Eva holte ihren Schlüsselbund aus ihrer Umhängetasche und sperrte die Haustüre auf. Als sie in den Gang trat, war das gesamte Haus hell erleuchtet.
"Komisch. Meine Eltern sind doch nicht zu Hause", dachte sie verwundert.
Etwas verwirrt zog sie ihre Schuhe aus, hängte den Schlüssel zu den Anderen, die in einem kleinen Schälchen auf einer Kommode standen und ging leise in die Küche.
Vielleicht war ja doch jemand zu Hause und sie hatte sich mal wieder heute Morgen beim Frühstück verhört, als ihre Eltern sagten sie würden noch irgendwo hinfahren.
"Mum? Dad?", schrie sie und ging dabei suchend in den hellerleuchteten Zimmern umher.
Aber sie erhielt keine Antwort.
"Hallo? Ist jemand da?"
Doch es kam wieder keine Antwort. Anscheinend war doch niemand zu Hause. Eva drehte sich wieder um und rannte in die Küche. Wahrscheinlich lag ein Zettel auf dem Küchentisch, mit einer Nachricht wann sie zurück kommen würden.
Doch auf dem Tisch lag nichts. Kein Zettel, kein Stift oder Ähnliches.
Langsam bekam sie es ein bisschen mit der Angst zu tun. Warum sagten ihre Eltern denn nicht Bescheid wo sie waren? So etwas war eigentlich nicht ihre Art.
Hoffentlich ist ihnen nichts passiert!
Dieser Gedanke war immer der Erste der Eva durch den Kopf schoss, wenn ihre Eltern nicht sagten wo sie waren.
Und immer machte sie sich Sorgen um sie. Und dass eigentlich ohne Grund.
Denn nach Ein oder Zwei Stunden standen sie dann immer grinsend und wirklich in Ordnung vor der Türe.
Eva versuchte erst einmal zur Ruhe zu kommen und ein bisschen etwas zu essen.
"Mein Magen knurrt wie verrückt! Ich brauch jetzt undbedingt irgendetwas", dachte sie und durchforstete den Kühlschrank nach etwas was jetzt ihren Vorstellungen entsprach.
Und wurde auch fündig. Ein großer Berg leckerer Pfannkuchen stand darin und wartete darauf, gleich verschlungen zu werden. "Hmm lecker. Ich liebe euch dafür, dass ihr mir mein Lieblingsessen gemacht habt".
Mit einem grinsen holte sie die Pfannkuchen heraus und stellte sie in die Mikrowelle.
Wo ist denn nur die Nougat-Creme?
"Heute Morgen habe ich sie auf alle Fälle benutzt und sie war noch ganz voll. Also leer war sie nicht".
Grübelnd durchsuchte sie die Schränke, fand aber nur Erdbeermarmelade, Zucker, Himbeermarmelade und uraltes Nutella, dass schon seit Monaten abgelaufen war. Murrend holte sie das Glas aus dem obersten Regal. Das war ziemlich Mühsam, denn sie war leider noch nicht so groß, dass sie ohne Hilfe an das ganz oberste Regal kam.
Also musste sie sich doch einen Stuhl holen, wenn es so nicht ging.
Aber im Null Komma nix stand hatte sie es geschafft. Das Nutella kam in den Müll, und die Himbeermarmelade fand seinen Weg auf den Tisch. Die Mikrowelle piepste und Eva stellte die dampfenden Leckerbissen zu der Marmelade auf den Tisch.
"Na dann, guten Appetit", sagte sie zu sich selbst und kicherte. Die Pfannkuchen schmeckten besonders lecker. Naja ist ja auch kein Wunder. Wenn Mum kocht, schmeckt das immer!
Nach nicht einmal Vier Minuten, hatte sie schon 4 Pfannkuchen gegessen. Das war bestimmt Rekordzeit! Dad sagt immer, dass ich bei Pfannkuchen wie ein Scheunendrescher esse. Ich könnte bei einem Wettbewerb mitmachen. 'Der Pfannkuchenschnellesser' oder so.
Doch plötzlich hörte sie ein Geräusch. Es schien aus ihrem Zimmer zu kommen. Das wusste sie genau. Denn es kam direkt aus dem Zimmer ober ihr. Und das war ihr Kinderzimmer.
