Romane & Erzählungen
YARA - Die Wüstenprinzessin

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"YARA - Die Wüstenprinzessin"
Veröffentlicht am 29. Dezember 2011, 58 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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YARA - Die Wüstenprinzessin

YARA - Die Wüstenprinzessin

- Kapitel 1 -

Sie hatte versagt. Immer wieder hämmerten Yara diese drei Worte durch den Kopf, während sie vor dem Mann kauerte, den sie von allen auf der ganzen Welt nahezu am meisten hasste und die Spitze seines kalten Schwertes an ihrer Kehle fühlte. Fest drückte sie ihre beiden, mittlerweile blutverschmierten Hände, gegen die Wunde am Bauch, die er ihr nach einem langen und harten Kampf, in dem er letztendlich als Sieger hervorgegangen war, zugefügt hatte. Doch der körperliche Schmerz fühlte sich, im Vergleich zu dem, der in ihrer Seele tobte, nahezu lächerlich gering an. Alles um sie herum, nahm Yara wie durch einen dunstigen Schleier wahr. Der heiße Wüstensand, der ihr seine feinen Körner in die Augen trieb und sie wie tausende kleine Nadelstiche marterte, während sie versuchte nicht zu blinzeln und ihren Blick von dem seinen loszulassen. Der harte Felsen, der sich messerscharf in ihren Rücken bohrte und ihr gleichzeitig Halt gab, ihr half nicht das Gleichgewicht zu verlieren und vor ihm im Staub zu liegen. Die geschätzten zwanzig Männer, die in ihren silberglänzenden Kettenhemden auf dessen darüber getragenen weißen Hemden das verhasste rote Kreuz prangte, welches ihre Zugehörigkeit verriet, zwei bis drei Meter schwer bewaffnet hinter ihrem Anführer standen, sodass ihr eine Flucht unmöglich gemacht wurde. Nur noch der teils rotverfärbte Sand sowie die toten Körper der Krieger von beiden Seiten, die da und dort verstreut herumlagen, erinnerten noch daran, dass an diesem Ort bis vor kurzem noch eine erbitterte Schlacht auf Leben und Tod getobt hatte, ansonsten lag eine erdrückende Grabesstille in der Luft. Diese wurde gerade zum zweiten Mal von einer tiefen, drohend klingenden Stimme, durchbrochen: „Ich frage euch nur noch einmal so zurückhaltend, Krieger …“ Er machte eine kurze Pause, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen. „ … bevor mein Schwert euer Haupt fein säuberlich vom Rest eures Körpers abtrennen wird – wer seid ihr und welcher lebensmüde Wahnsinnige hat euch Meuchelmörder beauftragt?“.  Stille – kein Mensch würde sie zum Reden bringen und dieser Sohn eines Bastards schon gar nicht. Yara’s saphirblaue Augen mit den langen schwarzen Wimpern blitzten ihn herausfordernd an, während sie ihr Kinn verwegen noch ein Stückchen mehr nach oben reckte und sich seine Schwertspitze noch tiefer in ihren Hals bohrte. Sie spürte das feine Rinnsal an Blut, das ihren Hals herunterlief und ihre Kleidung beschmutzte. Ein spöttisches Lächeln, das seine kalten Augen jedoch nicht erreichte, begann um seinen Mund zu spielen. Yara spürte ihr Herz hart und beständig gegen ihre Brust hämmern, nahm wahr wie das Blut dröhnend in ihren Ohren rauschte und war in diesem Moment froh, über die ihrem Volk zueigne Kriegertracht, welche ihrem Feind nur ihre Augen zeigte und den Rest ihres Gesichtes und Körpers vor seinem unerbittlichem Blick verbarg. Für einen kurzen Moment stellte sie sich vor ihrem inneren Auge vor, was geschehen würde, wenn er entdecken würde, dass er eine junge Frau vor sich knien hatte und eine feine Gänsehaut der Angst begann ihre Haut zu überziehen. Zu schlimm waren die Geschichten, die ihr von den grausamen Ordensbrüdern, die ganze Dorfgesellschaften ausradierten, nur weil die Menschen dort, der ihrer Ansicht nach falschen Religion angehörten, zu Ohren gekommen waren. Und war sie nicht selbst Augenzeuge von ihrer Erbarmungslosigkeit geworden, als sie noch ein kleines Mädchen von sieben Jahren gewesen war? Yara presste ihre Lippen zu einem harten Strich zusammen und drängte schnell die Bilder ihrer Vergangenheit zurück, die sie in diesem Augenblick zu überwältigen drohten. Für einen Sekundenbruchteil löste sich ihr unnachgiebiger Blick von dem seinen und ihre Aufmerksamkeit wanderte zu einer flüchtigen schattenhaften Bewegung, welche nur einer genaueren Beobachterin, wie sie es war, aufgefallen wäre, in der Ferne eines angrenzenden Wadis. Obwohl Yaras Augen nach einem Sekundenbruchteil wieder die seinen trafen und sie sich ihr angehendes Entsetzen nicht anzumerken lassen versuchte, wurde sein Lächeln um eine Spur kälter und härter und in seinem Gesicht machte sich Verstehen breit. Sie schluckte hart. Sie hatte einen Fehler begangen, eine Unachtsamkeit, die sie in den nächsten  Minuten noch bitter bereuen würde müssen.
Ohne sich umzudrehen oder seinen Blick von den ihren zu lösen, drangen seine nächsten Worte an ihr Ohr. „Brutus, Claudius, Gottfried – nehmt euch fünf Mann und haltet Nachschau, ob wir weiteren Besuch haben …“ Ohne zu Zögern machten sich seine Männer mit ihren Schlachtrössern auf, um kurze Zeit darauf ein schreiendes, gefesseltes Bündel, welches rücklings über eines ihrer Pferde geworfen worden war, mitzubringen. Unsanft zerrten sie ein dunkelhaariges, hübsches junges Mädchen mit bronzefarbener Haut, deren Augen im Angesicht der Ãœbermacht, der sie ausgeliefert war, schreckhaft geweitet waren, von ihrem Pferd und brachten sie mit einem harten Stoß in den Rücken zu Fall. „Seht, welches seltene Schmuckstück wir hier in dieser grausigen Einöde gefunden haben…“ Lachend packte Brutus die langen Haare des Mädchens, das in etwa Yaras Alter hatte, wand sie sich um die Finger und riss ruckartig ihren Kopf in den Nacken zurück. Das schrille Aufheulen, das folgte, brachte Yara dazu ihren Oberkörper ruckartige aufzurichten, doch im Gleichen Moment zwang sie die Klinge ihres Widersachers wieder zurück in ihre Ausgangsposition. Yaras Gedanken begannen sich in ihrem Kopf zu überschlagen und fieberhaft überlegte sie, wie sie Naila aus dieser Situation herausbekommen konnte. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, ihr fiel in diesem Moment keine Lösung ein. Im selben Atemzug, in dem sich Yara die Ausweglosigkeit ihrer Lage eingestehen musste, entdeckte Naila sie und begann laut aufzuschreien. „Yara, Yara ….. oh Allah …“ Das Mädchen presste ihre gefesselten Hände im Entsetzen gegen ihren Mund, als sie das auf Yara gerichtete Schwert sah und flüsterte. „Nein, dass dürft ihr nicht tun.