweile ziemlich durchnässt und lief uns in schmalen Rinnsalen über den Körper, aber unsere Köpfe waren viel zu beschäftigt um dem große Aufmerksamkeit zu schenken.
„Wie bitte?“ Anscheinend glaubte mein Retter sich verhört zu haben.
„Tiya war ein Nemesiskern“, sagte ich und blickte traurig nach unten, „Der, den ich vor einiger Zeit aus Yasmine herausgeholt habe.“
Normalerweise hätte ich mich über diesen entgleisten Gesichtsausdruck von Mikhail lustig gemacht, so schräg sah er nur höchst selten aus, doch mir war nicht danach. Ich hatte gerade zwei Freundinnen verloren. Zwar kannte ich die eine erst seit ein paar Wochen und die andere seit etwa einem Jahr, aber sie waren mir beide ans Herz gewachsen.
„Oh Himmel Herr Gott“, stöhnte er dann und kratzte sich am Kopf, „Du machst mich echt schwach, aber das tut gerade nichts zur Sache. Du wirst mir die Sache später in Reilong erklären, jetzt müssen wir irgendwie die Nemesis besiegen.“
Ich war auch der Meinung, dass wir die Nemesis dringend vertreiben mussten, wobei ich nicht gedachte sie zu töten, doch mir fiel etwas auf. Als Mikhail ein Stück nach oben flog, um zu sehen wie es bei den Kämpfenden aussah, ließ ich meine beiden langen Ketten wieder zum Leben erwachen. Dabei entdeckte ich an dem einen Ende eine kleine Flamme, die sich tapfer gegen den Nieselregen verteidigte und noch immer brannte, wo jedes andere Feuer längst erloschen wäre.
„Moment mal…“, flüsterte ich und streckte vorsichtig die Hand aus, bis ich die Flamme beinahe berührte. Sie war warm wie ein richtiges Feuer, doch ich erkannte die schwache Magie, aus der sie bestand. Es war Caros Kraft. Scheinbar war die Magie trotz ihres Todes nicht vollkommen erloschen, besser gesagt war dieser Rest noch übrig und flackerte an meiner eisernen Kette. Unglaublich aber wahr.
Ich spürte wie der seidene Vorhang über dem Wissen der Wächterinnen der vergangenen Generationen in Bewegung geriet und etwas preisgab. Wie zu dem Zeitpunkt, als ich Tiya aus Yasmine herausgeholt hatte. Einem Impuls folgend murmelte ich ganz leise eine kurze, Formel in der alten Sprache der Rei und die Flamme begann seltsam weißlich zu schimmern.
In einer kleinen Windbarriere holte ich sie von der Kette und ließ sie über meinen Händen schweben. Einen Augenblick lang sah ich das kleine Feuer an, das alles war, was noch von Caroline übrig war, dann bildete ich mit meinen Händen eine flache Schale und drückte die Windbarriere mit der Flamme an meine Brust.
Mir wurde augenblicklich heiß und die merkte die Abwehrreaktion meines Körpers, doch ich drückte sie eisern gegen mich und hielt vor Schmerz sogar die Luft an. Bis die kleine Flamme endlich in mir verschwand und ich die Arme sinken lassen konnte.
Kurz schwebte ich einfach so erschöpft in der Luft und erholte mich von dem, was ich da gerade getan hatte, ohne überhaupt sagen zu können, was es war. Dann hörte ich das Klirren von Schwertern und anderen eisernen Waffen und sah ein Stück weiter oben Mikhail, der schon fast nervös mit den Fingern gegen seine Schwertscheide trommelte und fieberhaft überlegte, wie wir dem Kampf ein Ende bereiten konnten.
Ich schloss die Augen und zählte von zehn rückwärts während ich wartete, dass der Nieselregen mich wieder abkühlte. Anschließend holte ich noch einmal tief Luft und flog hoch zu dem Befehlshaber unserer Truppen.
„Zieh alle zurück“, sagte ich entschlossen, „Den Rest übernehme ich.“
Mikhail sah mich ungläubig an.
„Und bitte spar dir den Vortrag auf, bis ich danach wieder wach werde“, fügte ich hinzu.
Es schien als wollte er etwas sagen, doch er schüttelte bloß stöhnend den Kopf. „Übertreib es bitte nicht.“
„Werd ich schon nicht“, erwiderte ich mit einem leicht schiefen Lächeln.
„Du planst ja schon wieder meinen Befehl zu missachten“, stellte er nüchtern fest.
„Hehe“, machte ich lediglich und flog mit wenigen Flügelschlägen hoch hinauf, bis ich über den Kämpfenden war.
Mikhail brüllte in dem Moment den Befehl zum Rückzug und nach kurzem, verwirrtem Zögern folgten die Rei der Anweisung. Ravi war der Letzte und hielt zusammen mit Luke einige Nemesis davon ab ihnen zu folgen.
Ich streckte derweil die Arme zur Seite mit den Handflächen nach unten gerichtet und konzentrierte mich. Für die größeren Angriffe brauchte ich immer einige Sekunden der Vorbereitung, doch hier oben war ich ziemlich gut versteckt.
Der Wind begann unter mir aufzufrischen und ein paar einzelne, scharfe Böen trieben die Nemesis zurück, die noch immer versuchten den Rei zu folgen. Daraufhin blickte sie zwar nach oben und entdeckten mich höchstwahrscheinlich auch, aber mittlerweile war es zu spät.
