Journalismus & Glosse
Kennen Sie das?

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"Kennen Sie das?"
Veröffentlicht am 28. Januar 2012, 8 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Über den Autor:

Einst brach ich auf, eine Welt zu erobern! Heut sitz ich in einem Käfig voller Narren! So kam ich zum Entschluss, "Will Hofnarr sein!" Und daran arbeite ich nun, in Berlin, das durch seine einmalige Nähe von Ost und West vielleicht schon einen Gedanken voraus ist. Mag sein, dass dieser Gedanke auch Nord und Süd einander etwas näher bringen kann.
Kennen Sie das?

Kennen Sie das?

Beschreibung

Bei allem, was Recht ist?

 

Kennen Sie das, wenn da jemand die Straße noch bei grüner Ampel betritt und betont lässig schlendert? Die Ampel zeigt nun schon rot, aber er schlendert! Schlendert und stört sich nicht daran, dass die Linksabbieger nicht zügig von der Kreuzung kommen.

Er fühlt sich im Recht! So wie die Kraftfahrer, die jetzt hupen, denn des Fußgängers Ampel zeigt längst rot!

Oder sind Sie schon mal, in Terminnot, durch die Stadt gefahren, und der Idiot vor Ihnen fährt Strich fünfzig? … nach seinem Tacho! Dabei weiß man doch, dass Tachometer vorgehen! Und auch Geschwindigkeitskontrollen müssen Toleranzen akzeptieren. Also, Tacho - sechzig sind immer ungestraft drin! Wenn Sie dann, leicht wutschnaubend, herunter schalten und mit Vollgas überholen, vielleicht sogar über eine geschlossene Linie, werden Sie garantiert durch die Lichthupe des Trödlers attackiert. Denn - er ist im Recht! Sie - haben Recht gebrochen!

Hundertdreißig! Das ist die deutsche Richtgeschwindigkeit für Autobahnen! Und die gilt für alle Spuren! Also, warum die mittlere oder linke Spur freigeben, … schließlich fährt man genau hundertdreißig! Richtgeschwindigkeit! Deutsche Richtgeschwindigkeit! Man ist Deutsch! Man ist Richtgeschwindigkeit … Richtschnur … Richter!

Ja, ich weiß, … Ordnung ist das halbe Leben! Aber was ist die andere Hälfte? Im Recht zu sein? Oder, Recht zu haben? Unordnung, vielleicht sogar Chaos? Oder vielleicht auch nur rechtsfreier Raum? Ich weiß es nicht! Und ganz ehrlich, - ich habe sogar Angst davor!

Wie soll ich das erklären? Ach ja! Vielleicht so: Also, damals, in Vietnam, genauer in Hanoi, wollte ich eine Straße überqueren. War das ein Gewusel! Tausende Fahrräder, Mopeds und einige Autos, keine Ampel, kein Überweg, kein Polizist, der mir den Weg öffnete. So stand ich da und traute mich nicht. Ich bewunderte die fußgängigen Vietnamesen, die einfach aufs Gradewohl die Straße betraten, und schnurstracks, gleichmäßigen Tempos die Straße querten. Lange musste ich diese Szene beobachten, bis ich erkannte, dass sie auf ihrem Weg fast unmerklich den Fahrrädern, Mopeds und Autos auswichen. Immer hintenherum. Und die Anderen wieder, wichen den Fußgängern aus, auch hinter diesen herum.

So stiefelte ich los. Aber es ging nicht so asiatisch geschmeidig, denn der deutsche Kopf lenkte meinen Körper. Dieser Kopf sagte plötzlich - halt! Was, wenn er dich mit Recht überfährt? Der Gedanke stoppte den Körper für Hundertstel einer Sekunde … und fast wäre ich angefahren worden. Bremsen quietschten, alles stand! Trotz der Enge fuhr aber niemand auf. Alle sahen mich an, schnatterten oder riefen mir etwas zu. Na prima! Dachte ich, gleich kommt ein Polizist, und alle werden mich für schuldig erklären. Kam aber keiner! Und ich sah lächelnde, keine wütenden Gesichter. Einige winkten mir zu … nein, sie winkten in die Richtung, in die ich wollte. Da ergriff plötzlich ein alter Mann, der hinter mir die Straße betreten hatte, meinen Arm und zog mich vorwärts. Er hatte ein langes dünnes Bärtchen, war klein, schlank mit gütig listigen Augen. Ich dachte sofort an Onkel Ho. Er brachte mich bis zum Haus meiner Schwiegereltern, blieb auf einen Tee. Natürlich erzählte er, was vorgefallen. Alle lachten! Doch niemand lachte mich aus, oder fragte warum ich so gehandelt hätte. Das war ja auch jedem klar, dass ich so gehandelt habe, weil ich über die Straße wollte.

