Es finden sich Brüder im Geiste. Eine Einheit, die Aufbauer des Neuen. Einer Anarchie!
„Ah Theus, schon wieder hier?“r
„Jo, wir müssen reden.“
„Reden? Nichts zu verkaufen?“
„Ich hab mir sagen lassen, wenn man handeln will wird man neuerdings von dir über’n Tisch gezogen.“
Moe stockte. Es war als hätte ich ihm mit dem Finger in eine offene Wunde gelangt. Langsam verstand ich was hier gespielt wurde. Er hatte erkannt das die Gruppe da draußen am Äußersten steht, doch nicht jeder klammerte sich immer an den rettenden Strohhalm. Manche ertrinken lieber als ihre Prinzipien zu verraten. Sie wurden mir immer sympathischer.
„Ihr müsst wissen, sie übertreiben ein wenig.“
„Warum glaub ich das nicht?“, ich sah Sergej fragend an. Mit gleicher Münze gab er es mir zurück. Moe wurde es zusehends unangenehmer in seiner Haut. Es als spielten die Schweißtropfen auf seiner Stirn die Ratten die gerade das sinkende Schiff verließen. „Was garantiert uns, nicht auch über den Tisch gezogen zu werden, wenn wir das nächste mal mit dir handeln?“
„D-d-die l-l-langjährige Beziehung.“
Er tat immer größer als er wirklich war. Was brachte es wenn er zwar genug zu essen hatte, aber seine Leute ihm an Krankheiten wegstarben, sie nichts anzuziehend hatten, man ihnen keine Waffen verkaufen würde. Das Horten der Lebensmittel machte Jäger und Gesetzlose neugierig. Wenn das Schwein fett genug war war es Zeit zu schlachten. Wahrscheinlich würde man ihn zuvor absetzen.
„Genau wir haben langjährige Beziehungen. Warum verstößt du dann da draußen die Menschen? In ein paar Jahren könntest du langjährige Beziehungen mit ihnen haben. Sie scheinen viel ‘rum zu kommen. Je weiter sie ‘rum kommen, desto exotischer werden ihre Waren sein. Du lässt dir eine einmalige Chance durch die Lappen gehen. Nur wegen deiner Gier? Sag dich von alten Gewohnheiten los. In der Anarchie lebt man nicht mehr alleine. Jeder Mensch ist gleich und alle sind deine Brüder. Ich habe ein einmalige Angebot das du nicht ausschlagen kannst, doch zuerst holst du einen Abgesandten von den Wanderern da draußen und machst ihnen ein vernünftiges Angebot.“ Ich hoffte ihn neugierig genug gemacht zu haben, das er anbeißt.
„Sie sind Anarchisten“, seine Stimme war alles andere als kräftig.
„Gut, sonst hätte ich es begrüßt das du sie abzockst. Sei mal ehrlich du bist der Herr über eine ordentliche Schar Leute, deine Feldereien sind sicher und groß. Niemals und wirklich niemals wärst du in der Diktatur äh ich meine Demokratie zu einer solche Macht gekommen. Bedenke was du erreicht hast. Die da draußen haben es möglich gemacht.“
„Nun gut, ich werde diese Schlange“ – auf meinen Blick hin korrigierte er sich – „diese Frau rufen lassen.“
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Es dauerte seine Zeit bis Moe jemanden rufen ließ, der dann die Dame der Anarchisten geholt hat und die dann in Moes Büro gekommen war.
Sie sah den Großbauern verwirrt an, dann Sergej und mich und ihr Blick wurde noch verwirrter. Vor gar nicht so langer Zeit ist sie aus diesem Raum gestürzt, weil man sie bescheißen wollte, jetzt wurde sie von dem Betrüger eingeladen. Wer wäre da nicht verwirrt?
„Entschuldigen sie, meine Dame“, Moe versuchte es diplomatisch. Wenn er könnten würde er Blitze auf mich abschießen. Ich verkrampfte meine verschränkte Arme, um nicht laut auf zu lachen. „Ich wusste nicht wie aussichtslos ihre Situation ist, ihr müsst verstehen, ich muss immer der Höchste verlangen, was dann wirklich gezahlt wird, liegt am Geschäftspartner.“
„Bitte lasst das Honig-ums-Maul-schmieren ihr wolltet mich betrügen und kläglich gescheitert. Diese beiden netten Herren hat es gebraucht um euch das zu zeigen. So an, was verlangt ihr nun für wie viel.“
Ich achtete selbst nicht wirklich auf die Preise und Angebote die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen. Lieber beobachtete ich die rothaarige Anarchistin. Sie trug früher mal einige Ringe und Piercings, hatte sie wahrscheinlich raus gemacht, als sie angefangen hat nicht nur ein bisschen die Bullen zu attackieren sondern sich praktisch im Krieg befand. Wäre schon Mist wenn sie beim durch den Schlamm robben mit einem Nasenring oder was auch immer hängenblieb. Wahrscheinlich trug sie früher eine für Punks typische Frisuren, mittlerweile waren alle gleichlang und ohne Kontur abgeschnitten, dafür zu einem einfachen Halbpferdeschwanz zusammen gebunden. Sie war nicht gerade schmal. Kraft besaß sie allemal und wahrscheinlich auch noch ‘ne Menge Ausdauer. Eine Pistole hing lässig in ihrem Halfter am Gürtel. Aller Voraussicht nach war es für sie so natürlich wie das sie das Top trug.