Wie beim letzten Mal schützte ich die Rei mit einem separaten Schild aus Wind, während ich zugleich ein richtiges Monstrum an Hurrikane aufkommen ließ. Hier in den luftigen Höhen gab es auch nichts zum Festhalten und selbst die stärksten Nemesis waren nicht in der Lage an ihrer Position zu bleiben. Der Wind spielte mit ihnen, wirbelte sie kräftig durch die Gegend und schleuderte sie schließlich ungehalten in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Das Ganze dauerte vielleicht fünf Minuten, dann war von den Nemesis nichts mehr zu sehen. Nur der Regen prasselte nach wie vor gleichmäßig auf uns herab.
Ich merkte wie mir vor lauter Erschöpfung schwindlig wurde – wie erwartet war das Ganze doch etwas zu viel für meinen Körper gewesen – und sackte schließlich ab. Meine Augen fielen zu und das Letzte, das ich noch spürte bevor ich ohnmächtig wurde, war wie mich jemand auffing und etwas murmelte, was sich schwer nach „dummer Göre“ anhörte. Dann wurde es dunkel.
Ich fühlte mich reichlich schlapp, als ich langsam wieder zu mir kam. Vermutlich war noch nicht allzu viel Zeit vergangen, seit ich das Bewusstsein verloren hatte. Dabei fiel mir auch wieder ein, was passiert war, und ich riss die Augen auf.
Jedoch kniff ich sie augenblicklich wieder zu, als mir das Sonnenlicht direkt in die Augen schien und mich kräftig blendete.
„Na? Du wirst ja schneller wieder wach, als ich erwartet hatte“, stellte Mikhail fest.
Daraufhin öffnete ich erneut – diesmal aber wesentlich vorsichtiger – die Augen und sah auf dem Stuhl neben meinem Bett wie erwartet den jungen Erwachsenen. Als ich mich kurz weiter umsah, erkannte ich mein Zimmer. Durch die geöffnete Balkontür schien die Sonne herein und ließ den Marmor glänzen.
„Was ist mit den anderen?“, fragte ich und setzte mich auf.
„Wenn du deine beiden Freundinnen meinst, die schlafen beide noch“, antwortete Mikhail, „Nemu ist beinahe direkt nach dem Kampf einfach weggetreten und nachdem sich Yasmine noch eine ganze Weile lang verausgabt hat, ist sie schließlich genau wie du vor lauter Erschöpfung eingeschlafen.“
Da er nichts zu Caro sagte, konnte ich davon ausgehen, dass es wirklich passiert war. Meine Freundin war tot und ich würde sie nie mehr wiedersehen.
Mikhail behielt mich genau im Auge, als ich mich wieder nach hinten sinken ließ und auf die Seite rollte. Er schien gerade etwas sagen zu wollen, als auf einmal ein gewaltiger Krach in einem der Zimmer nebenan zu hören war. Der gesamte Palast erzitterte und der Älteste stand sofort auf den Füßen und rauschte zur Tür nach draußen.
Ich war zwar nicht ganz so schnell, folgte ihm jedoch und stand so einige Meter weiter neben der ebenfalls gerade wach gewordenen Yasmine in der Tür zu Nemus Zimmer. Luke saß direkt an der Wand und hatte noch schützend den Arm erhoben, wobei er insgesamt ganz schön mitgenommen aussah und ihm die Haare zu Berge standen.
In der Mitte des Raumes stand Nemu, von der hunderte kleinere und größere Blitze ausgingen und an allem leckten, was sie zu fassen bekamen. Wir mussten ebenfalls wieder zurückweichen, doch ich konnte einen Blick auf Nemus vollkommen entsetztes, tränenüberströmtes Gesicht erhaschen. Dann schlugen die vor lauter Energie deutlich sichtbaren Stromstöße auch nach mir und ich musste zur Seite hechten, um nicht getroffen zu werden.
„Nemu!“, rief Yasmine und wollte trotz allem ins Zimmer laufen, doch Mikhail konnte sie gerade noch an den Oberarmen packen.
„Denk an deine Kräfte!“, sagte er warnend, „Wasser leitet Elektrizität, wenn du nur ein Mal getroffen wirst…“
„Lassen Sie mich los!“, fauchte Yasmine jedoch und schlug seine Arme weg.
Ich selbst wagte in der Zwischenzeit einen Schritt in das Zimmer. „Nemu! Hör auf!“, rief ich dabei dem Mädchen zu, das mit geschlossenen Augen dastand und zu weinen schien, während seine Kräfte seiner verzweifelten Trauer Ausdruck verliehen.
Ich hatte ganz vergessen, dass sie und Caro, auch wenn es nicht unbedingt aufgefallen war, ein sehr enges Verhältnis zueinander gehabt hatten. Denn die ersten, die zusammengefunden hatten, waren Yasmine und Caro gewesen, die beide nicht viele Freunde in ihrer Klasse gehabt hatten. Nemu war ebenfalls eine Außenseiterin gewesen und eines Tages hatte Caro sie wohl einfach mit zu sich und Yasmine geholt. Dort hatte das Mädchen dann endlich zwei Freundinnen gefunden, die zu ihr hielten obwohl sie wegen ihrer fehlenden Stimme anders war und gelegentlich auch etwas schräge Gedanken hatte. Ich selbst war erst vor gut einem Jahr zu ihnen gestoßen, in einer Phase als ich ein paar Probleme mit meiner Klasse hatte und auch ein wenig verstoßen worden war. Jedenfalls hatte Caro Nemu immer sehr viel bedeutet und jetzt war sie tot. Dieser Schmerz, der es insbesondere noch für Nemu war, schien sie vollkommen zu absorbieren. Nur hatte ich auch keinerlei Ahnung, wie ich ihr da helfen sollte, und die Blitze machten es unmöglich näher an sie heranzukommen.
