Identität ist wichtig. Zu wissen wer man ist. Doch was passiert, wenn man sich dessen nicht sicher sein kann? "Wer bin ich?" ist eine Frage die sich auch Sophia Jones stellen wird. Die Antwort darauf wird ihr ganzes Leben verändern.
To Open Closed Doors
(by DRI)
Swimming through black Vaseline
Is my existence just a dream?
Can not tell which way is up
What's below or what's above
Fighting for a breath of air
I breath in but it's not there
So as my world melts away
I pray
That I will be OK someday
And may I not stay this way
Then after that I take some more
Hoping that will open the door
But the door is locked
From the outside
„Hey Sophia, wohin gehst du?“ Rebecca lief ihrer besten Freundin durch den vollen Korridor hinterher. „Hey, wir haben eine Lesung? Jetzt? Raum 12? Oder hast du das mal wieder bewusst verdrängt?“ Rebecca sah Sophia einen kurzen Moment überrascht an, als die Erinnerungen an die morgendliche Lesung wieder in ihr Gedächtnis zurückkamen. „Teilchenphysik, du hast Recht, da war was.“ Sophia konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und die beiden bahnten sich den Weg weiter zu ihrem Vorlesungssaal.
„Der Wahnsinn, ich bewundere es echt immer wieder, dass es doch so viele Verrückte wie uns gibt, die freiwillig Physik studieren. Warum genau machen wir das nochmal?“ Sophia wies Rebecca an die letzten beiden freien Plätze einzunehmen und legte ihre Unterlagen vor sich auf den Tisch. „Weil wir es wollten und uns dafür interessieren?“ Rebecca lachte und stockte plötzlich, als Ms. Fears den Raum betrat. „Weißt du, nach einem Jahr macht sie mir immer noch Angst.“ Sophia sah die, für Rebecca, beängstigende Frau mit den langen, lockigen, blonden Haaren gespannt an. „Du hast Recht, sie hat irgendwie etwas…Seltsames an sich.“
Die Lesung wurde zu einer Qual und Sophia begann gedankenverloren auf ihrem Block herum zu kritzeln. Alle anderen waren damit beschäftigt die Lesung auf ihren Tablet-PCs zu dokumentieren. Sophia, obwohl sie in dieser Welt aufgewachsen war, hielt nie viel von der ganzen Elektronik. Während ihre Freunde an Weihnachten sich mit einem Hologramm-Baum begnügten, fuhren ihr Vater und Sophia jedes Jahr in den angrenzenden Wald und fällten einen Weihnachtsbaum, den sie dann altmodisch schmückten. Und obwohl jeder Schüler des Instituts einen Tablet-PC bekam, bevorzugte Sophia einen normalen Collegeblock mit Kugelschreiber, die mittlerweile schon schwer zu bekommen waren, da dies schon vor Sophias Geburt nicht mehr zu der Ausstattung eines Schülers gehörte. Sie wurde auch immer von allen seltsam angesehen, aber das war ihr egal. Ihre ganze Familie war so. Selbst ihr Vater, der in die „neue“ Welt, so wie sie genannt wurde, hereingeboren war, selbst ihm wurde von seiner Mutter schon immer beigebracht, an den alten Dingen festzuhalten.
Sophia kam es auch manchmal vor, als sei sie die Einzige, die ab und zu in die Bücherei, wohlgemerkt gab es in ganz Atlanta nur eine einzige, winzige Bücherei, mit echten Büchern, ging um sich richtige Bücher auszulesen. Tintenherz, Sofies Welt (vielleicht mochte sie dieses Buch gerade, weil Sofie sie an sich selbst, Sophia, erinnerte) oder auch Harry Potter, alles Bücher die längst in Vergessenheit geraten waren. Sophia hatte sie immer und immer wieder gelesen, weil sie sie in eine andere Welt, eine bessere Welt entführten. Doch gerade Sofies Welt war ein Buch über welches sie so oft nachdachte. Wer bin ich? Das war eine Frage, die auch sie sich oft stellte. Denn um ehrlich zu sein, wusste sie nicht, wer sie war. Sie wusste es nicht. Und es gab noch so viele Fragen, über dessen Antwort sie sich nicht sicher war. Am Nachmittag fuhr Sophia mit ihrem Fahrrad rüber zu dem Wohngebäude, indem alle Angestellten des Black-Rose-Instituts wohnten. Das Institut, ein unglaublich großes Gebäude, was den Großteil des Regierungsbezirks Atlanta ausmachte, beschäftige sich vor allem mit Forschung und der Förderung und Bildung der Jugendlichen. Dort befand sich ebenfalls der Regierungssitz des Bezirks. Um es herum, gab es nichts, absolut nichts, abgesehen von Wäldern, verlassenen und längst zerfallenen alten Städten, wilden Tieren, Seen, Flüssen und Wüste, unglaubliche, weite Wüsten. Doch dieses Fleckchen Erde hatte nicht immer so ausgesehen, so schrieben es jedenfalls die Gesichtsbücher. Früher, gab es unglaubliche viele Städte, Stadt an Stadt und eine unglaubliche Bevölkerung.
