Beschreibung
Eine kleine, nicht ganz ernst gemeinte Begebenheit zum Weihnachtswahnsinn ;)
Heute hatte er sich Weihnachtstoilettenpapier gekauft, nicht, weil er sich dem Wahn verpflichtet fühlte, sondern, weil es billig gewesen war.
Dreilagig, 8 Rollen a 150 Blatt für 1, 60 EUR.
Die Tatsache, dass er sich nun mit Rentieren den Hintern abwischen konnte und diesem danach ein leichter Zimtgeruch anhaften würde, gab dem Schnäppchenkauf einen zusätzlichen Vorzug.
1, 60 EURO... Er hätte sich gleich mit mehreren Paketen eindecken sollen.
Aber in Anbetracht der Lagermöglichkeiten in seiner Wohnung, war diese Idee schnell verworfen.
Jetzt legte er die erste Rolle in den Halter ein. Und sah mit Freuden auf die kleinen Rudolph´s hinunter, die, eine Comicstaubwolke hinter sich lassend in Bocksprüngen über das chlorfrei gebleichte Papier flanierten.
Er hätte auch das mit den lustigen Weihnachtsmanngesichtern nehmen können.
Aber es kam ihm doch makaber vor, sich mit dem Antlitz des guten, alten Mannes hygienisch zu versorgen.
Es war nur Toilettenpapier und er gehörte nicht zu der Sorte Mensch, die ihre Bad-Utensilien farblich an die Tapete anpassten.
Bis zum nächsten dringenden Geschäft geriet sein Gelegenheitskauf in Vergessenheit.
Erst, als die Burger vom King wieder rauswollten, kam er zum weiteren Einsatz.
Für die Rentiere wird sich das sicher lohnen, dachte er und griff beherzt nach der Zimtduft versprühenden Rolle, als er ein leises Murmeln vernahm.
»Nein, tu das nicht!«
Verdutzt wandte er sich um. Die Stimme musste von nebenan gekommen sein.
Diese dünnen Wände der Neubauwohnungen waren wirklich furchtbar.
Allerdings hatte er hier im Bad die Nachbarn noch nie so deutlich gehört.
Er konzentrierte sich auf die Fliesen über der Badewanne, ob weitere Fetzen des vermutlichen Streitgesprächs durch sie hindurchdrangen.
Aber es war still. Nur die Lüftung brummte vor sich hin.
Weil er wusste, dass man von zu langen Klositzungen Hämorrhoiden bekam, widmete er sich seiner eigentlichen Absicht und griff nach dem Papier.
»Nein, nein, lass das! Du wirst es bereuen.«
Diesmal hatte er es deutlich verstanden, Wort für Wort, als würde der Nachbar direkt neben ihm stehen.
« Was zum Teufel?«
Er drehte den ganzen Oberkörper und musste aufpassen, dass er dabei nicht den Toilettendeckel mit seinem ungesäuberten Hinterteil beschmutzte.
»Hier, du Depp! Hier sind wir.«
Die Stimme kam aus Türrichtung, bei genauerem Hinhören war sie geradezu vor ihm.
Mit Entsetzen erkannte er einen der Rudolph´s in ihrem Verursacher, der dort auf dem Papier herumhüpfte und wirklich ungehalten war.
»Lass gefälligst deine Finger von uns. Hast du denn keine Ehrfurcht vor dem Weihnachtsfest!«
Er wischte sich über die Augen. Die Burger waren wohl nicht mehr frisch gewesen.
Aber eines der kleinen Rentiere löste jetzt sein Geweih aus dem Blatt und gleich darauf folgte ihm sein winziger Körper. Voller widersinnigem Staunen musste er mit ansehen, wie das lebendig gewordene Hirschtier auf den Heizkörper sprang und von dort seine Kumpanen heranwinkte. Er glaubte sich träumend und zwickte sich selbst in die Hüfte.
Aufgrund der situationsbedingten Nacktheit, machte ihm das aber sehr schmerzlich bewusst, dass er vollkommen wachen Verstandes war.
Die Rentiere sammelten sich derweil auf dem Wärmegerät wie eine Spielzeugarmee.
Sie brachten sich in eine geschlossene Formation und ließen nur die Comicstaubwolken auf dem Papier zurück. Er griff danach, zog es mit einer fahrigen Handbewegung am Hintern entlang, entledigte sich seiner im Toilettenbecken und stürzte mit noch immer heruntergelassenen Hosen aus dem Bad.
Die Fäkalkeime an seinen Händen machten ihm gerade am Wenigsten zu schaffen.
Mit an sich selbst zweifelnder Erkenntnis beobachtete er, wie die Rentierarmee sich ihren Weg in den Flur bahnte, hintereinander, wie die Passanten einer Ameisenstraße, und sich auf die Reise in seine Küche machte.
Er hatte die Hose noch immer nicht hochgezogen, als das Bataillon geschlossen das Fensterbrett erklommen hatte.
»Mach auf hier«, forderte ihr Anführer.
Dem konnte er nicht sofort nachkommen. Er rang weiterhin mit seiner offensichtlich verwirrten Gemütsverfassung, brachte aber zumindest die Hose in ihren Soll-Zustand.
»Hörst Du nicht, Unwürdiger. Du sollst das Fenster öffnen!«
Dieser winzige, jedoch großkotzige Rentierhauptmann regte langsam doch seinen Widerstand.
So unglaublich die Szene auch war, handelte es sich bei der Bedrohung lediglich um eine in Insektengröße und der musste doch Herr zu werden sein.
Er griff nach der Suppenkelle an der Aufhängung und, nun bewaffnet, begann er mit dieser auf die seltsamen Besucher einzuschlagen.
Sie stoben auseinander und sprangen kreuz und quer. Er erwischte nicht einen von Ihnen. Im Gegenteil, durch die unerwartete Attacke fühlten sie sich berufen, ihn ihrerseits anzugreifen und sprangen ihm wie überdimensionale Flöhe entgegen.
»Auf ihn«, brüllte der Anführer, der schon auf seiner Schulter saß und ihm das Geweih ins Ohr stieß.
Angesichts der Überzahl des weihnachtlichen Feindbildes stürzte er, die Suppenkelle schwingend in den Flur. Von dort aus der Wohnung und die Treppe hinunter.
Später am Abend saß er in der Notaufnahme des ansässigen Krankenhauses und wartete auf seine Medikation.
»Der redet von einer Invasion der Rentiere. Sind aus seinem Klopapier gekrochen die Viecher«, sagte ein weißbekittelter Pfleger, der sich außer Hörweite glaubte zu seinem Kollegen. »Ist doch Wahnsinn, was dieser Weihnachtsrummel mit den Leuten macht.
Hat wohl ´nen Trip zu viel geschluckt der Junge.«
Niemand bemerkte das kleine Knusperrentier im Büro des Chefarztes, das sich seinen Weg aus der Ecke von dessen Joghurt fraß.