„Kannst du mit deinem Wind die Blitze abhalten?“
Ich blickte verwirrt zu Luke, der gerade wieder auf die Beine kam und sich den doch ganz schön stark angesengten Arm rieb. Scheinbar hatte Nemu ihn voll getroffen.
„Keine Ahnung“, musste ich gestehen, „Was hast du vor?“
„Deine Freundin.. ich kenne dieses Verhalten von einigen Tieren“, antwortete er knapp und ohne eine weitere Erklärung.
Kurz überlegte ich, doch dann nickte ich nur und ließ den Wind auffrischen. Erst testete ich es an einem Schild vor uns beiden aus und als die Blitze daran zerschlugen, gab ich Luke zu verstehen, dass er es versuchen sollte.
Mithilfe des Windes schuf ich einen schmalen Kanal, auch wenn die Barriere unmittelbar vor Nemu die Blitze nicht vollständig abhalten konnte, und Luke lief mit wenigen Schritten hindurch. Ich staunte nicht schlecht, als er bei Nemu angekommen – trotz dessen die Stromstöße ihm ziemliche Schmerzen versetzen mussten – sie an sich zog und ihr anscheinend etwas ins Ohr flüsterte. Verstehen konnte ich seine Worte nicht, aber schon nach einigen Sekunden beruhigte sich das Gewitter, das hier im Zimmer geherrscht hatte.
An den Wänden und Möbeln waren überall Rußflecken und der Stoff auf ihrem Bett schien an vielen Stellen angebrannt zu sein. Allerdings bemerkte ich, dass nicht nur die Elektrizität verschwand. Auch Nemus magische Kräfte wurden immer schwächer, jedenfalls konnte ich sie schon jetzt kaum mehr spüren.
Einer plötzlichen Ahnung folgend fing ich einen der Blitze mit meinem Wind ein und presste die Elektrizität zusammen, bis innerhalb einer kleinen runden Windbarriere jede Menge kleine gelbliche Blitze umherzuckten. Ich zog sie an mich und spürte, wie mir nun ebenfalls die Haare zu Berge standen, als ich die Kugel mit Nemus Kräften in mich aufnahm. Es tat wieder verdammt weh und ich sank auf den Boden, doch schließlich war die Windbarriere mitsamt der Blitze in mir verschwunden.
Erschöpft zupfte ich an einigen abstehenden Strähnen meines Ponys und sah zu Luke und Nemu hinüber. Das Mädchen sank auf die Knie und weinte bitterlich, während Luke mit mitfühlendem Blick neben ihr stand und sie an seinem linken Bein lehnen ließ.
„Nemu…“, sagte ich leise und rutschte zu ihr herüber, um sie in die Arme zu nehmen. Sie wehrte sich nicht dagegen und vergrub ihr Gesicht in meiner Schulter. Ich strich ihr mit einer Hand sanft über den Rücken und nickte Luke dankbar zu. Auch wenn ich bereits etwas ahnte, als ich keinerlei magische Kräfte mehr in Nemu spürte.
„Und was habt ihr eigentlich während des Kampfes getrieben!“, schrie Yasmine Mikhail an. Beide waren noch immer auf dem Gang, während Ravi dazwischen stand und vergeblich versuchte das aufgebrachte Mädchen zu beruhigen. Dem Wortgefecht hatte keiner von uns drein im Zimmer zugehört, doch nun wo es wieder still war, war es nicht zu überhören.
„Wer wollte uns unterstützen, hä?!“, fragte Yes wütend, „Wegen euch ist Caro jetzt TOT! Weil ihr die ganze Zeit nichts Besseres zu hattet als euch bloß um diese Nemesis zu kümmern! Wie gedenkt ihr das wieder gutzumachen?!“
„Wir können nichts mehr für sie tun“, erwiderte Mikhail mit leicht verbissenem Gesichtsausdruck, scheinbar beschimpfte sie ihn schon seit einer ganzen Weile, „Außerdem ist nicht nur eure Freundin gefallen, es hat auch viele von uns erwischt. Und wir können nicht überall gleichzeitig sein, auch wenn…“
„Das ist mir verdammt nochmal so was von egal!“, schrie Yasmine, die vor Wut und Trauer außer sich war, „Gebt uns Caro zurück! Gebt uns unsere Freundin zurück!“
Mikhail verzog das Gesicht. Es kam mir so vor als würde er im Augenblick nichts lieber tun als das, aber er konnte nicht.
„Bloß weil wir versucht haben euch zu helfen…“, murmelte das aufgebrachte Mädchen und ballte die Hände zu Fäusten, „Ohne euch wäre das alles nie passiert!“
Es herrschte betroffene Stille. Keiner wusste mehr etwas zu sagen und Yasmine zitterte vor Wut sogar.