“ Ihre großen dunkelbraunen Rehaugen füllten sich mit Tränen und noch größere Angst machte sich in ihrem Blick breit. Bis jetzt hatte Yara sie alle immer beschützen können. Wie zu einer großen Schwester hatte Naila zu ihrer Anführerin aufgeblickt und nun kniete selbige im Staub zu Füßen ihres schlimmsten Feindes und war selbst eine Gefangene. „Es beginnt vielversprechend zu werden …“ Sein Blick wechselte zwischen den beiden Frauen hin und her, ohne zu wissen dass die eine, eine Frau war und eine tiefe Genugtuung spiegelte sich in seinem Gesicht wieder. „Dein  Liebchen?“ Yara bedeute Naila mit einem bedeutungsschweren Blick ihren Mund zu halten, bevor sie sich in noch tiefere Schwierigkeiten brachte. „Gut, die Dinge haben sich also nicht geändert … du ziehst es weiterhin vor wie ein bockiges Kind zu schweigen? Dann wird sich auch an meinem Vorhaben nichts ändern, dich zu töten. Deine Freundin bringe ich sicherlich auch ganz gut ohne dich zum Reden.“ „Nein!“ Naila schrie laut auf und versuchte vergebens sich aus dem harten Griff von Brutus zu befreien. Unbeirrt der Tobenden hinter ihm, fuhr er fort: „Zuvor möchte ich aber in das Gesicht des Mannes blicken, der es gewagt hat, mich, Maximus, den Sohn des wohl bekanntesten Mannes dieses Erdteils, anzugreifen. Es gehört eine gehörige Portion Mut dazu, für die ihr euch meinen Respekt verdient habt … aber auch eine gehörige Portion Dummheit …“ Das Lachen seiner Männer drang dumpf an Yaras Ohr. „Ihr habt doch nicht wirklich daran geglaubt, dass ihr auch nur den leisesten Hauch einer Chance hattet, mich zu besiegen … im Ãœbrigen kämpft ihr wie ein Mädchen … und eurer Teuren werde ich nach eurem Tod schon zeigen, was es heißt einen richtigen Mann zu haben.“ Das noch lautere Lachen seiner Männer, das auf seine Worte folgte, verstummte so schnell wie es gekommen war, als Yara mit einem Satz sein Schwert wegwischte, vorschellte, den verborgenen Dolch aus ihrer Tunika zog und sich auf ihren Kontrahenten stürzte. Sie fügte ihm einen langen tiefen Schnitt am Oberarm zu, doch im nächsten Moment spürte sie eine Explosion in ihren Eingeweiden, die sie zusammensinken ließ, als er ihr sein Knie, in die vom vorangehenden Kampf erworbene Wunde am Bauch, rammte. Ein leises Wimmern drang über Yara’s Lippen, sie krümmte sich vor Schmerz zusammen und drohte für kurze Zeit das Bewusstsein zu verlieren, doch die Kriegerin in ihr und der Hass auf  ihren Feind, gaben ihr die Kraft gegen die Schwärze, die sich vor ihren Augen breit machen wollte, anzukämpfen. Sie konnte nicht aufgeben. Sie durfte nicht. Ein saurer, kupfriger Geschmack nach Blut ließ eine dumpfe Ãœbelkeit in ihr hochsteigen. Noch eine Verletzung, die sie ihm zu verdanken hatte. Die Schmerzen zwangen sie schwer zu atmen, doch das hinderte sie nicht daran, seine Augen zu suchen und ihren Blick wieder unnachgiebig, in den seinen zu bohren. „Nehmt eure Maskerade ab!“ Aus seiner Stimme war jegliche Geduld gewichen. Als Yara nicht reagierte, gab er seinen Leuten ein Zeichen und mit einem heftigen Ruck wurde ihr im nächsten Augenblick das schützende Kopftuch vom Gesicht gerissen. Seidenes, langes dunkelbraunes Haar, das in der Sonne wie flüssige Schokolade glänzte, fiel auf ihre Schultern herab und sie fühlte sich in diesem Moment so verletzlich und schwach, wie keine Sekunde zuvor. Das Verblüffen, das sich in seinen Augen für den Bruchteil einer Sekunde breit machte, verschwand ebenso schnell wie es gekommen war. Stattdessen machte sich in seinen Augen ein gefährliches Glitzern breit, welches Yara, die nur eine ungefähre Vorahnung erfüllte, was das zu bedeuten hatte, ein Stück zurückweichen ließ. Warum hatte er sie nicht einfach umgebracht, einfach abgeschlachtet wie all die Männer davor. „Das ist ja interessant…“ Der hämische Ton in seiner Stimme entging Yara nicht, als er einen Schritt zurückmachte und sie, wie ein Vieh auf dem Markt, von oben bis unten musterte. „Eine Frau …“ Er schüttelte im Unglauben seinen Kopf und begann laut und schallend zu lachen. Ein Lachen, in das seine Männer erst nach und nach bis zum letzten einfielen und das ebenso schnell verstummte, wie es begonnen hatte. „Eine Frau, die es wagt mich anzugreifen…“ Mit einem gewaltigen Hieb rammte er das Schwert neben ihr in den Boden, ging vor ihr in die Hocke und war ihr mit einem mal so nah, dass es Yara unangenehm wurde. Der Felsen, der sich nach wie vor in ihren Rücken bohrte, machte ihr ein weiteres Zurückweichen unmöglich. Yara senkte den Kopf, um ihre nunmehr vor Furcht bebenden Lippen vor ihm zu verbergen. Doch das Zittern entging seiner aufmerksamen Beobachtung nicht und sie hatte das Gefühl er weidete sich an ihrer Angst, wie eine Katze, die sich mit der von ihr gefangenen Maus spielt, um ihr danach den Todesstoß zu versetzen. Vorsichtig hob er ihr Kinn an und zwang sie so, ihm erneut in die blauen Augen zu schauen. „Wer seid ihr?“ Das siebzehnjährige Mädchen schluckte hart und ein heißeres Flüstern entrang sich ihrer Kehle: „Tötet mich!“ Er stieß ein verdrossenes Schnauben aus. „Tötet mich oder ich werde nicht eher ruhen, bevor ich euch getötet habe.“ Ein Hass und eine Verbitterung lagen in Yara‘s Stimme, die sie für einen kurzen Moment selbst erschreckten. Ein vielstimmiges unverständliches Murmeln breitete sich unter den Reihen seiner Handlanger aus. „Ruhe!“ Mit einem Ruck stand er auf und wandte sich zu seinen Männern um. „Packt sie, wenn nötig fesselt und knebelt sie. Wir reiten zurück ins Lager. Dort bringt sie zu Lauro – er soll ihre Wunden versorgen. Sobald es ihr Zustand zulässt, bringt sie in mein Zelt. Das andere Mädchen bringt zu Aurora. Keiner rührt eine der beiden an bis ihr weitere Befehle von mir empfangt - dass das klar ist!“ Ohne sie noch eines weiteren Blickes zu würdigen, stieg er schwungvoll und mit einer Leichtigkeit, die Yara, angesichts der stark blutenden Wunde, die sie ihm zugefügt hatte, verwunderte, auf sein Pferd, gab ihm die Sporen und ritt voran. Ohne den geringsten Widerstand zu leisten, ließ Yara es zu, dass seine Handlanger sie packten, sie unsanft auf die Beine zerrten, um ihre Hände kurz darauf hinter ihrem Rücken mit einer Fesseltechnik zusammenzubinden, welche ihr ein alleiniges Freikommen unmöglich machten. Im nächsten Augenblick verlor sie das Bewusstsein.

