Rachsüchtig
Ihr Gesichtsausdruck war leblos und kalt, voller Hass und Schmerz. Mit kalten Fingern hielt sie das schwere, schnittige Messer in den Händen. Die Klinge blitzte im Licht der Straßenlaternen. Sie wollte Rache. Seine Rache. Deshalb war sie hier. Mit schnellen Schritten ging sie durch die schmalen, dunkeln Gassen von New York. Ihre roten, langen Haare flogen im Wind hin und her. Sie trug einen dicken, langen Parka, einen schwarzen Rock, eine Schwarze Strumpfhose und schwarze Stiefel. Ihre grasgrünen Augen waren schwarz umrandet. Während sie immer langsamer wurde, dachte sie nach. Wieso tat sie das? Warum war sie hier? Sollte sie besser wieder zurück ins Heim gehen, indem sie seit dem Tod ihres Bruders wohnt? NEIN! Sie war hasserfüllt. Alles war ins Detail geplant. Die letzten drei Wochen waren die schlimmsten ihres Lebens gewesen. Ständig dieser eine Gedanke der sie zum Lächeln brachte:
Sein Blut an ihrem Messer. „Er muss büßen, für das was er getan hatte“, dachte sie. Qualvoll würde sie ihn sterben lassen. Sie würde ihn am ganzen Körper zerschneiden und warten, bis er in seinem eigenen Blut ertrinkt. Rache war ihr einziger Gedanke. Zornfalten traten auf ihrer Stirn hervor. Stopp. Was war das? Sie vernahm das Geräusch einer Tür. Sie blickte sich um. Da erkannte sie ihn. „Ole“, wisperte sie leise. Der große, stämmige Mann, mit den schwarzen Haaren und dem weißen Jackett, den sie seit dem Tod ihres Bruders gesucht hatte. Der Mann, der Timothy in seiner eigenen Wohnung erschossen hatte. Er kam auf sie zu. Sie wusste, dass er stärker war, als sie. Ihn jetzt anzugreifen wäre ihr sicherer Tod. Sie musste sich überwinden. Den Plan konnte sie jetzt nicht mehr ändern. Zu lange hatte sie an ihm gearbeitet. Sie riss sich zusammen. Als er nur noch wenige Schritte von ihr entfern war, sagte sie mit tiefer Stimme: „Na, du.“ Er blieb stehen. „Kennen wir uns junge Frau?“ „ Nein, aber du musst bestimmt Ole sein.
Hab‘ gehört bei dir gibt es die besten Drogen überhaupt“, säuselte sie. Sie klimperte mit ihren langen, schwarzen Wimpern und fügte hinzu: „ Ich werde dich auch gut bezahlen.“ Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Natürlich, schöne Frau. Die Drogen sind aber nicht hier. Sie befinden sich in meinem Zimmer. Oben im Hotel. Hast du Zeit mitgebracht?“ „Klar doch“, zwinkerte sie. Gut. Er zog sie durch die Tür. Die Treppen des großen Hauses nach oben und rein in die erste Tür von links. „Da wären wir also. Mach es dir bequem und zieh schon mal deine Jacke aus.“ Ihr wurde schlecht von dem muffigen Geruch in seiner Wohnung. „Dieser Mistkerl“, dachte sie. Doch sie tat alles was er verlangte. „Hier, das beste Koks, dass es überhaupt gibt. Los. Nimm es“, drängt er. „ Du zuerst“, forderte sie. Er griff nach ihrer Hand und sah ihr tief in die Augen. „Halt dich zurück Nikki“, dachte sie. „Bald kannst du es tun. Bald ist er tot.“ Er kam immer näher und näher. „Jetzt“, flüsterte die Stimme in ihrem Kopf.
Blitzschnell sprang Nikki auf, griff in ihre Jacke und zog das Messer heraus. Er starrte sie entgeistert an. Sie bewegte sich für einen kleinen Moment nicht. Eintausend Gedanken und Bilder schossen ihr durch den Kopf. Sie sah die Gesichter ihrer verstorbenen Eltern vor sich. Die vorwurfsvollen Blicke ihrer Freunde, bei denen sie sich nicht mehr gemeldet hatte. Den Gerichtssaal indem ihr Bruder Timothy den Drogenboss Carlos verhaften ließ. Die Wohnung, in der Tim und sie gelebt hatten. Das Blut. Tim’s Blut. Überall. Sie hatte ihren toten Bruder gefunden. Getötet durch einen Kopfschuss. Sie hatte ihn verloren. Den einzigen Menschen, der ihr alles gegeben hatte. Den einzigen Menschen, den sie immer geliebt hatte. Die Polizei hatte ihr gesagt wer der Mörder war. Gefunden hatten sie ihn noch nicht .Nikki war ihnen immer einen Schritt voraus gewesen um Ole vor der Polizei zu finden und umzulegen. Sie erinnerte sich an all die schöne Zeit, die sie mit ihrem Bruder gehabt hatte.
An die schönen Momente. Eine Träne rollte ihre Wange herunter. Die schönen Bilder wurden plötzlich von einer Welle Blut wie weggewischt. Tim’s Blut, sie sah wieder ihren toten Bruder. Seinen leeren Gesichtsausdruck und seinen Mund, der zu ihr sagte: „Räche mich!“ Sie wusste er wollte, dass er dasselbe für sie tun würde. Ganz bestimmt. „ Nicht mal der Tod kann uns trennen, Brüderchen“, flüsterte sie und fügte dann lautschluchzend hinzu:„ Du hast mir alles genommen, was ich hatte.“. Er riss die Augen weit auf, als sie einen lauten Schrei ausstieß und zustach.