„Ja, es ist unsere Schuld“, sagte Mikhail nach einer ganzen Weile und sah dem Mädchen in die zornigen Augen, „Wärt ihr nicht in diesen Kampf hineingezogen worden, würde eure Freundin noch leben. Das ist uns allen klar, aber ich würde von dir gerne mal wissen, was wir deiner Meinung nach tun sollen. Wir können es nicht wiedergutmachen und es gibt keine Möglichkeit sie wiederzubeleben. Es ist unmöglich, sonst hätten wir es schon lange mit all den Rei gemacht, die bereits zuvor im Kampf gegen die Nemesis getötet wurden. Aber wer tot ist kommt nicht zurück, egal was wir tun, also was bitte erwartest du von uns?“
Yasmine biss die Zähne so fest zusammen, dass ihr Kiefer hervortrat.
Ich wollte etwas sagen, aber es gab nichts, was ich hervorbringen konnte. Wie Mikhail gesagt hatte, gab es nichts, was wir für die Toten tun konnten. Und wie mir allmählich klar wurde, war der Teufelskreis bereits dabei sich zu schließen. Wie Elisabeth es prophezeit hatte, würden die Wächterinnen diesen Kampf nicht überleben. Mit Caro hatte es angefangen und mit uns ging es jetzt weiter. Zwar hatte ich geglaubt mit diesem Wissen fertig zu werden, doch nun merkte ich, wie schwer es auf mir lastete und wie erschreckend diese Aussicht eigentlich war. Erst nachdem ich gesehen hatte, was mit Caro passiert war, begriff ich richtig, was auch mit Yasmine, Nemu und mir passieren würde.
„Ich habe dir doch gesagt, dass es so kommen würde“, erklang urplötzlich aus dem Nichts heraus eine Stimme, „Wenn du gleich auf mich gehört hättest, wäre das alles gar nicht erst passiert.“
Ich sah mich erschrocken um, doch keiner der anderen reagierte. Weder Nemu, Luke und Ravi, noch Mikhail, der sonst immer Elefantenohren hatte. Dabei war die Stimme doch so laut und deutlich, dass man sie gar nicht überhören konnte. Mir fiel nur aus den Augenwinkeln heraus auf, wie Yes kaum merklich nickte.
„Wenn du bei den Rei bleibst, wirst du sterben“, fuhr die Stimme fort und es klang fast so, als wäre ihr Besitzer im Gang. Beinahe unmittelbar neben Yasmine. „Deine eine Freundin ist tot, die andere hat gerade ihre Kräfte verloren und die dritte ist dumm genug zu glauben, dass sie das Richtige tut. Glaubst du wirklich, dass du hier noch etwas ausrichten kannst?“
Meine Freundin verzog das Gesicht noch ein wenig mehr und mir wurde klar, mit wem die Stimme hier sprach.
„Komm zu uns“, sagte Father in beschwörendem Tonfall, „Wir werden dem ganzen Krieg ein Ende bereiten und diese Welt endlich zu dem machen, was sie sein sollte.“
Einen kurzen Augenblick lang zögerte sie noch, dann machte Yes auf dem Absatz Kehrt und marschierte den Gang hinunter. Für die meisten Anwesenden hier sah es wahrscheinlich so aus, als bräuchte sie nach diesem Wortgefecht mit Mikhail einige Zeit für sich.
„YES!“, schrie ich jedoch erschrocken und kam auf die Füße, „Mach das nicht, Yes!“
Ich rannte an den verwirrten Männern vorbei und hinter dem Mädchen her, das schnurstracks durch die Gänge zu ihrem Zimmer lief. Sie schien meine Rufe noch nicht mal gehört zu haben. Oder aber sie ignorierte sie einfach.
„YASMINE!“, brüllte ich, als ich endlich keuchend in der Tür zu ihrem Zimmer stand und sie bereits mit ausgestreckten Flügeln auf dem Balkon sah. Sie blickte mit ungeduldigem Blick über ihre Schulter.
„Was willst du?“, fragte sie mit düsterer Stimme.
„Du hast doch nicht ernsthaft vor dich auf die Seite der Nemesis zu schlagen, oder?“, fragte ich ungläubig und machte einen Schritt auf sie zu, „Yes?“
„Das geht dich gar nichts an.“
„Du warst doch diejenige, die uns immer gewarnt hat!“, rief ich, „Davor gewarnt zu unvorsichtig zu werden und den Nemesis in die Hände zu fallen! Und jetzt…“
„Und was haben meine Warnungen gebracht?“, fragte sie schroff, „Außerdem habe ich in meinem Traum nach dem Kampf gestern ein sehr aufschlussreiches Gespräch geführt. Du wirst schon noch merken, dass wir wirklich die ganze Zeit über auf der falschen Seite gestanden haben.“
„Yasmine“, sagte ich mit flehender Stimme, „Dieser Father versucht dich hereinzulegen. Ich bitte dich, du…“
„Mach´s gut, meine Freundin.“ Die Betonung auf diesem Wort klang alles andere als freundlich. Sie stieß sich von der Terrasse ab und flog mit wenigen Flügelschlägen hoch in den Himmel.
„Nein…“ Ich lief einige Schritte und fuhr währenddessen meine Flügel aus, dann sprang ich auf das niedrige Balkongeländer und sauste ihr hinterher. Mir ging so vieles durch den Kopf. Das war alles viel zu viel auf einmal, doch ich wusste, dass ich sie unbedingt aufhalten musste. Yasmine durfte unter keinen Umständen in Fathers Hände fallen!
