Kurzgeschichte
Weihnachtswahnsinn

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"Weihnachtswahnsinn"
Veröffentlicht am 23. Dezember 2011, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.
Weihnachtswahnsinn

Weihnachtswahnsinn

Beschreibung

Weihnachten, Zeit der Besinnlichkeit und Ruhe? Nicht bei jedermann, viel Spaß beim lesen des gan normalen Wahnsinns zum Fest der Liebe. Titelbild: www.pixelio.de/©Altmann/shapes:photoshopgraphics.com/Pixelio

Wieder einmal ist es soweit, das Fest der Besinnlichkeit und der Stille steht vor der Tür. Und es hämmert mit einem mächtigen Knüppel an dieser, wollen Sie das etwa nicht glauben? Ist für Sie etwa Weihnachten alles Friede, Freude und Weihnachtsstollen? Dann können sie vielleicht noch viel mehr über diese Familie lachen, die ich Ihnen in Folgendem zeigen will.

Sie sind eingeladen Familie Schmidt bei den Vorbereitungen für Weihnachten über die Schultern zu sehen.

Mutter Else ist in Panik, sie scheucht durch die Wohnung als hätte man ihr ein Lagerfeuer an den Hintern geklebt. Dabei ruft sie wie ein Mantra immer wieder verschiedene heidnische Beschwörungsformeln wie: „Gans!“, „Plätzchen!“, „Geschenke!“ oder „Wo ist mein nichtsnutziger Ehemann?!“.

Vater Jochen hat schon frühzeitig erkannt, dass seine Frau bei diesem Stress besser nicht gestört werden sollte, deshalb zieht er sich, fürsorglich wie er ist, aus den Vorbereitungen weitgehend zurück. Lediglich den Geschenkekauf hat er übernommen. So fährt er frohgemut in das nächste große Einkaufszentrum und denkt, er könne die Wünsche seiner Liebsten doch mit Leichtigkeit erfüllen.

Die beiden Kinder, Marie und Fabian, sind ebenfalls vor den rasenden Bemühungen ihrer Mutter geflohen.

Marie hat sich übergangsweise bei ihrer besten Freundin einquartiert. Da diese, genau wie ihre Familie, jüdischen Glaubens ist und somit nicht Weihnachten, sondern Chanukka begeht, welches dieses Jahr am 21. Dezember beginnt, ist sie wenigstens dort vor den kommerziellen Ausschlachtungen eines ehemals heidnischen Festes geschützt. Marie hat gerade ihre marxistisch angehauchte Phase.

Fabian versucht sich mit ausgiebigem Film- und Spielekonsum von der ihn umgebenden Welt abzulenken. In einer abgeschotteten Parallelwelt aus Action, Humor, literweise Cola und Kartoffelchips entkommt er dem Treiben um ihn herum – ist doch alles Humbug, die Geschenke mal ausgenommen.

Mutter hat die Plätzchen, mehrere Bleche, auf verschiedene Dosen verteilt. Einige scheinen noch aus der Zeit des Krieges zu stammen, so verbeult sehe sie aus. Wurden wohl als Panzersperren genutzt.

Wie eine Tänzerin schlittert und springt sie durch die Küche und alle anderen Zimmer. Dabei schrammt sie immer nur knapp am Baum vorbei. Die Gans wird mit anmutigen Schwung in den vorgeheizten Backofen befördert, Die selbstgemachten Klöße warten auf ihren Sprung ins heiße Wasser, natürlich mit olympischen Bestnoten.

Während sich sie Lichter im Haus langsam entzünden steht Jochen wie paralysiert in einem der Läden im Einkaufszentrum und weiß nicht, was er kaufen soll, obwohl es doch auf dem Zettel steht. Allein die Auswahl an Videospielen macht ihn wieder zum kleinen Jungen, regressive Phase eingeleitet.

Er betrachtet sich die Verpackungen ausgiebig, liest sich die Beschreibungen durch und erinnert sich wehmütig an sein erstes geschenktes Computerspiel, den ersten Monkey Island Teil, damals noch für den C64 – das waren herrliche Zeiten.

Während Vater noch in Erinnerungen schwelgt bemerkt Marie, dass sie vielleicht langsam mal nach Hause gehen sollte. Sie bedankt sich für die Gastfreundschaft ihrer Exilfamilie und macht sich mit ihren Sachen wieder auf, hinaus in die Welt des schnellen weihnachtlichen Kommerzes.

Jochen hat irgend so ein Computerspiel gekauft, glaubt, dass das schon passt. In aufkeimender Panik, die Zeit wird langsam eng, rennt er wie ein Gaskranker durch alle Geschäfte, auch durch den Artdekoladen, der nichts Nützliches enthält. Else will eine neue Kaffeemaschine, nicht lange zögern, einfach zuschlagen, genau wie es der Mann in jenen Zeiten tat, als das Erlegen des Essens noch seine Domäne war. Kaffepadmaschine von irgendeiner dubiosen Firma, na muss gut sein, kostet ja genug.