Vor einigen Jahrzehnten war jedoch ein erbitterter Kampf zwischen den Nationen der Erde ausgebrochen, welcher alles änderte. Es gab einen Zusammenbruch des Finanzmarktes, Ressourcen waren kaum noch vorhanden, die meisten Tiere ausgerottet. Die Menschen packte eine Panik und ein schrecklicher Krieg brach aus. Zweidrittel der Weltbevölkerung wurden in dieser Schlacht geopfert. Die Überlebenden schlossen sich zu Bezirken zusammen, sowie jenes Bezirk, indem Sophia lebte.
Manchmal wünschte Sophia sich, dass es nie dazu gekommen wäre. Sie hätte andere Länder bereisen können. Sie hatte von ihnen gelesen, hatte Bilder gesehen. Man konnte frei leben, tun was man wollte. Das Leben wäre so viel schöner. Aber es war besser, seinen Träumen nicht so hinterher zu trauern und im Hier und Jetzt zu leben.
Sophias Vater war ein Sicherheitsbeamter und gehörte somit zur Polizei des Bezirkes. Er war unteranderem für die Sicherheit des Black-Rose-Instituts zuständig. Er war ein liebenswerter Mann und sah noch recht jung und gut aus, dafür, dass er eine bereits erwachsene Tochter hatte. Sein Haar war hellbraun und stand meist in alle Richtungen ab. Seine warmen, blauen Augen passten in sein Gesamtbild. Sophia fragte sich oft, warum er mit seinem Aussehen nicht längst wieder eine Frau gefunden hatte. Doch sie war sich auch bewusst, dass ihr Vater ihr Mutter sehr geliebt hatte, denn er sprach nie von ihr, und wenn er es tat, dann wurde seine Stimme brüchig und eine Träne kullerte über seine Wange.
„Hallo Liebling, wie war die Schule?“ Rick Jones nahm seine Tochter sachte in den Arm und drückte ihren einen Kuss aufs Haar. „Alles gut. Hast du schon was gegessen?“ Sophia drängte sich an ihrem Vater vorbei in die Küche. „Nein, naja du weißt, meine Kochkünste sind mager.“ Sophia konnte sich einen Lacher nicht unterdrücken. Ihr Vater hatte sich bei ihrer Erziehung wirkliche Mühe gegebene, um sie auf die richtige Bahn zu bringen, auch ohne ihre Mutter. Und das war ihm auch gut gelungen. Trotzdem fehlte Sophia ihre Mutter, auch wenn sie sie nicht wirklich kannte. Alle Probleme die eine Frau in der Pubertät hatte musste ihre Tante Elizabeth lösen, welche vor zwei Jahren allerdings verstarb. Zum Glück hatte Elizabeth ihrer Nichte zu diesem Zeitpunkt bereits die wichtigsten Dinge im Leben mit auf den Weg gegeben und Sophia war zu einer jungen Frau herangewachsen.
Sie erinnerte sich gerne an die Zeit, die sie mit ihrer Tante Elizabeth verbrachte. Sie war eine tolle Frau. Sie erzählte ihr oft Geschichten von ihrer Mutter, dass sie ihre beste Freundin gewesen war – und wunderschön. Lange, braune Locken und hellblaue Augen, genauso wie Sophia. Sie las ihr Gutenachtgeschichten vor, zeigte ihr wie man sich schminkte, als sie alt genug dazu war, wobei Sophia sich später gegen Make-Up und Wimperntusche entschied. Im Großen und Ganzen hatte sie eine wohlbehütete Kindheit, auch ohne ihre Mutter. Das Einzige was sie wirklich immer beschäftigte war der Grund für die Abwesenheit ihrer Mutter – es gab keinen. Man sagte ihre immer nur, dass sie auf einer langen Reise war. Als Sophia im Alter von zehn irgendwann mitbekam, dass man dies oft zu Kindern sagte, dessen Eltern verstorben waren, wartete sie auf den Tag an dem Elizabeth und Rick ihr endlich sagten, was Sache war. Doch nichts – ihre Mutter bliebt auf einer langen Reise.