Doch trotz aller Anstrengung gelang es mir einfach nicht zu ihr aufzuholen. Ich sah Yasmines hellblaues, kurzes Kleid ein ganzes Stück weiter vorne flattern, doch ich kam nicht näher an sie heran. Sie schoss allerdings direkt in die Richtung der dicken weißen Wolkenbarrieren. Ich wusste nicht, ob wir so hindurchkamen, bisher hatte sich in ihnen immer eine Öffnung aufgetan, wenn wir das Land verlassen hatten. Yes aber hielt unbeirrt darauf zu und verschwand so schließlich zwischen den weißen Wolken.
Einige Sekunden später irrte ich auch durch die dichten weißen Nebel und hoffte dabei inständig, dass Yes nicht auf dem Weg die Richtung geändert hatte. Als ich letztlich wieder aus der Suppe herausbrach, konnte ich weit hinten gerade noch Yes große Flügel erahnen und folgte ihr so schnell es irgendwie ging. Immer wieder schrie ich ihren Namen und versuchte sie dazu zu bringen anzuhalten, doch sehr wahrscheinlich hörte sie mich bei der Entfernung nicht mehr.
Dann entdeckte ich auf einmal zwei schwarze Schemen auf Yasmines Höhe. Eine böse Vorahnung beschlich mich und ich raste so schnell ich konnte hinterher, doch mit einem Mal waren die drei verschwunden. Die beiden Nemesis, die allem Anschein nach gekommen waren, um meine Freundin abzuholen, und Yes ebenfalls. Plötzlich waren sie einfach weg. Ohne irgendeine Spur.
Ich starrte die Stelle, an der ich sie zuletzt gesehen hatte, nur vollkommen entgeistert an.
„Hooo.. scheinbar bist du ebenfalls in der Lage meine Stimme zu hören“, ertönte auf einmal wieder die Stimme vom Anführer der Nemesis.
Ich sah mich suchend um, entdeckte aber wie erwartet niemanden. „Geben Sie Yasmine zurück!“, rief ich daher einfach.
„Deine kleine Freundin ist freiwillig zu mir gekommen“, bemerkte Father, „Aber du kannst selbstverständlich auch zu uns kommen, dann bist du wenigstens nicht alleine. Wozu ich allerdings sagen muss, dass du dann nicht mehr zu den Rei zurückkommen können wirst.“
Ich verzog das Gesicht. Ich wollte Yasmine unbedingt da rausholen, doch ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Wenn ich gefangen genommen würde, brachte es nichts, selbst wenn ich jetzt ging. Aber ich machte mir furchtbare Sorgen um Yasmine.
„Willst du nicht auch wissen, wie es wirklich ist?“ Plötzlich klang die Stimme nicht mehr so, als wäre sie weiter weg, sondern als wäre sie ganz nahe, fast unmittelbar vor mir. Ein durchsichtiger Schemen erschien und ich erblickte einen hochgewachsenen Mann mit kurzen, pechschwarzen Haaren und langen, dunkelvioletten Gewändern. Er streckte eine Hand nach mir aus und berührte mit seinen langen, fast weißen Fingern beinahe meine Wange. „Ich könnte dich durchaus auch bei mir aufnehmen, kleine Wächterin des Windes. Ich bin mir sicher, dass du deine Meinung von den Rei ändern wirst, wenn du erstmal…“
Plötzlich wurde ich am Arm gepackt und herumgedreht.
„Samantha?“ Mikhail sah mich irritiert an. Vor allem als er merkte, dass ich am ganzen Körper zitterte.
„Na dann.. vielleicht beim nächsten Mal…“ Damit verklang Fathers Stimme und das bedrohliche Gefühl, das mich hatte vollkommen erstarren lassen, begann ganz allmählich nachzulassen.
Es kam mir so vor als würde sämtliche Kraft aus meinem Körper weichen. Zugleich musste ich wieder an die tote Caro denken, ich konnte nicht vergessen wie sie einfach so zwischen den Wolken verschwunden war. Auch dass Nemu offensichtlich ihre Fähigkeit eingebüßt hatte, legte sich mir schwer aufs Gemüt. Am härtesten traf mich jedoch die Erkenntnis, dass Yasmine beschlossen hatte sich auf die Seite dieses furchteinflößenden Mannes zu stellen. Nun wurde mir klar, was es wirklich bedeutete, wenn die Welt über einem zusammenbrach.
„Es ist aus…“, flüsterte ich, bevor ich das Bewusstsein verlor. Ich wollte auch gar nicht wieder aufwachen. Ich wollte einfach nur diesen Alptraum vergessen.
Nur leider wurde mein Wunsch natürlich nicht erfüllt. Am späten Abend, als draußen alles dunkel war und die Geräusche allmählich verstummten, kam ich wieder zu mir und fand mich in meinem Zimmer wieder. Scheinbar hatte Mikhail mich hierher gebracht, nachdem ich draußen ohnmächtig geworden war.
Ein unangenehmes Stechen und Brennen in meinem Brustkorb ließ mich das Gesicht verziehen und ich fasste mir mit beiden Händen an die Brust, während ich versuchte ruhig zu atmen. Es tat furchtbar weh. Es war als würde etwas in mir drin wachsen, etwas, das dort ganz und gar nicht hingehörte. Ich rang mehrere Minuten lang nach Atem und der Schweiß lief mir die Stirn herunter, bis dieses unangenehme Gefühl endlich ganz allmählich wieder abklang.
Doch kaum war der Schmerz so weit abgeklungen, dass ich nicht mehr ununterbrochen daran denken musste, machten sich andere Gedanken in meinem Kopf breit.