Und was will das liebe Töchterlein? Kapital, schon wieder Geld? Hat doch erst eine Taschengelderhöhung erhalten…nein, die meint das Buch von diesem Marx…war das nicht der Bischof von München-Freising? Jochen stürmt durch den Buchladen und wird fündig – bei den Philosophen, wo es ihm dann wie Schuppen aus den Haaren fällt.

„Boah, 3 Bände, das ist aber teuer. Mal sehen, gibt’s da nicht was Billigeres? Hier, Adam Smith Wohlstand der Nationen wird doch auch passen.“

Und da ist dann noch Opa, der freut sich auch über eine billige Flasche Korn. Und so bepackt stürmt Vater Jochen zum Auto.

Währenddessen ist nicht nur Marie daheim eingetrudelt, Mutter hatte es kurz registriert und dann noch schnell versucht den Kartoffelsalat aus dem Kühlschrank zu holen und gleichzeitig die Gans mit etwas Brühe zu überschütten, es ist auch Opa da.

Mit frohen Worten, „Scheiße ist es im Altersheim Tochter, die klauen mir ständig meine Pillen. Ich glaube ich kriege bloß Placebos, aber das geht euch ja sonst wo vorbei!“, trägt er zur allgemeinen Stimmung bei. Kurzentschlossen verzieht er sich auf die Toilette um sein Revier zu markieren. Das muss noch eine Angewohnheit aus Russland sein und wenn nicht, dann behauptet es der Kriegsveteran bestimmt trotzdem.

Langsam neigt sich die Geschäftigkeit dem Ende zu. Auch Mutter hat sich noch schnell was Schönes angezogen und sich notdürftig geschminkt. Das Eilschminken gibt ihrem Gesicht den weiblichen Clown Touch, welcher bei vielen Gelegenheiten allgemeine Erheiterung auslöst.

Langsam finden sich alle an der geschmückten Tafel ein, nur Opa sitzt noch im Wohnzimmer und schimpft wie ein Rohrspatz. Das Ehepaar ist zur Stelle und sieht wie Bundespräsident Wulff gerade seine Weihnachtsansprache hält.

„Was quatschst du da für einen Dreck! Der von Weizäcker war noch ein ordentlicher Präsident und erst der Hindenburg! Aber du geleckter Affe!“ „Vater, es gibt essen!“, faucht ihn seine Tochter an. „Na endlich, dachte schon ihr lasst mich krepieren, wie wir es damals fast in Stalingrad wären. Zum Glück haben wir noch keine Frau an der Spitze unseres Staates oder als Kanzler, denn das wäre echt die Krönung und der Wahrheit letzter Schluss!“

Jochen war bereit seinen Schwiegervater über die geänderten politischen Verhältnisse aufzuklären, aber Elses Blick ließ ihn dies lieber bleiben lassen, wenn er die Feiertage ohne größere Blessuren überstehen wollte.

Es wurde die Vorsuppe gereicht, lecker und mit so viel Inhalt wie das Parteiprogramm der FDP.

Else tischte weiter fleißig für den Hauptgang auf, als dunkle Wolken durch das Haus zogen und nicht im metaphorischen Sinne. „Sag‘ mal Else, brennt hier was?“, fragte ihr Ehemann vollkommen gelassen. „Die Gans!“, schrie die Frau des Hauses. Voller Geistesgegenwart rannte Jochen ins Badezimmer uns schloss sich auf dem Klo ein. Hier hatte er immer die besten Ideen. Marie und Fabian hingegen nutzten den kleinen Feuerlöscher um die Gans davon abzubringen weiter wie Holzkohle zu qualmen.

„Meine schöne Gans ist verkohlt“, wimmerte Else leise vor sich hin. „Rede keinen Schmarrn, die kann man noch essen, wenn man das schwarze Zeug da wegmacht“, erklärte Opa stolz.

Zu Mutters Rettung sei gesagt, dass sich alle Familienmitglieder an so viel Fleisch bedienen konnten, als hätte sie eine Taube im Ofen gebraten.

Der Nachtisch wies dann keine Mängel auf – Jochen war auch wieder zur Familie dazu gestoßen, bewaffnet mit einem Eimer kalten Wasser, obwohl nichts mehr zu Löschen war, aber der gute Wille zählt.

Nach dem Essen ging es an die Geschenkeverteilung. Vater Jochen war stolz wie Bolle und freute sich schon auf die strahlenden Gesichter seiner Angehörigen.

„Hier Opa, das ist für dich.“ Der alte Mann schüttelte das Paket und hielt es vorsichtig an sein Ohr. „Tickt nicht, also keine Bombe.“ Beruhigt riss er das Geschenkpapier weg und betrachtete die Flasche Korn. Vorsichtig öffnete er sie und roch mit ebenso großer Bedacht daran. „Scheint gut zu sein, aber vorsicht, ich habe mein Testament geändert. Ihr Erbschleicher kriegt nichts!“ Mit diesen Worten kippte er sich einen großen Schluck Korn hinter die Binde.

