- warten -
Der Cappuccino in der weißen Porzellantasse vor mir ist inzwischen fast kalt- und ich habe noch nicht einen Schluck davon getrunken. Keks, Zucker und Löffel liegen unberührt da.
Die weiße Spitzendecke auf dem kreisrunden Tisch darunter flattert ein Wenig im milden Sommerwind, so als wollte sie jeden Moment wegfliegen. Ganz weit weg von hier.
So unendlich weit weg – So wie ich mich auch manchmal nach anderen Welten sehne. Ich seufze leise auf. Blicke mich um. Auf der anderen
Straßenseite sehe ich dutzende Kinder mit Schultaschen und müden Blicken in einen Bus drängen. Daneben läuft eine junge Frau über die rot leuchtende Ampel und flucht kopfschüttelnd über den Autofahrer, der mit quietschenden Reifen gerade noch gehalten hatte. In meinen Ohren hallen dabei laut das Brummen von Automotoren und das Bellen eines Hundes und die Rufe von den vielen Menschen, die blind aneinander und an mir vorbeieilen.
Meine Hände sind gefaltet. Wie zu einem Gebet, von dem ich weiß, dass es wahrscheinlich niemals erhört wird; Während ich still weiter vor meinem Cappuccino sitze und warte.
Ein Kellner, groß gewachsen und freundlich lächelnd, schlängelt sich dicht an mir vorbei quer durch die vielen Tische und Stühle, die wie ein einfarbiges Schachbrettmuster angeordnet sind. Er verschwindet mit dem voll gepackten Tablett zurück in das alte Eckcafé, das es schon gab als meine Großmutter noch ein junges Mädchen war. „Café Stube“ hieß es schon damals; Nur die Besitzer sind heute schon seit langem neue Leute.
Ich lehne mich zurück und meine Augen streifen kurz das Ziffernblatt der Kirchenuhr.
Es ist bereits nach Eins. Die Sonne steht hoch über den Wolken am Himmel, der
über den Dachgiebeln in einem beruhigenden Blauton erstrahlt. Es ist ein wohlig warmer Tag im Juni. Der Sommer ist noch jung und frisch und wartet irgendwo darauf, die Städte nach und nach einzunehmen.
Eine Stunde ist es her, dass ich mich her gesetzt habe, um zu warten.
Aber worauf ich genau warte, dass weiß ich nicht.Vielleicht auf einen Menschen, der sich zu mir setzt anstatt blind in Hektik weiterzugehen.
Vielleicht auf jemanden, der mich retten kann vor diesem unheimlichen Gefühl alleine in der Welt zu sein, das mich manchmal mitten in der Nacht überkommt. Und vielleicht auch auf
Freunde und nette Bekannte, die ich jetzt einfach noch nicht kenne.
Am Tisch neben mir wirft sich ein junges Paar verliebte Blicke zu. Sie habend die Hände ineinander gelegt und der dunkelblonde Mann umschmeichelt das Mädchen mit liebenden Worten. Sie lächelt, während der Kellner von eben zwei Eisbecher auf den Tisch stellt.
Gleich dahinter sitzen Mann und Frau mit ihren beiden Kindern. Das eine Mädchen ist kaum älter als Sieben und freut sich unsagbar über die Sahnehaube auf dem heißen Kakao.
Ich spüre ein sanftes Stechen in meiner Brust; An der Stelle, wo sich in etwa das Herz befinden muss und entscheide
mich den Cappuccino zu bezahlen und aufzustehen.
Wenn es Gebrechen in der Welt gibt, dann mag es die Einsamkeit sein, denke ich. Einsamkeit macht nichts als Kummer und Schmerz und manchmal den Hass auf sich selbst. Ich schaue noch einmal zurück auf den Stuhl und den Tisch und die weiße Porzellantasse, dann drehe ich mich um und gehe.
Ich werde in den Park gehen, mich auf eine Bank setzen und dort weiter warten.
(c)Fiona Wicka, 2012