Wenn man den Begriff Amazone benutzen wollte würde es auf diese Frau deutlich zu treffen. In meinen Gedanken erlaubte ich mir den Scherz; sie war ein richtiger Kerl. Ich war froh das sie auf meiner Seite stand. Mal schauen welche Geschichten wir heute Abend noch erfahren werden. Noch während ich an später dachte kamen mir Gedanken an noch weiter in die Zukunft. Vielleicht, was wäre wenn, möglicherweise sie auch ein Teil der Kommune werden. Ich fand nur Vorteile in dieser Idee, ein Lächeln umspielte meine Lippen.
Während sie weiter verhandelten malte ich diese Bild genau aus. Ein Handschlag symbolisierte, das ich aus meiner Zukunftsvision auftauchen musste. Die Anarchistin wollte sich gerade umdrehen. Auf ihrem Gesicht erkannte ich ein Lächeln. Sie hatte ein schönes Lächeln. Wenn es solche Frauen gab, warum musste ich ausgerechnet an Andy geraten sein? So schnell wie der Gedanke kam, hatte ich ihn auch schon wieder verdrängt.
„Wartet bitte, das was wir Moe anzubieten haben könnte euch auch interessieren.“ Beide sahen mich gespannt an. Sergej war ebenso überrascht. Das ganze Interesse war mir unangehem, vor allem noch weil ich eine riesige Angst vor einem simplen ‘Nein’ hatte. Es half alles nichts, nicht nur das ich schon angefangen hatte, warum sollte ich sonst den ganzen Weg auf mich genommen haben. „Es geht um die drei Parteien die wir repräsentieren. Es gibt eine Möglichkeit die für uns alle vom Vorteil wäre. Es hilft nicht viel um den heißen Brei herum zu reden. Wir sollten eine Kommune zusammen gründen.“
Moe war so überrascht das er sprachlos den Mund öffnete und schloss wie ein Fisch. Die Anarchistin war da anders: „Vergesst es. Wir haben damals und auch heute auf der selben Seite gekämpft, aber das heißt nicht, das wir gleich eine Kommune gründen werden.“
„Bitte Frau...“
„Einfach nur Natalie, seien wir nicht so förmlich.“
„Bitte Natalie, denk erst darüber nach bevor du absagst, auch mit allen die du vertrittst. Wenn ihr zusammen nachdenkt möchte ich euch ein paar Tipps geben. Moe ist in der ganzen Region der größte Bauer. Er kann mit ein bisschen Hilfe eine Menge Menschen versorgen, deutlich mehr als jetzt. Sergej und ich vertreten eine Firma von der Größe für mehr als 30 000 Menschen. Das sind einige freie Gebäude. Mit ein bisschen Unterstützung können wir ein paar der großen Anlagen wieder anfahren. Nicht jeder in deiner Gruppe sind Kämpfer wie du. Manche könnten sich anders besser helfen. Eure Kämpfer könnten Schützen, wie Moes Wachmänner, aber auch Jäger und Regierungstreue erledigen gehen. Zumal wir so Karawanen zu entlegene Kommunen gründen können. Verstehst du nicht was das bedeuten würde. Die Anarchie würde sich als richtiges System etablieren nicht einfach nur Anomie existieren.“
Die Idee hatte mich so erfasst, das ein Kribbeln über meine Haut fuhr, die Woge der Vorfreude hatte mich erfasst. Hunderte Bilder malten sich in den kurzen Augenblicken in meinem Kopf und alle handelten von dem Sieg der Anarchie. So wie ich sie immer gewollt habe.
Der Großbauer hatte sich wieder gefangen: „Nein!“ Seine Stimme strotzte vor Ãœberzeugung.
Nicht nur Sergej und ich sondern auch Natalie, die scheinbar doch wenigstens Interesse an der Idee hatte, sahen ihn fragend an.