Ich drehte mich auf die andere Seite, zog die Beine an und schloss die Augen wieder. Den Teller mit Essen und einem Glas Wasser auf dem Tisch ignorierte ich, ich hatte keinen Hunger. Mein Kopf platzte fast und ich weinte mich still wieder in den Schlaf. Ich konnte nicht mehr.
Am nächsten Morgen wurde ich dadurch wach, dass mich etwas mit penetranter Beharrlichkeit immer wieder in die Wange pikste. Als ich die Augen schließlich aufschlug, erblickte ich Ravis Gesicht ziemlich dicht über meinem und mit seinem Zeigefinger schien er zu versuchen ein Loch in meine Wange zu bohren.
„Du wirst ja doch noch wach“, stellte der Jüngste erfreut fest, „Es gibt Frühstück.“
„Aha“, machte ich nur.
Er richtete sich auf und sah mich mit schief gelegtem Kopf an. „Ist alles in Ordnung?“
„Klar“, antwortete ich kurz und richtete mich auf. Mein Kopf fühlte sich schwer an und am liebsten wäre ich einfach den ganzen Tag lang im Bett geblieben, doch das konnte ich schlecht tun.
Ich folgte dem wie immer ziemlich aufgedrehten Ravi in das Esszimmer, wo wie jeden Morgen auch die anderen schon waren. Nur waren es heute drei statt sieben, die dort bereits am Tisch saßen und ihre Brote mit Aufschnitt belegten.
„Guten Morgen“, sagte Mikhail, der allerdings genau wie Tinto einige Zettel in der einen Hand hatte, während sie in der anderen ihre Brote hielten. Luke fütterte nebenbei noch die kleine weiße Katze und Ravi schnappte sich zwei der Brötchen, die noch im Brotkorb lagen.
„Falls du dich fragst, wo Nemu ist“, fügte der rothaarige Junge hinzu, „Sie wollte auf ihrem Zimmer essen.“
Ich nickte lediglich und setzte mich auf einen der freien Stühle. Mechanisch griff ich nach einem der Brötchen und fischte nach der Butter, die es hier genauso wie in meiner Welt gab. Zwar konnte ich verstehen, dass die vier schon viel mehr Tote gesehen und natürlich ihre Arbeiten zu erledigen hatten, doch ich hatte zumindest damit gerechnet, dass sie etwas bezüglich meiner drei Freundinnen sagen würden. So kam ich mir irgendwie verarscht vor. Oder schnitten sie das Thema extra wegen mir nicht an? In jedem Fall herrschte eisernes Schweigen im Esszimmer, das beinahe so groß war wie drei Zimmer in meiner alten Wohnung. Es schien unendlich lange her zu sein, seit ich das letzte Mal zu Hause gewesen war.
„Was ist das denn hier für eine Versammlung?“, fragte Elisabeth stirnrunzelnd, die plötzlich in der Tür aufgetaucht war.
„Was habt Ihr denn erwartet, eure Hoheit?“, erwiderte Mikhail lediglich. Einerseits schien er mit seinen Zetteln beschäftigt zu sein, andererseits klang er fast so als würde er sich unwohl fühlen.
Die Prinzessin, die mich angesehen hatte, starrte nun zu ihm und kam schnurstracks zu ihm herüber. „Du kommst mal schön mit mir mit, mein Freund“, sagte sie ihn befehlendem Tonfall und zog den Guten einfach an seinem Hemd hinter sich her aus dem Zimmer.
„Wech sin se“, stellte Ravi leicht erstaunt fest, wobei es ein wenig schwierig war ihn zu verstehen, da er sein Brötchen noch im Mund hatte und scheinbar keinerlei Problem darin sah mit vollem Mund zu sprechen.
„Gegen deine Manieren müssen wir dringend mal was unternehmen“, murmelte Tinto lediglich leicht genervt.
Ravi brummte etwas, das wir beim besten Willen nicht verstehen konnten.
„Willst du mit in die Stallungen kommen?“, fragte Luke auf einmal und sah dabei mich an, „Der kleine Babydrache ist inzwischen groß genug um die Anwesenheit fremder Leute zu vertragen.“
„Du wolltest ihn mir auch mal zeigen!“, mischte sich Ravi dazwischen, der mit dem Brötchen inzwischen kurzen Prozess gemacht hatte und bereits nach dem nächsten griff.
Luke warf ihm lediglich einen missbilligenden Blick zu. „Bis der Kleine deine Lautstärke verträgt, müssen noch Wochen vergehen.“
„Hey, ich kann auch leise sein!“, erwiderte der Jüngste beleidigt.
Der Drittälteste schien da anderer Meinung zu sein und sah mich fragend an.
Ich zuckte mit den Schultern. „Meinetwegen.“
Das über zweihundert Meter lange Hauptstallgebäude war wegen der Drachen auch ein ganzes Stück in die Höhe und vor allem sehr luftig gebaut. Auch hier hatte man weißen Stein verwendet und durch die vielen großen Fenster und Pforten drang viel Licht hinein. Die Pegasi hatten komfortable, mit den Drachen verglichen allerdings eher kleine Boxen, und machten einen gesunden Eindruck. Von den großen Flugechsen waren nicht allzu viele da, laut Luke waren die meisten unter den Soldaten gerade auf längeren Erkundungsflügen in und um Reilong unterwegs.