An einem wunderschönen Dezembermorgen, Sophia war gerade vierzehn, kletterte sie auf den Dachboden des Hauses in dem Elizabeth wohnte. Es war staubig und schmutzig, doch genau der richtige Ort um nach Schätzen zu suchen. Sie dachte sich nichts dabei, als sie begann den Dachboden zu erkunden. Sie fand Fotoalben, etwas, wie man ihr sagte, worin früher Bilder aufbewahrt wurden, was in der heutigen Zeit jedoch längst modernisiert war und ein richtiges Fotoalbum mit richtigen Bildern eine wahre Rarität war. Die Bilder zeigten Menschen mit glücklichen Gesichtern in Städten, an großen Gewässern, in einer anderen Welt. Eine Frau auf den Bildern stach jedoch besonders hervor. Sie hatte wunderschöne lange, lockige Haare und eisblaue Augen. Sie erweckte in Sophia sofort ein vertrautes Gefühl. Sie schlug die letzte Seite des Albums auf. In kleiner, schnörkeliger Schrift stand einfach nur „Für Maria – in Erinnerung an eine glückliche Zeit“ da. Maria war der Name ihrer Mutter gewesen, so viel war Sophia bewusst, aber diese Frau konnte unmöglich ihre Mutter sein. Seit mehreren Jahrzehnten bewahrte schon niemand mehr Fotos in einem Fotoalbum auf und die Bilder schienen auch nicht in dem Bezirk, in dem Sophia wohnte, entstanden zu sein.
Plötzlich ertönte ein schrilles „Sophia!“ hinter ihr. Elizabeth stand direkt hinter ihr und nahm ihr das Fotoalbum aus der Hand. „Was hast du denn hier zu suchen?“ Verwirrt stand das kleine Mädchen auf und sah ihre Tante an. „Nichts, ich wollte nur…“ – „Es gibt Essen, dein Vater wartet unten. Husch, husch!“
Also Sophia den Dachboden nach Elizabeth Tod betrat um nach dem Fotoalbum zu suchen und nach weiteren Dingen, die vielleicht auf ihre Mutter schließen würden, war alles verschwunden. Der Dachboden war leer.
Die ungeklärte Frage nach dem Aufenthaltsort ihrer Mutter war für Sophia für eine unlösbare Frage geworden. Mittlerweile hatte sie es aufgegeben. Sie war sich sicher, sowieso keine Antwort darauf zu erhalten, zumindest nicht von ihrer Familie.
Trotzdem, es nagte immer an ihr, egal was sie tat. Sophia war sich jedoch sicher, irgendwann selbst eine Antwort zu finden, egal wie lange es wohl dauern würde.
„Zum Glück hat dir Elizabeth ihr Rezept für ihre legendären Pancakes anvertraut.“ Rick legte Messer und Gabel auf seinen leeren Teller und Sophia räumte das Geschirr in die Küche. „Ja, eine absolute Abwechslung zum synthetischen Essen, was man, dank dem Mangel an Grundnahrungsmitteln, sonst so bekommt.“ Rick folgte seiner Tochter in die Küche und lehnte sich an die Arbeitsplatte. Aus dem Wohnzimmer waren leise Stimmen zu hören. „Was ist das?“ Sophia lies das Geschirr liegen und ging ins Wohnzimmer. Ihr Vater folgte ihr und steuerte zielstrebig auf seine Jacke zu. „Mein Funkgerät.“ Er nahm das winzige Headset und steckte es sich ans Ohr. „Aaron, was gibt es?“ Man hörte eine hektische Männerstimme. Stille. Wieder die Stimme. „Ja okay, ich bin sofort da!“ Rick zog seine Jacke an und sah Sophia an. „Sie scheinen im Institut irgendwas gefunden zu haben. Einen Raum. Ich habe es nicht ganz verstanden, aber ich soll sofort kommen.“ Sophia nickte und schnappte sich ihre Jacke. „Ich komme mit.“ Die beiden verließen die Wohnung.