Verstehen Sie nun, warum ich Angst davor habe?

Nein? Also, hören Sie mal! Bei jeder Handlung müsste ich überlegen, ob nicht ein Anderer zu Schaden käme. Schlimmer noch, ich müsste darauf vertrauen, dass mir die Anderen nicht schaden wollen! Das ist doch blauäugig, oder? Wahrscheinlich würde ich an jeder Straße auf den kleinen alten Mann warten. Wie soll man da vorwärts kommen?

Nee, nee! Da ist mir doch lieber, wenn ich weiß, dass ich im Recht bin! Und wer mein Recht missachtet, wird bestraft! Egal, ob ich hätte noch bremsen können! Und selbst, wenn ich dann im Rollstuhl säße, ich hätte die Genugtuung, der Rechtsbrecher ist bestraft. Das ist doch eine erhebliche Steigerung der Lebensqualität, gegenüber einem Dahinsiechen im Rollstuhl, ohne jede Genugtuung! Tja, und wenn der Andere, der Rechtsbrecher im Rollstuhl sitzt, oder gar ums Leben kam, dann hat er seine Strafe schon. Und er weiß auch – warum! Explizit wüsste …

Also, ich denke, die andere Hälfte des Lebens ist, für gescheite Leute, Recht zu haben!

Wozu auch sonst die ganzen Rechtschutzversicherungen, die Unmengen an Rechtsanwälten und Rechtsberatern, Rechtsausschüssen, Gesetzen, Verordnungen und was weiß ich nicht alles?

Und überlegen Sie mal, was die im Jahr so umsetzen! Das bringt ordentlich was fürs Bruttosozialprodukt und das Wirtschaftswachstum im Inland, also auch Kaufkraft!

Kaufkraft für wen? Aber das ist doch zweitrangig, bei allem, was Recht ist! Und immerhin, auch die haben Gehilfen, müssen Papier und Druckerpatronen kaufen, laufen sich die Schuhe kaputt, verbrauchen Benzin und teure Autos. Ja, essen müssen sie auch. Und wenn's gut läuft, kommen auch endlich mal die teuren Spirituosen aus den Regalen.

Dass Vietnam zurzeit ein wesentlich höheres Wachstum als alle Rechtsstaaten dieser Erde hat, ist nur eine Episode! Wer weiß, was sich diese kleinen, schlanken Alten mit ihren
Onkel – Ho – Bärtchen und den listigen Augen da ausgedacht haben, uns zu täuschen?

Mit rechten Dingen kann das nicht zugehen!

Bei allem, was Recht ist.

 

PeKa

 

 

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Hörbuch

Über den Autor

pekaberlin
Einst brach ich auf, eine Welt zu erobern! Heut sitz ich in einem Käfig voller Narren! So kam ich zum Entschluss, "Will Hofnarr sein!" Und daran arbeite ich nun, in Berlin, das durch seine einmalige Nähe von Ost und West vielleicht schon einen Gedanken voraus ist. Mag sein, dass dieser Gedanke auch Nord und Süd einander etwas näher bringen kann.

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Sealord Gerne gelesen!
LG Uwe
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Danke, Uwe!
Ich hab's auch gern geschrieben, mit einer kleinen, selbstironischen Lachträne im Augenwinkel.
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Habe es gerne nochmals gelesen, - lieber Peter und es hat nichts von seiner Aktualität verloren.Du hast recht, wir Deutschen sind so sehr damit beschäftigt, für Alles und Jedes Gesetze auszudenken, dass wir darüber ganz verlernen zu leben.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Re: -
Zitat: (Original von ViktorL am 19.06.2013 - 08:48 Uhr) Manchmal - so wie auch bei Deinem Text - denke ich mir - wir "Mitteleuropäer" sind schon ein eigenes Völkchen. Deutsche und Österreicher sind sich diesbezüglich sehr nahe....