- Kapitel 2 -

Das erste, was Yara spürte, als sie langsam wieder zu sich kam, war eiskaltes Wasser, mit dem jemand ihr Gesicht benetzte. Mühsam, von einer bleiernen Erschöpfung erfüllt, öffnete sie die Augen und blinzelte in das gütig lächelnde Gesicht eines Mannes, dessen Lebensalter, wie sie schätzte, schon vor geraumer Zeit die achtzig überschritten hatte. Seine Augen leuchteten warm und gutherzig und auch in seinem sonstigen Auftreten strahlte er eine Ruhe und Freundlichkeit aus, die sie fast vergessen ließen, wo sie sich befand. Aber eben nur fast. Unvermittelt sah sich Yara wachsam um und versuchte sich kurz zu orientieren. Sie lag auf einer mit frischen Leinen bezogenen Pritsche in einem großen orangefarbenen Zelt, in dem sich außer dem greisen Mann und ihr, niemand befand. Wohlweislich war sie von ihren Feinden, trotz ihrer Bewusstlosigkeit, weiter in Fesseln gelassen worden. Schmerzhaft schnürten sie ihre Handgelenke ab und ließen ihr, die es jahrelang gelernt hatte, aus jeder Art von Ketten zu entkommen, nicht den Hauch einer Chance sich zu befreien. Ihre Gegner wussten anscheinend mit wem sie es zu tun hatten und zogen es vor, sie nicht zu unterschätzen. Ihre Zunge fuhr über ihre trockenen, rissigen Lippen und sie richtete sich zaghaft ein Stück auf. „Ihr müsst Durst haben … wartet.“ Vorsichtig setzte der Alte ihr einen Becher mit einer braun schimmernden Flüssigkeit an die Lippen. Kurzerhand, voller Argwohn erfüllt drehte Yara den Kopf zur Seite und presste ihre Lippen aneinander. „Ruhig, Mädchen … ihr müsst keine Angst haben. Keiner will euch vergiften.“ Ein Anflug von Spott funkelte in seinen weisen Augen und gleichzeitig konnte sie leichte Besorgnis darin erkennen. „Es ist bloß ein kräftigender Kräutersud, der euren Körper bei der Selbstheilung unterstützen soll. Aber ihr könnt auch gern etwas Wasser haben.“ Für sein Alter noch erstaunlich behände, wandte er sich um und füllte einen bronzenen Becher randvoll mit kaltem Wasser aus einem danebenstehenden Tonkrug. Immer noch mit leichtem Misstrauen erfüllt, sah Yara ihm mit wachsamen Augen bei seinem Tun zu. Ihre Finger fühlten sich taub an und als sie begann sie vorsichtig zu bewegen, trat ein so unangenehmes Kribbeln ein, dass sie kurzerhand wieder damit aufhören ließ. „Bitte … trinkt!“ Nochmals setzte er den Becher an ihren rauen, spröden Lippen an und dieses Mal brachte der quälende Durst Yara dazu, einen Schluck des kühlen Nass zu kosten. Als sie merkte, dass es tatsächlich Wasser war, das ihr angeboten worden war, trank das Mädchen gierig den Becher leer. „Vorsicht, Vorsicht. Das ist genug. Ihr wollt doch nicht, dass euch alles wieder hochkommt.“ Yara schüttelte leicht den Kopf und flüsterte ein leises „Danke.“ Der Alte lächelte. „Und ich dachte schon, ihr hättet eure Stimme verloren.“ Yara rückte ein Stück näher an den Alten heran, sah gehetzt zum Zelteingang, durch dessen Leinenwand sich hin und wieder Schatten patroulierender Truppen in der nahenden Abenddämmerung abzeichneten, und flüsterte mit gedämpfter Stimme: „Ich bitte euch, ihr müsst mir helfen. Löst meine Fesseln. Ich schaffe es alleine durchs Lager zu entkommen. Ihr könnt sagen, ich sei euch entwischt. Ihr seid ein guter Mann, ich sehe es an euren Augen. Ihr ward es vermutlich, der meine Wunden versorgt und mir einen Verband angelegt hat. Ihr habt mir vermutlich mit eurer Heilkunst das Leben gerettet. Ich bin euch aus tiefstem Herzen zu Dank verpflichtet und ich stehe tief in eurer Schuld. Aber es kann nicht euer Ziel sein, mich diesem Barbaren erneut auszuliefern, nachdem ihr so viel für mein Wohl getan habt. Bitte lasst mich gehen…bitte.“ Wie ein Wasserfall sprudelten die Worte nur so aus Yara heraus und in ihrem Blick lag ein Flehen, dass nur den Bruchteil ihrer innerlichen Verzweiflung wiederspiegelte. Für kurze Zeit konnte Yara Mitleid in den Augen des Mannes aufblitzen sehen, doch ebenso schnell wie der Ausdruck von Anteilnahme in sein Antlitz getreten war, so schnell verschloss sich die Miene des Alten wieder, er stand auf, trat einen Schritt von ihr zurück und wandte ihr die Seite zu. „Ich kann nicht, selbst wenn ich wollte. Ich bin meinem Herrn zu absoluter Treue verpflichtet. Ohnedies ist es nun wohl besser ich sage den Soldaten Bescheid, dass ihr wach seid, damit sie euch zu ihm bringen können, so wie mein Herr es mir befohlen hat.“ Kaltes Entsetzen machte sich in der jungen Frau breit und lähmte ihren Körper. „Nein, nein! Wartet! Ich bitte euch.“ Doch der Alte war schon aufgestanden ohne Yaras Worten noch Beachtung zu schenken und hatte das Zelt verlassen. Yara atmete einige Male tief durch und besann sich. Sie musste Ruhe bewahren, durfte sich ihre Bestürzung nicht anmerken lassen. Sie war eine Kriegerin. Sie musste nur den richtigen Zeitpunkt abwarten. Früher oder später würde ein  geeigneter Moment kommen. Vielleicht würde sie am Ende doch noch als Siegerin aus diesem, ihrem persönlichen  Kampf, hervorgehen.
Als die Soldaten kamen um sie zu holen, hatte Yara sich wieder unter Kontrolle. Mit verschlossener Miene, aus der man nicht die Spur einer Regung ablesen konnte, blickte sie den drei Männern – einen von ihnen erkannte sie als Brutus - entgegen. Alle drei waren geharnischt als ob sie in diesem Augenblick zu einem Gefecht ins Feld ziehen würden und als Brutus sie grob am Arm packte, hatte Yara nur ein verächtliches Schnauben für ihn übrig. „Aufstehen!“ Seine Stimme dröhnte laut und herrisch durch das Zelt und ohne ihr auch nur den Hauch einer Gelegenheit zu geben, selbst aufzustehen, riss er Yara mit roher Gewalt zu sich hoch. Kein Laut des Protestes kam über Yaras Lippen. Das hätte diesem grobschlächtigen Kerl mit dem grausam wirkenden Gesicht, nur mehr Anlass gegeben, sie unnötig zu quälen. Er versetzte Yara einen Schlag zwischen die Schulterblätter, der sie nach vorne taumeln, aber zu seinem offensichtlichen Unmut, nicht hinfallen ließ. Die beiden anderen Soldaten hängten sich auf seinen Wink jeweils seitlich bei ihr ein, sodass sie sich erst gar nicht der dummen Illusion hingeben konnte, zu flüchten. Hoch erhobenen Hauptes wurde Yara durch das Lager gezerrt, gab vor stur geradeaus zu blicken, während sie die Gegend aus den Augenwinkel heraus musterte und sich versuchte jedes noch so kleine Detail, jeden Pfad der aus dem feindlichen Heereslager führen konnte, einzuprägen. Sie schleppten sie zu einem einfach wirkenden, im Vergleich zum vorhergehenden etwas größeren Zelt. Brutus ging voran, blieb vor dem Zelteingang stehen und räusperte sich kurz. „Bitte um Einlass, Herr. Wir haben euch etwas mitgebracht.“ „Kommt nur herein.