„E-e-es geht nicht.“
Wie Schuppen fiel es mir vor die Augen bei seiner schwammigen Erklärung: „Es geht, aber nicht für dich. Eine Anarchie bedeutet Gleichheit. Etwas das du nicht willst, da du dich auf dem Gipfel der Macht befindest. Mal schauen was deine Arbeiter dazu denken.“
Ich drehte mich um war schon fast aus der Tür als er die Konsequenzen bedachte. „Warte Theus.“ Ohne ihn anzusehen hielt ich inne. „Das kannst du mir nicht antun, dir selbst auch nicht, es würde nur zu Aufständen, Kämpfen und Toten führen und am Ende wird eure kleine Firma keinen Scheffel Korn bekommen. Es wäre ein Schnitt in deine eigene Hand.“
Ohne auf meine Reaktion zu warten war das Zücken einer Pistole zu vernehmen. Erschreckt wirbelte ich herum. Natalie zielte auf Moes Kopf. „Ich zöger selten solche Egoisten wie dich einfach umzulegen. Du bist schuld daran, das die Anarchie nicht funktioniert. Da bleibt doch nur die Möglichkeit dich aus diesem System zu löschen.“
„Theus, Sergej, so helft mir doch. Seht ihr nicht das sie verrückt ist?“
„Kein Bisschen. Zudem bin ich ihrer Meinung und du hast dir die Scheiße selbst eingebrockt. Das Einzige wo ich mir unsicher bin ob ich mir den Ausgang der Situation anschauen sollte, oder die Zeit nutzen und mit deinen Angestellten reden sollte.“
Ein knappes Nicken war Sergejs einzige Reaktion. Moe war sichtlich verzweifelt. In seiner hintersten Ecke seines Hirns überlegte er ob er es vielleicht versuchen sollte seine Waffe zu ziehen, vielleicht könnte er abdrücken ehe Natalie reagiert. Nicht aber ohne Zeitstopp.
„Ich sollte dich nicht erschießen, denn ich erinnre mich noch an dieses wunderbare Gefühl wenn sich meine Faust mit einer opportunistischen Drecksvisage bekannt macht.“
„Ein Bauchschuss soll ziemlich schmerzhaft sein, er kann kaum noch reagieren und du kannst deine Wut an ihm auslassen“, gab Sergej sein Wissen kund. Ich war mir in diesem Moment sicher, das er es schon mehr als ein Mal ausprobiert hatte. Es gab Dinge die ich nicht wissen wollte. Er schlief nur wenige Zimmer von mir entfernt.
Kaum zielte die Anarchistin auf die besagte Stelle wimmerte Moe eingeschüchtert: „Nein, es war falsch was ich sagte. Wir sollten wirklich darüber nachdenken und es besprechen, so eine Kommune hat auch für mich Vorteile.“
Etwas an seinen Worten hatten einen komischen Beigeschmack. Es war nur ein Bauchgefühl, aber eins dem ich gut genug vertraute um vor die Tür zu gehen. Man konnte es als Telepathie bezeichnen oder als einfaches Glück. Denn im Flur lief Severin mit zwei Mann Verstärkung. Kaum war ich nach draußen getreten, schloss ich die Tür hinter mir. Der Sicherheitsdienst hielten ihre Hände in der Nähe ihrer Pistolen.
„Schön euch zu sehen. Was machst so die Arbeit?“, begrüßte ich sie fröhlich.
Severin ließ sich nicht täuschen: „Theus, was geht darin vor.“
„Nichts.“ Er gab wortlos zu verstehen das er mir das nicht glaubte. „Natalie und Moe verhandeln. Es wurde mir zu langweilig, da wollte ich mir ein wenig die Beine vertreten. Falls sie auf dumme Gedanken kommen sollte ist immerhin noch Sergej bei ihnen. Mal was anderes, was hältst du von einer funktionierenden Kommune, eure Farm, unsere Firma, und die Anarchisten als Unterstützung?“ Da er mich nicht unterbrach, vermute ich das er mehr hören wollte, die Situation in dem Büro hinter mir hatte sein Interesse verloren. „Mit genug Leuten können wir ein paar der großen Anlagen anfahren. Gleichzeit hätten wir genug um Felder zu bewirtschaften die uns alle Ernähren können. Trotzdem hätten wir eine Kampf-Truppe die Karawanen zu entfernte Kommunen beschützen kann und uns vor jeder Bedrohung schützen können. Jeder wäre gleich. Wir hätten den gleichen Lebensstandard wie früher, nur keine Nachteile. Eine Anarchie für alle. Das Gemeinschaftsgefühl würde uns zusammen halten und unsere Zukunft sichern.“
Der Sicherheitschef blickte zu seinen zwei Männern. Sie sahen alles anderes aus als abgeneigt. Ich wollte mir kein großes Bild über sie machen, aber irgendwie weckten sie den Eindruck, das sie immer ein Leben am Rande der Legalität geführt haben, täglich von neuen Problemen konfrontiert. Sie hätten nie Aussicht auf ein gutes Leben gehabt, außer ein Wunder wäre geschehen. Dieses Wunder würde gerade eintreten.
„Was spricht dagegen?“, fragte Severin interessiert.
Der Knall eines Pistolenschusses hallte durch den Gang. Ehe sie reagieren konnte, sprach ich ruhig: „Jetzt nichts mehr.“