Mir ist es in den südlichen Gefilden Europas (Spanien, Türkei,...) ähnlich gegangen wie Dir - keine Ampeln - zweispurige Straßen, die auch ab und zu zu dreispurigen wurden - und ich lebe noch immer - und wurde nicht mal leicht verletzt....das hat meine Rechtschutzversicherung ziemlich geärgert....ah so, hab ja gar keine....

Regeln sind o.k. - keine Frage, aber ob ich immer darauf beharren muss, nur das ich das geschützte Gefühl habe im Recht zu sein....

Lieben Gruß
Viktor

Genau, Viktor!
Darum Geht's! Im Recht zu sein, befreit noch lange nicht von Verantwortungsgefühl, Rücksicht und Menschlichkeit!
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
avewien Manchmal - so wie auch bei Deinem Text - denke ich mir - wir "Mitteleuropäer" sind schon ein eigenes Völkchen. Deutsche und Österreicher sind sich diesbezüglich sehr nahe....

Mir ist es in den südlichen Gefilden Europas (Spanien, Türkei,...) ähnlich gegangen wie Dir - keine Ampeln - zweispurige Straßen, die auch ab und zu zu dreispurigen wurden - und ich lebe noch immer - und wurde nicht mal leicht verletzt....das hat meine Rechtschutzversicherung ziemlich geärgert....ah so, hab ja gar keine....

Regeln sind o.k. - keine Frage, aber ob ich immer darauf beharren muss, nur das ich das geschützte Gefühl habe im Recht zu sein....

Lieben Gruß
Viktor
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Re: Grinsend nicke ich, -
Zitat: (Original von flovonbistram am 15.06.2013 - 13:21 Uhr) denn ich bin so ein genau 50-oderwasvorgeschriebenist-Fahrer
Hat richtig Spaß gemacht, zu lesen und immer wieder in ein leichtes Nicken zu verfallen
;-)
Grüße von Flo


Ist ja auch nicht verwerflich!
MEIST halte ich mich ja auch daran, nur will und kann ich niemanden daran hindern, es anders zu tun. Nur - weil ich Recht habe - will ich niemanden gefährden, selbst den "Rechtsbrecher" nicht.
Vielen Dank für's Lesen und den Kommentar!
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Grinsend nicke ich, - denn ich bin so ein genau 50-oderwasvorgeschriebenist-Fahrer
Hat richtig Spaß gemacht, zu lesen und immer wieder in ein leichtes Nicken zu verfallen
;-)
Grüße von Flo
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Re: das ist der Unterschied zwischen Fernost -
Zitat: (Original von Boris am 01.06.2013 - 19:31 Uhr) und Regelgegenwart
hast Du gut beschrieben

LG Jürgen


Hi Jürgen,
oder auch der Unterschied zwischen Menschlichkeit und Recht ...

Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Boris das ist der Unterschied zwischen Fernost - und Regelgegenwart
hast Du gut beschrieben

LG Jürgen
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Re: Zwar, na ja, diese Autofahrer... -
Zitat: (Original von Brubeckfan am 31.05.2013 - 20:25 Uhr) Ein echter "Peter"!
Bloß ob 10 km/h und Aufregung Dir wirklich Pünktlichkeit und Lebensqualität bringen, mußt Du für Dich berechnen. Für mich sind Autos auch mit "nur" Tempo 130 viel zu hochgezüchtete Mord- und Selbstmordmaschinen. (Keine Bange, Du wirst mich nie vor Dir haben.)
Aber ein anderes Beispiel: Ich bin im Recht, mir steht das zu, also bestehe ich zänkisch drauf. Etwa alles, was der Urlaubsprospekt versprach, und seien das Gastland noch so arm und das Gastvolk noch so liebenswürdig. Die mach ich für den vergessenen Brotkorb zur Schnecke, ganz klar.
Wir erfreuten uns schon eines griesgrämigen deutschen Touristen in Tunesien, der täglich die Temperatur des Pools maß und notierte.
So wird Urlaub schön für alle.

Hab ich Recht?
Gerd


Du hast vollkommen Recht, Gerd!
Und vor allem, hast du begriffen, dass der Straßenverkehr nur die Metapher ist für das Volk der Autonarren.
Dank dir und liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
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