“, vernahm Yara aus dem Zeltinneren, die ihr verhasste Stimme. Brutus schob die Plane des Zelteingangs zur Seite, ließ sie mit beiden Soldaten passieren, um den Zelteingang kurz darauf wieder zu verschließen. Yara unterdrückte den Fluchtimpuls, den sie verspürte, als sie ihn vor sich stehen sah. Groß und breitbeinig, mit der Statur eines Kriegers, stand er in der Mitte des Zeltes und musterte sie mit einer Ruhe und Gelassenheit, die sie umso mehr auf der Hut sein ließ. Er trug eine dunkle Hose mit einem Waffengürtel aus schwarzem Leder, in dem ein gründlich poliertes Breitschwert glänzte, an dessen Metallgriff eine lateinische Inschrift prankte. Non nobis Domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam - Nicht uns, oh Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gib Ehre. Yara stieß ein verächtliches Schnauben aus, denn sie hatte schon lange aufgehört, an irgendeinen Gott zu glauben. Letztendlich hatte sie sich immer nur auf sich selbst, auf ihren Verstand und auf ihre Stärke verlassen können. Innerlich auf das Äußerte angespannt, äußerlich wie die Ruhe in Person wirkend, setzte Yara ihre stille Musterung fort. Über der Hose hatte er nur ein einfaches Leinenhemd an und obwohl er seinen Waffenrock und das Kettenhemd abgelegt hatte, strahlte seine Erscheinung Stärke aus. Die Blessur, die sie ihm am linken Oberarm zugefügt hatte, war frisch verbunden, wie sie sah. Aus ihrer Erinnerung heraus, wusste sie, dass die Wunde heftig geblutet hatte, dass sie tief und schmerzhaft sein musste und es bereitete ihr Genugtuung, dass er eine Narbe aus ihrem Kampf davontragen würde. Dennoch hatte der Gedanke für Yara einen bitteren Beigeschmack, denn eigentlich hätte sie ihn töten wollen. Das Zelt selbst, wie sie registrierte, war erstaunlich schlicht gehalten und nur mit dem Nötigsten eingerichtet. Ein durchsichtiger Vorhang gab Sicht auf eine Schlafstatt in der linken Ecke des Zeltes, mittig und seitlich des Zeltes ragten Holzpfeiler in die Höhe, die dem Zelt wohl zusätzlichen Halt geben sollten. Ansonsten befanden sich ein Tisch, auf dem eine Landkarte ausgebreitet lag, und einige Stühle im Raum. Mehrere Kerzen sorgten für ein dämmriges Licht. Widerwillig ließ sich Yara bis zur Mitte des Raumes zerren und funkelte ihren Widersacher angriffslustig an. „Knie nieder vor deinem Herrn, Sklavin!“ hörte sie Brutus hinter sich bellen und sie konnte nicht verhindern, dass sich ein spöttisches, geringschätzendes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Im nächsten Moment spürte sie wie die Soldaten sie losließen, während ein harter Tritt in ihre Kniekehlen, sie zu Boden gehen ließ. „Das Lachen wird dir schon noch vergehen, du störrisches kleines Biest.“, hörte sie Brutus böse zischen. Noch immer war kein Wort über die Lippen ihres „Gastgebers“ gekommen. Voller Verachtung blickte die junge Kriegerin zu ihm hoch und straffte ihren Oberkörper. So leicht würde sie sich nicht unterkriegen lassen. Yaras vorangegangene Furcht wich einem unbändigen Hass, der sich nur zu deutlich in ihrem Gesicht widerspiegelte. Ihre Augen sprühten Funken. Sein hämisches Grinsen brachte sie noch mehr in Rage. Er tat einen Schritt auf sie zu, doch Yara gab ihm nicht die Genugtuung, vor ihm zurückzuweichen. Ihr Blick verfolgte, wie er seelenruhig einen Dolch aus dem Waffengurt hinter seinem Rücken zückte, die Waffe versonnen betrachtete und mit seiner Daumenkuppe fast zärtlich über die Klinge strich. Eine Anspannung lag in der Luft, die ihr es schwer machte zu atmen, doch äußerlich ließ sich die heranwachsende Frau nichts anmerken. Quälend langsam kam er noch einen Schritt auf sie zu und ging vor ihr in die Hocke, sodass sein Gesicht dem ihren gefährlich nah kam. Sie spürte wie er ihre Hände fest packte und wie ein scharfer präziser Schnitt kurz darauf ihre Handfesseln durchtrennte. Yaras Gesicht blieb regungslos und auch sonst blieb sie starr vor ihm knien, den Oberkörper noch immer hoch erhoben, die Augen unverwandt auf ihn gerichtet. Ihre Hände fühlten sich wie abgestorben an, als er sie wie ein kostbares Kleinod in die seinen nahm und ihr sanft bedeute aufzustehen. Als hätte sie auf heißes Eisen gegriffen, riss Yara ihre Hände zurück und beeilte sich aufzurichtetn. Die drei Soldaten hinter ihr taten einen Schritt auf sie zu, doch ihr Anführer bedeutete ihnen, in dem er leicht die Hand hob, stehen zu bleiben und abzuwarten. „Nun, Yara … so nannte euch doch eure Freundin … wer seid ihr? Was, oder besser gesagt, wer hat euch zu der Dummheit angestiftet mich und meine Männer anzugreifen.“ Scheinbar uninteressiert goss er sich einen Becher Wein ein, doch Yara konnte einen lauernden, gefährlichen Ausdruck an seinen Zügen erkennen. Von seinem Auftreten scheinbar unbeeindruckt, antworte sie mit fester Stimme. „Ich bin euer schlimmster Albtraum, das schwöre ich euch. Und es wird der Tag kommen, an dem ihr mich um euer Leben anfleht, solltet ihr mich nicht heute und sofort töten.“ „Das hatten wir schon alles, Liebes … aber ich muss dich leider enttäuschen, ich habe bessere Dinge mit euch vor.“ Schritt für Schritt war er näher gekommen und Yara wich unmerklich vor ihm zurück, bis sie den harten Holzpfosten in ihrem Rücken spürte, der ihr einen weiteren Rückzug verwehrte. Seine warmen Finger strichen sanft über ihre Wangen, Yara schloss kurz die Augen und sagte sich, dass das ein Albtraum sein musste und sie jeden Moment erwachen würde. Doch als sie im nächsten Moment die Augen wieder öffnete, war sein Gesicht dem ihren so nah, dass sie seinen heißen Atem, der in der Kälte der Nacht kleine Dunstwölkchen in die Luft zeichnete, auf ihrer Haut fühlen konnte. Trotz trat in ihre Augen und leise zischte sie: „Wenn ihr glaubt, mir mit eurem männlichen Imponiergehabe Angst einjagen zu können, dann müsst ihr euch schon was besseres einfallen lassen, als mich hier in euer Zelt bringen zu lassen und mir zu drohen. Aber anscheinend seid ihr nicht Manns genug euch anders Respekt bei einer Frau zu verschaffen. Das müsst ihr wohl von eurem Vater haben. Es heißt ja bekanntlich, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ Yara verzog das Gesicht, als er ihre Haare mit seiner Hand fest umschlang und ihren Kopf ruckartig zur Seite riss. Reflexartig griff sie nach seinen Händen und versuchte seinen Griff zu lösen. Im selben Moment ließ er sie los, packte sie mit einer Hand beim Kinn und presste seine Lippen hart auf die ihren. Yara versuchte sich zu befreien, wand sich, doch seine zweite Hand hatte ihre beiden Hände hinter ihrem Rücken gepackt und hielt sie unerbitterlich fest. Sein Körper war schwer gegen den ihren gepresst, sodass sie keine Möglichkeit zur Flucht hatte. Seine Zunge teilte ihre Lippen, als Yara vor Schmerz aufkeuchte, weil er sich noch fester gegen sie drückte und sie spürte wie ihre Bauchwunde wieder zu bluten anfing. Ohne sich darum zu kümmern, riss er ihr weißes Leinenhemd, welches ihr wahrscheinlich der Wundheiler zuvor angezogen hatte, entzwei, sodass es bis zum Bauchnabel zerfetzt war. Immer heftiger setzte sich Yara zur Wehr und versuchte ihre Hände aus seinem harten Griff zu befreien. Als alles nichts half, biss sie ihn fest in die Lippen. Er ließ ab von ihr. Yaras Brustkorb hob und senkte sich schwer. Keuchend und mit Genugtuung erfüllt, nahm sie wahr, dass er blutete. Er ließ sie los. Schnell verschränkte Yara ihre Hände vor der Brust, schlang das aufgerissene Hemd, das sich am Bauch leicht rot verfärbt hatte, um ihren Oberkörper. „Na gut, ich hab ja versucht nett zu dir zu sein, aber du willst es ja nicht anders. Ich schwöre dir, du kleine Drecksschlampe wirst mich heute noch anflehen, dass ich dich besteige und wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen ich hätte dich getötet.