Am Institut herrschte reges Treiben als Rick und Sophia ankamen. Sie trafen sofort auf Ricks Kollegen, Aaron, der sie bereits erwartete und durchs Institut führte. Sophia folgte ihrem Vater aus Neugierde. Es war eher selten, dass hier irgendetwas spannendes passierte. Oder das überhaupt etwas passierte. Eigentliche durchlebte man immer nur den Selben Trott. Man stand auf, ging zum Unterricht, aß etwas, machte sich an seine Hausarbeiten, aß was, ging schlafen. Sophia ging eigentlich nie feiern oder traf sich abends mit Freunden. Allgemein hatte sie eher wenige Freunde. Rebecca war ihre engste Vertraute. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit und waren zusammen aufgewachsen. Mit den anderen am Institut kam Sophia nicht unbedingt klar. Da waren die aufgebauschten Hühner, die wahrscheinlich selbst keine Ahnung hatten, warum sie eigentlich studierten, offensichtlich um noch mehr Ansehen zu erlangen und natürlich, dass noch mehr Jungs ihnen hinterher liefen.
Dann waren da noch die totalen Nerds. Sie schienen sich nie zu waschen und nur einmal am Tag ins Tageslicht zu treten, um nach etwas Nahrhaftem zu suchen.
Zu guter Letzt gab es die Normalen, weder eingebildet, noch zu verrückt. Das wirklich blöde an ihnen war, dass diese Art am Aussterben war. Zu diesen gehörten auch Sophia und Rebecca.
Auf dem Weg wurde sie durch andere neugierigen Schülern und Angestellten von ihrem Vater getrennt und bahnte sich den Weg ein paar Meter hinter ihm durch die Korridore. Einige Meter vor einer Tür tummelte sich die Menge. Sophia blieb ganz hinten stehen und beobachtete das Geschehen. Ms. Fears, Rick und Aaron standen mit ein paar dunkelgekleideten Männern ganz vorne. Sophia konzentrierte sich um ein paar Gesprächsfetzen mitzubekommen. „Eine Tür? Auf einmal? Keiner bekommt sie auf? Menschen wegbringen…“ Die Menge wurde plötzlich nach hinten gedrängt, doch Sophia starrte die Tür einfach nur fasziniert an. Es war einfach eine Tür. Eine weiße Tür aus Metall. Nichts Besonderes und doch magisch. Der Tumult um sie herum, schien für Sophia nicht da zu sein. Alles um sie herum schien vergessen. Diese Tür, sie strahlte etwas aus, etwas was sie nicht verstand. Sophia meinte sogar, die Tür würde sie rufen, ihren Namen, immer und immer wieder. Doch dann wurde sie aus ihrer Trance gerissen. „Sophia!“ Ihr Vater hatte sie an den Schultern gepackt. „Du musst auch gehen!“ Sophia sah ein letztes Mal zu der faszinierenden Tür und folgte dann den anderen Schülern zu den Schlafsälen der Studenten.
„Oh mein Gott, Sophia, was ist denn im Institut los?“ Sophia betrat kaum ihr Zimmer, schon stand ihre Freundin Rebecca direkt vor ihr. „Was? Ach so. Die haben irgendwas gefunden.“ Sophia ging an ihr vorbei, hinüber zu ihrem Bett, auf welches sie ihre Tasche stellte. Rebecca sah ihre Freundin skeptisch an. „Bist du in Ordnung?“ Sophia erwachte schlussendlich komplett aus ihrer Trance, drehte sich zu Rebecca um und kreuzte ihre Arme vor der Brust. „Ja klar, was soll denn los sein?“ Sie setzte sich auf ihr Bett und nahm ihre geliebte Katze, die mit ihr ebenfalls in das Studentenwohnheim gezogen war, auf den Arm und streichelte sie geistesabwesend. Was Rebecca sagte, hörte sie gar nicht. Sie dachte die ganze Zeit daran, warum sie von dieser unscheinbaren Tür so angezogen wurde, was war dahinter? Warum sie?
Es war absolut seltsam, unerklärlich. Sie sah die ganze Zeit diese Tür vor sich, sie ließ sie nicht los. Doch wie könnte sie hinter das Geheimnis kommen, was hinter dieser Tür steckte. Sie musste nochmals dorthin, um mehr heraus zu finden.
Sophia nahm sich vor heute Nacht nochmals dorthin zurückzukehren und sich die Sache genauer anzusehen. „Hey, du willst doch wissen, was sich hinter dieser Tür versteckt? Wir sehen uns das heute Nacht genauer an.“ Rebecca lächelte zufrieden. „So gefällt mir das.“