Wie Teddy seine Stimme fand
Leise öffnete Mias Mama die Tür. Sie trug etwas in ihren Händen, doch Mia konnte es nicht erkennen. Das Beruhigungsmittel machte sie sehr müde und lies alles um sie herum verschwommen erscheinen.
"Schau mal, was ich im Spielzimmer gefunden habe! Sieht der nicht genauso aus wie Felix, der Teddy, der bei Opa auf der Couch sitzt?"
Mia kniff die Augen zusammen und begutachtete den Plüschbären.
"Hast Recht. Genauso."
Das Mädchen lächelte und begrüßte den
Bären.
"Hallo Teddy! Du kannst mir Gesellschaft leisten, wenn du willst."
Und obwohl Mia Mühe hatte, ihr Umfeld zu erkennen, wollte sie schwören, der Bär habe in diesem Moment gelächelt.
Die Mutter beugte sich zu ihrer Tochter und küsste sie auf die Stirn.
"Es wird alles gut. Die Schwestern werden dich gleich runter in den OP bringen. Ich werde die ganze Zeit warten. Versprochen!"
"Aber wer kümmert sich um die Zwillinge?"
"Mach dir keine Sorgen. Oma ist daheim. Die versorgt die Kleinen."
"Singst du noch mal mein Lieblingslied, bevor die Schwestern kommen?"
Mias Mami lächelte und fing an leise zu summen, dann sang sie so schön wie immer:
"La le lu, nur der Mann im Mond schaut zu,wenn die kleinen Babys schlafen,
drum schlaf auch du...."
Mia hatte die letzten Worte mit in ihre Träume genommen und merkte nichts von der vielen Aufregung, die von da an um sie herrschte.
Die Zeit schien endlos. Mia hatte die OP gut überstanden und schlief sich nun scheinbar gesund.
Die Schwestern bestaunten das tapfere Mädchen, denn sie hatte seit der OP nicht ein einziges Mal geweint. Immer,
wenn sie wach wurde, suchten ihre Augen nur nach ihrer Mutter, die auch immer auf dem selben Stuhl neben dem Bett saß und ihr zulächelte, wenn sie erwachte.
"Singst du mein L..."
Doch zu mehr wahr sie nicht in der Lage. Das einzige, was sie noch sah, bevor ihr die Lider wieder schwer wurden, war der Teddy, der auf dem Fensterbrett saß und scheinbar über sie wachte.
Mit Tränen in den Augen nickte die Mutter und hockte sich neben das Bett der Kleinen, um ganz leise in ihr Ohr zu summen.
Draußen war es dunkel und windig. Die
Uhr kündigte langsam den nächsten Tag an.
Da fasste jemand Mias Mutter an der Schulter und flüsterte:
"Gehen sie nach Hause!"
Erschrocken drehte sie sich zur Schwester um und schüttelte den Kopf.
"Kommen sie!"
Die Schwester nahm sie an die Hand und führte sie in den Flur.
"Wir kümmern uns um sie. Kommen sie morgen wieder! Ihre Zwillinge brauchen sie auch."
Widerwillig und dennoch einsichtig verließ die Mutter das Krankenhaus.
Mia träumte vom Garten ihres Opas. Sie
rannte wie früher um den Teich und versuchte den Hund vom Nachbarn einzufangen, der mal wieder über den Zaun gesprungen war und nun die Katze jagte. Das Mädchen genoss das Gefühl zu rennen....bis ein stechender Schmerz ihr die Luft nahm und ihr Körper zu Boden fiel. Der Boden war weich und ...nun merkte sie, dass sie im Krankenhausbett lag, weit weg von Opas Garten und seiner Mieze, die er damals extra für sie aus dem Tierheim geholt hatte.
Plötzlich sprang die Tür auf und eine aufgeregte Krankenschwester schaute besorgt auf den Monitor neben Mias
Bett. Dann waren noch zwei weitere Schwestern im Zimmer und ein Arzt. Sie redeten durcheinander und eindeutig zu laut für Mias müde Ohren.
"Ist Mama hier?"
Doch niemand der Anwesenden vernahm ihr kaum hörbares Flüstern, bis auf einen - Teddy.
Er wollte ihr sagen, dass sie sicher gleich kommt, doch das einzige, was seinem hohlen Bauch entkroch, war ein schwaches Brummen, dass nur Mia hören konnte.
"Ist Ma hier?"
Ein Arzt, der sie nochmal mit seinem Stethoskop abhörte, sagte mit hastigen Worten:
"Wir bringen sie noch mal runter in den OP. Ich bereite alles vor. Schwester Anne, sorgen sie dafür, dass in fünf Minuten alles klar ist!"
Schwester Anne nicke und schaute besorgt auf das Kind.
"Mama?"
Teddy brummte und brummte, bis er schließlich vom Fensterbrett fiel. Erschrocken drehte sich die Schwester um und schaute auf den Bären.
Eilig setzt sie ihn auf den Stuhl, wo sonst die Mutter immer gesessen hatte.
Dann rannte sie kurz raus, um etwas zu holen.
"Mami, bist du da?"
Mia hatte Mühe, diese Worte zu
sprechen. Doch sie wollte so gern ihr Lied hören.
"Singst du für mich!"
Und dann geschah es. Aus Teddys tiefstem Inneren kam ein leises, nur für Mia hörbares 'Ja.'
Das Mädchen lächelte und schlief mit der Melodie im Kopf ein, die Teddy ihr nun so sanft wie nur möglich ins Ohr summte:
"La le lu,
nur der Mann im Mond schaut zu...."
Das ist nun sechs Monate her. Mia hat sich gut erholt und feiert ihren achten Geburtstag.
Viele Leute haben ihr viele Geschenke
gebracht, doch das schönste machte ihr ihr Opa. Er gab ihr seinen Felix, der von nun an nicht mehr von ihrer Seite wich.
Und der wahre Held, unser Teddy ist schon längst bei einem anderen Kind, doch davon ein anderes Mal...
(c) Shirley
02/2012