Romane & Erzählungen
Der Bettler

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"Der Bettler"
Veröffentlicht am 11. März 2008, 14 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Der Bettler

Der Bettler

Beschreibung

Eine Geschichte für alle die, die noch Träume haben und die, die sie verloren glauben. :o)

Wenn man jung ist hat man noch Ideale. Wenn man jung ist hat man noch Träume, Ziele und Wünsche. Man glaubt an einem Tag die ganze Welt erobern zu können, sie zu revolutionieren.

Ja, auch ich war so ein Mensch.

Ein Klingeln an der Tür holt mich aus dem Schlaf. Nur mühsam kann ich durch meine verquollenen Augen erkennen, dass bereits ein neuer Tag begonnen hat. Noch so ein Tag an dem man sich besser wünschte nicht aufstehen zu müssen. Es klingelt noch einmal. „Hau doch ab du Blutsauger! Die Tür öffne ich dir eh nicht!“ brummele ich mir in meinen hässlichen 3-Tagebart. Immer wollen sie nur das Selbe, diese Leute vom Amt. Immer wollen sie Geld, Geld, dass ich nicht habe. „Zum Leben zu wenig und zum sterben zu viel“, eigenartig, früher konnte ich nie verstehen, was damit gemeint war.

Früher, als ich noch jung war.

Mit einem Ziehen in jedem Muskel quäle ich mich aus dem Bett und schleife meinen Körper in das Bad dieser ekligen Absteige. Es hat noch die kleinen alten grünen Mosaikfliesen nicht vorstellbar, dass man so etwas mal mochte. Alt, ja so war alles hier, die Fliesen, die Tapete, die Möbel. Alt und dreckig, so wie ich es jetzt bin.

Durch das letzte Stück Spiegel, dass noch nicht von Tabak und Dreck zerfressen ist starre ich in das Gesicht, dass sich mir dort zeigt. Angeekelt übergebe ich mich im Waschbecken. Der stinkende Geruch des Restalkohols erinnert mich an meinen gestrigen Abend.

Aber das war nicht immer so.

Vor einiger Zeit noch war ich einer der reichsten Männer dieser Stadt. Fast hätte ich wie Dagobert Duck in meinem Geld schwimmen können.

Ja, mir ging es wirklich gut. Ich hatte ein Appartement in der schönsten Gegend, eine wundervolle Frau und eine hübsche und kluge kleine Tochter. Die Geschäfte liefen fabelhaft, bis ich mich aus Geldgier an der Börse verkalkulierte und meine Firma innerhalb weniger Wochen bankrott ging.

Das alles ist nun sechs Monate her. Verkraftet habe ich es nicht. Auf einen Abend in der Kneipe folgte ein nächster. Alle Versuche meiner Frau mich wieder aufzumuntern und im normalen Leben zu integrieren scheiterten kläglich. Es vergingen 3 Monate, mein Zustand wurde schlechter und sie zunehmend uneinsichtiger. Bis sie dann eines Tages ihre Sachen packte und mit meinem Kind,meinem einzigen Lichtblick auszog. Jetzt war es ganz vorbei. Nächtelang hielt ich mich in irgendwelchen Kneipen auf. Rauchte, prügelte mich mit irgendwelchen Typen und versuchte mein Selbstmitleid in Alkohol zu ersaufen. Irgendwann kamen die ersten Weiber, die ersten Drogen, die ersten Filmrisse. Ich verlor mein Appartement, meine Tochter wendete sich von mir ab und ich fiel weiter und weiter.

Wie ich hierher kam weiß ich nicht mehr. Aber nun bin ich hier, in diesem Drechsloch, mit meiner Kotze im Waschbecken.

Während ich mit dem Wasser versuche alles weg zu spülen betrachte ich mich weiter im Spiegel, muss den Würgereiz unterdrücken, der wieder in mir aufsteigt.

Früher war alles anders. Auf dem Kopf, wo sich jetzt nur noch ein paar Stoppeln befinden um von den kahlen Stellen abzulenken, befand sich damals eine dicke lange Mähne. Überhaupt war dieser Typ im Spiegel ein wirklich schöner junger Mann gewesen, so mit 20 Jahren. An diese Zeit erinnerte er sich jetzt oft zurück. Nicht nur wegen der schönen Frauen, des leichten Lebens und der Träume, denen man in diesem Alter noch nachjagt. Nein, es war eine Begegnung die ihn immer wieder an damals erinnerte. Eine Begegnung, die er Zeit seines Lebens nicht vergessen konnte.

