Kein Angst
Lina war ein kleines unerschrockenes Mädchen, das sich vor nichts fürchtete. Sie kletterte gern auf Bäume und Mauern und erkundete die dunkelsten Keller. Wenn sie nicht gerade draußen die Gegend erforschte, saß sie im Zimmer am offenen Fenster und beobachtete mir ihrer Puppe Püppi das Treiben.
Lina lebte bei ihren Eltern in einem kleinen Häuschen. Sie hatte ein großes gemütliches Bett, dass neben dem Fenster stand. Dort schlief Lina mit ihren allerliebsten Kuscheltieren und dem Knuddelhund Ottokar.
Sie hatte eigentlich vor nichts Angst, nur vor einem fürchtete sie sich: vor dunklen, schaurigen Schatten in der Nacht.
Jeden Abend wenn sie zu Bett ging, deckte sie ihre Kuscheltiere mit einem ihrer Kissen zu. Ottokar durfte immer mit unter die Zudecke. Bevor sie schlief, erzählte sie ihren Tieren eine Gute-Nacht-Geschichte und machte danach das Licht aus.
Eines Nachts, als alles schon ruhig war, wachte Lina plötzlich auf. Sie erschrak, am Fußende des Bettes schwebte ein gruseliger, schwarzer Schatten. Schnell zog sie ihre Bettdecke weit über ihr Gesicht und drückte Ottokar ganz fest. „Wer war das nur, wer war dieser Schatten?“ fragte sie sich und spitzte ganz vorsichtig hervor, so das nur ihre Nase heraus schaute. Der Gruselschatten war immer noch da.
„Was soll sie denn jetzt machen, was hat der Gruselschatten denn vor?“ überlegte sie. Lina konnte auf keinen Fall wieder einschlafen, und schon gar nicht unter der Bettdecke hervor kommen. Zum ersten mal hatte sie Angst. Sie drückte Ottokar noch fester. Immer wieder schaute sie kurz unter der Bettdecke hervor, ob der Schatten noch da war.
Die Zeit verging und der Gruselschatten wanderte ganz, ganz langsam, wie der Mond, von einer Seite zur anderen. Irgendwann fasste sie Mut, denn schließlich konnte sie nicht die ganze Nacht so verbringen, und kroch ganz langsam unter der Decke hervor. Sie schlich zum Lichtschalter und knipste das Licht an.
Da musste sie plötzlich lachen. Nun wusste sie wo der Gruselschatten herkam. Sie hatte Püppi am Fensterbrett vergessen und da der Mond zum Fenster rein schien, gab sie einen großen furchterregenden Schatten an der Wand ab. Lina schnappte sich Püppi, machte das Licht aus uns ging zufrieden und erleichtert ins Bett. Jetzt wusste sie, das Schatten nicht fürchterlich oder gruselig oder gefährlich sind und hatte von da an nie mehr Angst vor irgendwelchen nächtlichen Schatten.