„Jade, der Rat hat uns damit beauftragt, mit dem Imperium neue Handelsabkommen zu schließen, und nicht damit, es zu bekämpfen. Hast du das verstanden?“
„Ja, Meister. Keine tollkühnen Aktionen und nicht vorlaut werden.“
„Richtig.“
„Sirs, wir werden in Kürze Henioth erreichen.“
***
„Es ist schön, euch zu sehen, werte Senatoren. Bitte folgt mir…“
„Ich mag diese Empfänge nicht“, flüsterte Jade ihrem Meister zu.
„Jade, was habe ich zu dir gesagt?“
„Ja, Meister.“
„Schon besser.“ Die Gruppe aus Senatoren, einigen hochrangigen Offizieren und den beiden Risdch erreichten eine gewaltige Halle, in der etliche andere imperiale Würdenträger auf sie warteten.
„Die Imperatorin!“ Die, die saßen, erhoben sich, die Soldaten bemühten sich noch mehr um Haltung, und aus einer großen Tür trat sie, die Imperatorin. Jade bemerkte, dass ein ein paar Soldaten die Imperatorin begleiteten, wahrscheinlich Offiziere. Die Soldaten, die die große Tür bewachten, entspannten sich merklich, als sie durchgeschritten waren. Die Imperatorin erreichte den langen Tisch, und sagte: „Setzt euch.“
„Sie scheint überraschend warmherzig zu sein“, meinte Jades Meister, „ziemlich ungewöhnlich, vor allem für jemanden, der ein Reich regiert, das voll mit Hedchs ist.“
„Angeblich ist ihr Motto "Es kommt nicht darauf an, wie, sondern wofür man seine Kräfte einsetzt"“, erwiderte Jade.
„Interessant“, warf ein Senator ein.
***
Nach den Verhandlungen und dem anschließenden Essen waren Jade und ihrem Meister etwas Freizeit vergönnt.
„Meister, dürfte ich einen alten Freund von mir besuchen?“
„Natürlich, Jade.“ Jade lief durch die Gänge des riesigen imperialen Palastes, zielgerichtet, wie seit ihrer Kindheit nicht mehr. Sie lief an Türen, anderen Gängen und Leuten vorbei, nur die eine Tür im Sinn, und dann stand sie davor. Sie drückte die Klingel, eine imperiale Wache machte ihr auf und ließ sie rein.
„Wenn stimmt, was die Scouts sagen, dann ist ein Krieg fast unvermeidlich.“
„Aber ihr wisst doch, dass die Gofan…“ Der Offizier verstummte, als er Jade sah.
„Würdet ihr bitte rausgehen, wir vertagen die Besprechung auf morgen.“
„Ja Ma'am.“ Die Imperialen gingen aus der Wohnung raus und ließen Jade und die Frau allein.
„Du bist groß geworden.“
„Wir haben uns ja auch länger nicht mehr gesehen.“
„Ja, leider.“ Die beiden lachten.
„Es tut gut, dich wieder zu sehen.“
„Müsste ich mir nicht mehr Sorgen um meine Tochter machen, die dauernd auf Reisen ist und leichte Beute für Piraten ist?“
„Das… gehörte zum Plan. Und außerdem bist du eine Imperatorin in einem Staat voller Intrigen.“
„Das gehört zum Plan.“ Wieder lachten beide.