“ Yara senkte den Blick, ein leichtes Zittern durchlief ihren Körper und mit Entsetzen erfüllten Augen, wandte sich ihr Blick zur Tür, als er seinen nächsten Befehl ausstieß. „Bringt ihn herein!“ In Ketten gelegt und mehr tot als lebendig, schleppten sie einen gut gebauten jungen Mann mit dunklem kurzen Haar in das Zelt. Yara schlug die Hände vor den Mund und stürzte im gleichen Moment zu ihrem Bruder. „Salim…“ Sie schrie auf, als sie einer der Soldaten auf Befehl seines Herrn von hinten packte und mit eisernem Griff festhielt. „Yara.“ Ihre Blicke trafen sich und Yaras Augen füllten sich mit Tränen. Die ganze Selbstbeherrschung war von der einen Sekunde auf die andere wie weggefegt. Nicht ihr kleiner Bruder. Sie durften ihm nichts antun. Nicht wegen ihr. Salim war der einzige, der von ihrer Familie übrig geblieben war. Er war das einzige, dass ihr noch einen Grund gab weiterzukämpfen. Er und der Gedanke auf Vergeltung. Salim wollte ihr zu Hilfe eilen, doch die Kette, die sie um seinen Hals gelegt hatten, wurde heftig zurückgerissen und ließ ihn straucheln. Yara wehrte sich erneut gegen den Soldaten, der sie festhielt, doch sie war zu geschwächt durch ihre Wunde, als das sie eine Chance gegen ihn gehabt hätte. Von Panik erfüllt wechselte ihr Blick zwischen ihrem Bruder und ihrem jetzigen Sklavenhalter hin und her. Dieser stand mit verschränkten Armen, den Blick nun vielmehr ihrem Bruder zugewandt und sie mit Missachtung strafend, ruhig vor ihnen und betrachtete die Szenerie. „Knie dich nieder vor deinem jetzigen Herrn!“ kam sogleich der bellende Befehl von Brutus. Als Salim keine Anstalten machte, ihnen zu gehorchen, wurde er, ebenso wie sie vorhin, zu Fall gebracht. Yara kannte Salims Stolz und wusste dass er in seiner Sturheit der ihren um nichts nachstand. „Wartet!“ Yara schluckte hart. „Bitte, wartet … tut ihm nichts.“ Keine Regung, er sah weiterhin stur auf Salim herab. „Ich flehe euch an …“ Sie biss sich, als das nächste Wort ihre Lippen verließ, vor Selbstverachtung fast die Lippen blutig, doch dass Salim nichts geschah war jetzt wichtiger, als ihre Würde. „ … Herr …“ Er hob den Blick. Sie hatte wieder seine Aufmerksamkeit gewonnen. Yara atmete erleichtert auf. „Ich sage euch was ihr wissen wollt. Aber lasst ihn aus dem Spiel.“ „Wer sagt dass ich noch etwas wissen will?“ kam es höhnisch zurück. „Aber ihr wolltet doch …“ Noch bevor Yara den Satz beenden konnte, stieß er ein Lachen aus, dass ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ und sie unterbrach. „Meinst du nicht, kleine Kriegerin, dass ich meine Hausaufgaben schon längst gemacht habe. Glaubst du nicht, dass ich schon über dich Bescheid gewusst habe, während du noch fiebernd im Zelt meines Medicus gelegen bist? Mach nicht den Fehler mich zu unterschätzen, mein Mädchen.“ Er war auf sie zugekommen und stand nun wieder so nah vor Yara, dass es ihr Unbehagen bereitete. „Denn ich unterschätze dich auch nicht, Yara.“ Seine Finger strichen sanft über ihr Dekolletee, erreichten die zarte Wölbung ihres Busens und ließen Yara den Atem stocken. „Wir könnten so viel Spaß miteinander haben, bevor ich dich meinem Vater übergebe.“ Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er es registrierte. Yara fühlte sich zurückversetzt in ihre Kindheit, als sie ebenso hilflos und ohnmächtig zusehen musste, wie ihr Vater der Grausamkeit seines Vaters ausgesetzt gewesen war. Vor ihrem inneren Augen sah sie sich als Kind auf ihren Vater, den sie mir als ihr eigenes Leben geliebt hatte, zulaufen, als  sich gerade das Schwert seines Angreifers tief in sein Herz bohrte und ihn vornüber kippen ließ. Schrill hallte Yara ihr eigener Schrei in den Ohren wider. Er beobachte ihr Mienenspiel und keine Gefühlsregung, die sie eben durchlief, schien ihm in diesem Moment zu entgehen. Was war bloß los mit ihr? Wo war die Kriegerin, zu der sie geworden war, hin verschwunden? Warum hatten die Gefühle sie unter Kontrolle und nicht sie die Kontrolle über ihre Gefühle?  Salims Ketten raschelten als er sich wieder aufrichtete und ihren Todfeind herausfordernd anstarrte. „Lass deine dreckigen Finger von ihr oder ich schwöre…“ Ein süffisantes Grinsen aufgesetzt wandte sich ihr nunmehriger Gefängniswärter zu Salim um. „Oder sonst was? Stürzt du dich auf mich? Tötest du mich? Schlägst mir den Schädel ein? Ich glaube es liegt nicht an dir, irgendwelche leeren Schwüre zu leisten…“ Salim schoss nach vorne auf ihn zu, doch die Kette um seinen Hals und die zurückgebundenen Hände hinderten ihn daran, auf seinen Widersacher loszugehen. Schmerzhaft wurde er zurückgerissen, aber er drückte sich mit vollem Widerstand gegen die Kette. Sein Körper war bis auf das Äußerte gespannt. Angsterfüllt um ihren Bruder beobachtete Yara die beiden Männer. Beide groß und kräftig gebaut. An Stärke standen sie sich wohl in nichts nach. Salim spuckte verächtlich vor seinen Gegner aus. „Versteckt euch nur weiter feige hinter euren Männern, Templer. Etwas anderes hab ich mir von euch auch nicht erwartet. In eurer Kultur kennt man wohl das Wort „Ehre“ nicht.“ Der Peitschenhieb auf den nackten Rücken, der seinen Worten folgte, kam völlig unerwartet und ließ Salim in die Knie gehen. Ein lautes Surren und ein weiteres Mal traf die dünne Lederpeitsche seine nackte Haut und biss sich in sein Fleisch. „Nein!“ Mit einem Ruck riss sich Yara von ihrem Bewacher frei und stürzte sich zwischen ihren Bruder und die Peitsche. Ein lautes Klatschen und sie fühlte wie ein heller Schmerz sie durchfuhr, als ihre Haut aufriss. Yara biss sich fest auf die Lippen, kein Schmerzenslaut  entwich ihren Lippen. Ein weiterer Hieb. Tränen schossen der zarten, noch mädchenhaft wirkenden Frau, in die Augen und sie umklammerte fest ihren Bruder. Die Augen geschlossen und die Finger in seine Arme gekrallt, erwartete Yara den nächsten Schlag. Doch er kam nicht. Vorsichtig blinzelte sie die Tränen weg und sah hoch. Yara zuckte zurück, als der Soldat, der soeben noch die Peitsche geschwungen hatte, leblos neben ihr zusammensackte und sich langsam aber stetig eine dunkelrote Blutlacke unter ihren Beinen ausbreitete. Sie robbte zurück und blickte fassungslos auf den Dolch in der Hand des Templeranführers. „Ich mag es nicht, wenn man mein Eigentum beschädigt!“ Er blickte auf sie herab und ein Zittern erfasste Yara, das sie nicht mehr abstellen konnte. Sie zog ihre Beine an die Brust, umklammerte sie und starrte auf den leblosen Körper, während ihr Körper nicht mehr zu ihr gehören schien. Wie durch einen Nebel hörte sie ihn sagen, „Schafft mir den Leichnam aus den Augen und nehmt ihren Bruder mit.“ Yaras Augen füllten sich mit Tränen und ein leises verzweifeltes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Mutlos sah sie den beiden übrigen Soldaten zu wie sie ihren ehemaligen Kameraden an den Beinen hinaus schleiften und Salim zwangen ihnen zu folgen.