Es hörte sich so an, als würde jemand auf und abgehen.
Vorsichtig legte Eva ihr Besteck beiseite und lauschte angestrengt. Das Geräusch hatte aufgehört.
"Habe ich mir das jetzt bloß eingebildet?"
Sie war sich nicht ganz sicher.
"Vielleicht sollte ich nachsehen? vielleicht ist es ja ein Einbrecher? oder ein Massenmörder?"
Sie wusste selber, dass sie eine ausgeprägte Fantasie besaß und sich immer wenn sie Angst hatte, sich gleich das Schlimmste ausmalte.
Und da begannen diese seltsamen Schritte von neuem. Auf und ab. Immer wieder auf und ab.
"Ach jetzt komm schon. Reiß dich ein bisschen zusammen. Das ist bestimmt irgendein Tier. Wahrscheinlich die Nachbarskatze oder eine Maus.
Leise erhob sie sich und stieg ganz ruhig und mit großer Panik die hölzernen Stufen hinauf, die zu ihrem Zimmer führten.
Knarr! knarr! knarr! , machte es bei jedem Schritt.
Sie übersprang die immer am lautesten knarrende Stufe und stand nun völlig verängstigt und mit schweißnassen Händen im Obergeschoss des Hauses.
Wenn sie an die Erlebnisse, der letzten Wochen dachte wurde ihr schlecht.
Die arme Sandra.
Die Arme! Sie lag mit einem gebrochenen Arm noch immer im Krankenhaus und musste von den Ärzten rund um die Uhr betreut werden. Und Vanessa war auf freiem Fuß, weil man ihr die Tat von Sandra nicht nachweisen konnte. Aber Eva war sich Hundertprozentig sicher , dass es Vanessa war. "Sie hatte es bereits die ganzen letzten Wochen auf uns beide abgesehen, und hat versucht uns das Leben zur Hölle zu machen. Sie ist einfach eifersüchtig auf Sandra und mich und deshalb versucht sie mit allen Mitteln uns los zu werden"
Mit schwabbrigen Knien und klopfenden Herzen machte Eva noch einen Schritt vorwärts, noch einen und noch einen. Bis sie vor ihrer Zimmertüre stand.
Neben der Türe auf einer Kommode lag ein geschlossener großer Regenschirm, dessen Spitze aus Eisen war. Ohne nach zu denken griff sie danach und horchte nochmal eine kurze Weile.
Nichts! Kein klitzekleines Geräusch war mehr zu hören.
Sie zitterte überall und all ihre Gefühle vermischten sich in ihrem Körper.
Ihre Hand zitterte, als sie nach der Türklinke griff um endlich den unheimlichen Schritten auf die Spur zu kommen.
Mit allem Mut drückte Eva die Klinke hinunter und öffnete die Türe schwungvoll.
"Jetzt hab ich dich! Hände hoch!", schrie sie aus voller Kehle und hielt den Regenschirm mit der Spitze voraus wie eine Lanze nach vorne.
Aber es war niemand zu sehen.
Jetzt habe ich wohl schon Halluzinationen. Nur wegen dieser dummen Gans Vanessa.
Wutschnaubend rauschte sie die Treppen wieder nach unten und kehrte zurück in die Küche.
Starr vor Schreck und wie angewurzelt blieb sie stehen. Sie fasste es nicht, als sie sah wer da in der Küche stand, mit einem langen Messer in der Hand, das geheimnisvoll glitzerte.
Es war Melissa!
Eva spürte die kalte Angst im Nacken. Wieso denn Melissa? Was machte sie hier? Vanessa war doch diejenige die sie Tage, nein sogar Wochenlang tyrannisiert hatte. Aber mit Melissa hatte sie doch nie Probleme gehabt. Und Sandra auch nicht.
"Melissaaaa? Was machst du denn da? Wie bist du hier hereingekommen?", stotterte Eva, aber mit dem Blick auf das Messer gerichtet.
Melissa grinste nur schadenfroh und schwankte nun mit dem Messer hin und her.
"Durch dein Fenster Eva! Es war offen, und draußen stand eine Leiter. Mit der bin ich in dein Zimmer geklettert und durch den Gang nach unten! Freust du dich denn nicht mich zu sehen?"