„Was macht deine Ausbildung?“
„Lass mich überlegen: Ein paar eingesperrte Verbrecher hier, ein paar besiegte Piraten dort, also alles in allem: Gut.“
„Freut mich.“
„Was macht das Imperium? Ich hab gehört, Fenilas hätte rebelliert.“
„Fenilas war nicht angesehen und ein Idiot. Aber ein verdammt kluger Idiot. Er hat es nicht geschafft, den Orden auf seine Seite zu ziehen, aber dafür hat er es geschafft, mich zu verwunden. Und jetzt wissen die Ältesten, dass ich nicht unverwundbar bin. Meine Macht im Orden bröckelt.“
„Und im normalen Volk?“
„Die Militärs halten zu mir, ebenso der Großteil der Bevölkerung, aber die Regierungen der Planeten und allen voran Brasiich machen mir zu schaffen. Alles deutet auf einen Krieg hin.“
„Einen Krieg gegen wen?“
„Gegen Brasiich und seine Anhänger. Und gegen den Orden.“
„Wenn du gegen Brasiich UND den Orden kämpfen musst, sieht es nicht gut aus.“
„Leider ja. Im Orden sind nur die Ältesten das Problem, sie verbreiten Lügen und Gerüchte. Sobald sie besiegt sind, dürfte der Orden wieder mir folgen. Doch bei Brasiich… da läuft alles auf einen offenen Krieg zu.“
„Wird etwa schon gekämpft?“
„Bisher sind es nur kleinere Scharmützel und Attentate. Doch wenn der Orden sich gegen mich erhebt, wird Brasiich mir wahrscheinlich öffentlich den Krieg erklären. Offiziel folgt er noch mir, aber meine Spione berichten anderes.“
„Warum schalten sie ihn nicht einfach aus?“
„Er lässt sich – so wie ich – gut bewachen. Ich weis nicht, ob du es bemerkt hast, aber die ‚Offiziere’, die während der Verhandlungen bei ihm waren, waren seine Leibgarde. Und die Offiziere, die mich begleiteten, waren Teil meiner Leibwache. Hier ist es nicht so friedlich, wie es aussieht. Wie du sagtest, ich regiere einen Staat voller Intrigen, und das hier ist die größte und gefährlichste. Wenn bekannt wird, dass es diese Intrige gibt, wird es keinen Krieg mehr geben, sondern nur ein einziges Attentat. Und das wird denjenigen erwischen, der als Letzter davon erfahren hat. Und wie man auf manchen unterentwickelten Welten sagt: Das Imperium gleich einem Pulverfass, das jederzeit hochgeht.“
„Heißt: Im Imperium ist die Lage derart angespannt, dass du jederzeit sterben könntest.“
„Genau. Keine schönen Aussichten, ich weis.“ Jades Mutter sah auf eine Uhr und erschrak.
„Meine Güte, es ist schon fast Mitternacht. Du solltest dich ausruhen, eure Senatoren wollen früh los, und ich habe morgen wichtige Termine.“
„Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Jade.“
Jade verließ erschüttert die Wohnung ihrer Mutter und ging nachdenklich durch die Gänge des Palastes, in Richtung ihrer Unterkunft.
„Jade?“ Jade sah auf.
„Jade?“
„Wer bist du?“
„Weist du nicht mehr? Ich bin Febes, der Sohn vom Kommandanten der Leibwache!“
„Ach ja, Febes. Der kleine, nervige Junge meiner Kindheit. Bist größer geworden.“
„Hey, ich bin größer als du!“
„Und im Stimmbruch.“
„Und in der Leibwache.“
„Du bist in was?!“
„Ja, ich bin in der Leibwache. Nun ja, eigentlich noch in der Ausbildung, aber mit der bin ich bald fertig. Dann kann ich dich und…“ Jade presste ihre Hand auf seinen Mund.
„Also erstens: Ich brauch keinen Beschützer. Und zweitens: Wenn du etwas in der Richtung noch mal auch nur erwähnst, wirst du das Ende deiner Ausbildung nicht mehr erleben.“ Sie nahm ihre Hand von seinem Mund.
„Warum darf ich das nicht einmal erwähnen?“
„Weist du nicht, in welch beschissen politischer Lage sich das Imperium befindet?“
„Woher willst du das wissen? Du bist ja so gut wie nie da!“
„Wenn du mich entschuldigst, ich will vor meiner Abreise noch etwas schlafen.“ Jade ging in Richtung ihres Quartiers weiter.
„Aber… Jade, warte!“ Febes lief ihr nach und packte sie am Arm.