Er führte mich zu einer der hinteren Boxen, die aus dunklem Holz waren und wohl mehr als Begrenzungen als zum Einsperren dienten, da so ein bestimmt gut zehn Meter hoher Drache ganz einfach Kleinholz aus ihnen machen konnte, wenn er wollte. Scheinbar war es aber nicht nötig sie stabiler zu bauen, daher nahm ich an, dass die Tiere viel friedlicher waren als sie in Romanen immer beschrieben wurden.
Das ausgewachsene Exemplar in der Box vor uns hatte bläulich-türkise Schuppen, riesige Flügel mit einer dünnen Haut und an seiner Stirn waren zwei elegante, längliche Hörner. Normalerweise konnte er wohl einen ziemlich furchteinflößenden Eindruck machen, doch im Moment döste er gerade vor sich hin.
Ganz im Gegensatz zu der kleinen Miniaturversion von der Drachendame vor uns. Der kleine, höchstens zwei Wochen alte Drache tollte gerade munter über seine Mutter hinweg und balancierte direkt neben ihrem gezackten Rückenkamm über ihren Rücken. Dann drehte sich das Muttertier jedoch ein Stück und das kleine Baby kugelte bergab. Als es schließlich unten auf dem Stroh saß, schüttelte es erstmal den Kopf und sah sich verwirrt um. Fast als fragte es sich, wie es denn jetzt auf einmal dahin gekommen war.
Ich musste unweigerlich Lächeln.
„Der Kleine tanzt seiner Mutter ganz schön auf der Nase rum“, bemerkte Luke, der ebenfalls schmunzelte, „Deswegen nehme ich ihn ihr meistens für ein bis zwei Stunden am Tag ab, damit sie ein wenig ihre Ruhe hat.“
„Dafür ist sie dir bestimmt dankbar“, stellte ich fest, „Er ist echt süß.“
„Aber er ist auch schon ziemlich kräftig, also sei vorsichtig.“ Damit öffnete Luke die Boxentür und trat ein. „Komm her.“
Der kleine Drache wandte den Kopf, quiekte kurz und kam dann auf seinen kurzen vier Beinchen auf Luke zu gelaufen. Dieser ging in die Hocke, doch kurz vor ihm machte der kleine Drache unerwartet einen Satz und er sprang dem jungen Mann mit so viel Schwung in die Arme, dass dieser glatt nach hinten kippte und nun auf dem Rücken lag.
Der Drache quiekte vergnügt und leckte ihm mit seiner kleinen rosa Zunge über das Gesicht, das Luke leider nicht mehr rechtzeitig wegdrehten konnte. Dieser lachte leise und streichelte dem Babydrachen die Seite, der wie ein kleiner Hund mit dem kurzen Schwanz wedelte. Wären da nicht die hübschen türkisen Schuppen und Miniflügel, hätte ich ihn vielleicht wirklich für eine etwas außergewöhnliche Hunderasse gehalten.
Dann erfasste der Blick des kleinen Drachen auf einmal mich. Er zögerte gar nicht lange und sprang von Luke herunter.
„Achtung, sonst schmeißt er dich gleich um“, warnte mich Luke, der sich daraufhin wieder aufsetzte und die Szene beobachtete.
Da machte der kleine Drache auch schon einen Sprung auf mich zu. Dafür dass er so klein war, kam er erstaunlich hoch, und eher unabsichtlich wich ich einen Schritt zur Seite, sodass er an mir vorbei flog. Erst befürchtete ich schon, der kleine Drache würde sich an der Wand ein Stück hinter mir die Nase stoßen, doch er war nicht blöd. Es gelang ihm sich im Sprung zu drehen, sodass er mit den Füßen – ich weiß nicht wie sie bei Drachen heißen – auf dem Holz landete und sich abstoßen konnte.
Nun kam er aber noch schneller auf mich zu und dieses Mal konnte ich nicht ausweichen, als er auf mich zu gehüpft kam. Luke, der hinter mir aufgetaucht war, konnte zwar um mich herum greifen und den Kleinen noch etwas abfangen, doch ganz konnte er ihn nicht bremsen, und so purzelten wir zu dritt wieder in die Box. Luke ganz unten, ich mit dem Rücken auf ihm und der Babydrache thronte ganz oben auf. So fröhlich wie er quiekte, könnte man glatt meinen, dass er uns auslachte, weil er es geschafft hatte uns sogar zu zweit umzuschmeißen.
„Du kleiner Racker“, murmelte Luke, auch wenn ich das Lächeln in seiner Stimme mitklingen hörte.
„Er hat echt schon ein gutes Gewicht“, stellte ich fest. Da er ja auf mir saß, merkte ich es recht deutlich.
„Geht es?“, fragte Luke.
„Das sollte ich dich fragen“, bemerkte ich, „Du bist schließlich ganz unten.“
Ich spürte wie der Drittälteste in sich hineinkicherte. Dann fasste er vorsichtig um mich und setzte sich auf, wodurch ich nun zwischen seinen Beinen saß und der kleine Drache von mir runterkugelte.
„Nichts leichter als das“, erwiderte er, „Was glaubst du, wie schwer erst vier von ihnen auf einmal sind? Dagegen bist du ein Fliegengewicht.“
„Na danke“, murmelte ich. Mich mit vier Babydrachen zu vergleichen hinkte meiner Meinung nach ein wenig.
