Beschreibung
"Wir bleiben immer zusammen !", hatte er mir früher einmal versprochen. Aber was früher war, ist heute nicht mehr.
1.
"Zieh dir eine Jacke über, es ist kalt."
Ich kicherte. "Mein besorgter großer Bruder."
Er legte mir die Jacke über die Schultern und gab mir einen Kuss auf den Kopf. "Du benutzt ein neues Shampoo", murmelte er. Ich verdrehte die Augen und bat ihn endlich was zu essen zu machen. "Ich verhungere !"
Er machte sich auf den Weg in die Küche und ich las weiter in der Geschichte, die er für mich geschrieben hatte.
Seit ich denken konnte, hatte er mich beschützt, und alles für mich getan. Er wollte immer, dass es mir gut geht. Ich legte das Buch beiseite und starrte an die Wand. Erinnerte mich an den Tag meines vierten Geburtstages.
Es war auch sein vierter Geburtstag; wir sind Zwillinge.
Ich wollte zu unserer Mutter laufen, die uns über's Wochenende besuchen wollte. Ich rannte zu ihr, doch tollpatschig wie ich war, stolperte ich und schlug mir das Knie auf. Ich fing an zu weinen, doch meine Mutter schien das nicht zu interessieren. Sie ging direkt an mir vorbei ins Haus. Das machte mich noch trauriger.
Doch dann kam Ren zu mir und nahm mich in den Arm. "Es wird alles Gut !", sagte er. Dann klebte er mir ein Pflaster auf die Wunde und küsste mich auf die Stirn.
Auch heute noch tut er das. Ich weine zwar nicht mehr, aber es ist doch dasselbe. Ich seufzte. Ich liebte meinen Bruder sehr; er war der Einzige den ich noch hatte, da unsere Mutter uns verlassen hatte, und unser Vater an meinem zehnten Geburtstag verstarb. Manchmal jedoch fühlte ich mich wie ein Vogel im Käfig. Er tat alles. Wirklich alles.
Doch... das änderte sich, als wir in eine neue Stadt zogen. Zwei Jahre später, als wir 14 waren, kümmerte er sich weniger um mich. "Du bist kein kleines Mädchen mehr, Miu !", sagte er als er mir durch die Haare wuschelte. Ich lächelte. Er sorgte sich noch um mich, allerdings nicht mehr so sehr wie früher. Ob ich das vermisse ? Nein. Ich würde es vermissen, wenn er gehen würde.
"Wir bleiben immer zusammen !", hatte er mir früher einmal versprochen. Aber was früher war, ist heute nicht mehr.
"Hier dein Essen", sagte er mit einer Verbeugung wie ein Buttler, als er fünf Minuten später wiederkam. "Ich muss nun los." "Wohin gehst du ?", fragte ich mit vollem Mund. Ren konnte wirklich gut kochen. "Ich hab in der Schule ein sehr nettes Mädchen kennengelernt, und... naja, sie hat mich gefragt ob wir nicht mal ausgehen wollen."
Ich spukte das Essen, was ich gerade im Mund hatte, wieder aus. "Wie bitte ? Du und eine Freundin ?"
"Sie ist ja nicht meine Freundin...", meinte er ausweichend.
"Aber sie will dich treffen."
"Vielleicht kommen wir ja irgendwann zusammen", grinste er. "Sehe ich gut aus ?" "Warte." Ich stand auf und wuschelte ihn kräftig durch die blonden Haare. "So gefällst du mir besser", grinste ich. Er gab mir noch einen Kuss auf die Stirn und rannte zur Tür. "Bis später !" "Ja..."
Ich stand mitten im Raum und rieb mir die Arme. "So Miu, und was machst du an diesem wunderbaren Samstagmorgen ?", murmelte ich zu mir selbst. Mein Blick viel auf einen Flyer meiner Lieblingsband "Moon Flower". Sie gaben heute im Park ein Konzert. "Dann werde ich auf ein Konzert gehen !"
Als ich aus dem Haus ging steckte ich das Buch von meinem Bruder ein. Als ich bei einer Mülltonne vorbeikam, warf ich es hinein.