„Jade, falls es dich interessiert, mein Vater wurde ermordet.“
„Tut mir leid. Wann war es?“
„Vor zehn Minuten.“
„Was???“
„Er hat mir befohlen, dich zu beschützen, koste es, was es wolle.“
„Und was ist mit der Imperatorin?“
„Es tut mir leid Jade, aber ich fürchte, dass selbst sie es nicht schaffen kann, gegen alle Ältesten des Ordens zu kämpfen.“
„Ich… Wir müssen ihr helfen!“
„Jade, selbst wenn sie es überlebt, wird Brasiich ihren Platz einnehmen. Jade, ein Teil der Intrige Brasiichs war, den Orden auszulöschen!“
„Also, ich helfe ihr. Und wenn du mich beschützen willst, musst du mir schon folgen.“
„Wie wär es, wenn du Unterstützung rufen würdest?“
„Du hast recht“, Jade aktivierte ihren Kommunikator, „Meister, ich habe erfahren, dass die Imperatorin angegriffen wird!“
„Das ging ja schnell.“
„Willst du nicht auch Verstärkung rufen?“
„Habe ich längst.“ Bei der nächsten Gangkreuzung kamen etliche Wachen zu ihnen.
„Nämlich die gesamte imperiale Leibgarde.“
„Du bist… schnell.“
„Danke.“
Als sie bei der Wohnung von Jades Mutter ankamen, sahen sie, dass die Tür aufgebrochen war. Febes sah einem Offizier der Wache an, und betrat den Raum.
„Alles sicher. Könnt rein.“ Als Jade eintrat sah sie völliges Chaos.
„Hier wurde gekämpft“, sagte eine Wache.
„Sei leise und such nach der Imperatorin.“, kam die Antwort des Offiziers. Jade sah die Leiche eines Ältesten, kurz bevor sie auf ihn getreten wär, und ging schnell einen Schritt zurück.
„Sir, ich hab sie!“, rief eine Wache. Sofort eilte Jade zum Zimmer, aus dem er sich gemeldet hatte. In dem Zimmer herrschte ein noch größeres Chaos als im ersten. Hier lagen auch die Leichen der anderen elf Ältesten. Und verwundet ihre Mutter.
„Wie geht es ihr? Wird sie überleben?“, fragte Jade besorgt.
„Sie wird überleben. Aber wir sollten sie hier wegschaffen“, antwortete die Wache.
„Wie wär es mit dem Thronsaal? Der ist doch gut gesichert, oder?“, warf Febes ein.
„Stimmt. Zwanzig von uns gehen zum Thronsaal, der Rest bleibt hier, um den Feind zu verwirren. Los geht’s.“
Jade eilte mit Febes und den anderen Wachen zum Thronsaal, fühlte sich wie auf der Flucht, von einer Deckung zur nächsten hetzen. Endlich waren sie da.
„Ich muss kurz die Codes eingeben, damit wir reinkommen.“ Die Wache tippte in die Tafel den Code ein, und die Torflügel öffneten sich lautlos. Sie gingen rein und das Tor schloss sich.
„Ihr stört mich in meiner Konzertration.“ Jade sah sich um konnte aber niemanden sehen, bis sich der Thron drehte.
„Brasiich, hätte ich mir ja denken können. Am besten erhebt ihr euren faulen und stinkenden Hintern aus dem Thron der Imperatorin, legt eure Waffen auf den Boden und ergebt euch“, rief der Offizier der Wachen durch den Saal.
„Der ersten Forderung gehe ich gerne nach, aber jetzt kommen meine Forderungen.“
„Ihr seid nicht in der Lage, Forderungen zu stellen!“, schrie eine Wächterin ihn wutentbrannt an.
„Nun, meine Forderungen: Erstens: Ihr übergebt mir die Imperatorin und ihre hochnäsige Tochter Jade, zweitens: Ihr legt eure Waffen auf den Boden und ergebt euch, und drittens: Ihr, Captain, leckt mich an meinem faulen, stinkenden Hintern.“
„Ich wiederhole meine Kameraden ja nur ungern, aber es wurde euch bereits gesagt, dass ihr nicht in der Lage seid, Forderungen zu stellen.“
„Wirklich? Nun, ich denke, ihr denkt noch einmal über eure Lage nach, sobald sich meine Truppen zeigen.“ Von überall hörte man Schritte und Waffen, die entladen und auf das Geländer des Rundgangs gelegt wurden. Jade sah hoch, drehte sich, und sah überall Soldaten des Imperiums.