Eines Abends, eigentlich war es ein Abend wie jeder andere, wollte er sich mit seinen Freunden in einer kleinen Kneipe treffen, sie hatte erst vor kurzen geöffnet und gehörte mit ihrem „Rockerflair“ zu den wenigen Kneipen, in denen man sich einfach immer wie zu Hause fühlte. Egal, ob der Tag gut oder schlecht war, ob man neue Welteroberungspläne schmieden oder einfach nur in Ruhe gelassen werden wollte, man war einfach immer willkommen. Und nun war er auf dem Weg dorthin. Zügig lief er durch die Straßen, die letzte Bahn hatte er verpasst und nun blieb ihm nichts anderes übrig, als zu laufen. Zu spät würde er sowieso kommen.

Er ging nah an den Häusern lang, denn es war stockdunkel und schließlich wusste man nie, wer um diese Uhrzeit hinter der nächsten Ecke wartete. Zwar war er groß, nicht dick, aber kräftig gebaut und brauchte keine Angst haben sich im Notfall nicht wehren zu können, doch wollte er nicht unbedingt mit blauem Auge ankommen, denn war heute Maria da. Die Frau, bei der er schon seit Wochen zu landen versuchte.

Immer schneller lief er nun. Zeit ist Geld und Geld hat man in dem Alter eh nicht viel.

Plötzlich stolperte er über etwas. Es fühlte sich an wie ein großer Stock, doch dafür war es zu weich. Nur mühsam gelang es ihm das Gleichgewicht wieder zu finden um nicht ganz zu fallen und sich die Sachen zu ruinieren. „Aua! Scheiße...!..verdammter....Kannst du Arschloch nicht aufpassen“ schrie der Stock auf einmal laut auf. Erschrocken drehte er sich um. Das vermeintliche Stück Holz entpuppte sich als älterer Herr, der mit ausgestreckten Beinen an einer Hauswand saß. Seine Sachen waren ziemlich schäbig und haben weiß Gott schon bessere Zeiten erlebt. Er hatte sich ein paar Zeitungen unter gelegt. Kalt war es um diese Jahreszeit noch nicht, es war September und eigentlich eine recht laue Nacht. Doch schleicht irgendwann bestimmt die Kälte durch den Körper, wenn man die ganze Zeit auf der Erde sitzt, wenn man:“Scheiße nicht das auch noch! Einen Penner überrannt! Wo ich doch eh schon zu spät komme.“dachte er sich. „Tschuldigung, ist was passiert? Tut es weh?“ fragte er nun etwas verlegen darüber den Mann in Gedanken derart auf seinen sozialen Stand degradiert zu haben. „Mein Bein wird durch dein Gefrage nicht besser. Aber danke, es geht schon.“ entgegnete dieser jetzt freundlicher während er versuchte sich aufzurichten. Durch das Licht der Straßenlaterne konnte er das Gesicht des Mannes erkennen. Er war vielleicht gerade 10 Jahre älter, trat nun etwas hinkend auf ihn zu und sagte ihm er solle das nächste mal besser aufpassen. Er nickte hastig und schon wieder Maria im Kopf wollte er schnell weiter. Doch nach ein paar Metern kam ihm der Gedanke, dass es ihm vielleicht irgendwann einmal genauso ergehen könnte, drehte sich um und lud den Mann auf ein Bier ein. Seine Freunde würden wohl heute Abend mal auf ihn verzichten müssen. Und er auf Maria.

Das war der wohl eigenartigste Abend seines Lebens. Sie redeten über das Leben, über die Menschen, über Liebe, darüber, wie er Bettler geworden ist und vor allem über eine Idee. Die Idee aus einem Euro eine Million zu machen. Dieses Thema lies sie den ganzen Abend nicht los. Als die Kneipe schloss wanderten sie zur nächsten, bis alle in der Stadt geschlossen hatten. In diesen paar Stunden baute sich eine Verbindung zwischen ihnen auf, wie er es noch nie erlebt hatte.

Er lud ihn ein mit zu ihm zu kommen, dort könne er sich waschen und rasieren, er müsse sich nur beeilen, bevor sein Vater erwacht. Eine eigene Wohnung konnte er sich von den paar Kröten, die der Staat an Bafög zahlt leider nicht leisten. Und so machten sie sich auf den Weg zum Haus seiner Eltern.