„Und das ist für dich, Schatz.“ Else öffnete voller Vorfreude und strahlte übers ganze Gesicht als sie die Kaffepadmaschine sah. „Toll, das hatte ich gar nicht erwartet!“ Sie küsste ihren Mann auf die Wange. „Und wo sind die Pads?“ „Die was?“ „Na du weißt schon, die kleinen Kapseln, mit denen man die Maschine betreibt.“ „Läuft die nicht mit gemahlenem Kaffee?“, fragte Jochen perplex. Alle, außer Opa, mussten entnervt ausatmen. Mit solchen Sachen stand der Herr Papa auf Kriegsfuß und hatte so viel Ahnung wie Politiker von ihrem Ressort.

„Hoffentlich passt es bei euch, Kinder.“ Tobias entpackte sein Computerspiel. „Point-and-Click-Adventure?! Vater, da kann man nichts abschießen oder zu Schrott fahren, was soll denn das, so was ist doch kein Spiel, das ist Kinderkram!“ „Im Laden hörte sich die Beschreibung ganz toll an“, versuchte Jochen sich zu rechtfertigen. „Die von Mikado hört sich bestimmt auch toll an!“, konterte sein Sohn und rauschte in sein Zimmer.

„Fabian“, äußerte Marie verächtlich, „benimmt sich wie ein kleines Kind.“ Sorgfältig öffnete sie ihr Geschenk. „Ein Buch, aber das…Moment. Adam Smith?! Vater, das ist Kapitalismus pur! Hasst du mich denn wirklich so?!“ Und damit war auch sie verschwunden.

„Schatz, die Kinder sind weg. Wie wär es jetzt mit einem Kuss für deinen Weihnachtsmann?“ „Nein! Du hast eine einzige Aufgabe und selbst die vermasselst du. Ich gehe jetzt hoch, du machst noch den Abwasch Supermann“, knallte ihm seine Frau wie einen Ziegelstein an den Kopf und verschwand ebenfalls.

„Schwiegersohn, da gibt es jetzt nur noch dich…hicks…und mich. Zwei Kameraden, wie damals vor Moskau!“ „Ich dachte du wärst in Stalingrad gewesen.“ „Genau…hicks!“

Jochen war niedergeschlagen. „Krieg ich mal einen Schluck von deinem Korn?“ „Kauf dir deinen eigenen, Saufnase!“

Er erhob sich von seinem Stuhl und zog die Jacke an. „Ich geh dann mal spazieren. Vielleicht treffe ich da den Geist von Weihnachten, oder einen Himbeergeist.“ Ein aufmunterndes anales Poltern, abgefeuert aus Opas Gesäß wie ein 18mm Geschoss, begleitete den gehenden Familienvater. Und als die Tür geschlossen war, ward alles still und leise rieselte draußen der Schnee…

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RogerWright
Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.

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RogerWright Kommentar vom Buch-Autor gelöscht.
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RogerWright Re: gelacht -
Zitat: (Original von Schwanenfeder am 10.01.2012 - 12:19 Uhr) hab ich eben beim Lesen und das hat mir echt gut getan und mich aufgemuntert..hab grad auch stress genug....

liebe Grüße
Julia


Das freut mich, wenn es die Leute amüsiert und gar aufmuntert.
Vor langer Zeit - Antworten
Schwanenfeder gelacht - hab ich eben beim Lesen und das hat mir echt gut getan und mich aufgemuntert..hab grad auch stress genug....

liebe Grüße
Julia
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RogerWright Re: -
Zitat: (Original von cbvisions am 23.12.2011 - 20:18 Uhr) Ich wünsch Dir ein paar stressfreie, besinnliche Weihnachtstage (Und frag den Opa mal, ob er mir etwas Korn überläßt) :D

GlG Chris


Danke, die Wünsche geb ich gerne zurück!
Und Opa wird antworten "Kauf dir doch deinen eigenen!" - sorry, nichts zu machen.
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RogerWright Re: - Eigentlich ja 'ne Sünde, einen solchen Text durch so etwas Profanes wie STAUBSAUGEN zu unterbrechen, aber es wird ja jetzt immer so früh dunkel! lach
Und wie sich der Lärm des saugenden Kollegen auf die besinnliche Ruhe zum Feste auswirkt, bleibt abzuwarten. Vlt.auch ein schöner Kontrast! lach

Und so freue ich mich, später bei einem schönen Cap und einem Zigarettchen die marxistisch angehauchte Tochter zu begleiten und ein bißchen von dem Stress zu erhaschen, der hier so gar nicht stattfindet...

CU!

Liebe Grüße

Ciggy

Danke für deine Einschätzung aber wo findet der Stress nicht statt, in der Geschichte oder in deinen vier Wänden?

Dir dann auch schöne Festtage!
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