Luke schmunzelte vor sich hin und auf einmal spürte ich, wie mich etwas ganz sachte am Nackenansatz berührte. Ich kannte dieses Gefühl, besonders als dann auch noch ein warmer Atem über meine Haut strich und ich Lukes Arm umso deutlicher um meinen Bauch spürte. Ein ordentlicher Schuss Blut stieg mir ins Gesicht und ich drehte verdattert den Kopf, woraufhin ich Luke direkt in die schönen purpurfarbenen Augen blickte.
„So zeigen Drachen, dass sie dich mögen“, sagte er mit einem kecken Schmunzeln und deutete mit dem Finger nach vorne.
Ich drehte daraufhin, wenn auch leicht misstrauisch, wieder den Kopf und sah im nächsten Moment nur noch Türkis und einen Klecks Rosa, als der kleine Babydrache mit der Zunge einmal quer über mein Gesicht leckte.
„Bah!“, machte ich überrascht und kippte nach hinten, wodurch ich erst richtig an Luke lehnte.
„Vorsichtig“, sagte der junge Mann grinsend und hielt den Drachen davon ab mir noch ein zweites Mal über das Gesicht zu lecken.
„Das war unfair!“, rief ich überrascht und wischte mir mit dem Ärmel über die betroffenen Gesichtspartien.
„Ich habe dich doch gewarnt.“
„Das nennst du eine Warnung?“ Zwar konnte ich es nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, aber dank Erfahrungen mit einer gewissen anderen Person war ich mir ziemlich sicher, dass er mich gerade flüchtig auf den Nacken geküsst hatte.
Luke nickte.
Dabei fiel mir etwas anderes auf. „Wie kommt es eigentlich, dass du so viel redest?“ Sonst hörte ich kaum zwei Sätze hintereinander von ihm und jetzt konnte ich noch nicht mal zählen, wie viele es schon waren.
Der Drittälteste sah sich um und ich folgte seinem Blick. Gerade als ich fragen wollte, weshalb er so in alle möglichen Richtungen sah, begriff ich. Das hier war sein Reich. Hier unter den Tieren war er heimischer als im Palast unter den ganzen Rei und dementsprechend auch gesprächiger. Er schien sich hier am wohlsten zu fühlen.
Und jetzt hatte er mich hierher gebracht, an den Ort, der ihm am teuersten war. Nun verstand ich auch, dass er mich aufheitern wollte. Deshalb hatte er mich her geführt und mir das verspielte Drachenbaby gezeigt.
Auf einmal bemerkte ich, dass irgendwas an meinem rechten Schuh rumwärkelte. Als ich hinsah, versuchte der kleine Drache gerade mir den Schuh vom Fuß zu ziehen. Hey!
„Oh oh, das hatte ich vergessen“, murmelte Luke mit einer hochgezogenen Augenbraue, „Der kleine liebt Schuhe und du solltest aufpassen, sonst…“
In dem Moment hatte der Kleine es geschafft mir den Turnschuh auszuziehen und rannte im Schweinsgalopp davon.
„Hey!“, rief ich verdattert.
„Sonst passiert das“, beendete Luke seinen Satz und grinste jedoch, „Mit mir hat er das auch mal gemacht und es hat fast drei Stunden gedauert, bis ich meinen Schuh zurück hatte.“
„Toll!“, sagte ich nur und musste aber lachen, „Super, du hättest mich nicht früher warnen können, oder?“
Sein Blick sagte alles.
„Dann hilf mir wenigstens“, sagte ich und hüpfte auf einem Bein in Richtung mittlerer Teil des Stalls, in die der kleine Drache gelaufen war.
„Stets zu Diensten.“ Luke verneigte sich galant, ehe er mir lächelnd folgte und sich netterweise mit auf die Suche nach dem Drachenbaby machte, das sich inzwischen irgendwo mit meinem Schuh versteckt hatte.
Da wir zu zweit waren, waren wir zumindest etwas schneller mit der Suche und fanden den kleinen Drachen schließlich in einem hohlen Strohballen, wobei ich allerdings feststellen musste, dass mein Schuh mittlerweile nur noch ein Stoff- und Plastikfetzen mit einer gut zerkauten Gummisole war. Im ersten Augenblick war ich wirklich resigniert, doch dann steckte mich Lukes Lachen an und letztlich gab ich dem kleinen Tunichtgut auch meinen zweiten Schuh.
Später hatte Luke mir netterweise noch ein paar neue Schuhe besorgt, auch wenn wir erstmal noch eine ganze Weile lang mit dem Drachenbaby gespielt hatten. Der etwa Zweiundzwanzigjährige hatte aus einem der metallenen Spinde eine Frisbeescheibe geholt und die hatten wir uns gegenseitig zugeworfen, sodass der Drache immer zwischen uns hin und her lief. Manchmal absichtlich und manchmal unabsichtlich hatten wir die runde Scheibe auch fallen gelassen, damit sich der Kleine sie schnappen und vor uns weglaufen konnte.
So brachte Luke schließlich ein schlafendes kleines Drachenkind zu seiner friedlich dösenden Mutter zurück, während ich in den Palast zurückkehrte und mich immer wieder über den kleinen Drachen amüsieren konnte. Zumindest bis ich Caros, Nemus und Yasmines Gesichter wieder vor meinem inneren Auge sah. Dann stiegen mir wie zuvor Tränen in die Augen und ich kämpfte hart gegen den Drang zu schluchzen an. Leider ohne großen Erfolg.