Nachdem der Mann morgens um vier ausgiebig geduscht und sich rasiert hatte setzten sie sich noch ein paar Minuten in die Küche. Er sollte wenigstens einen vollen Magen haben, bevor er ihn wieder auf die Straße zurückschicken musste.

Dabei redeten sie weiter, über ihre Pläne mit dem Euro, über ihre Träume, was sie mit dem Geld alles anstellen würden, mit welchen Projekten man den Menschen helfen könnte, wenn man nur etwas Geld hätte. Sie redeten, redeten und lachten, so laut bis schließlich das Licht im Flur anging und der Vater stinksauer und schwer schnaufend in der Küche stand. Es ging alles sehr schnell. Der Vater packte den Mann am Kragen und schmiss ihn hinaus. Kurz bevor die Tür sich schloss drückte junge Idealist dem Bettler einen Euro in die Hand und schrie ihm hinterher:“Meld dich, wenn du es geschafft hast.“ Stundenlang durfte er sich nun anhören, was ihm denn einfalle solch ein Gesindel in das Haus zu schleppen, ob er unbedingt möchte, dass man hier einbricht und warum er den guten Ruf der Familie so verschmutzen will.

Den Mann hatte ich nie wiedergesehen. Aber vergessen habe ich ihn auch nicht. Und besonders jetzt, wo ich selbst kurz davor bin so zu enden, wo diese Kaschemme und der Alkohol alles ist, was mir noch bleibt erinnere ich mich oft daran zurück. Eigenartiger Weise lässt mich der Gedanke selbst in meinen Träumen nicht los.

Aber es spielt keine Rolle mehr. „Vergangen ist vergangen“ brumme ich diese grässliche Fratze im Spiegel an. Und bald werde auch ich vergangen sein.

Nachdem das Wasser die Kotze aus dem Waschbecken gespült hat drücke ich mit den Fingern die letzten Brocken durch das Sieb und wasche das, was früher mein Gesicht war.

In der Küche stelle ich fest, dass die Flaschen, die ich erst gestern gekauft habe schon wieder leer sind. In meinem Portemonnaie herrscht gähnende Leere. „Scheiße“ schreie ich wütend, während eine der leeren Flaschen geradewegs an der Wand landet, wo sie zerschellt. Die Scherben liegen verteilt auf dem Fußboden. Bei dem Versuch sie aufzuheben schneide ich mir die Hand auf. Das Blut tropft auf meine eh schon dreckige Sachen. Egal. Alkohol, dass ist alles was ich jetzt brauche, alles was ich noch will. Fluchend verlasse ich die Wohnung.

Auf der Straße lasse ich meine Hände in den Jackentaschen, drücke die Arme fest an mich. Es ist Dezember. Die Kälte und das unstillbare Verlangen nach der Flüssigkeit, die mir die einzige Erlösung verspricht, machen mir zu schaffen. Ich zittere.

Nach einigen Metern kommen mir die ersten Passanten entgegen. „Haben sie vielleicht eine wenig...nein? Schade. Trotzdem danke.“

So frage ich mich jetzt durch bis zum Marktplatz. Und wenn ich dann noch nicht genug habe noch weiter.

Auf einmal steht ein Mann vor mir. Er ist sehr gut gekleidet und sieht aus, als musste er sich noch nie Sorgen um Geld machen. „Entschuldigung. Haben sie vielleicht...“beginne ich. Er mustert mich von oben bis unten. Bitte nicht anspucken denke ich noch bei mir, da setzt er plötzlich an:“Du! Bist du es? Nach so vielen Jahren?“ sprudelt es aus ihm heraus.“Wer soll ich sein? Ich kenne sie nicht.“ entgegne ich ihm.

„Doch, du bist es! Vor 20 Jahren. Die Idee. Unsere Idee. Weißt du noch?“ Er reichte mir die Hand.

„Ich habe etwas, das dir zusteht.“ lächelte er mich an.



 

11.03.2008 

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Hörbuch

Über den Autor

Felice

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franziw2000 ... - Schöne Geschichte! Hatte ein wenig Gänsehaut zum Schluss. LG Franzi
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Nera200 schön - tolle erzählung
gefällt mir sehr sher gut
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