- Kapitel 3 -

Yara blickte an sich herab und wischte sich kurz entschlossen die Tränen aus den Augen. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Alles was zählte, war ihren Bruder und Naila aus deren Gefangenschaft zu retten. Egal wie hoch der Preis war, mit dem sie zu bezahlen hatte. Mit Beklommenheit erfüllt, streifte sie zögernd langsam das viel zu große, halb zerrissene Leinenhemd, welches schon mehr zeigte als es verbarg, über ihre Schultern und ließ es bis zu ihren Hüften herab gleiten. Sie konnte spüren wie sein Blick unmerklich über ihren Körper glitt und wie er sie verwundert bei ihrem Tun beobachtete. Yara wagte es nicht ihn anzusehen. Zu groß war die Angst davor einen Rückzieher zu machen. Mit leiser, aber dennoch um Festigkeit bemühter Stimme, brachte die junge Frau ihre nächsten Worte vor. „Tut mit mir, was euch beliebt.“ Sie atmete zitternd ein und fuhr fort, „Aber ich bitte euch, verschont meinen Bruder und tut auch Naila nichts an.“ Befangen sah sie zu ihm hoch, in ihren Augen spiegelte sich ihre Verzweiflung wieder. „Er ist das einzige, was ich noch habe. Nehmt ihn mir nicht auch noch.“ Etwas in seinem Blick veränderte sich, dass Yara nicht auf Anhieb zuordnen konnte. Die Härte darin war mit einem Mal verschwunden und war für den Bruchteil einer Sekunde aufrechter Anteilnahme gewichen, doch ebenso schnell wie sich das Mitgefühl in seinen Zügen gespiegelt hatte, so schnell verflüchtigte es sich auch wieder und sofort kam der arrogante Ausdruck in seine Miene zurück. „Steh auf …“ Bedächtig begann er den Dolch vom Blut seines Untergebenen zu säubern und musterte den Stahl dabei mit kritischen Blick. Spannungsgeladen krallten sich Yara‘s eiskalte Finger in den weichen, fein gewebten Stoff ihres Hemdes und nachdem ein Augenblick des Zögerns verstrichen war, entspannte sie ihre Finger, ließ den Stoff, der ihr für kurze Zeit Halt gegeben hatte, los und stand langsam und sich ihrer Nacktheit nur allzu sehr bewusst auf. Obwohl er noch immer mit dem Polieren des Dolches, den er nun hochhielt und im Schein der Kerzenflammen begutachtete, beschäftigt war, konnte Yara spüren das ihm nichts entging. Sie fühlte sich elend. Dieser Barbar würde sich nehmen, was ihm seiner Meinung nach zustand und danach würde er sie entweder töten oder, was für Yara noch schlimmer zu ertragen war, er hatte Gefallen an ihr und würde sie zu seiner persönlichen Sklavin machen. Aber sie musste es ertragen. Sie musste es aushalten, um ihren Bruder, Naila und womöglich noch viel mehr Gefangene ihres Volkes vor dem sonst sicheren Tod zu bewahren. Sein Schweigen, seine ruhige Gelassenheit und die monotonen Bewegungen mit denen er noch immer seinen Dolch vom Schmutz befreite, obwohl er schon so blank poliert war, dass der Stahl im Kerzenlicht glänzte, ließen ihre Nerven fast zerreißen. Das machte er absichtlich. Er wollte sie mürbe machen und ihren Willen brechen, da war sich Yara sicher. Unvermittelt wandte Maximus sich zu ihr um und ließ seinen Blick nun offensichtlich über ihren nackten Körper gleiten. Yara konnte nicht verhindern, dass sich ihr Körper versteifte, als er auf sie zukam und so knapp vor ihr stehen blieb, dass sich ihre beiden Körper gerade um einen Hauch nicht berührten.
„Du hast Angst …“ Seine tiefe Stimme und der Blick, mit dem er sie musterte, jagten Yara einen Schauer über den Rücken. Mit dem Daumen strich er sanft über ihre vollen Lippen. „Solltest du auch …“ Yara konnte nichts erwidern. Sie stand regungslos vor ihm und selbst wenn sie etwas entgegnen hätte wollen, wären ihr wahrscheinlich die Worte im Hals stecken geblieben. Ihr Blick war starr auf sein Gesicht gerichtet und alles was sie fühlte, war ihr Herz, das ihr bis zum Hals schlug.
„Du solltest dir jetzt etwas anziehen … ich werde dir Dajana schicken. Sie soll deine Wunde neu verbinden, dir etwas zum Waschen geben und frische Kleidung bringen.“   
Mit einem Mal drehte er sich um und verließ das Zelt. Er ging einfach. Benommen folgte ihm Yaras Blick. Du hast Angst. Wie ein Echo hallten seine Worte in Yara’s Gedanken nach. Ein Zittern durchlief ihren Körper, sie hielt die Luft an und ballte ihre Hände zu Fäusten, so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten und sich ihre Fingernägel fest in ihre Handinnenfläche bohrten.  Ich werde dich töten. Ich werde dir deinen verfluchten Dolch durchs Herz rammen, so wie es dein Vater mit meinem getan hat und ich werde mit Befriedigung zusehen wie langsam das Leben aus deinem Körper weicht. Und ich werde keine Sekunde zögern, wenn ich die Gelegenheit dazu habe. Ein leises Räuspern ließ Yara aufblicken. Eine hellhäutige, junge Frau mit feinem, langem Haar so glänzend wie Gold und einem Gesicht so hübsch das es Yara den Atem verschlug, stand am Eingang des Zeltes und kam nun, da sie Yaras Aufmerksamkeit hatte, einige Schritte näher heran. Ihr Gang war anmutig, ihre Hüften wogen weich und fraulich hin und her, sodass ihr wohl jeder Mann (und wohl auch jede Frau – nur diese von  Neid erfüllt) hinterher schauen musste. Das rote, an der Taille mit einem Kordelband eng geschnürte  Kleid, das sie trug, war tief ausgeschnitten und gab den Blick auf volle runde feste Brüste frei. Und auch der Rest ihres Körpers war schlank und doch wohlgeformt mit weichen, frauenhaften Konturen. Yara spürte bei dem Anblick einen leisen Stich von Missgunst. „Nun, meine Kleine…“ gurrte die blonde Frau und ein spöttisches, jedoch auch warmherziges Lächeln spielte um ihre Lippen. „Maximus meinte ich soll mich um dich kümmern …“ Yara zog eine Schnute. „Danke, ich habe keinen Bedarf.“ „Ach, Mädchen … nun hab dich nicht so … ein paar Handgriffe und du siehst aus wie ein kleines leckeres Täubchen.