Beschreibung
Neulich hörte ich meinen Freund Meier sagen:
"Wenn ich eine Zeitmaschine hätte, dann würde ich mich gerne mal zurückversetzen lassen und mir die Schlacht bei Waterloo von einem sicheren Hügel aus ansehen!"
Es gab damals und auch schon davor regelrechten Schlachtentourismus, wobei man nur mit einem Picknickkorb bewaffnet den Soldaten aus sicherer Entfernung beim tödlichen Kriegsspiel zusehen konnte. Ob das allerdings auch in Waterloo so gewesen wäre, wage ich zu bezweifeln, zumal es dort ziemlich fies geregnet haben soll!
Aber mein Freund hätte mir ja nach seiner Reise in die Vergangenheit berichten können wie es wirklich zugegangen ist! Oder?
Sobald man nämlich andeutet, man möchte in die Vergangenheit reisen, bekommt man sogleich den schlauen Hinweis:
Fass bloß nichts an, halt Dich immer im Hintergrund und sprich ganz sicher mit niemandem! Lauf keinem über den Weg!
Ja, man stelle sich vor, mein Freund Meier fällt aus dem Off dem anreitenden Blücher vor die Hufe, der fällt aus dem Sattel und stirbt!
Hätte Nappi dann gewonnen? Würden wir jetzt Baguette essen und Rotwein trinken anstatt Eisbein mit Sauerkraut und Bier?
Und gäbe es überhaupt ein vereintes Europa wie es heute aussieht?
Ist nicht überhaupt ein Zugegensein bei einem Ereignis schon ein Eingriff in das Zeit-Raum-Kontinuum?
„Die Raumzeit oder das Raum-Zeit-Kontinuum bezeichnet in der Relativitätstheorie die Vereinigung von Raum und Zeit in einer einheitlichen vierdimensionalen Struktur, in welcher die räumlichen und zeitlichen Koordinaten bei Transformationen in andere Bezugssysteme miteinander vermischt werden können.“ Wikipedia
Ok, soviel dazu. Ihr wisst schon was ich meine.
Wenn z.B. bei einem Fußballspiel vor 100 Zuschauern nur einer davon nicht da wäre, würde das Spiel anders ausgehen?
Vielleicht. Denn wenn dieser eine brüllt: „Hey, du Arschloch!“, dann könnte das gehört werden und den Gegner beeinflussen.
Geht das auch bei Tausend? Mag sein, wenn dieser eine ein Einpeitscher ist und immer wieder das Volk aufputscht.
Wir wissen aus realen Beispielen, dass Geisterspiele ohne Publikum selten brisant sind und sicherlich einer anderen Spannung unterliegen als solche vor 60 000!
Wenn jetzt einer von 60 000 nicht da ist, ist es dasselbe Spiel, das die einen persönlich sehen und er es sich aber im Radio anhört oder wäre es eventuell doch anders, wenn er zugegen wäre?
Also ehrlich, hier sagen bestimmt alle, soviel Einfluss hat der Einzelne nicht. Der Hoeneß hätte trotzdem 1976 den Ball in den Nachthimmel von Belgrad gejagt, auch wenn ich da gewesen wäre!
Und der FC Bayern hätte das Finale 1999 gegen Manchester trotzdem in 102 Sekunden am Ende verloren, auch wenn ich nicht da gewesen wäre! Ich war nämlich da!
Na klar!
Aber wenn ich z.B. nicht im Mai 1980 eine bestimmte Kneipe zu einer bestimmten Zeit aufgesucht hätte und die Dame, die ich dann dort kennen lernte, nicht dasselbe getan hätte, dann wäre mein Sohn heute nicht am Leben, dann hätte ich vielleicht eine ganz andere Frau oder wäre vielleicht an dem Abend vom Bus überfahren worden.
Und Ihr würdet dieses gar nicht lesen können!
Wenn so einiges anders gelaufen wäre, wenn man den und den Bus vielleicht eine Sequenz eher bekommen hätte, wenn die und die nicht gerade Schluss gemacht hätte mit dem und dem, der wiederum gerade die und die kennen gelernt hat?
Ja, wie sähe unser Leben aus, verdammt noch mal?!
Viele sagen: Dumm gelaufen, oder was?
Aber bei 60 000?
Es geht und es ist passiert: Da wirft ein Dödel ein zusammengeknülltes Stück Papier auf den Fußballplatz, dass er gerade noch bei einer sogenannten Fanchoreografie in die Luft gehalten hat und
Werder Bremen gewinnt das Spiel, weil ein Ball über dieses Hindernis rollt, verspringt und dadurch einen Eckstoß verursacht, der wiederum dieses Spiel entscheidet.
Der HSV wäre heute vielleicht ein UEFA-Cup Sieger, wenn dieser eine Mensch nicht anwesend gewesen wäre.
Der Verein würde im Geld schwimmen und junge Afrikaner aus dem Kral heraus verpflichten und das Leben derer und ihrer Angehöriger gehörig durcheinander bringen!
Und weiter geht’s: Dieses Papierknäuel wird nämlich später für einem guten Zweckbei ebay versteigert, hilft Armen und deren Angehörigen in Südamerika in der Not und lenkt andere Menschen in Europa von ihren eigentlichen Leben ab.
Dieses ersteigerte, von einem einzigen, unbekannten Menschen von 60 000 geworfene Stück Papier erscheint zu guter Letzt in einer Jahresendsendung in Deutschland und Millionen opfern vor dem Fernseher ihre kostbare Zeit mit Schauen anstatt z.B. neue Erdenbürger zu zeugen.
Wodurch z. B. ein Dorf ein Dorf bleibt und nicht den Stadtstatus erringt!
Und wenn mein Freund damals nicht nach Waterloo gewollt hätte sondern ins Paradies und Eva wäre bei seinem Anblick vor Schreck der Apfel aus der Hand gefallen, was dann?
Vielleicht hießen wir dann alle Meier?
Wer weiß?
In diesem Sinne
Uwe Modest
© „Loses Mundwerk“ Uwe Modest 2010