Beschreibung
(...) "Zeit meine Schwingen zu öffnen..." Von irgendwo her wehte ein Wind herein und spielte mit ihren kurzen blonden Haaren. Ihr Kleid blies sich auf, und Schneekristalle bildeten sich am Fenster. Mit großen Augen starrte ich sie an und wagte nicht zu schreien. (...)
Kristallschwingen
Ich wurde im November geboren, während eines heftigen Schneesturms in einer alten Holzhütte. Meine Mutter hatte nichts für mich; doch sie wusste, wenn sie mich nicht wärmen konnte, würde ich an diesem Tag noch sterben. So gab sie mir das Kleid, welches sie am Leibe getragen hatte.
So lag ich nun da; eingewickelt in das einzige Kleid meiner Mutter, schreiend und hungrig, mit meiner Mutter, welche nackt auf dem schmalen Holzbett lag. Ihr atem ging flach, sie zitterte am ganzen Körper. Selbst wenn ich nur ein Baby war, so wusste ich doch, dass sie erfrieren würde. Unsere Hütte lag abgeschieden der Stadt, nur umgeben von ein paar kärglichen Bäumen. Niemand würde kommen und uns helfen.
Meine Mutter hatte zehn Minuten durchgehalten.
Als meine Mutter den letzten Atemzug tat, hörte ich auf zu schreien. Still lag ich da, in die wärmenden Kleider meiner toten Mutter gewickelt. Der Wind pfiff draußen, als würden Wölfe heulen, und etwas Schnee rieselte bereits durch das undichte Dach in die Hütte hinein. Meine Zeit würde auch bald kommen.
Doch plötzlich waren draußen Schritte zu hören. Und dann wurde die Tür langsam geöffnet. "Ist hier jemand ?", fragte die sanfte Stimme eines Mädchens. Ich konnte ja nicht antworten. Aber sie sah mich bereits. "Hat man dich allein gelassen ?", fragte sie besorgt und nahm mich hoch. Dann fiel ihr Blick auf meine Mutter.
"Oh nein... sie hat sich für dich geopfert." Sie hielt mich gegen das Licht das durch die Fenster drang und betrachtete mich lange. "Wir müssen hier weg, sonst wirst du auch noch sterben. " Warum sie sich nicht einbezogen hatte, war mir ein Rätsel. "Doch ich kann dich nicht mit in den Schnee nehmen...", dachte sie weiter laut nach.
Sie legte mich zurück auf den wackeligen Holztisch und trat ans Fenster. "Zeit meine Schwingen zu öffnen..." Von irgendwo her wehte ein Wind herein und spielte mit ihren kurzen blonden Haaren. Ihr Kleid blis sich auf, und Schneekristalle bildeten sich am Fenster. Mit großen Augen starrte ich sie an und wagte nicht zu schreien.
Sie trat vom Fenster weg, und ich sah, dass die Kristalle aus ihrem Rücken kamen. "Ich bin ein Schneeengel. Als Nivis will ich dir in Erinnerung bleiben. " Sie berührte meine Stirn, und sie war nicht kalt, im Gegenteil, der Schneeengel war erstaunlich warm. Von da an weiß ich nicht mehr, was geschah. Ich weiß nurnoch, wie sie mir meinen Namen gab: Yuki.
Ich war ein Neugeborenes; warum ich mich daran erinnern konnte ? Vielleicht hat der Schneeengel mir die Erinnerungen an sich gelassen. Oder aber, ich bin ihr wiederbegegnet, und sie erzählte mir von vor zehn Jahren ? Meine Geschichte wird erst dann Enden, wenn ich dies weiß.
Nebengeschichte von teaR./ oath exac hACHIRU .