“ Die Frau begann Yara unsympathisch zu werden. „Und wenn ich aber nicht aussehen will, wie ein kleines leckeres Täubchen!“ Die Antwort kam schärfer als sie es beabsichtigt hatte, doch Dajana ließ sich nichts anmerken und fuhr fort: „Maximus wünscht es so und es steht euch – soweit ich weiß - nicht zu, seine Befehle zu verweigern. Yara schluckte eine noch schärfere Antwort hinunter und seufzte in stiller Ergebenheit. Letztendlich führte Dajana wohl oder übel auch nur aus, was ihr von oben aufgetragen worden war. Dajanas Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, ob ihrer stillen Ergebenheit und sie begann sich an die Arbeit zu machen. Mit beiden Fingern stieß sie einen hohen Pfiff aus und kurz darauf kamen zwei weitere junge, hübsche Mädchen (wenn auch nicht so hübsch wie Dajana) –Sklavinnen oder Kurtisanen, womöglich auch beides, dachte Yara bei sich  – in das Zelt und stellten einen Bottich mit dampfenden, wohl riechenden Wasser ab. „Hinein mit dir!“ Dajana gab ihr einen Klaps auf den Hintern und Yara machte sich schnell daran, in den warmen Zuber zu steigen und in das wohltuende Wasser zu tauchen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal, den Luxus eines heißen Bades genossen hatte und konnte es sich nicht verkneifen, behaglich aufzuseufzen. Bald schon schrubbten sechs eifrige Hände ihre Haut mit Seife ab und spülten ihr Haar mehrmals mit einer duftenden Rosenessenz durch. Doch bevor sie es richtig genießen konnte, erklang schon wieder Dajanas Befehlston: „Raus mit dir! Ehe du uns einschläfst vor lauter Behaglichkeit.“ Unangenehm berührt kletterte Yara schnell aus dem Holzbottich und ehe sie sich versah, wurde sie in ein weiches warmes Baumwolltuch eingewickelt und trocken gerubbelt. Willenlos ließ sie die darauffolgende schmerzhafte Haarentfernung mit Zuckerpaste über sich ergehen und ebenso widerstandslos ließ sie zu, dass Dajana ihr Haar trocknete und frisierte. Miteinander tuschelnd und kichernd begannen die beiden anderen Mädchen Yaras Augen mit schwarzem Kohl zu umranden und ihre Haut mit einem Puder abzustäuben. Dajana hielt ein weißes halb durchsichtiges Kleid vor ihren Körper und musterte es kritisch. „Das ist perfekt.“ „Nein!“ Yara ging einen Schritt rückwärts. „Das ziehe ich nicht an. Wo sind meine Sachen?“ „Deine Sachen wurden verbrannt, Schätzchen. So etwas Barbarisches ziehen Frauen bei uns nicht an!“ „Ihr habt was?“ „Zieh dein Kleid an … der Herr hat es für dich ausgesucht…“ Erneutes Kichern bei den beiden Mädchen. „Ich werde einen Dreck tun!“ Yaras Stimme war so laut geworden, dass sich vor dem Zelteingang eine der Wachen räusperte. „Alles in Ordnung bei euch?“ „Jaja, schon gut…“ erwiderte Dajana und ohne sich um Yaras Protest zu kümmern, streifte sie ihr das Kleid über den Körper. Yara unterdrückte den Impuls der Gegenwehr und ließ es einmal mehr an diesem Tag zu, dass man ihr etwas aufzwang, das sie nicht wollte.
Dajana klatschte ihre Hände zusammen. „Perfekt.“ Als sie Yara einen Spiegel vor die Nase hielt, musste diese hart schlucken. Langsam hob das Mädchen ihre Hand und strich wie verzaubert über ihre Wangen und ihre Lippen, doch gleichzeitig füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen. Durch Dajanas eingehende Musterung peinlich berührt, senkte sie schnell den Blick und blinzelte ihre Tränen weg. „Du musst keine Angst haben, Mädchen … Maximus ist ein einfühlsamer, zärtlicher Liebhaber … auch wenn er wahrscheinlich nicht will, dass ich dir das sage. Aber ich kann dich verstehen … auch ich hatte Angst, als ich ihm das erste Mal gegenüberstand, als er mich in sein Bett holte  …“ Sie grinste bei ihren nächsten Worten. „Und jetzt kann ich es von Mal zu Mal kaum erwarten, dass er mich zu sich ruft.“ Yara blickte wieder zu ihr auf und Verständnislosigkeit machte sich in ihrem Gesicht breit. „Er hat sich euch auch aufgezwungen? Und ihr findet das auch noch gut? Das dies nicht das erste Mal ist, dass er so etwas tut, macht ihn nur noch abscheulicher für mich und es gibt mir noch mehr Grund sein Leben auszulöschen, damit ihm nicht noch mehr Mädchen zum Opfer fallen.“  Dajana seufzte. „Ach, Mädchen … macht keine Dummheiten … ihr habt nicht den Hauch einer Chance gegen ihn. Sein Vater hat dafür gesorgt dass er der beste Krieger unter den seinen ist. Maximus wird niemals unbesonnen sein und er kennt euren Hass gegen ihn, der ihn nur noch zu mehr Vorsicht anstiftet. Ihr seid eine Närrin, wenn ihr glaubt, ihr könntet ihn töten. Schlagt euch das gleich aus den Kopf, wenn ihr euch und euren Bruder nicht gefährden wollt. Und auch um das Mädchen willen, Naila war doch ihr Name … glaubt mir, es wäre nicht klug Maximus Zorn zu beschwören. Denn sein Zorn, sofern er erst einmal geschürt worden ist, ist wohl das einzige, das noch größer ist als seine Vorsicht.“ „Dann stehen wir uns wohl darin um nichts nach.“ Mit ernsten Augen blickte Yara in die von Dajana. Ein Blick der Dajana nur nochmals laut Aufseufzen ließ. Im nächsten Moment spürte Yara wie ihr Dajana wieder Fesseln um die Hände wandt.  Wenn  sie gewollt hätte, hätte sie sich wehren können, aber da es ihr in diesem Moment nichts brachte, ließ sie es in stiller Ergebenheit über sich ergehen. Nachdem die Sklavin Yara‘s Hände hinter ihrem Rücken fest verknotet hatte und sich davon überzeugte, dass der Knoten auch hielt, band sie Yara am Pfosten des Bettes an. „Alles Gute, Mädchen.“ Sie gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, als wäre Yara noch ein kleines Kind und schenkte ihr noch ein aufmunterndes Lächeln, in dem jedoch auch eine Spur von Mitleid mitschwang, bevor sie und ihre beiden Mädchen das Zelt verließen. Eine Kälte machte sich in Yara breit, die sie zu lähmen schien, während sie am Bett saß und auf ihren Peiniger wartete.