„Nun, gebt ihr meinen Forderungen nach?“, fragte Brasiich.
„Lieber sterben wir als Märtyrer als als Feiglinge!“
„Ist das die Meinung von euch allen? Auch von dir, Jade?“ Jade sah Brasiich zornig in die Augen.
„Jade, überleg doch mal: Dein gesamtes Leben liegt noch vor dir, und du kannst noch so viel erleben, wenn du die Seiten wechselst. Oder du bleibst deiner Mutter treu und wirst erschossen.“ Jade überlegte kurz und ging auf Brasiich zu. Sie hörte an dem Tor Laserklingen, die benutzt wurden, damit man durchkam, und Febes, der „Jade“ erst sagte, dann flüsterte und am Schluss nur noch murmelte.
„Ich bin froh, dass du nicht lebensmüde bist, Jade.“
„Nun, Brasiich“, erwiderte Jade, die mittlerweile neben ihm stand, „ihr hättet besser darauf achten sollen, was ich tue.“ Brasiich sah sie an, und riss die Augen auf, als er einen heißen Gegenstand im Bauch spürte. Er hörte, wie seine Soldaten schrien und das Feuer eröffneten, wie das Tor geöffnet wurde und Soldaten der Allianz reinkamen, spürte, wie Jade den Gegenstand aus ihm rauszog und wie er letztendlich auf den Boden fiel.
„Jade, wir müssen hier raus!“, rief Febes Jade zu. Sie rannte zum Tor, während die Wachen und Allianzsoldaten das Feuer der Soldaten von Brasiich erwiderten. Sie sah, wie man ihre Mutter in den Empfangssaal trug und auf die Tafel legte. Jetzt erst sah Jade, dass ihre Mutter weitere Wunden hatte.
„Es ist uns leider nicht gelungen, deine Mutter zu schützen. Es tut mir leid“, sagte Febes zu ihr.
„Holt Jade da raus“, befahl ihre Mutter den Wachen.
„Ich… bin schon draußen, Mom.“
„Jade. Mein kleines Mädchen“, Jades Mutter lächelte, „ich hoffe, du bist nicht verletzt.“
„Nein.“ Jade war den Tränen nah.
„Wein ruhig, Jade. Ich hoffe, du wirst dein Erbe irgendwann doch noch antreten.“
„Wie irgendwann? Ich lebe doch nicht ewig…“
„Jade… alle Antworten befinden sich auf diesem Kristall…“ Sie nahm einen der in ihre Kleidung eingenähten Kristalle in die Hand und gab ihn Jade.
„Mom…“
„Schon gut. Schon gut, meine Kleine. Ich denke… es sieht… schlimmer aus… als es ist.“ Jades Mutter lächelte, und schloss die Augen.
„Mom…“
„Sie ist tot.“
„Mom…“
„Jade, wir müssen hier weg“, meinte Febes zu ihr.
„Du… hast recht.“
„Keine Sorge, wir nehmen sie mit. Das ist das Mindeste, was wir für unser Versagen tun können.“
„Nein, ihr habt nicht versagt. Es war… einfach nur… eine Kette blöder Ereignisse.“
„Du brauchst uns nicht trösten, Jade. Wär es möglich gewesen, hätte jeder von uns sein Leben für das von deiner Mutter gegeben. Und du hattest Glück, dass der Scharfschütze nicht auch noch dich getroffen hat.“
„Sir, wir müssen los.“
„Ja, Commander. Los, nehmt die Imperatorin auf die Trage, und dann los!“ Jade sah ein letztes Mal in den Thronsaal, ein Stück ihrer Kindheit, aus dem nun Schüsse geflogen kamen und ihre Mutter gestorben ist. Sie wusste, von nun an würde nichts mehr so sein wie früher. Plötzlich verschwamm das Bild und…
… Fenal wachte schweißgebadet auf.