Sie kicherte nur und starrte sie ernst an.
"Spinnst du? Was willst du mit dem Messer?"
"Ach, du meinst das hier?". Sie hob das Messer hoch und schaute es zufrieden an. "Damit? Damit werde ich dein Leben etwas abkürzen!"
Voller Angst und Entsetzten machte Eva ein paar Schritte rückwärts, stieß aber dann gegen den Küchentisch, wo noch ihr Essen draufstand.
"A..a...ab...b...ber wieso du? Ich verstehe gar nichts mehr. Ich dachte Vanessa,...komm schon, wir können das bestimmt auch Anders klären!" ,stotterte Eva vor sich hin. Melissa kam näher und grinste hälmisch. "Jaja Vanessa. So sollt es auch aussehen. Ich habe das alles insziniert. Vanessa hat dass alles für mich getan".
Eva war plötzlich verwirrt. Sie verstand auf einmal gar nichts mehr:"Hä? Vanessa hat....."
"Sie hat das für mich getan. Genau", beendete Melissa den Satz.
Eve schüttelte ungläubisch den Kopf:"Ach ja? warum sollte sie so etwas für dich tun? Ich glaube dir kein Wort! Kein einziges! Sag mir nur einen Grund warum sie soetwas für jemanden tun würde?"
"Tja Evalein, ich kann hald manchmal sehr überzeugend sein!", lachte sie laut.
In Eva brannten trotz ihrer Angst irgendwelche Sicherungen durch und sie schrie los:"Was meinst du damit?"
Wieder lachte sie und meinte dann:"Ach komm schon. Stell dich doch nicht gar so blöd! Ich habe sie dazu gezwungen das zu tun! auf eine sehr schlaue Art musst du wissen!"
Total gelassen lehnte sie sich gegen den Küchentüsch und kicherte vor sich hin. Eva hingegen fühlte sich flau und furchtbar. Sie zitterte am ganzen Körper und nahm diese lässigen Bewegungen von Melissa nur noch in Zeitlupe wahr.
"Ich habe zu ihr gesagt wenn sie das nicht für mich tut, dann werde ich sie hald einfach umbringen! und das hat super geklappt!"
"Du hässliche, verlogene kleine Schlange! Was fällt dir ein?", wütete Eva außer sich. Und dann steuerte Melissa direkt auf Eva zu mit dem Messer in der rechten Hand, das sie noch immer hin und her baumeln lies.
"Was hast du denn jetzt vor?", wiederholte Eva ihre Frage.
Melissa grinste breit:"Ich werde es dir jetzt heimzahlen! Du wirst jetzt dafür bezahlen, dass Vanessa jetzt unschuldig um Knast sitzt!"
Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Wo waren bloß ihre Eltern? Warum kamen sie denn jetzt nicht zur Türe herein? Warum?
Aber da fiel ihr wieder ein, dass sie ja auch eine Waffe hatte. Den Regenschirm!
Zwar nicht so gut wie das Messer von Melissa aber besser als keine. Sie zeigte mit der Spitze auf Melissa.
"Glaubst du wirklich, dass du mit diesen läbischen Schirm eine Chance hast?". Johlend lachte sie auf und stürze sich nun mit der Messerspitze voraus auf Eva. Reflexartig wich Eva zur Seite aus und rollte wie ein Ball auf dem Boden. Dann rappelte sie sich auf und versuchte durch die Hintertüre nach draußen zu fliehen. "Hahaha. So blöd bin ich nicht Eva! Nein so blöd bin ich wirklich nicht, dass ich die Hintertüre nicht abschließe!".
"Ich sitze in der Falle!", schoss es ihr durch den Kopf. Und bevor sie weiter darüber nachdenken konnte sauste das scharfe Messer erneut auf sie herab. Und Melissa traf sie am linken Oberarm. Mit einem Ohrenbetäubenden Schrei fiel Eva zu Boden und sah, wie ein großer Blutstrom sich auf dem Steinfliesen ausbreitete. Unvorstellbare Schmerzen durchflutete ihren Arm.
"So und jetzt sag Good-Bye Leben! und verabschiede dich von deinen Eltern!", brüllte Melissa in einem Ton, dass Eva dachte ihr Trommelfell würde reißen.