- Kapitel 4 -

Die Sekunden schienen sich zu Minuten auszudehnen und die Minuten verlängerten sich zu Stunden. Immer wieder wanderte Yara‘s Blick unstet zum Zelteingang und ließ ihren Herzschlag für ein paar Sekunden aussetzen, wenn sich der Stoff im Wind blähte und sie glauben ließ, er würde jeden Augenblick eintreten. Draußen war es dunkel geworden, die Kerzen waren die letzten Stunden heruntergebrannt und ihr flackerndes Licht zauberte unheimliche Schatten an die Leinenbahnen der Zeltwände. Draußen war Gelächter zu hören und vereinzelt konnte sie die Stimmen und das Grölen angetrunkener Männer ausmachen. Sie feierten wohl ihren heutigen Sieg über jene, die sie die Ungläubigen nannten, dachte sie bitter. Ein leises Rascheln am hinteren Ende des Zeltes ließ Yara ihre Aufmerksamkeit in die Richtung, aus der sie das Geräusch wahrnahm, richten. Eine menschliche Gestalt zwängte sich durch einen verbogenen Spalt in das Zelt. Yara Körper spannte sich und sie richtete, auf dem Bett kniend, ihren Oberkörper auf. Als sie zu erkennen glaubte, wer sich da ungesehen und wohl auch unerlaubt in das Zelt einschlich, stockte ihr erstmals der Atem. Ein jüngeres Abbild ihres Todfeindes trat schelmisch grinsend ein und stieß einen anerkennenden Pfiff aus, als er sie auf dem Bett kniend vorfand. „Welch‘ schöne neue Errungenschaft meines Bruders haben wir denn hier…“ Yaras Herz hämmerte fest gegen ihre Brust, während sich ihre Gedanken blitzschnell zu überschlagen begannen. Das war ihre Gelegenheit. Er hatte also einen Bruder. Wenn sie ihn überwältigen konnte, war dies die Freiheit für diejenigen, die sie liebte und vielleicht auch die ihre. Und sollte sie dafür sterben, dass sie ihre Lieben retten konnte, so würde sie dies nur allzu gerne in Kauf nehmen. Wortlos musterte Yara den jungen Mann, der geradewegs und ohne jegliche Scheu, auf sie zukam. Er war, wie sie schätzte, in etwa gleich alt wie sie Bruder, vielleicht auch um zwei bis drei Jahre jünger und seine Statur war nicht ganz so kräftig wie die seines Bruders. Von der Körpergröße her überragte er Yara etwa um eine Haupteslänge. Sie hatte es schon mit größeren und schwereren Gegnern in früheren Kämpfen zu tun gehabt, bei denen sie auch ohne Waffen als Siegerin hervorgegangen war. Noch immer blitzte dem jungen Mann der Schalk aus den Augen, als er sich neben sie auf die Pritsche setzte und sie in ihrem halb durchsichtigen Kleid musterte. Das eingeschüchterte junge Mädchen spielend, wich Yara ein Stück zurück und kauerte sich in die Ecke der Schlafstatt, die Wand hinter ihrem Rücken und ihn mit großen, angstvollen Augen musternd. Befangen zog sie die Beine an, um ihre Blöße zu bedecken und kaute scheinbar nervös an ihrer Unterlippe. Iven legte den Kopf schief, aus seinem Gesicht wich das spitzbübische Grinsen und machte einen ernstvolleren Ausdruck breit. „Mein Bruder scheint dich ja ganz schön verängstigt zu haben …“ Der junge Templer rückte ein Stück näher an sie heran, was Yara dazu bewegte, sich noch fester gegen die Wand an ihrer Rückseite zu drücken und ihre Beine mit ineinander verkrampften Händen zu umschlingen. Sie schluckte hart und ihre Stimme klang schwach und zaghaft, als sie die nächsten Worte aussprach. „Herr, ich bitte euch … tut mir nicht weh…“ Ihre Augen schimmerten feucht und sein Blick fing auf, wie sich vor Anspannung ihre Fingernägel in ihre Unterschenkel krallten. „Schhh…“ Er legte seine warmen, wie sie wahrnahm, angenehm weichen Händen auf die ihrigen und nahm ihre klammen Finger zwischen seine Hände. „Keine Angst, ich will dich nicht verletzen.“ Er hob seine Hand und strich ihr in einer zärtlich gemeinten Geste eine lose hervor gefallene Haarsträhne hinters Ohr zurück. Yara betrachtete sein Gesicht. Er war gutaussehend mit dem markanten Kinn und den weichen, jungenhaften Zügen mit den kleinen Grübchen, die sich scheinbar vom vielen Lächeln in seine Wangen gegraben hatten. Seine Gesichtshaut war glatt und frisch rasiert und auch sein dunkelbraunes Haar trug er kurz geschnitten, wie es bei den Templern üblich war. Seine dunkelbraunen Augen wirkten durch die geweiteten Pupillen fast schwarz, in dem nur vom Kerzenschein erhellten Zelt. Ihr Blick blieb nur eine Sekundenlänge an seinen sanft geschwungenen, weich wirkenden Lippen hängen, doch scheinbar lang genug, damit er es registrierte. Denn schon stahl sich wieder ein leises Lächeln auf seine Lippen. Mit klopfenden Herzen senkte Yara schnell ihren Blick. Das lief gar nicht so, wie sie es beabsichtigt hatte. Behutsam umfasste er ihr Kinn mit einer Hand, hob es mit zwei Fingern wieder an und das nächste, das sie fühlte, waren seine weichen, warmen Lippen auf den ihren, die sie sanft liebkosten und umschmeichelten. Yaras Atem stockte und für einen Moment konnte sie nicht anders, als diese wenigen Sekunden nur ihren Empfindungen nachzugehen. Die Zeit schien stillzustehen und Yara vergaß, wenn sie hier vor sich hatte und erwiderte mit zitternden Lippen seinen Kosungen. So vorsichtig, dass Yara es nicht wirklich registrierte, drückte er sie durch sein Körpergewicht zurück in die Kissen, sodass sie unter ihm auf dem Rücken lag, seine Beine zwischen den ihren. Als er begann ihre Lippen mit seiner Zunge zu teilen, war der Augenblick der Selbstvergessenheit schlagartig vorbei und Yara erschrak selbst über ihr Tun. Schwer keuchend drehte sie den Kopf zur Seite und zuckte noch mehr zusammen, als sie Maximus mit verschränkten Armen, seinen Rücken gegen den mittleren Holzpfosten im Zelt gelehnt, sah, ein süffisantes Grinsen im Gesicht. Er räusperte sich lautstark und nun wurde sich auch sein Bruder seiner bewusst. „Ich störe euch ja nur ungern bei eurem Tun… aber, kleiner Bruder, du beanspruchst hier etwas, dass mir gehört.“ „Ich wollte sie nur etwas …… bereit machen für dich…“ Mit einem bedauernden Ausdruck über die verpasste Möglichkeit im Gesicht, ließ er Yara los und rückte eilig ein Stück von ihr ab. Schnell richtete sich das Mädchen so gut es ging wieder auf und diesmal waren das Entsetzen und die Angst, die sich in ihrem Gesicht spiegelten, echt und nicht nur aufgesetzt, um ihren Gegner zu täuschen und von den Fesseln loszukommen. Sie hatte es verbockt. Mehrmals riss Yara mit voller Gewalt an ihren Fesseln an, doch Dajana hatte ihre Aufgabe gut gemacht – sie hatte nicht die geringste Chance sich vom Bettpfosten zu befreien. „Du kannst jetzt gehen, Bruder. Wenn ich mit ihr fertig bin, kannst du sie meinetwegen zu deinem Vergnügen benutzen wie es dir gefällt … vorausgesetzt du willst sie dann noch.“ Yara war nur allzu sehr bewusst, wie er sie mit seinen Augen fixierte, um zu sehen, wie sie auf seine Worte reagierte. Doch um ihre Selbstbeherrschung war es heute ohnehin schon längst geschehen. Mit panikerfüllter Stimme, wand sie sich an Iven. „Bitte, bleib hier … lass nicht zu, dass er mir etwas antut.“ Sie rückte soweit es ging in seine Richtung, bis das Seil an ihren Händen vollends gespannt war und sie nicht mehr näher an ihn herankam. Ein Flehen trat in ihre Augen, das Iven unangenehm berührt zu Maximus aufblicken ließ. Dieser zeigte weiterhin keinerlei Regung und musterte Yara kalt. Schnell beeilte sich der jüngere Bruder aufzustehen. „Nein, geht nicht!“ Yara’s Stimme klang gebrochen und sie hörte mit einem Mal auf an den Fesseln zu zerren, sei es dass sie einsah, dass es keinen Sinn hatte, weiter ihre Kräfte zu vergeuden, sei es dass ihr die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage bewusst wurde. „Wenn du nach mir, mit ihr nichts mehr anzufangen weißt, kannst du sie auch gern unseren Männern zukommen lassen. Sozusagen zur Stärkung der Kampfesmoral. Die hatten ohnehin schon seit langem keine Hure mehr zwischen ihren Beinen. Und jetzt raus mit dir!“ Die letzten Worte betonte Maximus so, dass sie keine Widerrede mehr  zuließen.
Iven schenkte Yara noch einen letzten mitleidigen Blick, bevor er ein leises „Es tut mir leid“, flüsternd das Zelt seines Bruders verließ. Jetzt waren sie allein.

Mit angsterfüllter Miene, die Stirn in Sorgenfalten gelegt und dieses Mal unbewusst auf ihrer Unterlippe kauend, sah Yara ihm nach, wie er das Zelt auf den gleichen Weg verließ, auf den er gekommen war. Als würde ihr die Luft zum Atmen abgeschnürt, machte sich in Yara’s Brust ein beklemmendes Gefühl breit, welches von Sekunde zu Sekunde schlimmer wurde. Sie hob den Blick und traf den von Maximus, der noch immer seelenruhig gegen den Holzpfosten gelehnt da stand, um sie von oben bis unten zu mustern. „Macht mich los!“ Yara’s Stimme klang leise, aber dennoch bestimmt.  „Nenne mir einen guten Grund dafür, warum ich das deiner Meinung nach tun sollte?“ Seine stille Musterung war ihr unerträglich.  „Ich werde euch nicht weglaufen!“ Er löste seine verschränkten Arme, stieß sich mit einem Bein vom Holzpfosten ab und tat einen Schritt auf Yara zu. „Das ist kein Grund…“ Seine Stimme klang rau und doch irgendwie angenehm sanft, was sie erneut verwirrt registrierte. Den Kopf leicht schief gelegt, schweifte sein Blick über ihren Körper, blieb kurz an ihren Brüsten hängen, um dann wieder ihre blauen Augen zu suchen. Yara wagte es nicht an sich herabzublicken. Auch so war sie sich nur allzu sehr bewusst, wie viel das Kleid zeigte und noch viel mehr, wie wenig es verbarg. „Meine Handgelenke … sie schmerzen…“ Den Impuls zurückzuweichen, als er noch einen Schritt auf sie zutrat, widerstand Yara nur, weil sie die Pritsche an ihren Unterschenkeln spüren konnte und sich im selben Moment ausmalte, wie sie vor ihm ins Bett sank. „Deine schmerzenden Handgelenke sollten im Moment dein geringstes Problem sein, meine Teure…“ Bis aufs äußerste angespannt, ließ Yara es zu, dass er über den Kleiderstoff strich, genau an der Stelle ihres Bauches, wo er ihr die Wunde in der Schlacht mit seinem Schwert zugefügt hatte. Seine Berührung war behutsam und vorsichtig, er hatte in diesem Moment nicht die Absicht ihr wehzutun, obwohl sie dies nach seinen Worten am ehesten erwartet hatte. Ruhelos folgte sie seinen Fingern mit den Augen, wie sie vorsichtig über die verbundene Stelle strichen. Seine Hand senkte sich langsam, ließ wieder von ihr ab und Yara blickte erneut zu ihm hoch. Verwundert registrierte sie, dass sich Besorgnis in seinem Gesicht wiederspiegelte. „Es war dumm von dir mich anzugreifen … ein Stück tiefer und du würdest nun nicht mehr vor mir stehen.“



 

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CharmingGirl

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sugarlady Gefällt mir sehr gut.
L.G. Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
Nitish Endlich ein richtiger Roman.Um es zu beurteilen brauche ich noch Zeit aber es ist bis jetzt sehr gut.
Vor langer Zeit - Antworten
FindYourselF Du hast wirklich einen sehr schönen Schreibstil und ich bin von der Geschichte wirklich angezogen. Freue mich, mehr lesen zu dürfen.
Veröffentlichst du alles in diesem Buch, oder auch einzelne Kapitel, da ich sonst vllt neue Kapitel verpasse ;)

Glg von Jule
Vor langer Zeit - Antworten
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